So leitet z. B. das Tristan-Motiv musikalisch auf „zauberisch-geheimnisvolle“ Weise die Handlung ein und symbolisiert gleichzeitig die leidenschaftliche Liebesbeziehung von Tristan und Isolde.
Thomas Mann übernimmt Wagners Arbeitsweise:
„Das Motiv, das Selbstzitat, die symbolische Formel, die wörtliche und bedeutsame Rückbeziehung über weite Strecken hin, - das waren epische Mittel nach meinem Empfinden.“
Er hat ferner
„ [ .] vom Haushalt der Mittel, von der Wirkung überhaupt – im Gegensatz zum Effekt, dieser >Wirkung ohne Ursache<, vom epischen Geist, vom Anfangen und Enden, vom Stil einer geheimnisvollen Anpassung des Persönlichen an das Sachliche, von der Symbolbildung, von der organischen Geschlossenheit der Einzel-, der Lebenseinheit des Gesamtwerkes [ .]
- von Wagner gelernt und ins rein Epische umfunktioniert.
Auch Jendreiek weist darauf hin, dass Thomas Manns Entwicklung seiner kunstvollen Leitmotivik von Wagner geprägt ist, diese Arbeitstechnik aber kritisch-distanziert hinterfragt und eigenständig ausbildet.
Nach Gregor-Dellin intendiert Mann mit der Verwendung von Leitmotiven eine intensivere Stimmung zu erzeugen, die in der Epik genauso einprägsam ist wie in Wagners Musik. Ähnlich wie bei einer Tonfolge Wagners, evoziert die mehrmalige Wiederholung von sprachlichen Leitmotiven Bilder und Assoziationen im Leser, die über die Konnotationen dieser Motive hinausgehen. Bei Wagner und Mann beinhaltet das Leitmotiv mehr, als der Klang oder die geschriebenen Worte zunächst ausdrücken. Allgemeinere Empfindungen und seelische Vorgänge können zum Ausdruck gebracht werden, beispielsweise Affekt, Sehnsucht, Angst, Unbewusstes, Ahnung, Erinnerung.
Durch diese musikalische Kompositionstechnik erweitert Mann also die Handlung der Erzählung und erreicht eine Verstärkung der Gesamtwirkung. Im Tristan-Text befinden sich Leitmotive, welche im folgenden aufgezeigt und .....[Volltext lesen]
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Bitte Dokument downloaden. 5.3 Die kariösen Zähne als Verfallsmotiv
In Konnex zur überbetonten Kunstauffassung und biologischen Verfall steht bei Spinell das Leitmotiv der Zähne. Sie sind durch die poröse Oberlippe jederzeit sichtbar, oftmals im Wege und treten leitmotivisch wiederholt auf. Sie spielen eine vergleichbare Rolle wie bei Hanno Buddenbrook, da sie symptomatisch für schwache Gesundheit, Vitalität und geringe Partizipation am (bürgerlichen) Leben stehen.
Die Zähne verdeutlichen als dekadente Symptome den Gegenentwurf zum bürgerlichen Leben. Die ironische Spannung zwischen Geist und Leben wird deutlich, wenn man sich den kerngesunden Gegenspieler, Großkaufmann Klötherjahn, anschaut, der ganz und gar nicht Spinell gleicht. Kaufmann Klötherjahn verkörpert Gesundheit und bürgerliches Leben. Er ist sehr anglophil was z .
B. die Kleidung und Sprache betrifft, liebt Speisen und `irdische Freuden´. Diese kurze Skizzierung reicht, um den Gegensatz von Geist und Leben der Antipoden Spinell und Klötherjahn deutlich zu machen; die Verwendung von Leitmotiven verstärkt den Effekt des Gegenbildes. Durch geschickte Positionierung werden durchaus stimmungsmäßige Assoziationen hervorzurufen, die denen durch die Musik bewirkten schon sehr ähnlich sind.
5.4 Das blaue Äderchen als dekadentes Signal
Gabriele Klötherjahn ist eine femme fragile, jener Frauentyp, der mit überfeinertem Geist, Körper und Nerven ausgestattet ist. Ihr physiognomisches Merkmal, ein blaues Äderchen über dem Auge wird leitmotivisch insgesamt sechs mal wiederholt.
Es ist ein Symbol für die körperliche und seelische Anfälligkeit der jungen Frau Klötherjahn. Es impliziert ferner umfangreiches Hintergrundwissen zu ihrer Vita, das so auf das Motiv des blauen Äderchens reduziert wird. Es wird dezent verwendet, wenn der Zusammenhang es erfordert, um Stimmungen zu erzeugen, die ihre Befindlichkeit andeuten.
Beispielsweise in den Gesprächen mit Spinell, der Gabriele Klötherjahn durch bohrende Fragen schwächt, erweckt das Hervortreten des Äderchens eine größere vorwärtstreibende Spannung, mehr als es durch ausführliche Besc.....
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Bitte Dokument downloaden. Genau dort begegnet Gabriele schwatzend und häkelnd ihrem zukünftigen Mann. Durch die Heirat mit ihm wendet sie sich dem Leben zu. Der Brunnen ist somit auch ein Symbol für das bürgerliche Leben und stellt die Gelenkstelle zwischen der Kunst-Leben-Dialektik dar.
Es hat sich gezeigt, dass Leitmotive als technisches Mittel in dieser Novelle benutzt werden, um mit den einzelnen Motivanordnungen Stimmungen zu erzeugen, die sich auf der reinen Textebene nicht konstituieren können und letztlich als Themengewebe die Gesamtwirkung des Textes bestimmen.
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
Das Musik-Erlebnis im Tristan steht im Mittelpunkt des novellistischen Geschehens. Alle Aspekte der ambivalenten Wager-Rezeption Thomas Manns, die für sein Wagner-Erlebnis typisch sind, werden in der Tristan-Novelle zusammengefasst vorgefunden.
Im Tristan klingt Nietzsches Wagner-Kritik als Ursache für die ironische Doppelperspektive an. Aber auch Wagners Auffassung der Schopenhauerschen Philosophie z. B. im Liebestod, und seine Leitmotivtechnik sind im Text wiederzufinden. Neben burlesk und ironisch gefärbten Anspielungen zeigen jedoch gerade die Musikbeschreibungen Thomas Manns, in denen die Töne und das Libretto in eine eigene Sprachmusik umgeformt und paraphrasiert werden, dass er völlig in seiner Liebe zu Wagner aufgeht. Es gilt, als Ergebnis festzuhalten, dass in der Novelle beide Komponenten, die Kritik an Wagners Musik und die Liebe zu seiner Kunst, enthalten sind.
Die Arbeit endet mit einem zu dieser Problematik passendem Zitat, welches belegt, wie diffizil sich die Aufgabe gestaltet, ein eindeutiges Ergebnis in der Mann-Wagner-F.....
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Bitte Dokument downloaden. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Löhneysen, Wolfgang Freiherr von (Hrsg.): Sämtliche Werke. Band 1. Darmstadt 1982.
Wagner, Richard: Tristan und Isolde. Stuttgart 200. (=Universalbibliothek Nr. 5638)
Sekundärliteratur:
Csampai, Attila / Holland, Dietmar: Richard Wagner. Tristan und Isolde. Texte, Materialien, Kommentare. Reinbek 1983.
Dittmann, Ulrich: Thomas Mann. Tristan. Stuttgart 1971. (= Reclam Universal-Bibliothek Nr. 8115)
Fähnrich, Thomas: Thomas Manns episches Musizieren im Sinne Richard Wagners. Parodie und Konkurrenz. Frankfurt am Main 1986.
Frizen, Werner: Zaubertrank der Metaphysik. Quellenkritische Überlegungen im Umkreis der Schopenhauer-Rezeption Thomas Manns. Frankfurt am Main / Bern / Cirencester 1980. (=Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Sprache und Literatur Band 342)
Gregor-Dellin, Martin: Wagner und kein Ende. Harmonieverschiebung und Leitmotiv in der Epik Thomas Manns. In: Bludau, Beatrix / Heftrich, Eckhard / Koopmann, Helmut (Hrsg.): Thomas Mann 1875-1975. Vorträge in München – Zürich – Lübeck. Frankfurt am Main 1977, S. 377-384.
Harprecht, Klaus: Thomas Mann. Eine Biographie. Reinbek 1996.
Heldt, Brigitte: Richard Wagner. Tristan und Isolde. Das Werk und seine Inszenierung. Diss. Laaber 1994.
Hillesheim, Jürgen: Die Welt als Artefakt. Zur Bedeutung von Nietzsches „Der Fall Wagner“ im Werk Thomas Manns. Frankfurt am Main / Bern / New York / Paris 1989. (=Studien zur Deutschen Literatur des 19. und .....
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Bitte Dokument downloaden. Moulden, Ken / Wilpert, Gero von (Hrsg.): Buddenbrook-Handbuch. Stuttgart 1988.
Northcote-Bade, James: Die Wagner-Mythen im Frühwerk Thomas Manns. Bonn 1975. (=Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Band 167)
Peacock, Ronald: Das Leitmotiv bei Thomas Mann. (Bern 1934) Reprint Wiesbaden 1970. (=Sprache und Dichtung, Heft 55)
Pütz, Peter (Hrsg.): Thomas Mann und die Tradition. Frankfurt am Main 1971. (=Athenäum Paperbacks Germanistik)
Schlee, Agnes: Wandlungen musikalischer Strukturen im Werke Thomas Manns. Vom Leitmotiv zur Zwölftonreihe. Frankfurt am Main/ Bern 1981. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Band 384)
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Konzeptionen, Motive und Schwärmerei der Dekadenz und die aus der Affinität zur Romantik entstammen, können hier nicht en gros berücksichtigt werden.
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