Die Epoche des Barock (1600-1720)
1.1 Der Begriff
· Frz.: baroque= schräg, unregelmäßig (Beschaffenheit von Perlen)
· Teil der Frühen Neuzeit (16. Jh. Renaissance/Humanismus, 17. Jh. Barock, 18. Jh. Aufklärung)
· Leben und Denken geprägt von Dualismen: Gott-Welt, Diesseits-Jenseits, Augenblick-Ewigkeit, Höhe-Fall, Ordnung-Chaos, Krieg-Frieden (antipodisches Denken)
· Historisch/Kulturell:30 jähriger Krieg (Konfessionskrieg zwischen Protestanten und Katholiken) und Gräulerfahrungen - Prunk der höfischen Kultur; Etablierung des Deutschen im kirchlichen Bereich (Luthers Bibelübertragung, Kirchenlieder); humanistische Bildung zum Teil auf Deutsch; Theaterkultur (Jesuiten, Wanderbühne)
· Literatur: streng normierende Poetiken, rhetorisch Ausgeformt; Unterstützung absolutistischer Denkweise, aber mit durchaus kritischem Blick auf das Hofleben; Thematisierung ernster Probleme; Rhetorik an antiken Idealen ausgerichtet; geprägt von Antithesen, Lyrik: Alexandriner, carpe diem-Motiv (Nutze den Tag!)
Opitz: „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624)
· Stilbegriff:Manierismus: Erstarrung in tradierten Formen; Überbetonung des ästhetischen Aspekts gegenüber dem Inhalt
2.2 Gesellschaft, Politik und Kultur
· 30 jähriger Krieg, Verwüstung, Epidemien, Hungersnöte, Kriegshandlungen und Aufstände in ganz Europa vs. Erster Schritt zur Modernisierung der Gesellschaft, des Staates und der Lebenspraxis
· Entstehung einer Kulturnation mit eigener Sprache (Hochdeutsch), Literatur und Musik
· Etablierung von Zeitschriften und Zeitungen, wichtige Erfindungen (Luftpumpe, Teleskop, Mikroskop, Thermometer, Rechenmaschine etc.)
· Entstehung von Universitäten und Gymnasien
· Reformen im Bildungswesen
· Konfessionelle (katholisch-protestantisch), politische (kaiserlich-ständisch), geographische (süd-nord) und gesellschaftliche (höfisch-bürgerlich) Gegensätze
2.2.1 Reichsstruktur
· Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (Norditalien, Niederlande, habsburgischen Länder, Teile Dänemarks) vom Kaiser regiert, mit politisch unabhängigen Kleinstaaten (absolutistisch geprägt)
· Tendenziell Konzentration an Macht in Fürstenhänden, Entmachtung der Stände
· Verwaltung des neuorganisierten Staates durch Juristen
· 7-9 Kurfürsten und Kurbischöfe sind berechtigt Kaiser zu wählen
· Reichstag in Regensburg macht Reichsgesetze
· Reichskammergericht in Speyer
· Länder in Reichskreisen geordnet und von weltlichen und geistlichen Fürsten regiert
ð Polyzentrische Nation mit unterschiedlichen Kulturen und mehreren christlichen Konfessionen; neben Deutsch als Nationalsprache, mächtige Regionalsprachen (Holländisch, Dänisch, Italienisch), Gelehrtensprache (Latein) und Adelssprache (Französisch)
2.2.2 Gesellschaft
· Ständische Gliederung: Adel, Bürger (Kaufleute, Handwerker, Gelehrte usw.), Bauern
· Parallel zu dieser Ordnung: Dreistillehre der Rhetorik (hoher, mittlerer, niederer Stil), Klassifizierung poetischer Texte (Tragödie, Schäferspiel, Komödie), Strukturierung im Mili.....[Volltext lesen]
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Bitte Dokument downloaden. ð Haupttugend des Neostoizismus: Beständigkeit (constantia), Affektbeherrschung
· Literatur kann von Affekten reinigen, indem sie ihre Folgen vorführt
· Absolutistischer Staat geführt von Fürsten mit Beamtenapparat, hierarchisch strukturiert mit Kaiser an der Spitze (über dem Kaiser steht nur Gott)
· Staatsraison: Stabilität des Staates als herausragendes Ziel
· Römisches Recht und Justiz (staatlich), die Verbrechen verfolgte (Inquisitionprozess); Rechtsgrundlage der Verurteilung war das Geständnis (Mittel der Folter)
· Strafe diente der Wiederherstellung des Rechts und zur Abschreckung (keine sittliche Erziehung zum Besseren); Fokus lag auf der Tat, die es zu rächen galt; „Spiegelstrafen“: Art der körperlichen Bestrafung richtete sich nach Vergehen; Hinrichtungen besaßen rituellen Charakter und waren öffentliche Inszenierungen
2.3 Religionen
· Jahrhundert der „Glaubenskämpfe“, das „konfessionelle Zeitalter“
· Katholizismus-Protestantismus (lutherische Kirche)-Calvinismus (reformierte Kirche)
· Glaube der Bevölkerung richtete sich nach Bekenntnis des Landesherrn
· Katholische Kirche: Reichskirche, da deutscher Kaiser katholisch war, Gegenreformation; Reform des Priesterstandes (Theologiestudium als Voraussetzung); Gründung des Jesuitenorden (Ausbreitung des Glaubens, Exerzitien, karitative Werke, Seelenführung, Schulung); spezifische katholische Frömmigkeitskultur (Glaube als feierliche Inszenierung, als Präsentation)
· Lutherische Kirche: Familie als Vorbild; ausgeprägte Lese- und Buchkultur in deutscher Sprache; Erlangung des Heils nur durch Glauben an das Wort Gottes, nicht durch weltliche Handlungen; innere Freiheit vs. äußere Unfreiheit; wahre Frömmigkeit verbie.....
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Bitte Dokument downloaden. ð Ideal:universelle Gelehrsamkeit
· Erfinder und Entdecker: Galileo Galilei, Isaac Newton, Johannes Keppler, Gottfried Wilhelm Leibniz
2.5 Rhetorik
· Voraussetzung für das gelehrt sein und Teil des sprachlichen triviums
· Leitdisziplin des 17. Jahrhunderts
· Weise führt die Rhetorik als Schulfach ein, an seinem Gymnasium in Zittau (1678); Grundlage ist sein rhetorisches Hauptwerk: Der politische Redner (1677)
2.5.1 Rhetorische Grundbegriffe
· Die fünf Teile der Rede:
Ø Inventio (Thesen und Argumente finden)
Ø Dispositio (Sinnvolle Anordnung der Argumente)
Ø Elocutio (sprachlich und stilistische Umsetzung)
Ø Memoria (Üben und Einprägen)
Ø Actio/Pronuntiatio (Vortrag mit Blick auf Inhalt, Anlass und Publikum)
· Inventio:
Ø Lehre von den Redegattungen: Lob- und Tadelrede, Entscheidungsrede, Gerichtsrede etc.
Ø Lehre von den Fundstellen: f.....
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Bitte Dokument downloaden. · Memoria und Actio:
Ø Besonders wichtig in Theaterstücken, bei Schulaufführungen (protestantisches Schultheater, Jesuitenbühne)
2.5.2 Emblematik
· Emblem (Sinnbild) Einheit bestehend aus 3 Teilen:
Ø Inscriptio (Motto, In- oder Überschrift)
Ø Pictura (Icon, Omago, Bild)
Ø Subscriptio (Unterschrift)
· Dienen der Vermittlung einer Lehre, Moral
2.6 Literatur
· Literaten: Weckherlin, Lohenstein, Fleming, Opitz, Hagen (w.), Gryphius, Schwarz (w.), Weise, Harsdörffer, Grimmelshausen, Hoffmannswaldau
· Hauptsächlich zweckgebundene Gebrauchsliteratur für bestimmte Anlässe verfasst (Geburtstage, Trauerfeiern, Predigten, Widmungen)
· Poetik als Nebentätigkeit und niemals hauptberuflich
· Poetik nicht ohne gelehrte rhetorische Grundlage
· Humanistisches Ideal des gelehrten Dichters (poeta doctus)
· Poesie mit Charakter eines .....
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Bitte Dokument downloaden. · Martin Opitz (1597-1639):
Ø „Vater der deutschen Dichtkunst“
Ø „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624): erste deutschsprachige Poetik über muttersprachliche Poesie; setzt sich mit den wichtigsten Bereichen der Gedichtgestaltung auseinander; enthält antike poetische Prinzipien auf das Deutsche übertragen (Platon, Aristoteles, Horaz)
Ø Übersetzer und Vermittler europäischer Literatur in Deutschland
Ø Einführung einer neuen Prosodie (Unterscheidung von kurzen und langen Silben) und Versifikation (Versfüße, Versarten, Gedichtsformen)
Ø Prosodie und Versifikation:
- betonte und unbetonte Silben (mit Akzent, ohne Akzent)
- zweisilbiger Versfuß: Jamben (unbetont, betont) und Trochäen (betont, unbetont)
- bestimmt durch den natürliche Wortakzent
- alternierender Rhythmus
- Poesie ist durchgehend gereimt
- Versform:6-hebiger Alexandriner mit Mittelzäsur und <m> oder <w> Endreim, 5-hebiger vers commun mit Zäsur nach der zweiten Hebung
Ø Gedichtsformen:
- Sonette: jambischer Alexandriner, 4 Strophen: 2 Quartette (jeweils 4 Verse) und 2 Terzette (jeweils 3 Verse), antithetische Steigerung und Correctio (Selbst.....
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Bitte Dokument downloaden. Ø Wortspiel (concetto)
Ø Antithese
Ø Pointe
Ø Anrede
Ø Bildlichkeit:
- Metapher (bildhafter Vergleich)
- Metonymie (z.B.: Lippen, Augen, Brust (Teile der Frau) stehen Anstelle der Frau)
- Allegorie (Verbildlichung eines Abstraktums z.B.: Justitia (Gerechtigkeit), Sensenmann (Tod) etc.)
- Emblem (dreiteiliges Bild)
· Themenbereiche:
Ø Weltliche Lyrik: Vanitas (Eitelkeit), Vergänglichkeit, memento mori (Gedenke des Todes, bzw. der Sterblichkeit), carpe diem (Nutze den Tag), Geschichte, Liebe, Huldigung, Land- und Hirtenleben (Schäfergedichte)
Ø Kasuallyrik (Gelegenheitsdichtung): Hochzeitsgedichte, Geburten, Todesfälle, Taufen, Reisen, Verträge, Dankes-, Lob- und Bittgedichte
Ø Geistl.....
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Bitte Dokument downloaden. Ø Treue bis in den Tod: Leben vs. Sterben (in Antithesen festgelegt)
Ø Naturmetaphorik: Korallen (Röte der Lippen), Edelsteine oder Quellen (Augen), weißer Schnee (Haut), Bäche (Tränen), Marmor und anderer Stein (Kälte der Geliebten)
Ø Trostmotiv: Träume von der Geliebten, Erinnerungen an frühere Begegnungen
Ø Rückzug des Liebenden: Ruhe, Reflexion, Meditation und Platz für verzehrende Einsamkeit
Ø Liebesabsage, heroische Verzicht
Ø Paradox: Liebe ist Glück und Elend zugleich
· Weltlicher Petrarkismus (Fleming): Frau als entrückte Herrin; keine rein körperliche Begierde
· Geistlicher Petrarkismus (Spee): Gott bzw. Jesus ist das Objekt der Begierde
· Erotischer Petrarkismus (Hoffmannswaldau): Frau als erotisches Objekt männlicher Begierde; Bezugnahme auf Körperlichkeit
· Antipetrarkismus (Opitz): Objekt ist die fehlende Liebe, das Hässliche oder die zeitliche Begrenztheit der körperlichen Vollkommenheit
Quelle: Niefanger, Dirk: Barock. Lehrbuch der Germanistik. Stuttgart, Wei.....