IV.
Humanismus und Renaissance
Humanismus: der Mensch steht im
Mittelpunkt, der Humanismus beschäftigt sich im Grunde mit der literarischen
und philologischen Absicherung der griechischen und römischen Geistesströmung
im Sinne einer Erneuerung. Im Humanismus wird die Erneuerung der Zeit
literarisch-philologisch abgesichert. Man will, ausgehend vom Mittelalter, die
Zeit durch das Studium der Römer und Griechen erneuern.
Renaissance: Wiedergeburt der Antike im
Sinne einer Erneuerung, man will die Zeit durch das Studium der Griechen und
Römer erneuern.
Der Humanismus entwickelte sich in Italien, die italienische
Kultur erlebte eine Blüte nach den 3 wichtigen italienischen Autoren. Durch
DANTE wurde das italienische Sprachgefühl gestärkt. Italien nimmt eine
bedeutende Position in Europa ein, v.a. auf dem Symbolmarkt Europas.
Man interessiert sich wieder für Latein, man studierte den
Cicero und Vergil.
Die Stadtstaaten „Signorie“ werden von Rom verwaltet, es
entwickelt sich der Humanismus.
→ Die Gelehrten beschäftigten sich mit Latein, es wurden
klassische Texte (Vergil, Cicero) gelesen, der Humanismus kam auf.
In den Signories, die von Rom abhängig waren, war Latein
vorherrschend, in den unabhängigen Comunes wurde die Volkssprache belebt. Die
Stadtstaaten (Florenz, Mailand, Venedig, Ferrara, Rom, die Königreiche Neapel
und Sizilien usw.) kämpften um ihre Vorherrschaft, auch in der Verwaltung: es
gab damals kein vereintes Italien, nur Stadtrepuliken und Königreiche. Diese
Stadtrepubliken haben Gelehrte angestellt, die sich sehr intensiv mit dem
Lateinischen auseinander setzten, was die Basis für den Humanismus war.
Der Begriff „Humanismus“ entstand erst 1808 in der heutigen Form
(verfasst von Friedrich Immanuel NIETHAMMER: „Der Streit des
Philanthropismus und Humanismus in der Erziehung unserer Zeit“), weil
sämtliche kulturellen Begriffe meist im Nachhinein entstehen. Für Niethammer
ist der Humanismus die ältere Pädagogik, die neuere Pädagogik stammt aus der
Aufklärung, dennoch meint er, dass die neue Pädagogik die ältere brauche.
Der Humanismus als geschichtliche Epoche taucht erst später in
Deutschland auf (1859). Italien stellte für die deutsche Romantik ein Vorbild
dar. Das Italienische wurde von den deutschen Historikern aufgearbeitet, z.B.
von Georg VOIGT: „Die Wiederbelebung des klassischen Altertums“ oder „Das
erste Jahrhundert des Humanismus“.
Er setzt den Humanismus und das 14. und 15. Jahrhundert herum
an. Es gab damals den Begriff des Humanismus noch nicht, dennoch waren sich die
Denker dieser Zeit ihres Humanismus schon bewusst, dass es eine Gruppe von
Menschen gab, die die Wissenschaft neu ordnen wollte und schufen neue
Lehrfächer: Grammatik, Rhetorik, Poetik, Historie und Philosophie („Studias
humanitas“).
In Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird das dann
„Geisteswissenschaften“ genannt. Heute baut man wieder um.
Humanisten lehnen trockenes Lernen und einseitiges Fachwissen
ab, weil sie ein Ziel haben: die Vervollkommnung des Menschen in seiner ganzen
Würde.
Der Begriff Renaissance entwickelte sich erst bei der
romantischen Debatte (débat romantique) und stammt von MICHELET, er
spricht von einer „Découverte de l’homme et du monde“).
Formen zu dieser Zeit: Brief, Essay, Sonett.
Man lehnt das Mittelalter ab und Aristoteles und das
scholastische Lehrgebäude werden durch Thomas von Aquins, Platon und Augustinus
ersetzt.
„Nicht Ablehnung des Christentums, sondern eine von vermeintlich
heidnischen Elementen gereinigte Philosophie. Logik (Lehre vom schlußfolgernden
Denken) der mittelalterlichen Philosophie wird von Ethik (Lehre vom rechten
Handeln) und Rhetorik (Lehre vom überzeugenden Begründen und Reden) ersetzt.“
„Man empfindet sich nicht mehr als Zwerg auf den Schultern eines
Riesen, sondern als emsige Biene, die mit dem Fleiß der Gelehrsamkeit die
Substanz aus den Werken der Alten (neue Denken des Humanismus)(Antike) saugt
wie Pollen aus der Blüte und für die Gegenwart nutzbar macht/umsetzt
(bürgerlicher Aspekt).“
→ man empfindet sich nicht mehr als Zwerg sondern als
Biene
Ital.: „Als reinste Quelle der Prosa galt seit dem 14. Jh.
unbestritten Cicero. Dies kam bei weitem nicht bloß von einer abstrakten
Überzeugung zugunsten seiner Wörter, seiner Satzbildung und seiner literarischen
Kompositionsweise her, sondern im italienischen Geiste fand die
Liebenswürdigkeit des Briefschreibers, der Glanz des Redners, die klare,
beschauliche Art des philosophischen Darstellers einen vollen Widerklang.“
Jakob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Stuttgart:
Kröner 1988, S. 180.
→ was man an Cicero schätzte, war das Briefschreiben
1474 wurde die „Platonische Akademie“ in Florenz von Marsilio
FICINO (1433-1499) gegründet. Er pflegte die Würde des Menschen, sie soll im
Mittelpunkt stehen.
Pico della Mirandola (1463-1494) „Rede über die Würde des
Menschen“: Der Mensch muss sein Leben und sein Geschick aus sich selbst
heraus gestalten
Die „Platonische Akademie wurde in Florenz gegründet, weil es
dort schon mächtige Herrscher, wie Lorenzi I. de Medici gab.
Akademien sind keine Universitäten, in den Akademien wurde nicht
mit Büchern (Stoffe auswendig lernen etc.) gelehrt, sondern es wurde
diskutiert. Es wurde über die Würde des Menschen im Vordergrund diskutiert.
Ein weiterer Förderer des Humanismus war Lorenzo I. de MEDICI
(1449-1492). Ein Vorläufer war Cosimo il Vecchio). Florenz war die ideale
Schaltstelle, bei der sich der Humanismus entwickeln konnte.
„Cosimo besitzt den speziellen Ruhm, in der platonischen
Philosophie die schönste Blüte der antiken Gedankenwelt erkannt, seine Umgebung
mit dieser Erkenntnis gefüllt und so innerhalb des Humanismus eine zweite und
höhere Neugeburt des Altertums ans Licht gefördert zu haben. Marsilio Ficino
war geradezu sein geistiger Sohn. Somit ist Florenz das Zentrum des
Humanismus.“ (Burckhardt 1988, S.156)
Die italienische Sprachen entwickelt sich weiter, Schriften
werden nicht mehr weitergereicht, sondern gedruckt, Bücher zirkulierten
schneller in Europa aufgrund der Druckerpresse
→ Johannes GENSFLEISCH (1400-1468), Beiname Gutenberg:
erfand Mitte des 15. Jahrhunderts bereits für den Export den Buchdruck. Die
wichtigen Werke (Literatur, Kunst, Wissenschaft) konnten jetzt quantitativ
verbreitet werden. Die Literatur schwabbte von Italien nach Europa über und
wurde für Amerika transportabel gemacht (Literaturexport): es kam zu einer
quantitativen Verbreitung der Wissenschaft und Kultur.
LUIGI PULCI: „Il Morgante“ (1478,
aus Venedig -> damals Konkurrenzstadt zu Florenz) ist ein Versepos (Ottava
rima: 8 Zeilen, in Stanzen angelegt nach dem Muster abababcc) Pulci wurde
angeregt von Lorenzo de MEDICI. 23 Gesänge wurden gedruckt. Es gab 2 Vorlagen: „Orlando“
(Chanson de Roland) und „Spagna in rime“. Aus den zwei Vorlagen
macht er einen neuen Text. Die Rolandsage wird neu erzählt und parodisiert, 2
Riesen werden eingeführt, die an dem Geschehen der Karlsgäste ( Krieg gegen die
Mauren im 8. Jahrhundert wird 600 Jahre später neu erzählt) teilnehmen. Sie
heißen Morgante und Margutte. Roland, Ganelon, Marsilio (ein König) kommen auch
vor.
Die Handlung schweift immer wieder ab, führen ins Lächerliche
(durch die Riesen und und derbkomischen Stil; Ritterepos wird nicht mehr ernst
genommen).
Die beiden Riesen desakralisieren (machen das Werk lächerlich)
das Werk mit ihrem tolpatschigen Verhalten. Der Humor des Bürgertums wird
dadurch angesprochen!!!
Es werden mehrere Werke nach diesem Schema geschrieben, z.B. „L’Orlando
Innamorato“ von Matteo Maria BOIARDO.
Vom Mittelmeer zum Atlantik:
1942 wurde ein neuer Kontinent entdeckt, die italienische Kultur
wird zweitranging.
Christóforo COLOMBO trägt
Christus nach Amerika (Christóforo = der Christusträger).
In Italien regierte Papst Alexander VI (1492-1503), der Spanier
war. Der Papst durfte die Grenzen der Erde aufteilen und zog sie so, dass in
Lateinamerika die Spanier die Länder bekamen (das erklärt auch, warum beinahe
ganz Südamerika spanisch spricht!).
Juluis II. (1503-1513): Macht der Kirche
Die Portugiesen hatten 1492 schon etwas vollbracht: ENRIQUE
el NAVEGADOR (Heinrich der Seefahrer) hatte Handelsverbindungen mit Afrika
aufgenommen und Portugal zu einer eigenen Hochkultur verholfen. Er hatte damals
vor Christóforo Colombo Nordafrika schon erreicht; man ergründete Afrika,
zeichnete Karten und entdeckte langsam den Kontinent bis Südamerika durch Vasco
da Gama dem es gelang 1498 den Weg nach Indien frei zu machen
1492: wird der letzte maurische König BOABDIL von den
Spaniern aus Granada vertrieben, die Reconquista ist im März 1492
abgeschlossen, die mehrere Jahrhunderte gedauert hat. Die Araber wurden also
aus Spanien vertrieben, und im April bekam Kolumbus den Auftrag weiter zu
entdecken um die Reconquista weiterzuführen. → Die amerikanische
Eroberung ist eine Fortführung der Reconquista.
Feinde waren nicht mehr die Mauren sondern die „Indiander“,
Kolumbus wollte damals eigentlich nach Indien
1492: Eroberung der Insel Guanahaní durch Kolumbus.
In Spanien regierten nach der Vertreibung des maurischen Königs
wieder Isabel la Católica (stammte aus Kastilien; Zentrum
Nordens) und Fernando de Aragón (stammte aus NO Spanien, z.b:
Gebiete wie Barcelona → seine Gebiete und die seiner Frau fügen sich
zusammen → Kastilien).
Sie hatten eine Tochter, Juana la Loca (Johanna
die Wahnsinnige), die mit Felipe el Hermoso (Philipp der Schöne,
Sohn von Maximilian) verheiratet war. Ihr Sohn war Karl V (=
Carlos I von Spanien).
Isabel und Fernando gaben eine Grammatik in Auftrag, die erste
Grammatik der Volkssprache (!), die 1492 erschien: „Gramática castellana“ von
Antonio de NEBRIJA.
Das wiedereroberte Spanien brauchte ja wieder eine Sprache, und
somit wurde das Kastilische zur Nationalsprache erklärt (→ castellano).
Dieses Spanien ist bis heute aber nur eine Konstruktion (vgl.: Katalonien und
das Baskenland wollen bis heute nicht zu Spanien gehören!). Das Motto dieser
Grammatik lautete: „Todos los reinos debajo de un señorío“ (alle Königreicher
unter einer Herrschaft), das Instrument der Repression war die Inquisition (inquirir
= befragen): „Instrumento de represión al servicio de la casta cristiana“. Es
durfte in Spanien nicht mehr alles geschrieben werden. Was gegen den
katholischen Glauben war, wurde zensiert und durfte nicht veröffentlicht
werden. Der Dominikanerorden leitete die Inquisition und prüfte die
literarischen Texte. Wer die Evangelien nicht beachtete, war ein Häretiker,
dessen Strafen der Scheiterhaufen oder, wenn er gestand, die Würgeschraube
waren.
Fernando de ROJAS: „Celestina“ (1502) gab es
bereits in einer ersten Auflage unter dem Titel „Comedia de Calisto y
Melibea“ (1499).
Fernando de Rojas musste unter der spanischen Inquisition
schreiben, konnte daher nicht mehr frei schreiben.
„Celestina“ gehört neben Don Quijote zu
den Hauptfiguren/-typen der spanischen Literatur und Weltliteratur. Es ist ein
hybrides Werk, das aufgrund seines Titels und seiner Einordnung in Akte
eigentlich zur Gattung des Dramas gehören würde, dennoch wird es anders
eingereiht. Mit seinen 15+6 Akten = 21 Akte ( eine Komödie hatte normalerweise
ca. 3 Alte) ist es praktisch unaufführbar, wurde daher vorgelesen. Es wird im
männlichen Umfeld der Universitäten verbreitet. („Libro de Calisto y Melibea y
de la puta vieja Celestina“.)
Handlung: geht auf die Troubadourlyrik zurück
Der junge Adelige Calisto sucht seinen Falken und übersteigt die
hohe Gartenmauer (wie beim Rosengarten), erblickt Melibea, die Tochter einer
wohlhabenden, aber nicht adeligen Familie. Er verliebt sich unsterblich, erhält
von ihr aber eine kalte Abfuhr. Die Dienerfigur (= Helferfigur) Sempronio
taucht auf. Dieser kennt eine Kupplerin (Celestina, berühmte Kupplerin aus
dieser Gegend), von der sich Calisto einen Rat holt. Die Liebenden finden
schließlich zueinander, Calisto klettert über die Mauer, stürzt und stirbt.
Melibea folgt ihm in den Tod. Celestina wird von habgierigen Dienern ermordet,
die ihr den Lohn für ihre Kupplerei stehlen.
In diesem Werk wird die Liebe in ihrer zerstörerischen Kraft
gezeigt. Celestina ist vielleicht auch eine Parodie, vielleicht auch auf die novela
sentimental (ordnungsstiftend) der damaligen Zeit.
DON DIEGO de SAN PEDRO: „Cárcel de amor” (1492) →
Cárcel = Gefängnis; eingesperrt oder krank vor Liebe
Frankreichs Aufschwung zum Nationalstaat:
In Frankreich herrschte König François Ier, war ein
Erzfeind von Karl V., importierte aus Italien Kunst (Mona Lisa), man heiratete
Medici Damen → führte alles zum Aufschwung Frankreichs