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Fachbereichsarbeit
Deutsch

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - CAU

2014, Elmentaler, 2

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ID# 73699







Christian Albrechts Universität zu

Philosophische Fakultät

Germanistisches Seminar/ Niederdeutsche Abteilung

WS 13/14

Masterseminar: Niederdeutsche Sprachgeschichte ab 1600

Leitung: Prof. Dr.


Die soziale Funktionalisierung des Hochdeutschen und des Niederdeutschen in Johann Rists Drama „Irenaromachia“ und dessen Zwischenspiel.


Vorgelegt von:

,

3247

Studienfächer: Deutsch/ Geschichte 3. Mastersemester


Inhaltsverzeichnis:


I Einleitung 2

II Hauptteil: Johann Rist, sein Drama Irenaromachia und das Zwischenspiel Bawren Auffzug 3

1. Der Wechsel vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen in Schriftsprache und gesprochener Sprache 3

2. Das niederdeutsche Zwischenspiel und seine Sprache 5

3. Johann Rist als niederdeutscher Dramatiker 8

4. Rists Irenaromachia 9

4.1 Inhalt des Dramas und Zusammenhang zum Zwischenspiel 9

4.2 Inhalt und Bewertung des Zwischenspiels 10

4.3 Funktionalisierung der Sprache 12

5. Mögliche Didaktisierung 19

III Schlussbetrachtung 20

IV Literaturverzeichnis 21


I Einleitung

Die Dramen Johann Rists stehen inhaltlich immer im Kontext des dreißigjährigen Krieges und zeigen die damaligen Verhältnisse in Deutschland auf. Neben den Verhältnissen, die eindeutig dem Krieg geschuldet sind, verweist Rist mit seinen Stücken jedoch auch immer wieder auf den damals gegenwärtigen Sprachzustand in Deutschland, also dem Verhältnis des Hochdeutschen und des Niederdeutschen.

In Rists Dramen tauchen neben den größtenteils hochdeutsch sprechenden Figuren auch niederdeutsch sprechende Figuren auf, was meist Bauern, Knechte und andere Personen des unteren Standes sind. Die Zwischenspiele in den Dramen Rist sowie bei fast allen zeitgenössischen Autoren, beschäftigen sich hauptsächlich mit dieser unteren Schicht und sind so auf niederdeutsch; nur vereinzelnd tauchen hochdeutsch sprechende Figuren auf.

Sprachhistorische Untersuchungen bestätigen zwar, dass die Menschen im ländlichen Milieu nach der Verdrängung des Niederdeutschen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch lange weiter niederdeutsch gesprochen haben, trotzdem stellt sich die Frage, zu welchem Zweck das Niederdeutsche in hochdeutsche Barockdramen eingeflochten wurde.

Diese soziolinguistische Untersuchung des Dramas Irenaromachia von Johann Rist fragt nach der sozialen Funktionalisierung des Niederdeutschen sowie des Hochdeutschen.

Es stellt sich die Frage, ob das Niederdeutsche, der belustigenden Funktion des Zwischenspiels entsprechend, immer auch eine komische Wirkung auf das Publikum haben sollte. Kann es nicht vielmehr sein, dass es in Rists Drama Irenaromachia und dessen Zwischenspiel einfach eine realistische Abbildung nun mal niederdeutschsprechender Personen ist? Um diese Frage zu beantworten muss herausgefunden werden, ob Rist überall dort, wo das Niederdeutsche verwendet wird, gezielt durch die Sprache auf die Grobheit der Bauern verweist.

Außerdem stellt sich im soziolinguistischen Kontext auch die Frage, ob es auch innerhalb der Gruppe der Hochdeutsch- und Niederdeutschsprecher soziale Abstufungen vorhanden sind.

Die Forschung betont, dass gerade das Zwischenspiel in diesem Drama nicht typisch für die Barockdramen sei. Typisch ist es nämlich, mit den Zwischenspielen vornehmlich den Zweck der Belustigung zu verfolgen. Verfolgt Rist hier hauptsächlich das Ziel der realistischen Abbildung der Zeit?

Rist dramatisches Schaffen wurde vor allem von Gaedertz, Floerke, Heins, Jansen und Schletter erforscht, wobei sich Schletter und Jansen vornehmlich auf die Dramen Friedewünschendes Teutschland und Friedejauchtzendes Teutschland beschränken und somit hier außer Acht gelassen werden können. In der Forschungsliteratur fehlt eine tiefere Auseinandersetzung mit den Sprachverhältnissen in diesem Drama.

Auch Lasch beschäftigt sich in ihrem Aufsatz zu den niederdeutschen Zwischenspielen in viel größeren Anteilen mit den späteren Dramen Rists, weil diese offensichtlich quantitativ mehr Auffälligkeiten bieten.

Nachdem in dieser Arbeit kurz aufgegriffen wird, was ein Zwischenspiel ist, und geklärt wird, wie es überhaupt sprachhistorisch zustande kommt, dass Niederdeutsch und Hochdeutsch nebeneinander in der Literatur existieren, wird auf Johann Rist und sein Drama Irenaromachia eingegangen. Nach einer kurzen inhaltlichen Wiedergabe des Dramas folgt die Analyse der Sprache, wo der Frage der sozialen Funktionalisierung nachgegangen wird.


II Hauptteil: Johann Rist, sein Drama Irenaromachia und das Zwischenspiel Bawren Auffzug


1. Der Wechsel vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen in Schriftsprache und gesprochener Sprache

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzieht sich ein Sprachenwechsel, in welchem das Niederdeutsche allmählich vom Hochdeutschen verdrängt wird. „Neben dem bis dahin herrschenden Niederdeutschen wird im offiziellen Schriftverkehr der norddeutschen Städte, zögernd zunächst, aber in zunehmendem Maße das Hochdeutsche ostmitteldeutscher Prägung verwendet.“1

Der Prozess der Ablösung vom Niederdeutschen beginnt im Südosten des Sprachgebiets und erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts folgen die nördlichen Städte wie Hamburg, Lübeck und Rostock, bis um 1650 in den letzten städtischen Gebieten die niederdeutsche Schreibtradition verdrängt ist.2 Neben diesem zeitlich geographisch gestaffelten Verdrängungsprozess des Niederdeutschen lässt sich außerdem eine soziale Besonderheit im Gebrauch des Niederdeutschen feststellen.

Denn für den Großteil der Bevölkerung bleibt weiterhin lange Zeit das Niederdeutsche das Medium der gesprochenen sowie geschriebenen Sprache im Alltag, während sich der Schriftsprachenwechsel lange nur auf die Oberschicht beschränkt.3

Gründe für den Wechsel der Schriftsprache gibt es vielfältige, die auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen der Zeit zurückzuführen sind. Als den Hauptgrund nennt Sanders „die innere Einstellung, und zwar die Einstellung der kulturell maßgebenden Oberschicht, gegenüber dieser Sprache das Niederdeutsche, bzw. den damals konkurrierenden Sprachen .4, und meint damit die Missachtung des muttersprachlichen Niederdeutschen, das zunehmend als kulturell minderwertig gilt, während das Hochdeutsche als Sprache der Gebildeten besonders wertgeschätzt wird.5 Die Oberschicht nutzt das Hochdeutsche zur kulturellen und sprachlichen Abgrenzung von der „ungebildeten“ niederdeutsch sprechenden Unterschicht.6 „Die Unfähigkeit hochdeutsch zu verstehen und zu sprechen begann als bäurisch zu gelten.“7 Auf diesen sprachlichen und ständischen Gegensatz beruht der Abwertungsprozess sowie der Niedergang bzw.

Verfall des Niederdeutschen und führt sich fort.8

Ein weiterer Grund für den sprachlichen Ablöseprozess ist der parallel verlaufende Rückgang des hansischen Handels. Die Hansekaufleute haben vermehrt mit der wachsenden Konkurrenz englischer und niederländischer Handelsgesellschaften im eigenen Wirtschaftsraum zu kämpfen, während ihnen außerdem in Russland, Skandinavien und England Handelsprivilegien gekündigt wurden.

Im öffentlichen Schriftverkehr der Kanzleien und im Urkundenwesen verläuft die Übernahme des Hochdeutschen relativ schnell. Die Zeitspanne zwischen den ersten hochdeutschen und letzten niederdeutschen Urkunden liegt durchschnittlich bei 25 bis 30 Jahren.10 Kirchliche Texte, Lieder, Gebete und Predigten, also Texte, die für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt waren, wurden verzögert auf das Hochdeutsche umgestellt, was auch für Schulbücher gilt, die seit Anfang des 17. Jahrhunderts ausschließlich auf hochdeutsch erscheinen.11

Für die mittelniederdeutsche Schriftsprache lässt sich festhalten, dass das offiziell geschriebene Mittelniederdeutsch um 1600 tot ist und es ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer allgemeinen kulturellen Umorientierung auf das Hochdeutsche kommt.12 Es ergibt sich nach 1600 ein Sprachzustand in Norddeutschland, in welchem das Hochdeutsche als Schrift- und zunehmend auch als Amtssprache sowie als Umgangssprache der Oberschicht gilt, wobei die gesprochene Mundart des Niederdeutschen in ihrer Vielzahl und Vielfalt weiter existiert.13 Das schriftliche Niederdeutsch findet am Ende des Sprachenwechsels allenfalls noch als Literatursprache Gebrauch14, wie zum Beispiel „in den mundartlichen Zwischenspielen hochdeutscher Barockdramen des norddeutschen Raums und Spielen ähnlichen Genres“15 sowie in meist kurzen Gelegenheitsgedichten.


2. Das niederdeutsche Zwischenspiel und seine Sprache

Zwischenspiele sind niederdeutsche Anteile bzw. Zwischenszenen im Rahmen hochdeutscher Barockdichtung, welche meistens inhaltlich wenig mit der Haupthandlung in Verbindung stehen, sondern oft als Kontrast zur ihr dienen sollen.16

Von den jeweiligen Textproduzenten ist demnach mit einer niederdeutschen Lesekompetenz des Publikums aus allen Schichten gerechnet worden.17

Die Protagonisten der Haupthandlung sind zumeist „hochgestellte und natürlich hochdeutsch redende Persönlichkeiten“18, während es in den Zwischenspielen in der Regel um den Unterschied zwischen einfachen niederdeutsch sprechenden Bauern, Knechten oder anderen Personen aus niederen Ständen aus dem dörflichen Milieu und Städtern geht, die hochdeutsch sprechen.

Die Verwendung des Niederdeutschen als Sprache der unteren Schicht muss vor dem Hintergrund der allgemeinen Klassifizierung der Mundart im 17. Jahrhundert gedeutet werden. Wilhelm Seelmann stellt hierzu fest, dass die „feinheit der städtischen Bildung durch recht schwarz gemalte rohheit der Bauern“19 hervorgehoben wurde. Diese Bewertung der niederdeutschen Sprache durch die zeitgenössischen Autoren, findet einen deutlichen Ausdruck in Johannes Rists „Vorbericht“ zu seinem Stück „Das Friedejauchtzende Teutschland“ von 1653, in dem er zum Niederdeutschen in der Gattung der Zwischenspiele folgendes äußert:

Wolfgang Stammler beschreibt die Verwendung des Niederdeutschen und ihren Zweck in der sonst hochdeutschen Literatur wie folgt:

Die komischen Gestalten hochdeutscher Dramen mußten sich des Volksdialektes bedienen, dessen derbe und possenhafte Elemente geflissentlich hervorgekehrt wurden, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. . Man glaubte, daß sie nur noch für komische Zwecke verwendbar sein könnte; kurz, es ging damals den Niedersachsen wie heute den Obersachsen auf der Bühne: sobald er den Mund auftut, lacht das Publikum.“21

Nach Schröder werden Dialekte und speziell das Niederdeutsche auch heute noch im Allgemeinen mit dem Bereich des Humorvollen und Heiteren konnotiert, weshalb dort, wo ein Dialekt anklingt, Humorvolles erwartet wird. Dies begründet Schröder damit, dass eine informelle Sprache wie das Niederdeutsche im Gegensatz zu einer formellen Sprache, die Distanz und Höflichkeit vermittelt, eher in den heiteren Kontext gebracht wird, weil sie einen zwangloseren Charakter hat.22

Sowohl Lasch als auch Sanders sehen dieses Klischee der immer derb-komischen Paurspiele23 (Bauernspiele), wie sie zeitgenössisch genannt wurden, nur teilweise bestätigt.24Die niederdeutsche Sprache hat dabei nach Lasch mindestens zwei ausschlaggebende Funktionen: Nach dem Wunsch zu amüsieren, stehe das Bestreben ein realistisches Bild zu zeichnen.25 Die Sprache der unteren Bevölkerungsschichten, so Sanders, sei damals eben das Niederdeutsche gewesen, so dass ihr Mundartsprechen nur die Wirklichkeit widerspiegle.26 Dieser Standpunkt spiegelt sich auch in Rists oben aufgeführten Ausführungen zur Sprache in den Zwischenspielen wider, auch wenn er anschließend eher abfällig von der Bauernsprache berichtet.

Lasch erkennt den Realismus der Sprache in den Zwischenspielen außerdem darin, dass je nach sozialem Stand und Sprachgebiet Unterschiede im Niederdeutsch der Figuren gemacht werden.27

Die komischen Zwischenspiele leben von der Übertreibung. Die Verfasser der Stücke formen das bäurische Niederdeutsch um, um es derber wirken zu lassen und die Eigentümlichkeit der Sprache sowie der Sprecher für die Zuschauer noch zu verstärken.29 Außerdem erzielen die Zwischenspiele ihre komische Wirkung durch die Übertreibung „all dessen ., was der Städter dem Bauern zuschrieb: Dummheit, Rohheit, Unflätigkeit.“30

Laut Lasch sei aber besonders Johann Rist, der Verfasser des hier behandelten Dramas Irenaromachia, ein Autor, bei welchem durch seine Zeitschilderungen und der Betonung des realistischen Moments auch in belustigenden Stücken Ernst durchklinge.31 Rist selbst betont in seiner Vorrede zum Drama Perseus, dass die Verwendung der Mundart nicht als Mittel zur Erzielung komischer Wirkung dienen solle, er habe nicht „dieses oder jenen Landes sitten, gebräuche, sprache vnd geberde dadurch auffziehen oder verspotten wollen.“32

Gaedertz schreibt zu Rists Realitätsnähe folgendes:

„Rist gibt zugleich ein treues und klares Bild der schrecklichen Zustände und Zerrüttungen, welche in allen Schichten des Volkes herrschten. Und wie er mit Absicht die Bauern niederdeutsch reden lässt, so bedient er sich auch naturgemäss der Prosa; er will ja in erster Linie weder künstlerische noch aesthetische Wirkung erzielen, sondern seinen Zeitgenossen einen Spiegel vorhalten, in welchem sie die politische und sociale moralische Verworrenheit und Verworfenheit ihrer Tage erblicken können.

Lasch findet im Bezug auf die niederdeutsche Sprache, die Rist in seinen Werken verwendet, außerdem heraus, dass sie jeweils eine andere niederdeutsche Färbung habe, also nicht einheitlich sei.34 Gaedertz und Heins ordnen das von Rist verwendete Niederdeutsch dem Holsteiner Dialekt zu.35

Betrachtet man Rists Aussagen aus den oben aufgeführten Vorreden, so lässt sich einerseits erkennen, dass er als Autor von Schauspielen und Zwischenspielen den Anspruch hatte die Realität des Krieges so nah wie möglich abzubilden, aber den Zuschauern auch vor allem durch die Zwischenspiele, die ja gerade darin ihren eigentlichen Zweck haben, Belustigung zu liefern.

Also verfolgt er beide, von Lasch aufgeführten, Zwecke der Verwendung des Niederdeutschen, legt jedoch, vielleicht mehr als andere zeitgenössische Autoren, Wert darauf die Niederdeutschsprecher nicht vollends zu verspotten.


3. Johann Rist als niederdeutscher Dramatiker

Johann Rist war Pastor und Dichter. Er ist 1607 in Ottensen bei Hamburg geboren worden, wo sein Vater Pastor war und starb 1667 in Wedel. Sein frühestes bekanntes Drama „Irenaromachia“ verfasste Rist während seiner Studienzeit zusammen mit seinem Studienfreund Ernst Stapel, welches beide zusammen 1630 in Hamburg auf die Bühne brachten.36

Reichelt schreibt Johann Rist eine bedeutende Stellung in der norddeutschen Literatur des Frühbarocks zu und erkennt diese in mehreren Bereichen:

„ . als entschiedener Vertreter der Opitzschen Dichtungsreform, der sich gänzlich vom Neulatein löst, als Stückeschreiber für das Hamburger Theater, als Mittelpunkt des literarischen Lebens im Raum zwischen Glückstadt und Hamburg und als Anreger der Hamburger Liedschule. Seine Schriften sind außerdem wichtige Quellen für die Kulturgeschichte des norddeutschen Raumes um die Mitte des 17. Jahrhunderts.“38

Rist veröffentlichte zwölf Lyriksammlungen und dreißig Dramen, von denen nur vier (Irenaromachia, Perseus, Friedewünschendes Teutschland und Friedejauchtzendes Teutschland) überliefert sind und zählt damit zu den produktivsten Dichtern des Barock. Er verfasste sowohl geistliche Lieder als auch weltliche Lyrik.39

Den Hauptgegenstand seines dramatischen Schaffens bildet die Zeit des dreißigjährigen Krieges.

Heins betont in seinen Ausführungen zu Rists Dramen, dass dessen Zwischenspiele von den sonst oberflächlichen Unterhaltungen mit nichtssagendem Inhalt weit entfernt seien und mit frischem, in der Gegenwart wurzelndem Leben erfüllt seien. Menschenkenntnis und Verständnis für die niedersächsische Eigenwelt seien das, was Rist mit seinen Zwischenspielen zu dem bedeutendsten niederdeutschen Dramatiker seiner Zeit mache.40

Das Drama besteht aus drei Akten und zwei Zwischenspielen. Im ersten Akt43 beratschlagt Jupiter sich mit anderen Göttern, was angesichts der Kriege und den damit einhergehenden Gräueltaten der Menschen auf der Erde zu tun sei, da vor allem auch die Künste und die Wissenschaft unter dem Krieg leiden. Es steht die Frage im Raum, ob er die Deutschen zur Strafe vernichtet oder es weiter mit Güte versuchen soll.

Neben den Göttern, die sie für die Vernichtung und welchen, die sich für ein Erbarmen aussprechen, bitten Neptun und Apollo darum den Mittelweg zu wählen und die Deutschen zu begnadigen, wenn sie ihre Sünden bereuen, und so Irene, die Friedensgöttin, auf die Erde zu schicken. Jupiter lässt Irene herbeiholen, die entsetzt ist, als sie erfährt, dass sie wieder nach Deutschland gehen soll.

Trotzdem bleibt Jupiter bei seinem Entschluss und sendet die Friedensgöttin nach Deutschland.

Im zweiten Akt44, auf der Erde angekommen, ist Irene auf der Suche nach Menschen. Diogenes berichtet ihr von den Zuständen in Deutschland und sagt ihr, dass sie hier, wenn überhaupt, nur „halbe Menschen“ antreffe. Schließlich trifft Irene einen niederdeutsch sprechenden Bauern, den sie darum bittet, bei ihm wohnen zu können. Als der Bauer sie jedoch als den Frieden erkennt, will er nichts von ihr wissen, weil er im Krieg unbesorgt lebe.

Irene trifft auf Mars, mit dem sie sich streitet, bis Mars schließlich handgreiflich wird. Daraufhin beschwert sich Irene bei Jupiter über Mars.

Im dritten Akt45 wird durch einen Richterspruch bestimmt, dass Mars in Ketten gelegt wird und Irene die Schlüssel bewahren soll.

In Irenaromachia bezieht sich die Haupthandlung auf den Krieg, dessen Folgen auf den Dörfern im Zwischenspiel gezeigt werden, was bedeutet, dass sich hier beides aufeinander bezieht, was für Dramen und ihre Zwischenspiele im Barock nicht üblich ist.46


4.2 Inhalt und Bewertung des Zwischenspiels

Floerke bewertet das in Prosa geschriebene47 Zwischenspiel in Irenaromachia als eine „lebendige Illustration zu den Schilderungen des eigentlichen Stückes und es ist ein kleines Meisterwerk in seiner Art.“48

Im Zwischenspiel bzw. Bawren Auffzug49 beklagt sich der Bauer Meves im Dorfkrug trinkend über die Soldaten, welche bei ihm einquartiert waren und ihm fast alle Vorräte sowie vieles, was er besaß, genommen haben. Als Meves im Dorfkrug sitzt, erscheint ein Quartiermeister, der neue Lebensmittel für die Soldaten fordert, was Meves wütend macht, woraufhin er das gesamte Dorf zusammenruft.

Als er davonläuft, droht er den Bauern jedoch Rache an, was es sie bereuen lässt, ihn nicht getötet zu haben. Die Bauern verabreden ein Treffen im Dorfkrug, um dort ihren Erfolg zu feiern und die Beute zu teilen.

Im zweiten Teil des Zwischenspiels50 wollen Sivert und Meves die Beute aufteilen. Sie schicken Joistken, Siverts Sohn, zu Marten, der mit der Beute in den Dorfkrug kommen soll. Währenddessen kommt Jäckel ins Wirtshaus und feilscht mit den Bauern um die erbeuteten Stiefel. Parallel entfacht sich im Dorfkrug ein Streit zwischen dem Wirt und Sivert um dessen Zechschulden.

Jäckel wird schließlich beauftragt die Beute zu teilen, wobei er versucht sich über die Bauern lustig zu machen, wofür er Prügel einstecken muss. Nachdem die Bauern die Beute geteilt haben, beginnen sie viel zu trinken, woraufhin sich ein erneuter Streit zwischen dem Wirt und Sivert ergibt. Siverts Frau Plonnie erscheint, die Sivert mit nach Hause nehmen möchte, was ihr jedoch misslingt.

Plötzlich erscheint der Quartiermeister, den Jäckel aus Rache an den Bauern herbeigerufen hat, mit drei Leibwächtern und lässt die Bauern gefangen nehmen. Sivert versucht sich auf Kosten seiner Freunde aus der Gefangenschaft herauszureden. Jäckel beaufsichtigt die Gefangenen, während der Quartiermeister zum Prozess geht. Die Bauern versuchen ihn zu bestechen, was Jäckel veranlasst sie sich gegenseitig überbieten zu lassen, wobei Jäckel Sivert, der sich selbst sehr schlau vorkommt, um eine beträchtliche Summe bringt.

Im Bezug zu den anderen Zwischenspielen Rists stellt Heins fest, dass sie alle eine ernste und realistische Tendenz hätten.51 Die Rist-Forschung bewertet dieses Zwischenspiel allgemein als sehr gut gelungen und sich abgrenzend zu Zwischenspielen anderer Autoren, aber auch zu anderen Zwischenspielen Rists, was zum Beispiel sowohl Gaedertz als auch Floerke vermuten lassen, dass Ernst Stapel in großen Teilen an diesem Zwischenspiel beteiligt war.52

Gaedertz trennt dieses Zwischenspiel scharf von den anderen Zwischenspielen Rists. Während die anderen Zwischenspiele alle ausgesprochen belehrend oder belustigend gestaltet seien, sei das Zwischenspiel der Irenaromachia dagegen sehr schlicht, ohne jede Nebenabsicht, ein Vorfall aus dem Bauernleben jener Zeit herausgegriffen und dramatisiert, es würde das Treiben der Bauern und Soldaten geschildert, wie es eben sei.

An Belustigung sei nur das eingefügt, was das Leben so mit sich bringe.53

Auch Heins hebt den „Bawren- Auffzug“ aus Irenaromachia als besondere Leistung Rists hervor, indem er schreibt, dass dieser Aufzug alle anderen Zwischenspiele Rists an Geschlossenheit und Ungezwungenheit, vor allem durch die Darstellung des unverfälscht derben Alltags, überrage.54


Auch wenn Heins und Gaedertz feststellen, dass Rist in diesem Zwischenspiel den dörflichen Alltag unverfälscht und realistisch darstellt, stellt sich die Frage, ob in der verwendeten niederdeutschen Sprache linguistische Auffälligkeiten auftreten, die beweisen, dass Rist in der Sprache der Bauern von der eigentlichen mittelniederdeutschen Schriftsprache abweicht und mundartliche Formen nutzt.

Solange Rist die Mundart nur abbildet und nicht verfälscht, widerspräche dies keinesfalls den Feststellungen Heins und Gaedertzs, jedoch würde es bedeuten, dass Rist die natürliche Grobheit der Bauernsprache unterstreicht.

Doch zunächst soll der Vollständigkeit halber kurz auf eine weitere sprachliche Auffälligkeit des Dramas eingegangen werden; nämlich auf die zwei fremdsprachlichen Figuren Anglus und Hispanus.


4.3.1 Die Sprache des Engländers und Spaniers

In Akt zwei trifft Irene auf einen Engländer (Anglus), einen Spanier (Hispanus) und einen Deutschen (Germanus), die einen Franzosen suchen, den sie hassen und töten wollen. Dieses Gespräch enthält Auffälligkeiten in den Redeanteilen der fremdsprachigen Figuren.


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