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Bakkalaureatsarbeit
Geschichte / Historik

Universität Flensburg

2010; 1,3

Frank A. ©
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ID# 22519







Universität Flensburg - Bachelor- Thesis im Studiengang „Vermittlungswissenschaften

Die Flüchtlingsfrage in der Berichterstattung der Flensburger Presse


Vorgelegt von:

Erstbetreuer: Prof. Dr. R

Zweitbetreuer: Prof. Dr. U


Flensburg, im Juni 2010


Inhaltsverzeichnis


Einleitung . 3

Die Situation im Flensburg der Nachkriegszeit . 5

Die Flüchtlingsfrage im Flensburger Nachrichtenblatt 7

Die Flüchtlingsfrage im Flensburger Tageblatt . 10

Die Flüchtlingsfrage in der Flensborg Avis 24

Die Flüchtlingsfrage in der Südschleswigschen Heimatzeitung . 36

Vergleichende Analyse . 43

Literaturangaben . 47

Archivalien . 48


Einleitung

Heute ist es für die Bewohner Flensburgs selbstverständlich, dass sie als Schleswig-Holsteiner zu Deutschland gehören und erst nördlich der Stadtgrenze Dänemark anfängt. Doch dies war nicht immer so. In der Geschichte Schleswig-Holsteins gab es Phasen, in denen über die Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Dänemark erbitterte Debatten geführt wurden. Zuletzt direkt nach dem zweiten Weltkrieg meldeten sich die Befürworter einer Angliederung des Landesteils Schleswig an Dänemark lautstark in der Öffentlichkeit zu Wort.

Schleswig-Holstein wurde als eines der letzten Gebiete von den Alliierten erobert und besetzt.[1] Das hatte zur Folge, dass sich hier eine erhebliche Anzahl an Kriegsflüchtlingen angesammelt hatte, die die Möglichkeiten der bis dahin heimischen Bevölkerung in vielerlei Hinsicht zu überschreiten drohte.[2]

Bis zum heutigen Tag kann man die aus dieser Situation entstandenen Konflikte in unserer Gesellschaft erkennen. Häufig reicht ein Blick auf die Veranstaltungspläne vieler Kirchengemeinden,[3] in denen auf die Treffen von – zum Teil bundesweit organisierten – Vertriebenenvereinen und -verbänden, die bis heute noch aktiv sind, hingewiesen wird,[4] obwohl die eigentlichen Opfer der Vertreibung in den meisten Fällen schon tot sind.

Aber auch in der überregionalen Presse finden sich immer wieder Artikel, die sich mit einer der größten Tragödien während und nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen. Nicht selten fordern Flüchtlingsverbände noch immer Entschädigung für erlittenes Unrecht.[5]

Insbesondere in Schleswig-Holstein, dessen freundschaftliches Verhältnis zu Dänemark heutzutage oftmals als vorbildlich gesehen wird,[6] kam es im Zuge des sprunghaften Bevölkerungszuwachses in der Nachkriegszeit zu ernstzunehmenden Konflikten und Spannungen, die auch in den vorherrschenden Medien der damaligen Zeit, den Zeitungen und dem Rundfunk, die in der Nachkriegszeit nach englischem Vorbild neu organisiert worden sind,[7] ihre Spuren hinterlassen haben.

Besonders interessant ist in diesem Bereich vor allem die Flensburger Presse. Flensburg liegt nicht nur im alten Landesteil Schleswig, es besitzt als direkte Grenzstadt zu Dänemark bis zum heutigen Tage eine deutlich stärkere Verbindung zu Dänemark als viele andere Städte Schleswig-Holsteins. Die dänische Minderheit ist traditionell sehr stark im politischen, aber auch sozialen Bereich vertreten.[8] Ihre Rechte werden mittlerweile durch die Schleswig-Holsteinische Landesverfassung geschützt.

Darüber hinaus wurden ihr auch einige Privilegien, wie der Nichtanwendung der 5%-Klausel bei den Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag und der im Landesteil Schleswig verteilten dänischen Schulen, zugesprochen.[9]

Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen für meine Bachelor-Arbeit zu untersuchen, inwiefern und vor allem auf welche Art und Weise in der Flensburger Presse über die sogenannte „Flüchtlingsfrage“ berichtet worden ist. Dies erscheint mir als besonders reizvoll, da es in Flensburg neben dem Flensburger Tageblatt mit Flensborg Avis bis heute noch eine dänische Zeitung gibt, die über eine eigenständige Vollredaktion verfügt.[10] Der untersuchte Zeitraum beginnt mit der Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands im Mai 1945, er endet mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Gegenstand der Untersuchung sind die Ausgaben des Flensburger Tageblatts, der Flensborg Avis und der Südschleswigschen Heimatzeitung, die als Lokalzeitungen von wesentlich größerer Bedeutung für die Menschen waren und sind, als es überregionalen Zeitungen sein können, da hier ein direkter Bezug zur Lebenswelt der heimischen Bevölkerung besteht.[11] Jedoch habe ich auch das von der Militärregierung herausgegebene Flensburger Nachrichtenblatt in den Vergleich mit einbezogen, da es Anhaltspunkte dazu liefert, wie die Engländer die Situation in Flensburg beurteilt und was sie von einer Zeitung erwartet haben.

Schließlich waren alle Zeitungen in der englischen Besatzungszone auf die Duldung durch England angewiesen. Den eigentlichen Kern der Arbeit bildet aber die Analyse und der Vergleich des Flensburger Tageblatts, der Flensborg Avis und der Südschleswigschen Heimatzeitung, da diese Zeitungen, was die Flüchtlingsfrage und die mögliche Abspaltung Südschleswigs von Holstein anbelangt, in einem deutlichen Kontrast zueinander standen.[12]


Die Situation im Flensburg der Nachkriegszeit

Obwohl es in Schleswig-Holstein wegen seiner Randlage erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu Kampfhandlungen im engeren Sinne gekommen ist, gab es auch hier Kriegsschäden.[13] Für die britische Nachkriegsverwaltung viel problematischer war aber die hohe Zahl an Flüchtlingen. Allein in Flensburg war die Bevölkerung bis Mai 1945 um 40.000 auf 110.000 Einwohner angewachsen und auch danach drängten immer mehr Flüchtlinge in den Norden des ehemaligen Deutschen Reiches.[14] Dies traf Schleswig-Holstein insbesondere deshalb besonders hart, als es von seiner wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur gerade für die einheimische Bevölkerung ausreichend gewesen war und die Menschen zum Teil schon seit Generationen aus wirtschaftlichen Gründen abwanderten.[15] Der massive Zustrom an Flüchtlingen führte in den Landkreisen mit einem Zuwachs von fast 94% bis zum Jahr 1950 zu einer Verdoppelung der Bevölkerungszahlen,[16] die Gesamtbevölkerung Schleswig-Holsteins stieg um 68,7%.

Lebten im Mai 1939 noch 1.588.994 Menschen in Schleswig-Holstein, waren es im Jahr 1948 schon rd. 2.641.000 Menschen. Die 1.151.396 Flüchtlinge und Evakuierte unter ihnen[17] mussten versorgt und aufgenommen werden, wollte man wieder Ordnung in das entstandene Chaos bringen. Diese Zwangslage brachte eine Vielzahl an Problemen mit sich, denen sich die britische Militärverwaltung stellen musste.

In Flensburg wurden deshalb allein bis zum Herbst 1945 21 Flüchtlingslager eingerichtet, um der zunehmend schlechter werdenden Versorgungslage der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medizin Herr zu werden. Das Leben in den Flüchtlingslagern war von Entbehrungen und Platznot bestimmt. So gab es im Lager in der Duburg-Schule für die 130 Bewohner gerade einmal 3 Waschbecken.[18] Die Versorgung der Flüchtlinge war aber auch deshalb eine besondere Herausforderung, weil sie meist nur noch das besaßen, was sie auf ihrer oft sehr langen Flucht mit ihren Händen hatten tragen können.[19]

Die Notlage der Bevölkerung führte bei vielen Menschen zu Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit gegenüber dem, was sie in den nächsten Jahren noch auf sich zukommen sahen.[20] Die einheimischen Schleswig-Holsteiner waren mit dem Zustrom an Flüchtlingen so sehr überfordert, dass sie es als reizvoll ansahen, sich zur dänischen Minderheit zu bekennen oder sich ihr anzuschließen.

Trotz ihrer Niederlage bei der Abstimmung von 1920 hatten die schleswig-holsteinischen Dänen die Hoffnung auf einen Anschluss Südschleswigs an Dänemark nicht aufgegeben und nahmen den Niedergang des nationalsozialistischen Deutschlands, dass sich gegen Dänemark gewandt hatte, als eine Art Befreiung wahr.[21] Mit dem Anschluss an Dänemark hofften sie den zahlreichen Problemen Deutschlands zu entkommen und die Chance zu erhalten, in einem Land zu leben, in dem sich sowohl innerer als auch äußerer Frieden ebenso bewährt hatte wie die Demokratie.[22] Sie wollten sich auch von ihrer Vergangenheit distanzieren, die ihnen nun ein Dorn im Auge war.

Der enorme Zuspruch für dieses sogenannte „Neudänentum“ lässt sich auch daran erkennen, dass der Südschleswigsche Verein (SSV) nach seiner Genehmigung durch die britische Militärregierung am 31.01.1946 rasant an Mitgliedern gewann. Ihre Zahl entwickelte sich von 11.800 im Jahr 1946[24] bis zu ihrem Höhepunkt am 01.10.1948 auf 75.419 Mitglieder.[25]

Dieser beachtliche Erfolg des SSV, der bei den ersten freien Landtagswahlen immerhin 6 dänische Mandate erringt[26] führt dazu, dass die sogenannte „Südschleswig-Frage“ zu einem Verhandlungsthema zwischen Dänemark und der Besatzungsmacht England wird. Die dänische Regierung setzt sich zwar nicht für eine Grenzverschiebung zu Gunsten Dänemarks ein, fordert aber eine Verwaltungstrennung von Schleswig und Holstein, die Entfernung der Flüchtlinge und den Schutz der dänischen Südschleswiger.[27] Die Idee einer Grenzrevision verfolgte die dänische Regierung nicht, sie hatte erkannt, dass das eigentliche Ziel vieler „Neudänen“ die Vertreibung der unliebsamen Flüchtlinge aus den Ostprovinzen war.[28] Das Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Flüchtlingen hatte sich durch das unausweichlich enge Zusammenleben sehr schnell aufgelöst und war in Ablehnung umgeschlagen.[29]

Die britische Militärregierung behielt vorerst die alten, bereits bestehenden Verwaltungsstrukturen bei. Aber schon im Herbst 1945 wurde mit dem Aufbau neuer demokratisch legitimierter Institutionen begonnen, ab September 1945 war die Gründung neuer politischer Parteien erlaubt. Im November diesen Jahres wurde Theodor Steltzer, der sich durch sein Verhalten in der Vergangenheit einen tadellosen Ruf und unbestrittene Autorität erarbeitet hatte, zum Oberpräsidenten der Region Schleswig-Holstein ernannt.

Er war von den Nationalsozialisten als Landrat des Kreises Rendsburg abgesetzt worden,[30] gehörte zu den bekennenden Gegnern des NS-Regimes und war am 26. Juni 1945 in Berlin einer der Mitgründer der CDU.[31]


Die Flüchtlingsfrage im Flensburger Nachrichtenblatt

Das Flensburger Nachrichtenblatt ist eine von den Engländern herausgegebene Zeitung, die der Gattung der Heeresgruppenpresse zuzuordnen ist.[32] Da Flensburg nur geringe Kriegsschäden erlitten hatte, konnte das Flensburger Nachrichtenblatt schon vom 11. Mai 1945 an erscheinen, die Herausgabe wurde am 28. März 1946 eingestellt.[33]

Ich bin davon ausgegangen, dass die Zeitung von den Engländern insbesondere in der Anfangszeit dazu genutzt worden war, die Bevölkerung über die Situation vor Ort aufzuklären, ihr auch in der Breite Informationen zukommen lassen und auch über die beachtliche Zahl an Flüchtlingen, die sich entweder noch auf dem Weg nach Flensburg befanden oder dort schon angekommen waren, zu berichten.

Erwähnung finden die Flüchtlinge im Jahr 1945, aber auch noch in den Ausgaben des Jahres 1946, in vor allem positiv gestimmten Artikeln. Entweder wird über die Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat[34] oder die Nächstenliebe Flensburger Bürger, die durch Spenden den Flüchtlingen, die unter schlechtesten Bedingungen in den Flüchtlingslagern leben mussten, ein „anständiges“ Weihnachtsfest ermöglichten, berichtet.[35] Ansonsten wird vor allem allgemein die Lage in Flensburg beschrieben, aber immer wieder am Rande erwähnt, dass die Lage für die Flüchtlinge besonders schlimm sei und die Einheimischen mit ihnen Mitleid haben sollten.[36] Dem Leser wird jedoch stets ein gewisser Fortschritt vermittelt und dass die Verwaltung nach Kräften daran arbeite, die Situation in den Griff zu bekommen.[37]

Ein wesentlicher Fokus des Flensburger Nachrichtenblattes im Zusammenhang mit den Flüchtlingen lag neben den Berichten über ein einvernehmliches Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen auf der Berichterstattung über die hygienischen Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge in den Lagern leben mussten.[38]

Insgesamt gesehen scheint es für das Flensburger Nachrichtenblatt nur wichtig gewesen zu sein, die Bevölkerung über verwaltungsmäßige Arbeiten zu informieren. Nichtsdestotrotz hat es sich gelegentlich auch mit dem Thema Flüchtlinge auseinandergesetzt, insbesondere in den späteren Ausgaben des Jahres 1946. In diesen Artikeln schildern die Redakteure die Flüchtlingsproblematik möglicherweise bewusst nicht als Gefahr oder Bedrohung für die einheimische Bevölkerung, obwohl aus einigen durchaus deutlich wird, dass sich die Herausgeber der Zeitung des immensen Drucks bewusst sind, der durch die große Zahl der Flüchtlinge auf die einheimische Bevölkerung ausgeübt wurde.[39]

Zum anderen könnte es der Versuch sein, eine Art Gemeinschaftsgefühl zwischen ursprünglicher Bevölkerung und den Flüchtlingen zu erzeugen. Bereits 1945 zeichnete sich die Spaltung der Bevölkerung in Einheimische und Flüchtlinge ab, was nicht im Sinne der englischen Besatzungsmacht als Herausgeber des Flensburger Nachrichtenblattes war.

Ein weiterer Grund für die Dominanz von Themen wie dem Krieg gegen Japan oder aufgedeckten deutschen Kriegsverbrechen könnte sein, dass das Flensburger Nachrichtenblatt erzieherisch auf die Bevölkerung einwirken sollte und deshalb tendenziell eher über Themen berichtet wurde, in denen man englische Erfolge vorweisen konnte. Hierzu zählen auch die Wertevorstellungen der Engländer, die ein Interesse daran hatten, ihr liberales Gesellschaftssystem in einem guten Licht darzustellen.[40]

Die Berichterstattung im Flensburger Nachrichtenblatt über die Flüchtlingsproblematik kann man deshalb als Versuch der Einflussnahme auf die Bevölkerung im Sinne der Besatzungsmacht Großbritannien ansehen.

Die Flüchtlingsfrage im Flensburger Tageblatt

Das Flensburger Tageblatt erschien erstmals am 6. April 1946. Zu Beginn waren die einzelnen Ausgaben meist auf vier Seiten begrenzt. Dies ist durch den Papiermangel zu erklären, der auch andere Zeitungen der Nachkriegszeit betraf. Das Flensburger Tageblatt ist eine deutsche Zeitung, die zu Beginn nur zweimal wöchentlich erschien. Es handelt es sich um eine echte Neugründung einer Zeitung und nicht um ein Nachfolgeblatt der von den Nationalsozialisten gleichgeschalteten Flensburger Nachrichten.

Das Tageblatt beginnt erst relativ spät mit seiner Berichterstattung über regionale Probleme wie die Flüchtlingsfrage, auch wenn schon in den ersten Ausgaben Artikel zur Ernährungssituation der Bevölkerung erscheinen. Hier hätte ein direkter Bezug zu den Flüchtlingen hergestellt werden können, da der durch die zahlreichen Flüchtlinge verursachte massive Bevölkerungszuwachs die Ernährungsproblematik noch weiter verschärft haben müsste.

Bis Mitte Juni 1946 schließt sich das Tageblatt der positiv erscheinenden Berichterstattung des Flensburger Nachrichtenblattes an und bringt Artikel zur Flüchtlingsproblematik vor allem auf den letzten Seiten, also in weniger exponierter Position[43], bis dann schließlich am 12. Juni 1946 ein Artikel zu aktuellen regionalen Flüchtlingsfragen erstmals auf der Titelseite erscheint.

Dies ist jedoch nicht auf die Eigeninitiative des Flensburger Tageblattes zurückzuführen, sondern eine Antwort auf einen Artikel der Flensborg Avis, die mögliche Schritte der dänischen Regierung in Bezug auf Südschleswig ankündigt.[44] Aber bis auf den Artikel „Übervölkerung“[45], der sich ebenfalls auf der Titelseite dieser Ausgabe befindet und sich ausführlich mit den Problemen der Landbevölkerung auseinandersetzt, deren Lebensraum durch die Flüchtlinge eingeengt wird, bleibt das Flensburger Tageblatt bei der Schilderung der regionalen Flüchtlingsproblematik sehr vage und berichtet sogar über die bayrische Flüchtlingsproblematik.[46]

Sie wird von der dänischen Minderheit und dem sogenannten „Neudänentum“ unter anderem mit dem Ziel forciert, sich der Flüchtlinge zu entledigen.[47] Im Zusammenhang mit diesen Bestrebungen veröffentlicht das Flensburger Tageblatt immer wieder Artikel, die zu Solidarität und Verständnis mit den Flüchtlingen auffordern, da sie an ihrem Schicksal nicht die alleinige Schuld tragen.

Trotzdem fordert auch das Tageblatt eine möglichst rasche Lösung der Flüchtlingsproblematik.[48] In den Juni-Ausgaben 1946 wird vor allem die sehr enge Verknüpfung der Flüchtlingsproblematik mit der sogenannten Schleswig-Frage deutlich, die die Gesellschaft in zwei Lager zu spalten droht. Diese drohende Spaltung ist auch Gegenstand zahlreicher Stellungnahmen verschiedenster Parteien, die allesamt für ein deutsches Schleswig eintreten.[49] Vor diesem Hintergrund tritt die Berichterstattung über die Flüchtlingsproblematik deutlich zurück.

So finden sich in den Ausgaben des Flensburger Tageblatts kaum Artikel über die Ernährungssituation in den Flüchtlingslagern oder die auch in Flensburg sehr angespannte Wohnraumsituation. Jedoch zeichnet sich schon in dieser Phase der Berichterstattung ab, dass die deutschen Parteien an einem Strang ziehen und nach einer Lösung suchen, die nicht zu einer Eingliederung Schleswigs in Dänemark und der Ausweisung sämtlicher Flüchtlinge führt.

Erstmals im August 1946 bedient sich das Flensburger Tageblatt des historischen Analogieschlusses um zu untermauern, dass es für die Bevölkerung nur eine Zukunft in Deutschland geben kann.[50] Dieses Muster hat sich anscheinend bewährt, denn es finden sich in den Septemberausgaben immer mehr Artikel, die die Zugehörigkeit zu Deutschland durch historische Zusammenhänge zu beweisen suchen.

Besonders auffällig ist hierbei, dass für die Artikel Experten von außerhalb herangezogen werden. Professor Volquart Pauls ruft in seinem Artikel „Der Schleswig-Holsteiner und seine Geschichte“, der am 04.09.1946 erschienen ist, mehrfach zu Solidarität und Zusammenhalt in der gesamten schleswig-holsteinischen Bevölkerung auf.[51] Wesentlich deutlicher als er bezieht die evangelische Kirche in der darauf folgenden Ausgabe Stellung.

Sie äußert sich in einem halbseitigen Artikel auch zur Schleswig-Frage und ermahnt die Bevölkerung, auch in schweren Zeiten ihrer deutschen Heimat treu zu bleiben, um ihre Selbstachtung zu bewahren. Die Kirche argumentiert damit, dass die deutschstämmige Bevölkerung Südschleswigs von Gott als Deutsche erschaffen worden sei. Eine Abwendung von Deutschland wäre ein Verstoß gegen die Planung Gottes.[52] Damit positioniert sich die evangelische Kirche deutlich auf Seiten der Flüchtlinge, was noch dadurch unterstrichen wird, dass in dem Artikel keine Aufteilung der Bevölkerung in Einheimische und Flüchtlinge vorgenommen wird.

Dies wird insbesondere daraus deutlich, dass im nun folgenden Wahlkampf eine steigende Zahl an Stellungnahmen und Aufrufen von Parteien wie der SPD oder der CDU veröffentlicht werden, die sich deutlich an die Flüchtlinge wenden und sie auffordern, sich an der Wahl zu beteiligen.[57] Aber auch an die einheimische Bevölkerung wird zunehmend eindringlicher apelliert, zur Wahl zu gehen.

Dies sei für jeden Deutschen, egal ob Flüchtling oder Einheimischer eine nationale Pflicht, von deren Erfüllung die Zukunft des Landes abhänge. Besonders deutlich wird dies an der Zeitungsunterschrift vom 12. Oktober 1946, in der es heißt „Die Dänen bringen den letzten Mann an die Urne. Deutscher, tu deine Plicht/ Wahlenthaltung stärkt das Dänentum!“.[58] Aber auch zahlreiche andere Artikel dieser Ausgabe sprechen eine deutliche Sprache, indem sie die gesamte Bevölkerung zusammenfassen und dazu motivieren sollen, ‚deutsch‛ zu wählen.[59]

Dennoch konnte die über Wochen aufgebaute Argumentation des Flensburger Tageblatts einen Wahlsieg der dänischen Minderheit in der Stadt Flensburg, der in der Ausgabe vom 18. Oktober 1946 ausgiebig besprochen wird, nicht verhindern. Bei der Wahlanalyse fällt besonders die starke Bezugnahme auf die Flensborg Avis auf, die in den Augen des Flensburger Tageblatts bei der Bewertung der Stimmanteile Tatsachen verdreht und der dänischen Minderheit erhebliche Stimmen aus dem Umfeld der Flüchtlinge zugeordnet haben soll.

Die Zahlen als solche sind aber anzuzweifeln, denn auch die des Flensburger Tageblattes sind nicht exakt, sondern nur geschlussfolgert.[61] Ernstzunehmende Wahlforschung gab es 1946 noch nicht, was eine Menge Raum für eine Verschiebung der Zahlenverhältnisse lässt. Dies ist von der deutsch gesinnten Redaktion des Flensburger Tageblatts möglicherweise genutzt worden, um so ein flüchtlingsfreundlicheres Bild zu erzeugen.

Das ein solcher Vorwurf nicht besonders weit hergeholt sein muss, zeigt der Vorwurf an die Flensborg Avis, dies gemacht zu haben.[62]

Nach den Kreistagwahlen kommt ein wenig mehr Ruhe in die bis dahin sehr aufgeregte Berichterstattung des Flensburger Tageblatts. Sie wendet sich nun wie schon zu Anfang mehr den Themen der großen Politik zu und lässt die Flüchtlingsthematik in den Hintergrund treten. Dennoch erscheinen auch im Oktober und November 1946 noch einige Artikel, die sich mit der Flüchtlingsfrage, wenn auch meistens nur in Zusammenhang mit der Schleswig-Frage, beschäftigen.

So sei es in seinen Augen selbstverständlich, dass sich die Flüchtlinge anders verhielten als die Einheimischen. Ihr Schicksal sei wesentlich von den direkten Kriegserfahrungen geprägt und ganz anders als das der schleswig-holsteinischen Bevölkerung, die vom Krieg selbst nicht besonders viel mitbekommen hätte.[63]

An diesem Leserbrief ist besonders interessant, dass er die Berichterstattung des Flensburger Tageblatts im Grunde auf den Punkt bringt und ihr nahezu vollkommen entspricht. In ihm wird die einheimische Bevölkerung aufgefordert, sich mit den Flüchtlingen zu solidarisieren und ihnen von den über den Krieg geretteten Gütern etwas abzugeben. Auch weist er auf die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen den Flüchtlingen und Einheimischen hin, die diese miteinander verbinden sollten und ruft die einheimische Bevölkerung dazu auf, das Problem von der menschlichen Seite zu betrachten und den Flüchtlingen endlich die Möglichkeit zu geben, sich ein neues Leben aufzubauen.[64]

Im Dezember 1946 schweigt sich das Flensburger Tageblatt nahezu vollständig über das Flüchtlingsproblem aus. Es beleuchtet nur in wenigen Artikeln die politischen Chancen und Möglichkeiten des neugegründeten Südschleswigschen Vereins (SSV).[65] In ihnen macht es jedoch deutlich, dass nach seiner Auffassung der Einfluss Dänemarks auf die schleswig-holsteinische Politik immer mehr im Schwinden sei.

Die Berichterstattung des Jahres 1947 ähnelt in ihren Grundzügen der des Jahres 1946, jedoch verstärkt das Flensburger Tageblatt seine Bemühungen auf seine Leser durch Artikel[67] Einfluss zu nehmen. Nach wie vor steht aber die Flüchtlingsfrage in sehr enger Verbindung zu den Abtrennungsbestrebungen des SSV, weshalb die meisten Artikel zumindest in einem Halbsatz hierauf eingehen.

Ende März 1947 beginnt erneut eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsproblematik. Im Flensburger Tageblatt rückt das überfüllte Schleswig-Holstein als Thema wieder in den Mittelpunkt. Vor allem die Sorge um einen wirtschaftlichen Wiederaufbau, der für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung unabdingbar ist, steht im Vordergrund.

Im Gegensatz zum SSV fordert das Tageblatt keine Zwangsausweisung der Flüchtlinge, sondern will die Umsiedlung von Flüchtlingen vor allem auf freiwilliger Basis geschehen lassen, womit sie sich der Politik der schleswig-holsteinischen Landesregierung anschließt. Neben rein wirtschaftlichen Gründen für eine Umsiedlung der Flüchtlinge werden aber auch der bereits bekannte Mangel an Wohnraum, der insbesondere in den Städten Flensburg, Kiel und Lübeck ein sehr großes Problem war, und die Schwierigkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln thematisiert.[68] Mehrfach wird betont, dass es dem Flensburger Tageblatt in seinen Aufrufen nicht allein um das Wohl der heimischen Bevölkerung gehe, sondern auch die Sorge um das Wohlergehen der Flüchtlinge eine Rolle spiele.[69] Die Artikel zur Flüchtlingsproblematik werden jedoch von einer Serie von Artikeln begleitet, die sich sehr offensiv mit der Frage auseinandersetzen, ob die Menschen in Flensburg nun Dänen seien oder nicht.[70]


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