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Seminararbeit / Hausarbeit

Die Dekadenzansichten bei den Buddenbrooks

4.088 Wörter / ~18 Seiten sternsternsternsternstern Autor Günter J. im Jun. 2016
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Seminararbeit
Deutsch

Universität, Schule

Universität Sarajevo

Note, Lehrer, Jahr

8, 2012/2013

Autor / Copyright
Günter J. ©
Metadaten
Preis 7.40
Format: pdf
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Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 57576







Universität Sarajevo

Philosophische Fakultät, Abteilung für Germanistik

Lehrveranstaltung: Literatur des 20. Jahrhundert

Lehrveranstaltungsleiter: as.

6. Semester, SS 2012/13


S E M I N A R A R B E I T

zum Thema:


Die Dekadenzansichten bei den Buddenbrooks


Sarajevo, August 2013


Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung


Der im Jahr 1901 entstandene Roman "Buddenbrooks" von Thomas Mann ist eines der berühmtesten Werke des 20 Jahrhundert. Thomas Mann beschreibt in diesem Roman einen Verfallprozess einer Lübecker Kaufmannsfamilie, der sich über vier Generationen vollzieht. Dabei nimmt das Thema Verfall die wichtigste Rolle in diesem Werk ein, der sich an verschieden Aspekten feststellen lässt.

Daher ist das Ziel dieser Arbeit anhand der Familienverhältnisse die Erscheinungsformen des Verfalls zu analysieren und herauszuarbeiten. Die Seminararbeit ist so strukturiert, dass zu Beginn der Begriff „Dekadenz“ näher erläutert wird und der Entstehungsprozess dargestellt wird, um so einen Überblick zu erschaffen, was der Begriff „Dekadenz“ bedeutet und wie er sich durch die Geschichte entwickelt.

Daraufhin wird die Dekadenzauffassung von Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer dargestellt, um zu zeigen, wie und auf was für einer Art wurde Thomas Mann von ihnen beeinflusst und was sind die Züge der Philosophen in dem Werk Buddenbrooks. Zum Schluss werden anhand der Familienverhältnisse die Verfallserscheinungen dargestellt.


2. Die Bedeutung der Dekadenz und ihre Entstehung


Dekadenz ist ein ursprünglich geschichtsphilosophischer Begriff, mit dem Veränderungen in Gesellschaften und Kulturen als Verfall, Niedergang bzw. Verkommenheit gedeutet und kritisiert wurden.“1 Schon in frühen Zeiträumen wurde der Verfall, sowie die Krise in Kulturen wahrgenommen und als solche dargestellt, wie z.B. von Hesiod, Tacitus, Salvian und Augustinus.2

Zu Beginn des 17. Jahrhundert führte Nicolas Boileau die Bedeutung „decadence“ als einen ästhetischen Begriff ein. Bis nicht Edward Gibbon den Begriff auf den Untergang des Römischen Reiches hinwendete, was er auch in seinem Werk „The History of the Decline and Fall of the Roman Empire”belegte. Er war der Meinung, „dass das Kultiviert- Verfeinerte dem Neuen, in diesem Fall dem Christentum, und dem Barbarischen unterliegen müsse.“3Nach ihm ist die Dekadenz schuld daran, dass die Kultur untergangen ist.4

Demnach war das Thema Verfall der Kultur in vielen Geschichtsphilosophien in dieser Zeit präsent, wie z.B. bei „O. Spengler »Untergang des Abendlandes«, 1918-22 und A. J. Toynbee »A study of history«, 1934-61.“5 Das Dekadenz Gefühl breitete sich endgültig europaweit aus und die Dekadenz- Dichtung entstand zu einem Sammelbegriff, die sich innerhalb der europäischen Literatur vielseitig auswirkte.

Somit entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine literarische Strömung, „die das Krankhafte, Nervöse und Überfeinerte vertrat, das aus den Gefühlen der Lebensschwäche und der Nutzlosigkeit des Tuns, das Bewusstsein des Kulturendes entsteht.“6

In Deutschland wurde der Begriff Dekadenz zum ersten Mal von Friedrich Nietzsche benutzt, der es als ein Erschöpfungssymptom deutete. Nach ihm galt alles, „was der Entfaltung des schöpferischen Lebens im Wege ist, als etwas Ungesundes, Schädliches und letztlich als Verfallserscheinung.“7 Ebenfalls sah er auch Verfallsandeutungen in der Musik Richard Wagners sowie im Pessimismus bei Schopenhauer.

So deutete Friedrich Nietzsche in seinem Werk „Der Fall Wagner“ dessen Kunst als krank. Nach seiner Meinung ist die Kunst und das Künstler Dasein als dekadent anzuschauen, was er letztlich mit der Musik von Richard Wagner darlegt.

Dem Künstler der décadence - da steht das Wort. Und damit beginnt mein Ernst. Ich bin ferne davon, harmlos zuzuschauen, wenn dieser décadent uns die Gesundheit verdirbt - und die Musik dazu!“[…]

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Wagner ist ein grosser Verderb für die Musik. Er hat in ihr das Mittel errathen, müde Nerven zu reizen, - er hat die Musik damit krank gemacht. Seine Erfindungsgabe ist keine kleine in der Kunst, die Erschöpftesten wieder aufzustacheln, die Halbtodten in's Leben zu rufen. Er ist der Meister hypnotischer Griffe, er wirft die Stärksten noch wie Stiere um.“8


Friedrich Nietzsche war einer, der sich mit der Dekadenz am intensivsten beschäftigt hat, jedoch war er nicht der erste, der festgestellt hat, dass seine Zeit eine Zeit des Verfalls ist.9 Sowohl Wagner als auch Hölderlin stellten den Verfall der Zeit früher fest als Friedrich Nietzsche. Diese drei Künstler kritisierten scharf die Zeit in der sie lebten, sowie ihr Land.

Jedoch waren sie der Meinung, dass man die Dekadenz überwinden kann, allerdings nur, wenn der Mensch sich die griechische Kultur als Vorbild nimmt.10

Auch Thomas Mann, von dem hier die Rede sein soll, ist zutiefst durch Nietzsches Kultur- und Dekadenzkritik beeinflusst.“ 11Der KünstlerThomas Mann war schon immer von dem Phänomen Verfall fasziniert gewesen, was auch an seinen Romanen festzustellen ist, in denen die Thematik Verfall die prägende Rolle einnimmt, wie z.B. in dem Roman Buddenbrooks.


3. Dekadenz bei den Buddenbrooks


Der erste veröffentlichte Roman von Thomas Mann „Buddenbrooks“ war ein Vorzeigewerk für die Dekadenzansicht. In diesem Familienroman ist festzustellen, dass die Kunst und der Verfall in einer Verbindung stehen. Dies ist besonders an dem musikalisch gerichteten Hanno Buddenbrook zu erkennen, der große Leidenschaft an der Musik zeigt und am liebsten am Klavier die Stücke von Wagner spielt.

Diese Hingezogenheit von Hanno an der Kunst und vor allem an der Musik von Wagner wird ihm letztlich zum Verhängnis.An diesem Verfall, der durch die Kunst ausgelöst wird, ist zu erkennen, dass Thomas Mann einen Teil von Nietzsches Denken wiedergibt. Denn Friedrich Nietzsche war derjenige, von dem Thomas Mann gelernt hat, dass die Kunst und der Künstler an sich eng mit der Krankheit und dem Verfall verbunden sind.12Diese Verfallsphilosophie und Ansichten von Nietzsche baute Thomas Mann in seinem Roman Buddenbrooks ein.

Ebenfalls war Thomas Mann von Arthur Schopenhauer und dessen Pessimismus Ansichten begeistert. So führte er zum einen den Sinn für das Leiden und den Tod ein, sowie den Kampf zwischen dem Geist und dem Triebhaften. Ebenso stellte er die verzweifelte Sehnsucht nach Erlösung dar, die in der Musik bzw. Kunst gesehen wird.13

Thomas Mann war besonders von Schopenhauers Ansicht über den Tod fasziniert, die er im Roman Buddenbrooks einführt. Nach Arthur Schopenhauers Meinung fürchtet man sich im Tode keineswegs vor dem Schmerz, denn dieser sei außerhalb des Todes. Eher würden die Menschen, indem sie vor dem Schmerz fliehen, sich dem Tod nähern. 14

Schopenhauers Ansicht kann man so interpretieren, dass der Tod eine Zuflucht vor dem Schmerz bzw. Leben ist. Er stellt den Tod so dar, als wäre es etwas Positives bzw. Erlösendes. Dies belegt auch diese Aussage von Schopenhauer.


Demnach kann man daraus schließen, dass Thomas Mann von der Auffassung Nietzsches und Schopenhauers stark beeinflusst wurde und ihr Denken in seinem Roman Buddenbrooks einführte. Dabei ist wichtig zu sagen, dass Schopenhauers Einflüsse seelischer Art waren, während dagegen Nietzsches Wirkung geistig-künstlerischer Art war.16

Die Dekadenzansicht im Roman Buddenbrooks wird anhand verschiedener Aspekte ausgedruckt, wie z.B. der Nervenschwäche, Erschöpfung, Grübelei, Unlust, Unruhe Depressionen sowie den Rücken-, Kopf- und Zahnschmerzen. Diese Aspekte sind besonders an den Verhältnissen zwischen den Familienmitgliedern sichtbar. Da wär zum einen das Vater-Sohn Verhältnis, welches für Unruhe in der Familie Buddenbrook sorgte und aus dem man Aspekte des Verfalls feststellen kann.

Ebenso lässt sich am Bruderverhältnis erkennen, dass er ein entscheidender Störfaktor ist und eine positive Lebensatmosphäre nicht zuließ und letztlich zum Verfall der Familie beisteuerte.Ein weiterer Grund, der für den chaotischen Zustand bei den Buddenbrooks verantwortlich war, waren die gescheiterten Ehen. Besonders wirkten sich die gescheiterten Ehen von Antonie negativ auf die Familie aus.

Diese ganzen Begebenheiten die sich bei den Buddenbrooks abspielten, führten letztlich zur Unordnung in der Familie, die das Familienleben erschwerte und unsicher machte.


3.1 Vater-Sohn Verhältnisse


3.1.1 Verhältnis zwischen Johann Buddenbrook dem Älteren, Gotthold und Konsul Johann

Johann Senior stellt den ersten Hausherren der vier Familiengenerationen der Buddenbrooks dar. In seinem Leben ging er zwei Ehen ein, die sich voneinander unterschieden haben. Während er die erste Ehe mit Josephine aus Liebe einging, die jedoch bei der Geburt seines Sohnes Gotthold ums Leben gekommen ist.

Ging er die zweite Ehe mit Antoinette hauptsächlich aus finanziellen Gründen ein. An seinen Ehen ist festzustellen, dass er den Wert „Liebe“ nach dem Tod seiner ersten Frau ausgrenzt. Anhand dieser Ausgrenzung erkennen wir eine Erscheinungsform des Verfalls.17 Was zu Johann Buddenbrooks Erscheinungsbild zu sagen ist, war er ein tatkräftiger Unternehmer, der Selbstsicher erschien, was bei seinem Sohn bzw.

Nachfolger Konsul Johann Buddenbrook nicht der Fall gewesen war. Johann Seniors Selbstsicherheit ist vor allem daran zu erkennen, dass ihn die geforderten finanziellen Ansprüche von Seiten seines verachteten ältesten Sohnes Gotthold nicht aus der Ruhe brachten.

Was aber mich, Ihren ältesten Sohn, angeht, so treiben Sie Ihren unchristlichen Zorn so weit, es schlanker Hand zu refüsieren, mir irgendeine Entschädigungssumme für den Anteil am Hause zukommen zu lassen! Ich habe es mit Stillschweigen übergangen, als Sie mir bei meiner Verheiratung und Etablierung 100000 Kurantmark auszahlten und mir testamentarisch ein für allemal nur ein Erbteil von 100000 zusprachen.

Ich war damals nicht einmal hinlänglich orientiert über Ihre Vermögensverhältnisse. Jetzt jedoch sehe ich klarer, und da ich mich nicht als prinzipiell enterbt zu betrachten brauche, so beanspruche ich in diesem besonderen Falle eine Entschädigungssumme von 33335 Kurantmark, will sagen ein Drittel der Kaufsumme.“

[ .] sollten Sie sich nicht entschließen können, meine gerechten Ansprüche zu respektieren, ich Sie weder als Christ noch als Vater noch als Geschäftsmann länger werde achten können.“
Gotthold Buddenbrook"18

An diesem Brief ist zu erkennen, wie herzlos Gotthold den Brief an seinen Vater verfasste und ihm sogar drohte, wenn seine Entschädigungssumme nicht ausgezahlt werden sollte, würde er jegliche Acht gegenüber seinem Vater ablegen. Jedoch ließ dieser Brief den Alten Buddenbrook völlig kalt und er behielt klaren Kopf. Jedoch war es ganz anders bei seinem Sohn Konsul Johann Buddenbrook, der in Panikzustände geraten ist und verzweifelt nachdachte, was wäre am besten zu tun.

Durch die verzweifelte Reaktion die der Konsul nach dem durchgelesenen Brief zeigte, war festzustellen, dass er nicht nervlich stark war, wie es sein Vater ist. Einige Aussagen die der Konsul tätigte, wie z.B. dieses: „Vater, – dieses Verhältnis mit Gotthold bedrückt mich!“19 zeigen letztlich, dass ein einfacher Brief ihn völlig aus der Verfassung bringt und zur Verzweiflung führt.


3.1.2 Verhältnis zwischen Thomas Buddenbrook und Hanno

Thomas Mann repräsentiert mit Thomas Buddenbrook die dritte Familiengeneration. Dabei stellte er die eigentliche Hauptperson des Romans dar, die als erste den Konflikt zwischen Tradition und Zeitgeist als bewusste psychische Krise erlebte. Thomas glaubte, dass er eine Rolle in der Gesellschaft spielen müsse, um Erfolg, Ehre und Ansehen zu erlangen.21 Am Ende geht er jedoch an der Rolle kaputt, da seine Psyche nicht mehr standhalten konnte.

Die Psyche nimmt in diesem Werk eine wichtige Rolle ein, da an ihr jeder Hausherr außer Johann Senior scheitert. Dieser verfallene Zustand bzw. diese Erschöpfung die schon am Lebensende des Konsuls zu bemerken ist, wird bei Thomas Buddenbrook deutlich sichtbar.

Wie bis zur Unkenntlichkeit verändert sein Gesicht sich ausnahm, wenn er sich allein befand! Die Muskeln des Mundes und der Wangen, sonst diszipliniert und zum Gehorsam gezwungen, im Dienste einer unaufhörlichen Willensanstrengung, spannten sich ab, erschlafften; wie eine Maske fiel die längst nur noch künstlich festgehaltene Miene der Wachheit, Umsicht, Liebenswürdigkeit und Energie von diesem Gesichte ab, um es in dem Zustande einer gequälten Müdigkeit zurückzulassen; die Augen, mit trübem und stumpfem Ausdruck auf einen Gegenstand gerichtet, ohne ihn zu umfassen, röteten sich, begannen zu tränen – und ohne Mut zu dem Versuche, auch sich selbst noch zu täuschen, vermochte er von allen Gedanken, die schwer, wirr und ruhelos seinen Kopf erfüllten, nur den einen, verzweifelten festzuhalten, daß Thomas Buddenbrook mit zweiundvierzig Jahren ein ermatteter Mann war.“ 22


Diese Erschöpfung und Kraftlosigkeit zeichnete sich so extrem auf Thomas ab, dass er jegliche Leichtigkeit am Leben, sowie an der Arbeit verloren hatte. Am Ende seines Lebens war er einfach nicht im Stande, den Untergang der Firma zu verhindern. Was das Verhältnis zu Hanno angeht, war es kaum vorhanden. Jedoch als Hanno geboren wurde, waren alle glücklich und froh darüber, dass sie nun einen Nachfolger hatten, der das Erbe nach Thomas antreten und die Firma weiterführen würde.

Es schien als würde die Geburt des Sohnes einen Aufschwung im Familienleben bewirkt haben. Jedoch hielt der Aufschwung nicht lange an, da Hanno zum einen oft krank gewesen war und als er erwachsener wurde, nicht die Entwicklung machte, die sich sein Vater Thomas vorgestellt hatte. Hanno war ein zierlicher Junge, der vor allem Interesse an der Musik zeigte und etwas später auch vom Theater inspiriert gewesen war.

Dies war das endgültige Ende der Familie Buddenbrooks, denn „sobald die Musik in das Familienleben einbricht, beginnt der Verfall.“23Die Musik bzw. die Kunst an sich wird von Thomas Mann als eine tödliche Macht dargestellt, aufgrund der Tatsache, dass er sich intensiv mit den Texten von Friedrich Nietzsche befasst hat. Die Musik ist auch diejenige, die den endgültigen Verfall der Familie einläutet.

Denn er war der Meinung, dass ein normaler Mensch kein Künstler wird, sondern ein Kaufmann.24

Trotz der Versuche Hanno von der Kunst abzuwenden und dem Einreden von Thomas auf ihn, um ihn dadurch lebendiger zu machen, waren zwecklos.

Ich werde sterben, sagte er sich, und er rief abermals Hanno zu sich und sprach auf ihn ein: »Ich kann früher dahingehen, als wir denken, mein Sohn. Du mußt dann am Platze sein! Auch ich bin früh berufen worden … Begreife doch, daß deine Indifferenz mich quält! Bist du nun entschlossen?… Ja – ja – das ist keine Antwort, das ist wieder keine Antwort! Ob du mit Mut und Freudigkeit entschlossen bist, frage ich … Glaubst du, daß du Geld genug hast und nichts wirst zu tun brauchen? Du hast nichts, du hast bitterwenig, du wirst gänzlich auf dich selbst gestellt sein! Wenn du leben willst, und sogar gut leben, so wirst du arbeiten müssen, schwer, hart, härter noch als ich …«“25

Dieses Einreden auf Hanno setzte ihn letztlich nur unter Druck und so zog er sich immer mehr in sich zurück. An der Figur Hanno Buddenbrook kann man besonders gut die pessimistischen Züge erkennen, denn er war dem Leben gegenüber abgeneigt und jeglicher Wille war in ihm verloren gegangen. Er war von dem Leben völlig erschöpft und wünschte sich nur den Tod bei.26 Am Ende stirbt er an dem bürgerlichen Leben bzw. an der Kunst, die Thomas Mann, durch den Einfluss von Friedrich Nietzsche, als einen Verfall deutete.

Dies ist besonders an dem Gespräch zwischen Thomas und Tony heraus zu schließen.

»Ich selbst habe manchmal über diese ängstliche, eitle und neugierige Beschäftigung mit sich selbst nachgedacht, denn ich habe früher ebenfalls dazu geneigt. Aber ich habe gemerkt, daß sie zerfahren, untüchtig und haltlos macht … und die Haltung, das Gleichgewicht ist für mich meinerseits die Hauptsache. Es wird immer Menschen geben, die zu diesem Interesse an sich selbst, diesem eingehenden Beobachten ihrer Empfindungen berechtigt sind, Dichter, die ihr bevorzugtes Innenleben mit Sicherheit und Schönheit auszusprechen vermögen und damit die Gefühlswelt der anderen Leute bereichern.

Aber wir sind bloß einfache Kaufleute, mein Kind; unsere Selbstbeobachtungen sind verzweifelt unbeträchtlich. Wir können zur Not hervorbringen, daß das Stimmen von Orchesterinstrumenten uns ein merkwürdiges Vergnügen macht, und daß wir manchmal nicht wagen, schlucken zu wollen … Ach, wir sollen uns hinsetzen, zum Teufel, und etwas leisten, wie unsere Vorfahren etwas geleistet haben …«27

Daher ist er sein ganzes Leben unglücklich, da er seine Lebensvorstellungen unterdrückt und den familiären Pflichten nachgeht, die ihn letztlich psychisch kaputt machen.29 Christian jedoch wich den familiären Forderungen lebenslang aus, da er andere Vorstellungen in seinem Leben hatte und sich nicht das Kaufmannsleben andrängen ließ. Dennoch bleibt er auf eine Weise Identitätslos, da er keinen Beruf finden kann, in dem er sich wohl fühlt.

Letztendlich bleibt er ein Clown und Imitator, der in der Nervenklinik endet.30 Sowohl an Thomas als auch an Christian sind die Erscheinungsformen des Verfalls zu bemerken. So weist Thomas Buddenbrook typische neurasthenische Symptome auf, wie z.B. Nervosität, Blässe, Erschöpfung, Reizbarkeit und Zahnschmerzen, an denen er am Ende stirbt. Was Christian angeht leidet er von Schluckbeschwerden, Krämpfen und Lähmungserscheinungen.31

Neben dieser Lebensschwäche, unter der Thomas und Christian sowie Hanno leiden, spielt der Tod eine wichtige Rolle in diesem Roman. Thomas Mann stellte den Tod als eine erlösende Macht dar, die schließlich Thomas und Hanno von ihrem qualvollen Leben befreit. Anhand dieser Deutung des Todes ist zu erkennen, dass Thomas Mann die Theorie von Arthur Schopenhauer umgesetzt hat und sie im Roman eingeführt hat.

Was war der Tod? Die Antwort darauf erschien ihm nicht in armen und wichtigtuerischen Worten: er fühlte sie, er besaß sie zuinnerst. Der Tod war ein Glück, so tief, daß es nur in begnadeten Augenblicken, wie dieser, ganz zu ermessen war. Er war die Rückkunft von einem unsäglich peinlichen Irrgang, die Korrektur eines schweren Fehlers, die Befreiung von den widrigsten Banden und Schranken – einen beklagenswerten Unglücksfall machte er wieder gut.[…]

War nicht jeder Mensch ein Mißgriff und Fehltritt? Geriet er nicht in eine peinvolle Haft, sowie er geboren ward? Gefängnis! Gefängnis! Schranken und Bande überall! Durch die Gitterfenster seiner Individualität starrt der Mensch hoffnungslos auf die Ringmauern der äußeren Umstände, bis der Tod kommt und ihn zu Heimkehr und Freiheit ruft …“32

Der Tod wird hier als eine Erlösung dargestellt, der das Individuum von dem Irrgang und den Schranken befreien solle. Von der Geburt an sei der Mensch in einem Gefängnis eingesperrt, den er ausschließlich durch den Tod verlassen könne, um letztlich so wieder in die Freiheit zu gelangen. Schopenhauer deutete es in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ ähnlich und zwar so, dass „das Sterben der Augenblick jeder Befreiung von der Einseitigkeit der Individualität ist, welche nicht den innersten Kern unsers Wesens ausmacht, vielmehr als eine Art Verirrung derselben zu denken ist: die wahre, ursprüngliche Freiheit tritt wieder ein, [ .]“33


3.2 Die Ehen bei den Buddenbrooks


Die Heiratspolitik bei den Buddenbrooks erweist sich als ein großer Fehler, da jede Ehe der dritten Familiengeneration missglückt.

Liebesverzicht heißt das Gesetz, unter dem alle Buddenbrooks anzutreten haben. […] Die Liebe [ist] ein Störfaktor, unberechenbar, ohne Respekt vor patriarchalischen, sprich gottgegebenen Hierarchien, rebellisch und radikal, rüttelt an den tragenden Säulen: Reichtum, Macht, Ansehen, Geld. Geld und Karriere sind höchstes Gut. Werte, in deren Dienst alles andere zu stellen ist.“34

Aus diesem Ausschnitt ist heraus zu schließen, dass die Buddenbrooks auf die wahre Liebe verzichtet haben, da sie sie als unberechenbar sowie als eine Gefahr an das Reichtum angesehen haben.

Demnach gingen die Buddenbrooks nur Ehen ein, um finanzielle Vorteile zu ziehen und gut in der Gesellschaft zu stehen. Jedoch scheitert jede Ehe bei den Buddenbrooks aufgrund so einer Einstellung.35 Demzufolge tragen die gescheiterten Ehen zum Verfall der Familie Buddenbrook sichtlich bei, da durch sie ein finanzieller Schaden entsteht.36

Die Musik ist letztlich diejenige, die Thomas und Gerda voneinander distanzieren lässt. Was die Ehen von Antonie angehen, scheitern beide kläglich. Denn sie verzichtet, wie es Thomas tat, auf ihre Jugendliebe Morton und so heiratet sie auf Wunsch der Eltern den Kaufmann Grünlich. Mit der Bindung mit dem Kaufmann Grünlich erhoffte sich der Konsul Johann Buddenbrook, dass er damit seine eigene Familie in der Gesellschaft stärkt.

Jedoch irrt sich Konsul Johann in Grünlichs wirtschaftlicher Existenz, da dieser nach kurzer Zeit bankrottiert und so Antonie wieder ins Elternhaus zurückkehrt. Die zweite Ehe mit Permaneder die Antonie eingeht, scheitert ebenfalls und die Familie Buddenbrook muss in der Gesellschaft wiedermal eine Scham hinnehmen. Jedoch ist festzuhalten, dass das Scheitern dieser beiden Ehen nicht unbedingt den Partnern zuzuschreiben ist, sondern eher der mangelnden Fähigkeit Antonies sich in einem unadeligen Umfeld zu Recht zu finden.37


4. Schluss


Der Begriff „Dekadenz“ der zu Beginn als etwas Ästhetisches gedeutet wurde, entwickelte sich durch die Geschichte hin zu einer literarischen Strömung um 1900. Viele Philosophen sowie Autoren waren von dem Phänomen Verfall fasziniert und beschäftigten sich intensiv mit ihm. Dies war auch der Fall bei Thomas Mann, der sich mit den philosophischen Theorien über die Dekadenz von Arthur Schopenhauer und vor allem Friedrich Nietzsche beschäftigte.

Quellen & Links

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