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Seminararbeit / Hausarbeit

Die protestantische Ethik nach Weber

5.765 / ~23 sternsternsternsternstern Gregor G. . 2018
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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Technische Universität Braunschweig - TU

1,0, Mertens, 2011

Gregor G. ©
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sternsternsternsternstern
ID# 77383







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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Protestantische Ethik und ihre Eckpfeiler 2

2.1 Begriff der Askese 3

2.2 Die Gnadenwahl 4

2.3 Die Entzauberung der Welt 5

2.4 Die Ablehnung aller Kreaturenvergötterung 6

2.5 Entwicklung einer Berufsethik 7

3. Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und „Geist des Kapitalismus“ 8

3.1 Die Rationalisierungsprozesse als Grundlage für die Entwicklung des Kapitalismus 8

3.2 Die Innerweltliche Askese und der Kapitalismus 9

3.3 Protestantische Berufsethik und Kapitalismus 10

3.4 Die Gnadenwahl und der Kapitalismus 10

4. Kritik an Webers Thesen 11

4.2 Faktische Kritik 12

4.3 Methodische Kritik 13

4.4 Kritik an Webers Begriffen 14

4.5 Zeitgenössische Kritik 15

5. Fazit 16


1. Einleitung

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts erzielte Karl Marx mit seiner Schrift „Das Kapital“ und seinen Studien über die Funktionsweise des Kapitalismus eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit, was dazu führte, dass sich auch viele Sozialwissenschaftler in dieser Zeit begannen, Ursachen und Erscheinungsformen des Kapitalismus zu erforschen. Einer von Ihnen, der bis heute die Forschung in diesem Bereich vielleicht am nachhaltigsten Beeinflussende, war Max Weber.

Seine wohl berühmteste Veröffentlichung zu dem Thema war ein Aufsatz mit dem Titel „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, erschienen um 1904/05. Diesen überarbeitete er noch mehrere Male und brachte ihn schließlich in seiner finalen Fassung als Buch 1920 heraus.l 1031 Diese Arbeit bezieht sich im Folgenden hauptsächlich auf dieses Buch, genauer gesagt auf eine Neuauflage von 1934.

Weber hatte im Rahmen seiner Untersuchungen entdeckt, dass in den Gebieten, in denen der Kapitalismus in Form von handelskapitalistischen und frühindustriellen Unternehmungen einen besonderen Aufschwung nahm, der Calvinismus besonders verbreitet war. Dabei handelt es sich um eine protestantische Sekte, die genauso wie einige andere durch besondere Strenge und Intensität in ihrem Glauben auffiel.

Daraufhin begann Weber genauer die Lebensweise und die Prinzipien dieser Glaubensrichtung näher zu untersuchen und auf deren möglichen positiven Einfluss auf die Entwicklung kapitalistischer Strukturen abzuklopfen.l 1031 Alleine die Wahl seines Aufsatztitels „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ legt nahe, das Weber eben solch einen spezifischen Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und der Entwicklung des Kapitalismus gefunden zu haben glaubte.

Dennoch betonte Weber offen von Beginn an, dass nicht er der erste war, der den Zusammenhang zwischen religiösen Handeln und wirtschaftlichem Erfolg erkannt habe, sondern nur, dass er sich auf eine neue Art und Weise dem Thema in seinen Forschungen genähert habe. Für Weber stehen die inneren Triebkräfte der Menschen, der Geist und nicht die Form, im Fokus seiner Forschungen.l 1031 Ihm geht es darum, die Entstehung eines Geistes des Kapitalismus zu ergründen und nicht die Entstehung des modernen Kapitalismus selbst, denn das hatten schon andere Autoren vor ihm erschöpfend getan.l 1031 Eine weitere, recht treffende Formulierung, die Webers Intentionen zu beschreiben sucht, ist folgende: „…der Nachweis, daß der asketische Protestantismus eine spezifische, religiös motivierte Berufsethik schuf, die dem rationalen Ethos des modernen Betriebskapitalismus vollständig entsprach….“l 1031 .

Wie hat Weber versucht seine Argumentationsstruktur aufzubauen und wie stellten sich die Zusammenhänge seiner Meinung nach dar, das sind die Fragen, die diese Hausarbeit zu ergründen sucht.

Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich nun deshalb Max Webers Herangehensweise illustrieren und die seiner Meinung nach entscheidenden Merkmale des Protestantismus im Detail vorstellen, um dann im darauffolgenden Kapitel deren Wirkung auf den Kapitalismus näher zu beschreiben. Danach möchte ich kurz auf einige kritische Äußerungen zu Max Webers Thesen und seine Forschungsmethoden eingehen, um mit einem eigenen Fazit diese Arbeit abzurunden.

2. Protestantische Ethik und ihre Eckpfeiler

Max Weber beschäftigte in seinen Forschungen eine Frage: Wie konnte sich der Kapitalismus entwickeln, und welche Umstände haben diese Entwicklung positiv befördert? Präziser formuliert, versucht er festzustellen, ob „eine systematische Beziehung zwischen religiös motivierter Berufsethik und kapitalistischer Wirtschaftsgesinnung anhand der protestantischen Ethik nachzuweisen“l 1031 ist.

Weber beschreibt den vorkapitalistischen Lebensstil als Traditionalismus, der sich durch rücksichtslosen, von Habgier geprägten und an keine Norm bindenden Erwerb auszeichnete, und damit ein entscheidendes Hemmnis für die Entwicklung des Kapitalismus darstellte.l 1031 Der Übergang von eben dieser traditionalistischen Wirtschaftsform zu einer kapitalistischen geschah, laut Weber, recht beiläufig, bedurfte jedoch eine neue Art von Unternehmer mit ganz spezifischen ethischen Qualitäten, damit dieser sich gegen die anfänglichen Widerstände behaupten konnte.l 1031 Im Folgenden werfen wir nun einen detaillierteren Blick auf eben diese ethischen Qualitäten, die Weber im speziellen als Teil der protestantischen Ethik ausgemacht haben will.

Webers Fokus liegt dabei auf dem Calvinismus, eine spezielle, besonders strenge Form des Protestantismus, die sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts zum Hauptstrom der protestantischen Reformation entwickelte.l 1031 Er suchte gewissermaßen nach der Ausprägung des Protestantismus, wo er am leichtesten einen Zusammenhang zwischen gelebter Lebenspraxis und religiösen Ausgangspunkt herstellen konnte.l 1031

2.1 Begriff der Askese

Askese bedeutet ursprünglich eine Form der körperlichen Ertüchtigung bzw. eine geistige Übung, mit dem Ziel philosophischer oder religiöser Selbsterkenntnis. Praktisch bedeutet das bei den meisten Religionen eine Enthaltung von Nahrung und Geschlechtsverkehr verbunden mit Selbstpeinigung. Übergeordnetes Ziel ist in der Regel dem eigenen Gott dadurch näher zu sein.l 1031 Diese, beinahe an Lebensfeindlichkeit erinnernde Sittenstrenge, tritt am deutlichsten beim Calvinismus und anderen protestantischen Sekten zu Tage, die im Mittelpunkt von Webers Untersuchungen stehen.l 1031 Erstmalig verwendet Weber den Begriff der Askese, wenn er den idealtypischen kapitalistischen Unternehmer beschreibt.

Gewisse asketische Züge glaubt er aber auch schon deutlich bei Benjamin Franklin und seinen Beschreibungen des Idealtypus eines erfolgreichen Unternehmers aus den Jahren 1736 bzw. 1748 ausgemacht zu haben.l 1031 In diesem Zusammenhang benennt Weber die Askese allerdings nur als ein Merkmal, das neben der Bescheidenheit, dem Verzicht nach Machtstreben und der Hingabe zu seinem Beruf steht.

Im Calvinismus nimmt asketisches Handeln eine ganz herausragende Rolle ein. Ein gläubiger Calvinist versucht ständig sich seines Gnadenstandes vor Gott zu versichern. Das hängt mit dem Prädestinationsglauben zusammen und mit der religiösen Überzeugung, dass Gott das gesamte menschliche Leben von Gott vorherbestimmt sei.l 1031 In dem er sich zum „Werkzeug Gottes“ macht und ein asketisches Leben führt, kann der Gläubige sich seines Gnadenstandes versichern.l 1031 Darüber hinaus gilt für den Calvinisten die innerweltliche Askese generell als das wichtigste Mittel bzw.

2.2 Die Gnadenwahl

Der Begriff der Gnadenwahl spielt bei Weber und der Komposition seines „Geist des Kapitalismus-Begriffes“, wie im vorherigen Kapitel bereits angedeutet, eine ganz entscheidende Rolle. Bei dieser Konzeption geht es darum, dass sich der protestantisch Gläubige, genauer gesagt der dem Calvinismus anhängige, versucht sich zeit seines Lebens lang seines Gnadenstandes vor Gott zu versichern.

Seinen Ursprung hat dieses in den Bibelübersetzungen von Luther, der zum ersten Mal von einer Berufung zum ewigen Heil durch Gott sprach.l 1031 An dieser Stelle ist damit ausdrücklich nur der religiöse Begriff der Berufung gemeint. Der weltliche Begriff des Berufes im Sinne von Arbeit ist auf die Übersetzung eines anderen Wortes zurückzuführen. Aber auch, wenn das Konzept der Gnadenwahl seinen Ursprung bei Luther haben mag, so ist als das prägende und charakteristische Dogma des Calvinismus anzusehen.

Gott bestimmt (engl. predestinated) einen Menschen entweder zu ewigem Leben oder aber verordnet ihm den ewigen Tod. Diejenigen, die er erwählt hat, sind in diesem Stand nur aufgrund seiner Gnade und Liebe.l 1031 Die Erwählung in den Gnadenstand ist somit nicht als eine Art von Belohnung zu verstehen, die Gott den Menschen im Voraus für gute Taten und Strenggläubigkeit gewährt.l 1031 Vielmehr hat Gott bereits am Anbeginn der Zeiten die Menschen unterteilt in diejenigen, die seiner Gnade teilhaftig werden und jenen, welche nicht.l 1031 Nach streng calvinistischem Glauben nun, ist der erwählte Christ ausschließlich dazu da, den Ruhm Gottes, durch Ausführung seiner Gebote und Dienst an der Allgemeinheit, zu mehren, was auch die Berufsarbeit einschließt.l 1031

Für einen gläubigen Calvinisten galt die Hauptsorge seiner Erlösung im Jenseits.l 1031 Da das Jenseits und sein Schicksal dort oftmals eine größere Bedeutung für ihn hat, als alle diesseitigen Interessen, führte das zwangsläufig zu zwei Fragen, die das gesamte Leben eines Gläubigen begleiten. Bin ich von Gott erwählt worden? Und wie kann ich mir sicher sein, dass ich von Gott erwählt wurde?l 1031 Die Antwort Calvinistischer Prediger auf die erste Frage war, dass ein Gläubiger, der an seiner Erwählung zweifelt, demzufolge einen zu schwachen Glauben hat und nicht erwählt sei.

Selbstgewissheit als Maß für die Stärke des eigenen Glaubens. Eine Erziehung gewissermaßen zum selbstgewissen „Heiligen“ war die Folge.l 1031 Die Antwort auf die zweite Frage lautete, dass der Gläubige Selbstgewissheit nur durch rastlose Berufsarbeit erlangen könne.l 1031 Darüber hinaus gelten gute Taten als Zeichen des eigenen Glaubens und der Erwählung.l 1031 Gott hilft gewissermaßen demjenigen, der sich selbst hilft.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch, dass Weber nicht einfach an der Prädestinationslehre hängen bleibt. Entscheidend ist für ihn der Bewährungsgedanke für seine Konzeption eines Geistes des Kapitalismus.l 1031 Bewährung der eigenen Erwählung, methodischer Berufseifer und die Anhäufung von immer mehr Geld, zum Investieren und nicht zum Genießen, das ist das prägende Konzept des Calvinismus laut Weber.l 1031


2.3 Die Entzauberung der Welt

Mit Entzauberung der Welt beschreibt Weber einen religionsgeschichtlichen Prozess in mehreren Schritten, der im asketischen Protestantismus und nach Beendigung der Religionskriege seinen Abschluss bzw. Höhepunkt findet.l 1031 Ein wichtiges Merkmal dieser Entzauberung im Protestantismus, im Besonderen im Puritanismus ausgeprägt, und vielleicht der entscheidende Unterschied zum Katholizismus und der katholischen Kirche, war der Wegfall des kirchlich-sakramentalen Heils.l 1031 Daraus folgt, dass im Puritanismus sämtliche katholische Liturgie, also Zeremonien und Riten, wegfallen.

Das ging teils soweit, dass die streng-gläubigen Puritaner sogar ihre Toten ohne jede Form religiöser Zeremonie beerdigten. Es fehlte schlichtweg das Vertrauen in die Wirkung jeder Art von althergebrachtem kirchlichem Ritus.l 1031

„Entzauberung der Welt“ spielt aber auch eine entscheidende Rolle im Calvinismus, z.B. mit dem Wegfall der Beichte. Während ein Katholik sich seine Sakramentgnade bei einer Kirche, genauer gesagt bei seinem Priester holen konnte und somit sein Seelenleben wieder ins Gleichgewicht kam, war es dem Calvinisten nicht möglich sich eine kultische Vergewisserung zu holen.l 1031 Dieser konnte seine aufgebaute seelische Spannung nur über das bereits erwähnte System der Werkheiligkeit abbauen.l 1031 Eng verbunden mit dem Begriff der Entzauberung ist das Thema der Rationalisierung, die laut Weber eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung des Kapitalismus spielte.l 1031 Vereinfachend lässt sich sagen, dass das Maß, inwieweit die „Magie“ aus dem Leben der Menschen verdrängt wurde und die Lebensführung der Menschen sich vereinheitlichte, wiederum als ein Gradmesser für ein Fortschreiten der religiösen Rationalisierung gesehen werden kann.l 1031 In einem engeren, rein religiösen Sinne, spricht Weber sogar von einem Säkularisierungsprozeß in Bezug auf den Begriff Entzauberung.l 1031 Auf die Bedeutung der Rationalisierung wird in einem späteren Abschnitt näher eingegangen.


Gemeint ist damit, dass aller, nicht unbedingt notwendiger, Verkehr mit weltlichen Personen und Autoritäten vermieden werden solle und das die eigene Lebensführung strikt nach biblischem Vorbild, praktisch nach dem Vorbild der Apostel ausgerichtet wird.l 1031 Getreu dem Motto: „Die Welt sei nur für Gott, nicht für den Menschen da“l 1031 . In Verbindung mit dem Wegfall kirchlich-sakramentalen Heils und der Tatsache, dass das eigene Schicksal von Gott bereits vorherbestimmt gewesen ist, führte das teils zu einem illusionslosen und pessimistisch gefärbten Individualismus.l 1031 Diese innere Isolierung und furchtbare Ungewissheit geprägt durch die Prädestinationslehre, kann nach Weber nur bekämpft, der Gläubige kann sich nur bewähren und seines Heils vergewissern, in dem er einer praktischen Tätigkeit ohne jede Kreaturenvergötterung, seinem Beruf, nachgeht.l 1031


2.5 Entwicklung einer Berufsethik

Wie bereits an einer vorherigen Stelle erwähnt, taucht der Begriff des Berufes zum ersten Mal bei einer Bibelübersetzung Luthers auf. Er übersetzt bei einer Stelle im Buch Jesus Sirach, einem Buch des Alten Testaments, die Definition der Arbeit mit dem Wort Beruf. Laut Weber ist das die Stelle wo erstmalig der Begriff Beruf in einem weltlichen Sinne Verwendung findet.l 1031

Anders sieht es dann mit verschiedenen protestantischen Ausprägungen, im speziellen mit dem Calvinismus aus.l 1031 Dort wurde die Berufsarbeit, als das Mittel zur aktiven positiven Gestaltung der Welt angesehen, und avancierte somit zu einer zentralen Wertvorstellung für alle seine Anhänger.l 1031


3. Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und „Geist des Kapitalismus“

Nachdem im letzten Kapitel die wichtigen Eckpunkte der protestantischen Ethik vorgestellt wurden, ist es nun Ziel in diesem Abschnitt Webers Argumentation einen weiteren Schritt zu folgen und darzustellen, inwieweit eben diese, aber auch andere, Merkmale den von Weber entwickelten Begriff eines „Geist des Kapitalismus“ konstituieren.

Weber stellt selbst zu Beginn seiner Arbeit fest, dass der von ihm konzipierte „Geist des Kapitalismus“ ein schwer zu fassender Terminus ist, oder genauer gesagt ein historisches Individuum ist, denn man wohl erst am Ende seiner Untersuchungen voll erfassen könne.l 1031 Weber drückt sich zu Beginn vor einer klaren Definition dieses Begriffes, was für ihn und seine anderen Texte ganz und gar unüblich ist.


3.1 Die Rationalisierungsprozesse als Grundlage für die Entwicklung des Kapitalismus

Zu Beginn seiner Untersuchungen unterscheidet Weber zwischen dem modernen Kapitalismus als eine Art von fertigen System auf der einen Seite, und dem frühen Kapitalismus in seiner historischen Entstehung auf der anderen Seite.l 1031 Der neue, moderne Kapitalismus existiert seiner Meinung nach dabei nur im Okzident und ist „rational-kapitalistische Organisation (formell) freier Arbeit“l 1031 .

Nur diese „typische Art“ der okzidentalen Kultur und der Hang zur Rationalität haben eine Ausbildung kapitalistischer Wirtschaftsformen möglich gemacht.l 1031 Grundlage für die Entwicklung des okzidentalen Kapitalismus ist, laut Weber, neben der Trennung von Haushalt und Betriebl 1031 , vor allem die rationale Buchführung und die rationale Struktur des Rechts und der Verwaltung, sprich die Rechtssicherheit.l 1031 Rationalisierungstendenzen in der Lebensführung, wozu die Kontrolle des eigenen Gnadenstandes und der asketische Lebensstil zählen, sind grundlegend für die Herausbildung des Kapitalismus und des von ihm vermuteten innewohnenden „Geistes“.l 1031 Der Ökonomische Rationalismus als Grundlage für die Entwicklung und Verbreitung des Kapitalismus und die protestantische Lebensführung bzw. die calvinistische stellt dabei die entscheidende Triebfeder für diesen Rationalisierungsprozess dar.l 1031 Dementsprechend war nicht der Kapitalismus per se im Fokus seiner Betrachtungen, sondern vielmehr die ins höchste Maß gesteigerte formale Rationalität der Menschen in ihrem Erwerbsstreben im alltäglichen Wirtschaftsbetrieb.l 1031


Diese Art der rationalen Lebensführung ist bestimmend für die Entstehung eines „Geist des Kapitalismus“. Calvin betont den Aspekt asketischer Lebensweise ebenfalls ausdrücklich. Für ihn ist entscheidend, dass der Gläubige vor allem anderen ein gottgefälliges und sündenfreies Leben führt. Das heißt von Dingen wie Alkohol, Glücksspiel und Müßiggang die Finger lässt.l 1031

Laut Weber hatten aber sowohl innerweltliche Askese wie auch der Gedanke der Berufspflicht erst eine Chance zur Massenethik und zu einem Teil des kapitalistischen Geistes zu werden, nachdem diese sich von ihren religiösen und pathetischen Wurzeln gelöst hatten.l 1031 Erst als eine gewisse Nüchternheit eingesetzt hatte, konnten diese Aspekte über etwaige Grenzen protestantischer Sekten hinaus ihre volle ökonomische Wirkung entfalten.l 1031 Entscheidende Neuerung gegenüber anderen asketischen Lebensweisen, wie z.B. die der katholischen Mönche in ihren Klöstern war, dass es sich hier um innerweltliche Askese dreht.

Calvinisten nahmen weiterhin normal am Leben teil, schotteten sich nicht ab, sondern praktizierten die Askese während ihres Alltags. So erhielt einfache weltliche Berufsarbeit einen sakralen religiösen Anstrich.l 1031


Dennoch sollte auch erwähnt werden, dass Luther bzw. Calvin die kulturelle Wirkung ihrer Lehren, besonders in Bezug auf eine mögliche Schaffung eines gedanklichen kapitalistischen Unterbaus bis hin zu einem „Geist des Kapitalismus“, nicht bewusst bzw. ungewollt war.l 1031 Nichtsdestotrotz ist laut Weber die Berufskonzeption Luthers, nach dem eine Berufspflicht für jeden Gläubigen existiere, ein entscheidender Aspekt für die Herausbildung eines „Geist des Kapitalismus“.l 1031 Selbstloser Berufseinsatz um seiner selbst willen, diese Idee war neu und ein wichtiger Baustein für die Herausbildung kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen.l 1031

Die Praxis der Berufsarbeit als eine religiöse Praxis im Calvinismus ist, laut Weber, einer der entscheidenden Faktoren für die Verbreitung des Kapitalismus. Erziehung der Menschen zu Selbstdisziplin und Askese, Konsumverzicht im privaten, aber Neuinvestition erwirtschafteter Gewinne im beruflichen Alltag bilden die Grundlage für eine dauerhafte und stetige Akkumulation von Kapital, die die Entwicklung des Kapitalismus nachhaltig stärkten.l 1031


Erklären lässt sich das durch eine nähere Betrachtung der psychologischen Komponente. Die Calvinistischen Geistlichen versuchten ihren Gläubigen die Qual der lebenslangen Heilsungewissheit zu nehmen, indem sie weltliche Zeichen und Symbole umdeuteten und als Zeichen für den individuellen Gnadenstand deklarierten. Und so ein profanes Zeichen war der Erfolg im Berufe.

Die Arbeit wurde zum Selbstzweck. Unternehmerisches Handeln, also Investieren der erwirtschafteten Gewinne auf der einen Seite und Sparsamkeit auf der anderen Seite, wurde durch die calvinistische Lehre der Prädestination de facto religiös legitimiert.l 1031 Wobei ausdrücklich darauf hinzuweisen sei, dass es sich dabei um eine lebensnahe Umdeutung der Lehren Calvins handelt.

Weder Calvin noch andere Anhänger seines Glaubens waren ernsthaft bestrebt den modernen Kapitalismus zu erschaffen.l 1031 Auch Weber selbst hat nie behauptet, dass Calvin wirtschaftlichen Erfolg als Maßstab für den Grad der Erwähltheit festgelegt habe.l 1031


Dabei erfreuen sich die Thesen von Max Weber einer gewissen Widerlegungsimmunität, da diese sich mit der Zeit zu so etwas wie der „großen Erzählung“ der westlichen Kultur entwickelt hat. Die Verbindung von protestantischer Ethik und dem „Amerikanischen Traum“, hat Weber speziell im angloamerikanischen Raum sehr populär gemacht zum einen, jedoch leider auch eine kritische Betrachtung seiner Thesen erschwert.l 1031 Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Webers Thesen endete selbstverständlich nicht mit seinem Tod 1920, sondern dauert bis heute immer noch an.l 1031 Diese Diskussion fand dabei besonders kontrovers im angloamerikanischen Raum statt, jedoch konzentrieren sich die nun folgenden kritischen Anmerkungen zu Webers Thesen auf den deutschsprachigen Raum.


4.1 Faktische Kritik

Verschiedene Autoren zweifeln grundsätzlich an, dass Protestantismus und Entwicklung des Kapitalismus überhaupt so kausal zusammenhängen, wie von Weber angenommen. Einen eindeutigen Beweis dafür wurde auch bis heute nicht erbracht.l 1031 Schwierig nachzuvollziehen ist dieser Zusammenhang auch, weil Weber in seinem Buch kaum eine Quelle angibt, die ebenfalls über den von ihm hartnäckig behaupteten Zusammenhang zwischen Prädestinationslehre und kapitalistischen Berufseifer spricht, abgesehen von dem presbyterianischen Priester Richard Baxter Anfang des 16. Jahrhunderts.l 1031 Er ist der einzige, der Webers Argumentation unterstützt, indem er predigt, dass nicht die Arbeit an sich, sondern vor allem anderen die rationale Berufsarbeit das von Gott verlangte Opfer ist.l 1031 Darüber hinaus ist in der Wissenschaft unstrittig, dass die ersten kapitalistischen Strukturen bereits 200 Jahre vor der Entwicklung des Calvinismus im 16. Jahrhundert zu finden sind, und zwar im katholischen Norditalien.l 1031 Diese von Henryk Grossmann erstmalig erwähnte Tatsache, widerlegt Webers Studien zwar nicht grundsätzlich, denn er konzentriert sich bei seinen Forschungen ausdrücklich auf den modernen Kapitalismus, jedoch legt es nahe, dass Protestantismus keine Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus, sondern lediglich ein förderlicher Umstand ist.l 1031

Es hänge nicht mit einer wie immer gearteten protestantischen Ethik, sondern schlicht mit der Tatsache zusammen, dass Protestanten gebildeter waren. Ein Grund dafür ist in den Errungenschaften der Reformation zusammen mit dem Wirken Luthers, der massiv den Bau von Schulen voran trieb, zusehen. Rechnet man, laut Ludger Wößmann, den Faktor der Bildung(Alphabetisierungsquote) heraus, so verschwindet der ökonomische Unterschied zwischen protestantischen und katholischen Bevölkerungsteilen Preußens gänzlich.l 1031 Da Weber sich bei seinen Studien hauptsächlich auf den Calvinismus bezog, widerlegt das Ergebnis ihn nicht grundsätzlich, jedoch entkräftet es einen seiner angeführten Beweise.l 1031

Eine Kritik, die bei der Beschäftigung mit Webers Thesen immer wieder auftaucht, ist die Tatsache, dass die Reformation und damit auch die bedeutenden Reformatoren sich strikt gegen den Wucherhandel aussprechen. Wucherhandel ist im Prinzip nichts anderes als Geldwirtschaft mit dem Ziel mehr und immer mehr Geld zu verdienen. Wie aber passt diese Prämisse mit einer der Hauptthesen Webers zusammen, nach der die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus zusammen gehören würden? Nach Weber funktioniert das, weil für ihn moderner Kapitalismus und Wucherhandel auf keinen Fall zusammen auftreten.l 1031 Das ist zumindest eine gewagte Annahme, die Weber auch an keiner Stelle belegen kann.



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