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Seminararbeit / Hausarbeit

Unter­su­chung histo­ri­scher Fälle von Kanni­ba­lismus

1.654 / ~6 sternsternsternsternstern_0.2 Robin K. . 2018
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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Max Planck Gymnasium

2,0, 2014

Robin K. ©
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Die Geschichte des Kannibalismus

1. Kannibalismus

1.1 Einleitung

Die folgende Ausarbeitung bezieht sich auf das Thema Kannibalismus. Als Kannibalismus wird der Akt des Verspeisens eigener Artgenossen definiert.

1.2 Definition

Als Kannibalismus wird der Verzehr von Menschenfleisch gesehen. Dieses passiert aus verschiedenen Gründen, diese können religiöser oder sexueller Natur sein aber auch aus Notständen entstehen. Auch im Tierreich ist der Kannibalismus in verschiedenen Formen und aus verschiedenen Gründen vorhanden.

2. Die Geschichte des Kannibalismus

2.1 Kannibalismus in Notsituationen

Im Laufe der Zeit kam es immer wieder zum Kannibalismus. Die Hintergründe für dieses Verhalten sind jedoch unterschiedlich.

Die bekanntesten Fälle von Kannibalismus passierten in Notsituationen während der Kolonisation Amerikas. So lassen z.B. Knochenfunde aus dem Jahr 1609 in der ehemaligen Kolonie Jamestown in Virginia schließen, dass die Siedler in einer Hungersnot, die nur 60 der 214 Siedler überleben sollten, zu Kannibalen wurden.

Zuvor erfreute sich die Kolonie einem reichen Angebot an riesigen Stören. Als jedoch die Fische im Winter die umliegenden Gewässer verließen um zu laichen und andere Nahrungsquellen in der Umgebung durch Feindseligkeiten mit umliegenden Powhatan-Indianern unerreichbar blieben, kam es zur einer Hungersnot.

Da vorab keine Vorräte angelegt wurden, Landwirtschaft war durch eine extreme Dürreperiode und fehlende Kenntnisse misslungen, und ein Schiff, welches Proviant aus Europa mitbringen sollte, auf See verloren ging, blieb den Siedlern nur noch eine Möglichkeit. Sie wurde zu Kannibalen und schlachteten unter anderem ein 14-jähriges Mädchen.

Ihre Knochen weisen charakteristischen Spuren einer Schlachtung auf. Ob sie dafür extra getötet wurde oder schon tot war, ist unklar, jedoch lassen sich keine Spuren finden, die auf eine Tötung hinweisen.

Exkurs: Die Verwertung von Menschenfleisch lässt sich selbst noch tausende Jahre später anhand von Knochen der Gegessenen rekonstruieren. So hinterlässt das Schlachten charakteristische Schnitt- und Kratzspuren, die sich vom natürlichen Zerfall oder Nagspuren durch Tiere unterscheiden.

Zusätzlich sind oftmals Röhrenknochen der Länge nach aufgebrochen, sodass deren nährstoffreiches Knochenmark ausgeschabt oder ausgekocht werden konnte.

Anschließend wurden ihre Überreste in eine Müllgrube geworfen, in die zuvor schon die Knochen der Störe weggeschmissen wurden.1

Es gibt jedoch auch schriftliche Beweise. So schrieb der damalige Präsident von Jamestown, George Percy, 16 Jahre nach dem Hungerwinter in einem Brief, wie sie aus Verzweiflung zu Kannibalen wurden:

And now famin beginneinge to Looke gastely and pale in every face, thatt notheinge was Spared to mainteyne Lyfe and to doe those things which seame incredible, as to digge upp deade corpes outt of graves and to eate them. And some have Licked upp the Bloode which hathe fallen from their weake fellowes.”

(Auf deutsch: „Und nun blickt der Hunger bei jedem so schrecklich und blass ins Gesicht, dass uns nichts anderes mehr übrig blieb, als die Dinge zu tun, die so unglaublich scheinen, wie tote Körper aus ihren Gräbern zu holen und zu essen. Und manche haben das Blut aufgelegt, welches von ihren schwachen Kameraden fiel.“)2

Ein weiterer Fall war der Kannibalismus der Donner-Party. Im Jahr 1846 machten sich die Familien von George Donner und James Reed zusammen mit angeheuerten Begleitern auf den Weg in den Westen nach Kalifornien und blieben durch eine ungeeignete Abkürzung und einen sehr früh einbrechenden Winter 4 Monate im Schnee stecken, ohne ausreichend Proviant mit zu haben.

In dieser ausweglosen Situation begannen sie zuerst ihre Zugtiere sowie ihre Hunde und Katzen zu essen, später kochten sie selbst Felle und Leder. Als dann aber auch diese Möglichkeit versiegten, begannen sie ihren Toten zu essen. Am Ende des Winters sollten nur 47 der 87 ursprünglichen Reisenden überleben – jeder zweite davon durch Kannibalismus.3

Forscher fanden in der Ebene Cowboy Wash im südwestlichen Colorado menschliche Knochen verstreut in den Überresten von damaligen Häusern - mit den typischen Kratzspuren einer Schlachtung. Zusätzlich fanden sie einen verräterischen Kothaufen, mit Spuren vom menschlichen Eiweißstoffe Myoglobin, die wohl einer der Angreifer hinterlassen hat.

Diesen Eiweißstoff findet man nur im menschlichen Skelett- und Herzgeweben. Somit bleibt Kannibalismus als einzige Möglichkeit, wie dieser im Kot gefunden werden konnten.

Zwar handelte sich es hier wohl auch um Kannibalismus aus Hunger, so zeigen Untersuchung von Baumringen aus gleicher Zeit Anzeichen einer Dürreperiode, jedoch war es in diesem Beispiel ein Überfall einer kleinen Siedlung mit 3 Häusern durch Fremde. Dies lässt sich daraus schließen, dass sie ihre Werkzeuge und anderes Hab und Gut hinterlassen haben, die man im Normalfall, wie z.B. einem Umzug, mitgenommen hätte.4


Viele Rezepte für Arzneien lassen sich aus der Renaissance finden, die menschliches Blut, Fleisch oder pulverisierte Knochen beinhalten. Dies bewirkte, dass damals menschliche Körperteile auf Profit hin gehandelt wurden und in keiner Apotheke fehlten. Und dies trotz des Gebotes der Kirche, dass Leichen unversehrt bleiben sollten.

Dieser Widerspruch wurde „übersehen“, wenn die Leichenfledderei bei Sündern, Personen ohne Religion und Verwandten oder bei Gefallenen in Kriegszeiten stattfand. Meist wurden diese Rohstoffe direkt vom Henker angeboten, da sie im Gegensatz zu Bestattern nur mit ohnehin entehrten Leichen zu tun hatten.

Die Idee hinter diesen Zutaten war die Vorstellung, dass jeder Mensch eine ihm vorbestimmte Lebensdauer besaß. Starb jemand jedoch einen unnatürlichen und so verfrühten Tod, konnte man durch den Konsum von dessen Körper die verbleibende Lebenskraft aufnehmen.

Dieser Aberglaube wurde selbst im Vatikan praktiziert. So wurden 1492 drei Jungen ausgeblutet, um dem sterbenden Papst Innozenz VIII. vor dem Tod zu retten – jedoch ohne Erfolg.

Ein weiteres Beispiel das Arme-Sünder-Fett. Gewonnen aus, wie der Name impliziert, armen Sündern, die eine kirchliche Bestattung verwehrt blieben, hatte das menschliche Fett viele Anwendungen, vor allem in Salben:

Man hält übrigens das Menschenfett für schmerzstillend, erweichend und zertheilend. Einige Aerzte rathen es innerlich zu nehmen in abzehrenden Krankheiten, und zu Zertheilung des geronnenen Geblüts. Sonst aber wird es nur äußerlich gebraucht wider Flüsse, Zittern der Glieder und Lähmungen.

Erst im Zeitalter der Aufklärung ließ man von diesen abergläubischen Praktiken ab und widmete sich belegbaren Behandlungsmethoden.6


2.3 Religiöser/Kultureller Kannibalismus

Doch auch in vielen Religionen und Kulturen spielte Kannibalismus eine Rolle, zum Teil als abschreckendes Beispiel und andererseits als eine Form der Erlösung.

In der griechischen Schöpfungsmythologie heißt es, dass der Titanenherrscher Kronos seine eigenen Kinder, wie z.B. Poseidon, die er mit seiner Schwester Rhea gezeugt hatte, gegessen haben soll, um zu verhindern, dass eines von ihnen ihn vom Thron stürzen kann. In diesem Fall ist der Kannibalismus eine Darstellung der Gnadenlosigkeit des Herrschenden und soll den Gläubigen Ehrfurcht lehren.7

Die Trauerarbeit der Wari-Indianer unterschied sich vor der Ankunft von Missionaren stark von unserer. Sie bestand darin, die Seele eines Toten vom Körper zu befreien und alle irdischen Andenken zu zerstören und so Trauer zu vermeiden. Jedoch statt die Toten zu verbrennen, aßen sie ihre Toten und verbrannten nur ihre Häuser und Sachen.

Für sie war der Gedanke, dass ihre Mitmenschen während eines Gedenkfestes in ihren warmen Mägen landen angenehmer, als dass sie in der kalten Erde verrotten. Dabei herrschte eine strikte Trennung nach Art der Verwandtschaft. Die angeheiratete Familie musste essen, die per Blut verwandten guckten zu.

Diese Gedenkfeste dauerten drei Tage an und befreite nach dem Glauben der Wari die Seele des Verstorbenen, damit sie wieder in den Kreislauf des Lebens gelangen konnte.

Einen ebenfalls religiös motivierten Kannibalismus betrieben wohl auch vor 7000 Jahren die Menschen in der Pfalz.

Archäologen fanden mehr als 500 Tote, denen das Fleisch wie bei einer Schlachtung von den Knochen gezogen sowie das Mark ausgeschabt wurde, in einer steinzeitlichen Siedlung bei Herxheim. Die Archäologen vermuten, dass es sich hier um einen Pilgerort handelte, zu dem die Menschen freiwillig gekommen sind und sich dann geopfert haben.

So ist zum einen die Menge an Knochen für eine kleine steinzeitliche Siedlung viel zu groß. Zum anderen zeigen die zwischen den Knochen liegenden feinen Keramikschalen, dass die Menschen vom bis zu 400km entfernten Elbtal stammen, viel zu weit für getötete Gefangene.

Stattdessen zeigen sie Anzeichen, dass sie an einem Spieß gebraten wurden. Dies ist somit ein deutlicher Hinweis, dass das Fleisch nicht nur für ein Rituell entfernt, sondern auch gegessen wurde. Dass dies aber im Rahmen einer Hungerperiode geschah lässt sich ausschließen.

So zeigen Analysen der Knochen, dass die Toten gesund und wohl genährt waren.

Auch wurden manche Knochen, wie für Rituale üblich, besonders behandelt. So wurde der Schädel immer wieder mit der gleichen Abfolge von Schlägen geöffnet - ein Schlag gegen das Gesicht, einer gegen den Halsansatz und jeweils einer an beiden Seiten. Das Resultat ähnelte dann dem eines Trinkbechers.

Spätestens 50 Jahre nach der ersten rituellen Opferung war alles wieder vorbei. Danach lassen sich keine Spuren jeglicher Aktivität in Herxheim finden, die Siedlung scheint danach nicht mehr existiert zu haben.9




Becker M.: „Kannibalismus in Amerika: Englische Siedler verspeisten 14-Jährige", 02.05.2013, Url: Zugriff: 02.01.2014 und „Donner Party: Spuren von US-Kannibalen gefunden", 28.07.2004, Url: Zugriff: 02.01.2014

Bethge P.: „Die Heilkraft des Todes", 26.01.2009, Url: Zugriff: 03.01.2014 und „Spuren im Kot“, 11.09.2000, Url: Zugriff: 02.01.2014

Bosold G.: „Kronos und Rhea", Url: Zugriff: 02.01.2014

Franz A.: „Ausgrabung in der Pfalz: Die Menschenschlachter von Herxheim", 07.12.2009, Url: Zugriff: 02.01.2014

Stromberg J.: „Starving Settlers in Jamestown Colony Resorted to Cannibalism", 01.05.2013, Url: Zugriff: 10.01.2014

Thimm K.: „Liebevolle Menschenfresser", 03.12.2001, Url: Zugriff: 03.01.2014


2Stromberg J.: „Starving Settlers in Jamestown Colony Resorted to Cannibalism", 01.05.2013


3Vgl. Becker M.: „Donner Party": Spuren von US-Kannibalen gefunden", 28.07.2004


4Vgl. Bethge M.: „Spuren im Kot“, 11.09.2000


5Krünitz J.G.: Oeconomische Encyclopädie, 1773 –1858


6Vgl. Bethge M.: „Die Heilkraft des Todes", 26.01.2009 und Dr. Kugener G.: „Menschenfett“


7Vgl. Boshold G.: „Kronos und Rhea"


8Vgl. Thimm K.: „Liebevolle Menschenfresser", 03.12.2001


9Vgl. Franz A.: „Ausgrabung in der Pfalz: Die Menschenschlachter von Herxheim", 07.12.2009



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