Bildungsungleichheit
Erläutern
sie und diskutieren Sie verschiedene soziologische Erklärungsansätze zum
Zusammenhang von Bildung und sozialer Ungleichheit.
Drei
Problemkontexte:
-soziale
Ungleichheit quantitativ in der Bildungsbeteiligung
-soziale
Ungleichheit qualitativ im Bildungsgeschehen
-soziale
Ungleichheit im Übergang vom Bildungs- in das Berufssystem
Die soziale Ungleichheit in der Bildungsbeteiligung
-Geschlecht
und Konfession unterschiede nivelliert.
-Stadt-Land-disparitäten
abnehmend.
-Kinder
und Jugendliche durch Bildungsreform insgesamt in mehr Bildungsprozesse
integriert. Ob durch Mehr an Beschulung auch schicht- und klassenspezifische
Ungleichheit reduziert wird darüber keine Einigkeit!
Erklärung
der Diskrepanz:
Zahl
der Kinder die weiterführende Schule besuchen ist gestiegen.
1955
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1970
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1995
|
Heute
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10%
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40%
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70%
|
65,4%
|
Mehrzahl
der deutschen Kinder und Jugendlichen heute wesentlicher besser ausgebildet!
Somit auch mehr Kinder aus Arbeiterfamilien.
17-18
jährige Anstieg Anteil Gymnasiasten durch Bildungsexpansion:
1976 1989 Steigerung
Arbeiterkinder
: 7,1% 11,8%
5% oder 2/3
Angestelltenkinder:
30,7% 40,0% 9% oder
1/3
Je
nach Deutung wird mehr Bildungsgewinn der Arbeiterkinder oder die Bildungsdifferenz
zwischen den Schichten betont!
Klassenspezifisch
soziale Ungleichheit ist vorhanden, fraglich ist nur ob es im Zeitablauf eine
Angleichung im Gymnasial- und Hochschulbesuch der verschiedenen sozialen
Schichten gegeben hat, die es wert ist als solche bezeichnet zu werden.
Bildungsarmut
zieht in der Regel finanzielle Armut nach sich ( und Umgekehrt).
Fehlende
Bildung beeinflusst:
-finanziellen
Situation
-Familienplanung
-politische
Interesse
-Lebenserwartung
Diejenigen
die in der Regel aufgrund ihrer familiären Situation- mit der gestiegenen
Bildungserwartung nicht mithalten können zu den Verlierern der
Bildungsreform-(„Kellerkinder der Bildungsexpansion“).
PISA-studie
machte deutlich dass nicht Leistung über den Besuch einer Hauptschule oder
einer Realschule entscheidet, sondern die soziale Herkunft:
Die
Chance eines Jugendlichen aus einem Facharbeiterhaushalt, ein Gymnasium statt
einer anderen Schulform zu besuchen, in etwa bei 3:17 - dagegen für
Jugendliche, die aus Familien der oberen Dienstklasse stammen bei 1:1.
Schule
gelingt es nicht Bildungsnachteile abzubauen sondern im Gegenteil wird in einem
kumulativen Prozess die Spirale von Leistung und Schicht verstärkt. Dies ist im
internationalen Vergleich für alle SchülerInnen von Nachteil, da fehlende
Fähigkeiten insbesondere in der Lesekompetenz, die Leistungen aller schmälern.
Eher deutet sich eine Tendenz an, dass bei einer Verminderung sozialer
Disparitäten auch das Gesamtniveau steigt, ohne dass in der Leistungsspitze
Einbußen zu verzeichnen wären.
Die Soziale Ungleichheit im Bildungsgeschehen unter besonderer
Berücksichtigung der Schule
Je nach Klasse unterschiedliche Sprachstile und Codes, die später
den schulischen Erfolg nachhaltig beeinflussen.
Kinder aus der Arbeiterklasse: restringierten
Code (auch „public language“ genannt)
Kurze apodiktische (unumstößlich geltende) Feststellungen sind
Sprachstil bestimmend. Sprachgebrauch der Jugendlichen setzt Kontextkenntnisse
(Zusammenhang) voraus. Emotionale Aspekte überwiegend, logische wenig betont.
Dieser Sprachstil entwickelte sich in den familiär und
nachbarschaftlich organisierten Arbeitervierteln. Kollektives Wissen wurde
vorausgesetzt, diskutiert wurden eher praktische Erfahrungen. Eine Sprache, die
Normen und Werte nicht expliziert sondern impliziert transportiert ist daher
ausreichend.
Explizites (auseinandergefaltetes) Wissen ist für jeden offen
und zugänglich (ohne große Mühe zb. Internet,Bücher, etc.)
Impliziertes (eingeschloßenes) Wissen ist verborgen in
Einzelnen.
Werden jedoch in der Schule Diskussionen abstrakte Gedanken,
Prozesse oder Beziehungen verhandelt scheitern Arbeiterkinder mit ihren
implizierten Sprachmustern.
Kinder aus der Mittelschicht entwickelten dagegen
einen elaborierten Code („formal language“).
Dieser Sprachstiel reflektiert die Bedeutung der Worte und das Kontextwissen
der Zuhörenden. Anpassung von Rede an die jeweilige Situation, gleichzeitig
können Prinzipien eloquent (sprachgewandt) erläutert werden. Es fällt ihnen
leichter zu verallgemeinern und abstrakte Gedanken werden von diesen Kindern
besser formuliert. Sie können sprachlich zwischen Logik, individuellen
Intentionen und Gefühlen differenzieren.
<Nach Bernstein liegt dies im Erziehungsstil der Mütter und
dem Kindern das eigene Erziehungsverhalten zu begründen. Akademische Ausbildung
basiert laut Bernstein auf einer vergleichbaren Begründungskultur.
Kinder aus der Mittelschicht können dies besser reproduzieren als Kinder der
Arbeiterklasse. Mittlerweile wird Bernsteins These der 2 kontrastierenden
Klassen jedoch erwiesener Maßen als zu einfach bewertet. Ein Kausalzusammenhang
zwischen Sprachcode und Schicht (eindeutig gegliedert in 2 Klassen) konnte in
empirischen Folgeuntersuchungen nicht überzeugend nachgewiesen werden.
Unterschiedliche Sprachkulturen nach Klassen und Milieus sind jedoch vorhanden
- und treffen aufgrund der eigenen sozialen Herkunft der (mehrheitlich aus der
Mittelschicht kommenden) Lehrer auf unterschiedliche Akzeptanz und Verständnis.
Die Kultur einer Schule wird durch das schichtspezifisches Berufsverständnis,
Gesellschaftsbild und Sozialisationsvorstellungen der Lehrer maßgeblich
beeinflusst.
Migration & Sprache:
Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss stammen doppelt so häufig
aus Migrantenfamilien. In der PISA Studie wurde deutlich das die
Sprachkompetenz die entscheidende Schwierigkeit für Kinder aus
Migrationsfamilien (im deutschen Bildungssystem) darstellt. So wurde auch schon
überlegt ob zum Beispiel der islamische Religionsunterricht in Deutsch oder
Türkisch abgehalten werden soll.
Die einen betonen die Unvermeidbarkeit der kompetenten Anwendung
der deutschen Sprache für den Bildungserfolg, andere befürworten die Förderung
der Herkunftssprache. Unter dem Begriff „Ebonics“ wird in den USA über die
Akzeptanz verschiedener Varianten der englischen Sprache diskutiert, wonach
Schülern die bestimmten Vierteln (vorwiegend schwarze Bevölkerungsgruppen)
entstammen ihr eigener regelgeleiteter Sprachstil nicht mehr als falsches
Englisch abgewertet wird. Es wird sogar über die Etablierung von „Ebonics“ als
eigenständiges Schulfach nachgedacht.
Paul Willis „Ethnographie der Gegenschulkultur der weißen
männlichen Arbeiterjugend.“ (1972 – 1975) Untersuchungen von
Jugendlichen aus der Arbeiterklasse zeigten das sie mit dem Wiederstand gegen
das Autoritätssystem der Schule sich selbst in die Lage bringen, ohne
Schulabschluss die Schule zu verlassen und somit - wie ihre Eltern –
unqualifizierte, schlecht bezahlte Jobs annehmen zu müssen. Also Wiederstand
der zur Anpassung führt. Der Schule gelingt es also nicht Klassenspezifische
Ungleichheiten an Lebenschancen und Zugang zu Ressourcen aufzuheben. Trotz
Schulbeteiligung reproduzieren die Jugendlichen ihre Klassenlage. Diese
Rebellion gegen die Schule ist laut Willis nicht auf Mangel an Intelligenz oder
Hilflosigkeit der Jugendlichen zurückzuführen sondern als
bewusster Kampf gegen die für sie als fremd und diskriminierend empfundene
Kultur.
Klasse; Geschlecht, Ethnizität
Schulische Belastungen (durch Klassenwiederholung,
Versetzungsgefährdung, Nichtaufnahme an der Wunschschule, Nachhilfeunterricht
und Schulwechsel) treten häufiger bei Kindern aus Familien mit niedrigen
sozialen Status auf.
Treffen die „negativen„ Faktoren von Klasse und Geschlecht
zusammen kommt es zu einer Verschärfung der Probleme.
Mädchen und Arbeiterkinder haben größere Schwierigkeiten mit dem
über Bildung vermittelten sozialen Aufstieg. Erhöhter Leistungsdruck,
Selbstzweifel oder Wut gegen die diskriminierenden Anderen, zu denen man gar
nicht gehören möchte belasten diese. Jungen aus unterprivilegierten
Einwandererfamilien haben ein besonders großes Risiko ohne Abschluss die Schule
zu verlassen.
Heimlicher Lehrplan:
In den Schulen werden geschlechtsspezifische
Sozialisationsprozesse durchlaufen in denen Wissen über das als angemessen
geltendes geschlechtsspezifisches Handeln angeeignet wird. Selbstorientierung
entsprechend der Zweigeschlechtlichkeit. Mädchen lernen schleichend ihre
geschlechtsspezifische Position einzunehmen. Trotz des schulischen Erfolges von
Mädchen wird deren Leistung durch geschlechtsspezifische Fachpräferenzen
abgewertet und sorgt somit für ein negativeres Selbstbild bei Mädchen.
Naturwissenschaftliche und technische Fächer die meist von jungen favorisiert
werden gelten als „schwere Fächer“ wogegen Geisteswissenschaften und Sprachen
in den Mädchen mehrheitlich ihre Kompetenzen entwickeln als „einfachere,
weichere oder Redefächer“ gelten.
Schulische Lehr- und Lernformen verstärken offensichtlich
geschlechtsspezifisch angeeignete Kompetenzentwicklung statt diese
auszugleichen. Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Lernvoraussetzungen und
Zugangsweisen finden im Unterricht keine Berücksichtigung. Mädchen haben meist
weniger privaten Zugang zu Computern, weniger technische Vorkenntnisse und ein
anderes Interesse auf Computerarbeit. Im Informatikunterricht herrscht ein an
Jungen orientiertes didaktisches Konzept vor. Weibliche „Computerfreaks“ müssen
ihr Geschlecht neutralisieren um als Kompetenz anerkannt zu werden und
gleichzeitig als Mädchen erkennbar bleiben. Mädchen wirken im
Computerunterricht häufig nur als Zuschauer oder Zuarbeiter. Obwohl sich in
Computerorientierten und naturwissenschaftlichen Fächern an den Interessenlagen
der Jungen orientiert werden zum Beispiel in Deutsch oder Fremdsprachen keine
Mädcheninteressen berücksichtigt. Mädchen die eine Mädchenschule besuchten
haben bessere Zugangsweisen in mathematisch-naturwissenschaftlichen und
technischen Fächern und können sich somit besser für ein Studium in diesen
Bereichen Qualifizieren.
Sozialkonstruktivistisch geht man davon aus dass mit der Pubertät
die bis dahin noch gleichbleibenden Leistungen sich durch geschlechtsspezifische
Kompetenzen teilen. Geschlecht soll durch angemessenes verhalten (Gemäß den
gesellschaftlichen Erwartungen) ausgedrückt werden. Mädchen identifizieren sich
mit vermeintlich weiblichen Kompetenzen und lehnen alles Männliche ab. Jungen
lehnen weiblich assoziierte Handlungsweisen ab. So verschlechtern sich bei
Mädchen die Leistungen in Tests die mit Mathematik assoziiert werden.
Durch schulische Interaktionsprozesse lernen Mädchen durch braves
und hilfsbereites Verhalten nicht sich zur Wehr zu setzen. Es fehlt ihnen an
verbaler Durchsetzungskraft und so geben sich Mädchen häufiger mit Noten
einverstanden als Jungen. Auch körperlichen Angriffen sind Mädchen im Nachteil,
sie werden von anderen und sich selbst als schwach und schutzbedürftig wahrgenommen.
Dies führt jedoch nicht dazu dass sie von Jungen vor Gewalt geschützt werden
sondern prädestiniert sie zum Objekt für Gewalt. Jungen lernen Aggressivität
und Gewaltbereitschaft als Teil männlicher Identität wahrzunehmen. Jungen
neigen stärker zu individualistischen und aggressiven Orientierungen und
reagieren auf strukturelle Ungerechtigkeiten mit Verantwortungsabwehr. Die
einseitige Sozialisation führt zu weniger sozialem Kompetenzerwerb und macht
sie in sozialen Beziehungen von Frauen abhängig.
Soziale Zuständigkeiten und Eigenschaften nach Geschlecht:
In der Schulbuch- und Medienanalyse wurde bemängelt das Frauen und
Mädchen seltener in Bildern und Texten als Jungen und Männer repräsentiert
werden. Frauen wird die Rolle der Hausfrau und Mutter zugeteilt, Darstellungen
berufstätiger Frauen beschränken sich auf sorgende und pflegende Berufe.
Dargestellte Frauen verfügen über geringere Entscheidungskompetenzen und
materielle Ressourcen als die dargestellten Männer. Bereits Kinder werden mit
scheinbar typischen geschlechtsspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen
dargestellt, Mädchen als lieb und sorgend, Jungen als aggressiv und
durchsetzungsfähig.
Die soziale Ungleichheit im Spannungsverhältnis von Arbeit und
Bildung
Die Verlagerung der Selektion in das
Beschäftigungssystem ist die unbeabsichtigte Folge der Bildungsreform der
1970er Jahre. Notwendige Voraussetzungen wie Zeugnisse reichen als notwendige
Voraussetzung nicht allein aus, um sich im Beruf/ Berufsstart zu etablieren.
Die Klassenrelation bleibt erhalten ( HochschulabsolventInnen beziehen höheres
Gehalt als Arbeitnehmer mit niedrigeren Bildungs-Abschlüssen.
Sehr unterschiedlich ist jedoch die
Bezahlung innerhalb der jeweiligen Arbeitsgruppe. Gleiche Qualifikation
bedeutet nicht gleich große Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder gleiche Bezahlung
für gleiche Arbeit. Besonders bei der Unterscheidung nach Geschlecht wird dies
merkbar. Zu beginn des 20. Jh. stimmten meist die Qualifikation und die
Entlohnung nach Geschlecht überein. Heute jedoch da häufig Frauen bessere
Qualifikationen als Männer besitzen, jedoch immer noch schlechter bezahlt und
deutlich häufiger Führungspositionen durch Männer besetzt werden, gibt es ein
Ungleichgewicht. Verantwortlich dafür ist einerseits die unterschiedliche
Wertschätzung von (typischen Männer/ Frauen-)Berufen, zum anderen an direkter
Diskriminierung gegenüber der Rollenverteilung und der "minderen"
Arbeitskraft von Frauen als solches.
In "Frauenberufen"
(Grundschullehrerin) gibt es kaum Aufstiegschancen, nur geringe
Verdienstmöglichkeiten und das Qualifikationsprofil ist zwischen beruflicher
und "Leienqualifikation" angesiedelt.
Geschlechtswechsel eines Berufes zeigt
gut wie Männer- uns Frauenberufe konstruiert wurden.( Bsp.:Setzerin)
Bildung wird dazu eingesetzt um Berufe
abzuwerten.Häufige von Frauen ausgeführte Berufe entstehen häufiger durch reine
schulische Ausbildung die zu dem meist noch selbst finanziert werden muss.
Geschlechtsuntypische Berufe erscheinen
Mädchen häufig zu risikoreich und sie fühlen sich auch durch Aussenstehende
bestätigt nicht Qualifiert genug zu sein.
Die größtmögliche Chance auf einen
Berufseinstieg mit dem geringsten Risiko wird deshalb vorgezogen.