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Seminararbeit
Romanistik

Ludwig-Maximilians-Universität München - LMU

2010, Zollinger

Dominique M. ©
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ID# 12671







Die Opposition von Arbeit und Kapital in Émile Zolas Germinal


LMU München

Institut für Romanistik

Hauptseminar: Wie beginnt der moderne Schriftsteller seinen Roman?

Dr. Edi Zollinger


Die Opposition von Arbeit und Kapital

in Émile Zolas Germinal


Inhaltsverzeichnis … 2


1 Einleitung 3

2 Basisopposition von Arbeit und Kapital … …4

3 Étienne Lantier 4

4 Arbeiterfamilien… . 8

4.1 Familie Maheu … … .8

4.2 Familie Levaque .10

4.3 Familie Pierron … . …10

5 Bourgeoisie . .11

5.1 Familie Hennebeau … . …12

5.2 Familie Grégoire . ….14

5.3 Familie Deneulin … . .16

6 Schlussbetrachtung ….18

7 Literaturverzeichnis ….19

1 Einleitung

Wie beginnt der moderne Schriftsteller seinen Roman? So lautete das Thema des Hauptseminars, im Zuge dessen diese Arbeit verfasst wird. Bereits in der ersten Stunde wurde untersucht, wie die Personen in Flauberts Madame Bovary eingeführt werden. Eine interessante Auflistung der Personenbezeichnungen für Charles Bovary machte deutlich, wie der Schriftsteller vorgeht, um diese Figur in den Roman einzuführen.

Auch bei anderen untersuchten Romanen zeigte sich, dass die Autoren sich jeweils genau überlegen, wie eine Person zum ersten Mal genannt und somit eingeführt wird. Dieser Aspekt soll nun also auch in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt werden – mit Hinblick auf Émile Zolas Germinal. Wie geht der naturalistische Schriftsteller in seinem 1885 erschienenen Werk vor, um die wichtigsten Personen einzuführen und dem Leser vorzustellen?

Émile Zola beschreibt in seinem Roman Germinal das Leben von Bergarbeiterfamilien in einem Kohlerevier in Nordfrankreich, das den fiktiven Namen Montsou trägt. Von diesem Ortsnamen lässt sich bereits ableiten, dass aus der Kohlegrube viel Geld gemacht wird (wörtliche Übersetzung: Geldberg). Dieses ist allerdings ungleich auf die arbeitende Schicht und die Kapitalisten verteilt.

Die hart arbeitenden Mineurs bekommen so wenig Geld, dass sie nicht einmal eine Familie ernähren können und die Kapitalisten leben im Luxus. Die Opposition zwischen diesen beiden Klassen zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Roman. Deshalb versucht die vorliegende Arbeit herauszuarbeiten, ob schon bei der Einführung der Repräsentanten aus den beiden Gesellschaftsschichten ein Unterschied feststellbar ist.

Die Kapiteleinteilung dieser Arbeit richtet sich nach den Oppositions-Paaren. Bevor jedoch näher auf die Einführung der Personen eingegangen wird, soll zunächst die Basisopposition in Emile Zolas Roman „Germinal“ erläutert werden. Im Folgenden werden die Arbeiterfamilien in Punkt 4 näher beschrieben, während die Familien der Kapitalisten in Punkt 5 untersucht werden.

Die Einführungen der Familien Maheu sowie Grégoire werden besonders ausführlich behandelt, da jede der Familien beim Aufstehen „beobachet“ wird. Dies erlaubt einen guten Vergleich zwischen den beiden Gruppen. Dem Protagonisten Etienne Lantier ist ein eigenes Kapitel gewidmet (Punkt 1). Er wohnt zwar bei den Maheus (vgl. 4.1), aber es ginge zu weit ihn dieser Familie zuzuordnen.

Außerdem nimmt Etienne als Hauptfigur eine besondere Rolle in Zolas Werk ein. In einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst.


2 Basisopposition von Arbeit und Kapital

Bevor näher auf die einzelnen Personen und insbesondere auf deren erstes Auftauchen in Germinal eingegangen wird, soll kurz abgerissen werden, was es mit der Opposition von Arbeit und Kapital auf sich hat sowie erläutert werden, was mit den unterschiedlichen Bezeichnungen gemeint sein soll. Elke Kaiser arbeitet dies heraus.

Sie bezeichnet den Kampf zwischen Arbeit und Kapital als den „zentrale[n] Gegenstand des Romans“[1]. Daraus wurden von anderen Autoren bestimmte Entsprechungen abgeleitet. Der Bourgeoisie sind Begrifflichkeiten wie Nantis und Lumière zugeordnet, während Affamés und Nuit mit dem Prolétariat einhergehen. Kaiser kritisiert, dass viele Autoren den Kampf zwischen Arbeit und Kapital mit der Opposition Proletariat vs.

Bourgeoisie gleichsetzen, da die in Germinal vorkommenden Vertreter des Bürgertums nicht dem Großkapitalismus angehören. Der Text stellt im Wesentlichen die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Proletariat und Bourgeoisie, nicht schon von Arbeit und Kapital, gegenüber. So werden die Arbeiter beispielsweise während des Streiks „nie mit den Verantwortlichen selbst, stets nur mit deren Stellvertretern konfrontiert“[2].

Streng gesehen kennen die Arbeiter die Kapitalisten also gar nicht.[3] In dieser Arbeit sind mit dem Begriff Kapital die Repräsentanten davon beziehungsweise die Bourgeoisie gemeint.


3 Étienne Lantier

Die erste Person, die der Leser im ersten Kapitel des ersten Teils kennen lernt, ist der Protagonist Etienne Lantier. Gleich im ersten Satz des Romans heißt es:


Dans la plaine rase, sous la nuit sans étoiles, d’une obscurité et d’une épaisseur d’encre, un homme suiviait seul la grande route de Marchiennes à Montsou […].[4]


Man erfährt also, dass ein Mann auf einer Straße zwischen zwei Orten unterwegs ist. Allerdings wird die Person nicht ausführlich vorgestellt, sondern zunächst aus der Ferne „beobachtet“. Man kann diesen Einstieg mit einem Filmanfang vergleichen: der Zuschauer beziehungsweise der Leser sieht von oben auf den Schauplatz und kann die Gedanken und den Hintergrund der Person (noch) nicht wissen.

So „sieht“ man – aufgrund der herrschenden Dunkelheit - nur undeutlich, dass ein Mann eine Straße entlang geht.


Die Dunkelheit wird mit einem allumfassenden Blick durch eine neutral-objektive Perspektive eingeführt. Dieser traditionelle Eingang in die Situation regt durch gleichzeitig zunehmende Präzision des Bildes im funktionalen Wechsel mit Leerstellen die Beteiligung der Vorstellung an: obscurité und épaisseur d’encre präzisieren die visuelle und taktile Qualität einer Nacht ohne Sterne, während die Verweigerung der Bekanntgabe der Identität der eingeführten Figur auch beim Leser eine Art Nicht-Sehen und auch für ihn eine Art Dunkelheit erzeugt.[5]


Da der Mann ohne Begleiter unterwegs ist, wird deutlich, dass er alleine ist. Das Adjektiv grande unterstreicht zusätzlich, dass er sich einsam auf der großen Straße befindet.

Dann zoomt die Kamera sozusagen näher hin und man sieht die Route aus seinem Blickwinkel („Devant lui, il ne voyait même pas le sol noir, et il n’avait la sensation …“[6]).


Das Vorsetzen von devant lui am Satzanfang verschiebt die Perspektive in die der Figur: Das Nicht-Sehen des Helden wird zum Fokalisationspunkt der Erkundung des Ortes.[7]


Der Leser nähert sich dem Mann quasi an und wird mit ihm auf Entdeckungsreise genommen. Aus der „personale[n] Perspektive des fremden Helden“[8] lernt er so immerhin die Landschaft und die Begleitumstände kennen. Dennoch weiß er immer noch nichts über die Person selbst, was durch die Isotopie der Dunkelheit unterstrichen wird, die dieses Kapitel dominiert. Ähnlich wie der Protagonist tappt auch der Leser im Dunkeln.

Man kann draus schließen, dass es sich um einen eher armen Mann handelt, der seinen gesamten Besitz am Körper trägt. Und tatsächlich verrät der Erzähler ab Zeile 16, dass der Mann ein Arbeiter ohne Anstellung und ohne Dach über dem Kopf ist („ouvrier sans travail et sans gîte“). Bereits nach den ersten Zeilen, die sich dem Protagonisten widmen, wird also deutlich, dass ein Arbeiter hart ums Überleben zu kämpfen hat und deshalb einsam durch eine eiskalte Märznacht streift, um irgendwo Arbeit zu finden. Über sein genaues Aussehen erfährt man jedoch nichts.

Dass Étienne allein (gelassen) ist, spiegelt bereits den gesamten Verlauf des Romans wider. Zunächst ist er unter den Bergarbeitern sehr beliebt und wird der Anführer des Streiks. Später wenden sich allerdings alle von ihm ab und geben ihm die Schuld für das Elend. Interessant ist auch, dass mehrfach Anspielungen auf die Redewendung jeter un pavé dans la mare zu finden sind:


Ø  Zeile 3 f.: [ .] la grande route de Marchiennes à Montsou, dix kilomètres de pavé [ .]

Ø  Zeile 8 f.: [ .] le pavé se déroulait avec la recitude d’une jetée [ .]


Diese Redewendung verweist ebenfalls auf die Rolle, die der Protagonist später spielen wird, er wird nämlich für Aufsehen sorgen beziehungsweise einen Skandal (den Streik) auslösen.

Noch immer kennt man den Namen des Mannes nicht. Dies ändert sich in Zeile 59; Etienne stellt sich Bonnemort, der ihn kritisch musterst, selbst vor („Je me nomme Étienne Lantier …“). Danach beleuchten Flammen sein Gesicht und es findet erneut ein Perspektivenwechsel statt. So erfährt man durch Bonnemorts Blick, wie alt Étienne ist und wie er aussieht („…il devait avoir vingt et un ans, très brun, joli homme …“).

Es wird nun sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne Licht ins Dunkele gebracht und der Leser kann sich die Hauptfigur besser vorstellen. Folgende Auflistung der Personenbezeichnung für den Protagonisten soll deutlich machen, wie lange es dauert, bis Étienne vollständig mit seinem Namen bekannt ist:

Ø  un homme

Ø  il

Ø  il

Ø  l’homme

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  l’homme

Ø  il

Ø  il

Ø  l’homme

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  il

Ø  l’homme

Ø  Étienne Lantier


Da der Mann am Anfang noch völlig unbekannt ist, wird er zunächst mit dem unbestimmten Artikel un bezeichnet. Danach wird er durch das Personalpronomen il beziehungsweise mit dem bestimmten Artikel le gekennzeichnet. Erst nachdem er selbst seinen Namen genannt hat, wird er auch vom Erzähler Étienne gennant. Die Einführung der Figur Étienne Lantier erfolgt also ganz langsam und fast schon vorsichtig.

Wie schon angedeutet herrscht während Étiennes Einführung absolute Dunkelheit und so sind in der Exposition viele Begriffe zu finden, die der Isotopie der Dunkelheit zugeordnet werden können: „nuit dans étoiles“, „obscurité“, „il ne voyait même pas le sol noir“, „aucune ombre“, „des ténèbres“, …. Zudem ist die Isotopie der Kälte zu entdecken: „vent de mars“, „glacées“, „grelottant“, „le froid“, ….[9].

Diese beiden Isotopien reflektieren in gewisser Weise die Lage des umherstreifenden Arbeiters. Er hat wenig Hoffnung und alles erscheint ihm trist und hoffnungslos. Möglicherweise charakterisiert Zola auf diese Art die Arbeiterschicht. Auffällig ist nämlich, dass alles, was im Zusammenhang mit der Fabrik und somit mit dem Kapital steht, der Isotopie des Lichtes und der Wärme zugeordnet werden kann: „feux rouges“, „les feux“, „brûlaient“, „lunes fumeuses“, ….[10].

Diese Beobachtung untermauert die in Punkt 2 dargestellten Aussagen.


In diesem ersten Kapitel wird auch der Großvater Bonnemort eingeführt. Auch wenn dessen Rolle keineswegs uninteressant oder gar unbedeutend ist, wird auf seine Einführung nicht gesondert eingegangen. Er wird gemeinsam mit seiner Familie im nächsten Punkt vorgestellt.


4 Arbeiterfamilien

Nachdem die Einführung eines ersten Vertreters der Arbeiterklasse untersucht wurde, soll am Beispiel der drei Arbeiterfamilien Maheu, Levaque und Pierron gezeigt werden, ob es eine gewisse Uniformität in der Annährung an die Personen gibt. Allerdings muss dabei – wie schon in der Einleitung genannt – bedacht werden, dass Étienne Lantier eventuell nicht vollständig zur Arbeiterklasse gezählt werden kann und dass er zudem eine „Sonderstellung“ aufgrund seiner Funktion als Hauptperson einnimmt.


4.1 Familie Maheu

Im Gegensatz zur Einführung von Etienne (Punkt 3) stößt der Leser im zweiten Kapitel des ersten Teils ohne große Umschweife zur Familie Maheu und erfährt auch sofort deren Namen. Zwar beschreibt der Erzähler zunächst die Umgebung des Hauses der Familie, dennoch kann man sich ihr nicht langsam annähern. In Zeile 8 dieses Kapitels heißt es „Chez le Maheu, au numéro 16 du deuxième corps, rien ne bougeait.“ Durch die Inversion steht der Name am Satzanfang und wird besonders betont.

Zwar wird im vorhergehenden Kapitel bereits der Name Maheu im Zusammenhang mit Bonnemorts Familie genannt, aber der Leser muss sich nun selbst zusammenreimen, dass mit diesen Maheus wohl die gleiche Familie gemeint ist; der Erzähler unterstützt ihn dabei nicht. Die Betonung bewirkt zudem, dass man den Maheus sozusagen keine Intimsphäre lässt – es wird sofort geschildert, was mitten in der Nacht bei ihnen los ist und man beobachtet sie quasi beim Schlafen.

Catherine ist die erste, die aufsteht – noch weiß der Leser nicht, dass es sich um die Tochter der Maheus handelt. Der Erzähler beschreibt aber wie schwierig es für sie ist, um vier Uhr aufzuwachen. Bevor man also Fakten zu ihrer Person kennt, weiß man schon, wann sie aufsteht und wie es ihr dabei geht. Da es noch dunkel ist, zündet sie eine Kerze an.

Bleibt offen, ob sich diese These auch im weiteren Verlauf bestätigen wird.

Jedenfalls sieht der Leser nach der Beleuchtung durch die Kerze, wie eng es in der ersten Etage des Hauses ist, wo die gesamte Familie in nur vier Betten schläft. Nun werden die schlafenden Geschwister (Zacharie, Jeanlin, Henri, Lénore, Alzire und Estelle) mit ihrem Alter sowie die Eltern (deren Namen und Alter werden nicht genannt) beschrieben.

Jedes Geschwisterkind wird mit einem Nebensatz beschrieben. Auffallend ist, dass diese Beschreibungen – auch wenn sie nur sehr kurz sind – teilweise schon einiges über die Persönlichkeit der Maheu-Kinder aussagen. Im Zusammenhang mit Jeanlin heißt es: „… qui achevait sa onzième année“; das Verb achever kann auch die Bedeutung von töten haben. Wie sich später herausstellt ist Jeanlin das schwarze Schaf der Familie, der unter anderem einen Soldaten aus einer reinen Laune heraus tötet.

Die neunjährige Alzire dagegen spürt Catherine fast gar nicht neben sich („… si chétive pour ses neuf ans, qu’elle ne l’aurait même pas sentie près d’elle“), da sie so zerbrechlich ist. Tatsächlich wird Alzire im Laufe des Romans durch eine Krankheit immer schwächer und stirbt letztendlich, was an dieser Stelle schon zur Sprache kommt.

Dies erscheint natürlich paradox, wenn man bedenkt, dass eine 15-jährige jeden Morgen um vier Uhr aufsteht, ihre Familie weckt und dann zur Arbeit geht. So hat sie nicht nur damit zu kämpfen selbst aus dem Bett aufzustehen, sondern muss auch dafür sorgen, dass ihre Geschwister nicht einfach weiter schlafen. Dem Leser wird hier klar, dass es morgens bei den Maheus auf jede Minute ankommt und dass alle Probleme mit dem frühen Aufstehen haben.

Die Isotopie des Zwanges und der Schwerfälligkeit („brusquement“, „sans trouver la force“, „la tête si pesante“, « un effort désespéré », « dépêche-toi », .) unterstreicht diese Beobachtung. Ab Zeile 94 wird beschrieben, wie sich die Geschwister umziehen. Sie verspüren keine Scham sich voreinander auszuziehen, was der Vergleich mit „jeunes chiens“ deutlich macht.

Dass sie mit Hundewelpen verglichen werden, verstärkt zudem die Tatsache, dass die Maheude sehr viele Kinder bekommen hat – wie eine Hündin. Außerdem kann der Zusammenhang mit dem Ausdruck mener une vie de chien gesehen werden: die Maheus führen ein hartes Leben mit viel Arbeit und haben dennoch sehr wenig Geld. Aufgrund dessen ist auch der Umgangston zwischen den Familienmitgliedern recht ruppig; dies zeigt beispielsweise Jeanlins Ausruf in Zeile 84 („- Va te faire fiche, je dors!“).


Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten, können die Maheus als „Idealfall“[11] einer Bergarbeiterfamilie bezeichnet werden. Obwohl in der Familie niemand raucht oder trinkt, reicht in der zehnköpfigen Familie der geringe Lohn nicht, um die elementaren Bedürfnisse zumindest ansatzweise zu befriedigen. So weiß die Maheude beispielsweise nicht, wie sie ihre Kinder und ihren Mann satt bekommen kann, obwohl alle einschließlich der Kinder in der Kohlegrube arbeiten und das wenige Geld nicht unbedacht ausgegeben wird.[12]


4.2 Familie Levaque

Während die Maheus also als ein „positiv gezeichneter Prototyp“[13] eingeführt werden, können die Levaques als „Normalfall“[14] in der dargestellten Welt angesehen werden. Zum ersten Mal zu „sehen“ sind sie – wie die Maheus auch - in Kapitel zwei des ersten Teils von Germinal. Der Leser erfährt, dass die Levaques direkt neben den Maheus wohnen und dass „rien de la vie intime n’y restait chaché“[15].

Bezeichnend ist hierfür Catherine Ausruf ab Zeile 128, der die Levaques einführt. Sofort wird deutlich, dass die Levaque ein Verhältnis mit ihrem Untermieter Bouteloup hat („- Bon! dit Catherine, Levaque descend, et voilà Bouteloup qui va retrouver la Levaque.“). Außerdem hört die älteste Tochter der Maheus, dass eine gewisse Philomène hustet. Der Erzähler erklärt daraufhin, dass es sich dabei um die Tochter der Levaque handelt, die mit Zacharie Maheu liiert ist und von ihm auch zwei Kinder hat.


4.3. Familie Pierron

Pierron und die Pierronne stehen im Kontrast zu den beiden anderen Arbeiterfamilien, da es ihnen verhältnismäßig gut geht. Ihren einigermaßen luxuriösen Lebenstil verdanken sie dem Verhältnis der Pierronne mit dem Obersteiger Dansaert, wovon der Leser allerdings erst später explizit erfährt. In Kapitel zwei des ersten Teils wird die Familie Pierron unmittelbar nach den Levaques eingeführt.

Auch sie werden aus dem Blickwinkel der Maheus beschrieben.


Et ce fut encore une dispute: il [Zacharie] se penchait pour guetter s’il ne verrait pas sortir de chez les Pierron, en face, le maître-porion du Voreux, qu’on accusait de coucher avec la Pierronne ; tandis que sa soeur lui criait que le mari avait, depuis la veille, pris en service de jour à l’accrochage, et que bien sûr Dansaert n’avait pu coucher, cetter nuit-là.[16]


Zacharie lehnt sich also aus dem Fenster, um der Pierronne nachzuspionieren. Die Pierrons werden ebenfalls wie die Levaques ohne Vorgeschichte genannt; so besteht die einzige Erklärung zu dieser Familie in der Ergänzung, dass sie „en face“ wohnt. Dann befindet sich der Leser direkt im Geschehen und es wird gleich auf das eventuelle Verhältnis zwischen der Pierronne und Dansaert angespielt.


Die Einführung der Arbeiterfamilien erfolgt – im Gegensatz zu dem sehr langsamen Herantasten an den Protagonisten Étienne Lantier - sehr direkt. Das heißt, sie werden sofort so gezeigt, wie sie sich verhalten – mit allen Fehlern: Affären werden ohne Umschweife aufgedeckt und auch sonst wird sofort in ihre Privatsphäre eingedrungen.

Während der Einführung der drei Familien ist es durchgehend recht dunkel und neblig. Außerdem herrscht insgesamt ein sehr ruppiger Umgangston. Es bestätigt sich also, dass die Arbeiter von der Isotopie der Dunkelheit begleitet werden. Diese steht im übertragenen Sinne für das düstere Leben, das sie führen.


5 Bourgeoisie

Bevor die Repräsentanten der Bourgeoisie ausführlich eingeführt werden, fallen ihre Namen größtenteils bereits vorher. Auffallend ist hierbei, dass sie – im Gegensatz zu den Arbeiterfamilien – nicht gleich in ihrem privaten Umfeld gezeigt werden und somit alles offenbaren. Ihnen wird also zunächst eine gewisse Distanz und somit auch Respekt gegenüber gebracht.


5.1 Familie Hennebeau

Eigentlich ist es fast übertrieben, die Hennebeaus als Familie zu bezeichnen, da das Ehepaar Hennebeau keine eigenen Kinder hat, sondern nur einen Neffen, Paul Négrel, bei sich aufgenommen hat. Wie bereits erwähnt wird die Bourgeoisie bereits zu Beginn des Romans namentlich genannt und erst später ausführlich eingeführt. So sprechen bereits im ersten Kapitel des ersten Teils Étienne und Bonnemort über M. Hennebeau.


- Faut pas t’habituer à bavarder, fichu paresseux! . Si monsieur Hennebeau savait à quoi tu perds le temps !

Étienne, songeur, regardait la nuit. Il demanda :

- Alors, c’est à monsieur Hennebeau, la mine ?

- Non, expliqua le vieux, monsieur Hennebeau n’est que le directeur général. Il est payé comme nous.[17]


Obwohl der Grubendirektor nicht selbst anwesend ist, ist er aufgrund des Gesprächs dennoch präsent und der Leser erfährt erste Details über ihn. Er wird umgehend mit seinem Namen benannt, obgleich zuvor noch keine Rede von ihm war. Daraus kann man eventuell ableiten, dass es sich um eine wichtige Person handelt, deren Namen man quasi kennen muss. Étienne, der neu in der Gegend ist, kann dies natürlich nicht wissen und fragt deshalb nach, um wen es sich dreht.

Dies kontrastiert mit der Einführung des Proletariats, das direkt in Zusammenhang mit seinem familiären Hintergrund vorgestellt wird.

Auch der Neffe von M. Hennebeau wird während einer Unterhaltung, fast beiläufig, eingeführt („Enfin, après avoir hésité, il permit, mais en se réservant de faire ratifier sa décision par M. Négrel, l’ingénieur.“[18]). Auch von ihm erfährt man nur die Stellung, sonst nichts. Sein Name wird ebenfalls ohne Umschweife ausgesprochen, da auch er allgemein bekannt zu sein scheint.

In Kapitel fünf des ersten Teils taucht die Figur Paul Négrel erstmals selbst auf und der Leser entdeckt, wie sie sich in ihrem Arbeitsumfeld bewegt und verhält.


Il parlait encore lorsqu’un bruit de pas vint de la galerie supérieure. Presque aussitôt, l’ingénieur de la fosse, le petit Négrel, comme les ouvriers le nommaient entre eux, parut en haut de la taille, [ .]. [ .] Paul Négrel, neveu de M. Hennebeau, étain un garçon de vingt-six ans, mince et joi, avec des cheveaux frisés et des moustaches brunes.[19]



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