Inhalt
Deutsche
Literaturgeschichte
Barock (1600 –
1720)
port.
„barucco“: schiefrunde Perle
Politische Situation
Gegenreformation,
30-jähriger Krieg (1618-1648), höfischer Absolutismus
noch sehr religiös
Kampf um die
Vorherrschaft in Europa, v.a. auf deutschem Boden ausgetragen
Literatur
nachhaltig beeinflusst
Westfälischer
Friede (1648): Kaiser musste enorme Gebietsverluste hinnehmen
(Vereinigte Niederlande, Schweiz, Elsass, Vorpommern, Stettin)
nur Frankreich
ging aus Krieg gestärkt hervor
Blütezeit der Literatur
Kulturelle
Voraussetzung
viele kleine
Staaten häufig nur aus wenigen Dörfern bestehend
nach 1648 lag
Deutschland kulturell fast brach
nach und nach
entstand auch an den kleinsten Höfen wieder das Bewusstsein von der
eigenen hohen Stellung und die Fürsten wurden, nachdem die
städtische Kultur der Renaissance verfallen war, zu den neuen
Förderern und Auftraggebern von Architektur, Malerei, Musik und
Literatur
Kunst, Musik
standen ganz im Zeichen fürstlicher oder kirchlicher Repräsentation
Macht des
Königs/Kirchenfürsten (und Allmacht Gottes) sollte durch Einsatz
der Kunst jedem Menschen sichtbar werden
große Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung
Ludwig XIV (Sonnenkönig, L’état c’est moi – Der Staat bin
ich): Schloss Versailles auf sumpfigen Gelände und Gartenlage mit
geometrischen Formen will
zeigen, dass er in der Lage ist, nur zu bezwingen.
Musik: v.a.
Oper
Kunst im
Barock ist eine höfische: wird am Hof und für den Hof ausgeübt
ABER: es gab
auch Bedarf an Bürgern (Möglichkeit durch Amt am Hof aufzusteigen)
insbesondere Gelehrte
Subjektive
Gefühle und Originalität spielen in barocker Kunst noch keine
Rolle – vorrangiges Ziel der Kunstschaffenden war es die Welt von
Versailles die Kultur des absolutistischen Frankreich nachzuahmen
Wettlauf der Prunkentfaltung
Vorbildfunktion
Frankreichs darf nicht unterschätzt werden: 1770 fühlte sich
Lessing noch genötigt, in seiner „Hamburgischen Dramaturgie“
gegen den französischen Klassizismus zu polemisieren
Literatur des Barock
Von der
Regelhaftigkeit der Kunst: Martin Opitz (1597 – 1639)
Martin Opitz: Haupt der
schlesischen Schule: „Buch von der Deutschen Poeterey“
(1624) (= normative Regelpoetik)
wurde zum literarischen Lehrmeister mehrerer Generationen
Forderung an guten Dichter:
Kenntnisse der antiken und
europäischen Literatur
Gepflegte Wortwahl
Vermeidung von mundartlichen
Wendungen
Verwendung deutscher Sprache
Vermeidung von Fremdwörtern,
v.a. aus dem Lateinischen (= verpönt)
Martin Opitz ist der erste
Reformer der deutschen Sprache und Literatur
Nicht nur für Barock wichtig,
sondern auch noch für Gottsched und Lessing (anfangs) wichtig war
die von Opitz verbindlich erklärte Ständeklausel (Tragödie =
Adelige, Komödie = Bürgerliche)
Bezog sich nicht auf die
Literatur des Mittelalters, sondern suchte deutsche Literatur auf
europäisches Niveau zu heben, durch Nachahmung antiker Muster
Vertrat die damals gängige
Meinung, dass Dichten ein erlernbares Handwerk sei
Opitz‘ Stärke lag in
theoretischer Grundlegung der Dichtkunst, weniger in der Praxis
Blütezeit barocker
Dichtung: Gryphius und Grimmelshausen
Gryphius
= bedeutendster Lyriker des Barocks
Gryphius setzt Opitz‘
theoretische Forderungen in aussagekräftige Gedichte und Dramen um
Gryphius‘ Gedichte hatten nur
wenige Themen, aber immer wieder neu variiert
Mensch in Abhängigkeit eines
allmächtigen Gottes
Vergänglichkeit alles
irdischen Lebens (vanitas-Motiv)
Sehnsucht nach besseren Leben
im Jenseits
Da Leben so kurz und gefährlich
weise nutzen und sich um
Seelenheil bemühen (memento mori)
Verwendet traditionelle Form
des Alexandriner-Sonetts (2 Quartette und 2 Terzette)
Bringt Dualismus (Diesseits –
Jenseits) am besten zum Ausdruck
Auch als Dramatiker
erfolgreich:
Tragödien (Leo Armenius,
Cardenio und Celinde) stellen typische Haupt- und
Staatsaktionen oder Folgen unbeherrschter Leidenschaft dar
Komödien stehen noch heute
auf den Spielplänen (Horribilicribrifax Teutsch, Absurda comica
oder Herr Peter Squenz, Doppelkomödie „Das verliebte
Gespenst“ und „Die geliebte Dornrose“) (halten
sich an Opitz‘ Ständeklausel)
Grimmelshausen
= Volksdichter
Grimmelshausen bewegte sich
weder beruflich noch gesellschaftlich in der höfischen oder
großbürgerlichen Sphäre
Stoffe aus literarischen
Traditionen, aber vermischte sie mit eigenen, biographisch
rekonstruierbaren Begebenheiten, und er verstand es, sie so zu
popularisieren, dass sie der Lebenswelt der ländlichen Bevölkerung
Deutschland zu entspringen schien
z.B. Der abenteuerliche
Simplicissimus Teutsch (Schwärzwälder Dialekt unterstreicht
Volkstümlichkeit, ABER wurde nur von wenigen Verstanden)
Literarische
Gattungen
Barocke Dramatik
geprägt von den englischen Komödianten, dem Jesuitendrama und dem
barocken Trauerspiel
Englische Komödianten:
Englische Schauspieltruppen
bereisten Deutschland, spielten an Höfen, auf Jahrmärkten,
führten meist Stücke von Shakespeare und Marlowe (Dr.
Faustus) auf, verstanden Sprache nicht
lebten von Einlagen eines Harlekins und der Unterhaltung des
Publikums
Jesuitendrama:
Ziel: Menschen von
reformatorischen Ideen abbringen und wieder für Katholizismus
gewinnen = Kunst der Gegenreformation
Vertreter: Jakob Bidermann
Barocke Trauerspiel:
Thema: höfische Probleme
(Menschen in der Bewährung, Kampf um seine staatsmännische
Moral, Fragen der „großen“ Politik (Haupt- und
Staatsaktionen))
Handlung zurückgedrängt,
Konflikte werden in sprachlicher Reflexion ausgetragen
Vertreter: Andreas Gryphius,
Daniel Casper von Lohenstein
Französischer Einfluss (wie
gesamte Epoche)
Barocke Roman
hat drei Hauptgattungen: heroischen (höfischen) Roman,
Schelmenroman, Schäferroman
Heroische (höfischen) Roman:
Französischer Einfluss
(„Amadisroman“)
Vertreter: Herzog Anton
Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
Schelmenroman:
Gegenstück zum höfischen
Roman
Erzählt vom „einfachen
Volk“ = Dirnen, Bettler, Räuber, Soldaten, Schelm
Schelm wird als Held
dargestellt, da er sich in der wirtschaftlich und moralisch
problematischen Zeit des 30-jährigen Krieges zurecht findet,
durchläuft alle sozialen Stufen (s. Simplicissimus)
ermöglicht einen kritischen Blick auf die bestehende
Gesellschaft, ABER: Unterhaltungswert darf darunter nicht leiden
Schäferroman:
Liebeswirren und zu
bestehende Abenteuer in einer ländlich-idyllischen Welt
Befriedigt v.a. Sehnsucht des
Lesers nach einem einfachen und naturverbundenen Leben
Prototyp: Philip Sidneys
Roman „Arcadia“ (von Opitz übersetzt)
Barocke Lyrik:
weltliche und geistliche Lyrik
Weltliche Lyrik:
V.a. Gelegenheitsdichtung
(wurden für Hochzeiten, Jubiläen, Taufen, … bestellt)
Mit Opitz setzte neue
Stilrichtung ein
Petrarkismus (Dichter verfassen Liebesgedichte im Stil des
italienischen Humanisten Francesco Petrarca)
Verbreitetste Themen: Lob der
Frauen, Preisen von körperlicher Schönheit, Klage über
Unerfüllbarkeit der Liebe
Anklänge an
hochmittelalterliche „minne“-Dichtung unübersehbar
Geistliche Lyrik:
Bestimmt Gegenreformation und
Protestantismus
Mystik, Pietismus spielen
zentrale Rolle, beschwört Einheit der Gläubigen mit Gott
Literarisches Leben:
Das Wirken der Sprachgesellschaften
Entstehung von
Sprachgesellschaften für barocke Zeit typisch
Widmen sich der Sprachpflege
Im Bewusstsein der Zeitgenossen
hatte deutsche Sprache durch den großen Krieg Schaden genommen
(Fremde Truppen fast aller europäischen Nationen brachten dabei
Elemente ihrer eigenen Kultur ins Land – auch sprachlicher Art)
Aufgabe: Sprache von fremden
Einflüssen zu reinigen: Fremdwörter sollten systematisch durch
deutsche Begriffe ersetzt werden
Viele davon heute fester
Bestandteil unseres Wortschatzes:
Adresse > Anschrift
Nekrolog > Nachruf
Plenipotenz > Vollmacht
ABER: Viele Reformer schossen
übers Ziel hinaus:
Nase > Gesichtserker
Fenster > Tagleuchter
Autoren und Werke
Das Schauspiel des Barock: Gryphius‘ „Hans
Peter Sequenz“
s. Buch S. 10ff.
Lyrik im Zeichen des Dreißigjährigen Krieges:
Gryphius‘ „Tränen des Vaterlandes“
s. Buch S. 12f.
Grimmelshausens „Simplicissimus“ und der
barocke Roman
s. Buch S. 13ff.
Aufklärung (1720 –
1785)
Keine exakte Definition, da
äußerst vielgestaltig
Aufklärerische Intentionen
lassen sich auch später immer wieder feststellen, v.a. bei
politisch/sozial engagierten Autoren (Bsp.: Vormärz (Büchner),
Restaurationsjahre (Böll, Walser))
1770 spricht Martin Wieland als
erster von Aufklärung, beschreibt damit die kulturellen Neuerungen,
die seit der Auflösung des geschlossenen mittelalterlichen
Weltbildes durch die sich nun durchsetzende rationale Weltsicht
möglich geworden sind
Bekannter: Immanuel Kants
Definition:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus
seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das
Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache
derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Erschließung
und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. […] Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!
Kant entwirft damit das
Programm der Aufklärung. Es enthält Antworten auf Fragen: Was ist
Aufklärung? Wer ist zur Aufklärung fähig? Was muss der Einzelne
leisten?
Politische Situation
Politische System: Absolutismus
und aufgeklärter Absolutismus
Hauptvertreter des aufgeklärten
Absolutismus: Maria Theresia, Joseph II., der preußische König
Friedrich der Große
Politische Ereignisse:
österreichische Erbfolgekrieg (1740 – 1748), Siebenjährige Krieg
(1756 – 1763); beide waren keine volks-, sondern Kabinettskriege
Territoriale Zersplitterung
wird durch Dreißigjährigen Krieg und die folgenden
Friedensbestimmungen noch gefestigt
führt zwar einerseits zur Entstehung einer vielgestaltigen
Kulturlandschaft (mit den Zentren Leipzig, Hamburg, Bremen,
Wolfenbüttel, Tübingen, …), andererseits ist diese Zerrissenheit
der deutschen Lande ein Hemmnis für die Entstehung einer
geschlossenen bürgerlichen Emanzipationsbewegung
Reaktion auf
gesellschaftliche und politische Machtlosigkeit bürgerlicher
Eliten: Rückzug in der Literatur, häufig gepaart mit Utopien einer
besseren Welt (oft in Südsee)
Primat der Literatur der
Frühaufklärung: Ausbildung quasi allgemeinmenschlicher Tugenden,
die aber in Wirklichkeit bürgerliche sind und sich meist konträr
zu den höfischen Verhalten
Kulturelle
Voraussetzungen
V.a. eine geistige Bewegung,
die von Westeuropa (speziell Frankreich) ausgehend, ganz Europa
ergreift
„Aufklärung“ ist zunächst
nichts anderes als „Rationalismus“ (Vernunft): Was vor der
kritischen Vernunft standhält, ist geeignet, Wissenschaft und
Gesellschaft, Staat und Kirche auf ein neues Fundament zu stellen
Maßgeblich sind dabei nicht
mehr alte Autoritäten, Traditionen und ständische Ordnungen
Hintergrund der optimistischen
Weltsicht: Entdeckung der Naturgesetze ab dem 16 Jahrhundert (Newton
1666: Gesetz der Schwerkraft; Franklin 1752: Blitzableiter; Watt
1769: Dampfmaschine)
Franzosen wagen sich als Erste
vor, den Rationalismus zum bestimmenden philosophischen System der
Zeit zu erheben:
Descartes: brachte
rationalistisches Gedankengut in Philosophie ein, erkennt nur noch
unbezweifelbare Tatsachen an; seine Maxime „Ich denke, also bin
ich“ spiegelt das grenzenlose Vertrauen der Aufklärer in die
Fähigkeiten des Verstandes wider
Montesquieu: führt
aufklärerische Denkweise in Staatslehre ein, fordert Gleichheit,
persönliche Freiheit, Aufteilung der absoluten Staatsgewalt in
Exekutive, Legislative, Jurisdiktion
Voltaire: selbst ein führender
Kopf der europäischen Aufklärung, scharfer Kritiker jeder
Adelsherrschaft (ABER Freund von Friedrich dem Großen) trug durch
publizistische Verbreitung zur Popularisierung aufklärerischen
Gedankenguts bei
Aufklärung ist zwar eine
geistesgeschichtliche Bewegung, doch stellt sie ihr Denksystem in
den Dienst des aufstrebenden Bürgertums. (Dichter, Philosophen der
Aufklärung meist selbst aus Bürgertum
betreiben Aufwertung der eigenen Lebenswelt mit Hilfe der Literatur,
da ihnen Teilnahme am politischen Gestaltungsprozess weitgehend
versagt bleibt.
Literatur als Medium der
bürgerlichen Emanzipationsbewegung
anderen Ansprüchen genügen als die bisher dominierende höfische
Literatur, muss sogar in offenem Gegensatz zu dieser stehen, um ihre
Eigenwertigkeit zu beweisen
Zuhilfenahme der Kategorien: „Moral“ und „Tugend“
Moral ersetzt ein religiöses
Wertesystem, das man nicht mehr für zeitgemäß hält und das wohl
auch durch den Missbrauch in Glaubenskriegen in Misskredit geraten
ist, gibt dem Bürger Orientierung für seine Lebensführung, die es
ihm ermöglicht, ein tugendsames Dasein zu führen
Tugend war v.a. erstrebenswert,
da Abgrenzung zu Adeligen, die prinzipiell der Untugend und Unmoral
bezichtigt wurden
Literatur der
Aufklärung
Gottscheds Wirken in
der Frühaufklärung (1720 – 1740)
Johann Christoph Gottsched
wollte eine „Reinigung“ der deutschen Bühne
Das Theater um 1700:
Es gab in den größeren
Residenzstädten (München, Wien, Dresden, Prag) Hoftheater. Dort
versuchten fest angestellte Schauspieler und Bühnenautoren, die
Hofgesellschaft zu unterhalten, ging jedoch meistens zu Lasten der
Bürger, die als tölpelhaft, ungebildet und für Kultur nicht
empfänglich dargestellt wurden
Anders als die
Adeligen/Fürsten/Könige: ihnen schrieb man die Fähigkeit zur
Tragik zu
zwei Spielarten im
spätbarocken Hoftheater: Komödie, in denen Bürger/Bauern
verlacht wurden; Tragödie, in der staatspolitisch relevante Stoffe
idealtypisch dargestellt und gelöst wurden (sog. Haupt- und
Staatsaktionen)
Es gab auch Theater für die
Bevölkerungsschichten, die sich üblicherweise nicht mit Literatur
beschäftigten: Englische Wandertruppen brachten Theaterstücke
dar, die diese Bezeichnung kaum verdienten (Handlungsstränge kaum
noch erkennbar, mussten die Schauspieler ihre Dialoge in immer
kürzeren Abständen unterbrechen, um Clowns und Harlekine
auftreten zu lassen, die für Unterhaltung sorgten) Bald jedoch
dominierte der Harlekin das Bühnengeschehen – verstanden doch
die Zuschauer sowieso nichts, was die Schauspieler sagten
Das war Ansatzpunkt für
Gottscheds Wirken: Die Bühne, deren Aufgabe es war, das Volk zu
unterhalten, sollte wieder Niveau bekommen; die Literatur sollte
ihre „Nützlichkeit“ erweisen
Überredete befreundete
Caroline Neuber „Die Neuberin“, Leiterin einer Wandertruppe zur
Zusammenarbeit: Vertrieben Harlekin von der Bühne, Gottsched/seine
Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched schreiben Stücke für das
„neue Theater“
Luise schreib Lustspiel „Die
Pietisterey im Fischbein-Rocke“: vehementer Angriff auf den
Pietismus, den ein dem Rationalismus verpflichteter Denker
prinzipiell ablehnen musste
Gottsched schrieb eher
Tragödien Mustertragödie
„Sterbender Cato“
Trauerspiel sollte –
Gottscheds Theorie zufolge – nach wie vor in der höfischen
Sphäre angesiedelt bleiben, doch mussten sich Adelige hier schon
deutlich am Moralkodex des Bürgertums messen lassen
Gottsched gehörte einer
Generation an, die glaubte, dass es erlernbar sei, Literatur
herzustellen, wenn man nur die gültigen Regeln beachtete
er orientiert sich am französischen Klassizismus (der beruft sich
auf Aristoteles): Die drei Einheiten (Ort, Zeit, Handlung) sollten
gewahrt werden und somit jede Regellosigkeit der Stücke vermieden
werden; die Ständeklausel war immer noch gültig (
strikte Trennung von Komödie und Tragödie)
Gottscheds Vorstellungen
wirkten trotz heftiger Kritik in Sturm und Drang und in abgeänderter
Form in der Klassik weiter: Die höfische Welt musste sich der
bürgerlichen Kritik, die keine ökonomische, sondern eine
moralische war, stellen
berechtigt, im Zusammenhang mit der Literatur des 18. Jh. von
„bürgerlicher“ Literatur zu sprechen
Lessing und die
Hochaufklärung
Gotthold Ephraim Lessing hielt
sich anfangs an Gottscheds Vorgaben, wandte sich aber bald davon ab
(da er als Vorkämpfer einer bürgerlichen Literatur nicht ein
Vorbild dulden konnte, das sich am höfischen Ideal Frankreichs
ausrichtete)
Lessing forderte stattdessen
eine Orientierung an Shakespeare
äußere Geschlossenheit des Dramas durch die drei Einheiten wich
einer inneren, die an eine Einheit von Handlung und Empfindung
gebunden war
Übersetzte, die aus
Aristoteles‘ Poetik stammenden Begriffe „phobos“ und „eleos“
neu
Übersetzte „phobos“ nicht
mehr mit „Schrecken“ (vor dem Held), sondern mit „Furcht“
(für den Heden)
„eleos“ meint in Lessings
Theorie „Mitleid“ mit dem Helden, der nicht mehr über dem
Zuschauer, sondern mit diesem auf einer Stufe stehen soll.
„katharsis“ würde
somit nicht nur als Reinigung der Leidenschaften wirksam, sondern
im Zuschauer auch tugendsames Verhalten bewirken
Lessing begründet damit das
„bürgerliche Trauerspiel“, in dem die Ständeklausel nicht mehr
gilt, da – laut Lessing – auch Bürgerliche Tragik empfinden
können (Bsp.: Miss Sara Sampson, Emilia Galotti)
Lessing studierte Theologie
(kommt aus Pfarrhaus) war
theologisch vorgebildet
spielt in seinen Werken eine Rolle:
Bsp.: Nathan der Weise:
setzt sich mit dem Absolutheitsanspruch der Religionen auseinander.
Nathan markiert einen Höhepunkt aufklärerisches Denken, Noch
heute auf den Spielplänen
Im Mittelpunkt steht
„Ringparabel“: Sultan Saladin fragt den weisen jüdischen
Kaufmann Nathan, welche Religion die wahre sei
Natan antwortet mit Ringparabel/Märchen:
In einem Königshaus wurde ein Ring, der die
Eigenschaft hatte, seinen Träger „vor Gott und den Menschen
angenehm zu machen“, stets vom Vater auf den ihm im Amt
nachfolgenden Sohn vererbt. Doch ein König konnte sich am Ende
seiner Tage nicht entscheiden, welchen seiner drei Söhne er durch
die Übergabe des Rings vor den anderen auszeichnen sollte. So ließ
er zwei weitere Ringe anfertigen, die man von dem ursprünglichen
nicht unterscheiden konnte. Als die Söhne nach dem Tod des Vaters
den Betrug bemerkten, riefen sie einen Richter an, der ihnen riet,
sie sollten sich durch praktisches Handeln des ihnen jeweils
anvertrauten Rings würdig erweisen. Diese Erzählung macht auf
Saladin gehörigen Eindruck und er sieht ein: Alle Religionen (Islam,
Judentum und Christentum; verkörpert durch die drei Ringe) sind
gleich wahr, es kommt darauf an, dass sich die Gläubigen durch
praktische Humanität auszeichnen.
Empfindsamkeit bei
Klopstock und Claudius
Mitte des 18 Jh.: rational
geprägte erste Phase der Aufklärung geht zu Ende
wird von einer empfindsamen Richtung abgelöst
Gefühle und Stimmungen (wurden
im Rationalismus geleugnet) stehen nun im Mittelpunkt
Auch die besonders in
Frankreich bekämpfte Frömmigkeit gewinnt wieder an Bedeutung
Religion wird nun nicht mehr
nur als Offenbarungsreligion im Sinne des Deismus verstand, vielmehr
kommt mit dem Pietismus (lat. pietas: Frömmigkeit) eine neue
Religion der Innerlichkeit auf.
Pietisten fühlen sich Gott (in
Figur des Christus) unmittelbar zugetan
Verzichten auf einen Pastor als Vermittlungsinstanz
Beeinflusst wurden die Autoren
der Empfindsamkeit durch Jean-Jacques Rousseau und englischen
Schriftstellern (v.a. Samuel Richardson)
Höhepunkt empfindsamer
Dichtung: Friedrich Gottlieb Klopstocks biblischer Epos Messias
stellt Leben Jesu dar
wollte nicht nur religiöses
Werk schaffen, sondern auch die Epen Homers (Ilias, Odyssee) und
Miltons Paradise Lost durch Verwendung einer damals bahnbrechenden
neuen Sprache (Wortneuschöpfungen, ungewöhnlicher Satzbau,
unübliche Personifikationen) übertreffen
daran wird ersichtlich,
welch exponierte Stellung Klopstock dem Stand des Dichters schon um
die Mitte des 18. Jh. zuschrieb.
Weitere empfindsame Töne:
Matthias Claudius:
Wandersbecker Boten (Zeitung)
Sophie von La Roche:
Geschichte des Fräuleins von Sternheim
Goethe: Die Leiden des
jungen Werthers
Literarische
Gattungen
Lyrik:
Anakreontischen oder
Rokoko-Lyrik
Leicht, verspielt
Themen: Liebe, Wein, Natur,
Geselligkeit
Weltliche oder geistliche Ode
Bsp.: Klopstocks Messias
Lehrgedichte, meist
Alexandrinergedichte mit religiösen oder philosophischen Themen
Bsp.: Hagedorn, E. v. Kleist,
Wieland
Romane:
Bürgerliche
Familienstrukturen und die dort geltenden Tugenden sowie die Abkehr
vom heroischen Helden stellten zuerst die Romane englischer Autoren
dar:
Bsp..:
Daniel Defoe: Robinson Crusoe
Muster übernahmen deutsche
Autoren
Gellert: Leben der
schwedischen Gräfin von G.
Sophie von La Roche:
Geschichte des Fräuleins von Sternheim
Eine beliebte literarische Form
aus dem Bereich der Epik war die Fabel,
da durch sie der Rezipient belehrt und im Sinne der Aufklärung
erzogen werden konnte. Außerdem bot sich mit der Fabel durch die in
Tieren personifizierte Darstellung menschlicher Schwächen die
Möglichkeit zu verbrämter und doch offensichtlicher Kritik an den
bedrückenden sozialen Verhältnissen
Drama:
v.a. Bürgerliches Trauerspiel, sächsische Typenkomödie,
empfindsame Lustspiel
Bürgerliche Trauerspiel
Erste Versuche: Gryphius mit
Cardenio und Celinde (1657)
Kann sich erst mit Lessings
Miss Sara Sampson und Emilia Galotti erfolgreich auf
deutschen Bühnen etablieren
Mittelpunkt: tragische
Konfliktsituation, die sich in der bürgerlichen Welt, meist in
der Familie als deren reinste Ausprägung, ereignet
Angehörige des Bürgerstandes
werden jetzt tragischer Verwicklungen für würdig und befähigt
erachtet Ständeklausel
fällt weg
Lessing und später die
Stürmer und Dränger nutzen Gattung für Anklage sozialer
Missstände, die meist aus einem Konflikt zwischen positiv
dargestellter bürgerlicher und moralisch korrumpierter
dargestellter höfischer Lebenswelt resultieren.
Sächsische Komödie
Blütezeit: erste Hälfte 18.
Jh.
V.a. von Vertretern der
Gottsched-Schule gepflegt
Bsp.:
Luise Gottsched: Die
Pietisterey im Fischbein-Rocke
Heinrich Borkenstein:
Bookesbeutel
Elias Schlegel: Die
stumme Schönheit
Ziel: Gattung aufzuwerten und
für eine Erziehung des Bürgertums zu tugendhaftem Verhalten
nutzbar zu machen, indem die von der klassizistischen
französischen Poetik aufgestellten Regeln (drei Einheiten,
Ständeklausel, …) zur Norm erklärt wurden
Rührende/Empfindsame
Lustspiel
Gellerts geht über die
Vorgaben Gottscheds hinaus, wenn er die Zuschauer nicht durch
Verlachen, sondern durch die Darstellung nachahmenswerter Tugenden
bessern will
Bsp. Gellerts Die
Betschwester, Die zärtlichen Schwestern
Literarisches Leben:
Bürgertum und moralische Wochenschriften
Heimat der neuen bürgerlichen
Literaturbewegung: Orte an denen bürgerliches Publikum zu finden
war (Messe- und Handelsstädte, z.B. Hamburg, Leipzig, Zürich)
Da war es Autoren schon in
Ansätzen möglich als freie Schriftsteller – also unabhängig von
einem fürstlichen Gönner – zu arbeiten.
ABER: Jetzt mussten Autoren
Themen finden, die für das jetzt anonyme Publikum interessant genug
waren, um dafür zu zahlen
Wesentlicher Beitrag zur
Heranbildung eines bürgerlichen Lesepublikums: Herausgabe
moralischer Wochenschriften, die Ratschläge zur praktischen
Lebensführung enthielten (ab erste Hälfte 18. Jh.)
Autoren und Werke
Lessings „Emilia Galotti“ und das bürgerliche
Trauerspiel
s. Buch S. 26 ff.
Die Fabel als Erziehungsmedium bei Lessing
s. Buch S. 28
Gleims Gedicht „Anakreon“ als Programm einer
Generation
s. Buch S. 29f.
Sturm und Drang (1765
– 1785)
Diese Epoche ist auf deutsche
Literatur beschränkt, wurde nur von einer relativ kleinen
Autorengruppe getragen
Sturm und Drang ist eine
Jugendbewegung
Löste sich nach ungefähr 10
Jahren auf
Politische Situation
Aufklärung und Sturm und Drang
verlaufen zeitlich parallel (wenn auch die Geniezeit wesentlich
kürzer war) s. Politische
Situation Aufklärung
Es gab den aufgeklärten
Absolutismus
Friedrich II sagte, er fühle
sich als „erster Diener des Staates“
Kennzeichnet Wandel von höfischer zur aufgeklärten
absolutistischen Herrschaftsform
Sturm und Drang-Autoren
empfanden ein Ungenügen an den sozialen Verhältnissen (trotz der
relativ fortschrittlichen, reformfreudigen Haltung vieler Monarchen)
Kulturelle
Voraussetzungen
Stürmer und Dränger standen
auf dem geistigen Boden der Aufklärung
Verstandeskult und der Vernunftoptimismus prägte sie
Das Streben der Sturm und
Drang-Dichter nach persönlicher und gesellschaftlicher Autonomie
ist ohne das Gedankengut der Aufklärung nicht vorstellbar.
ABER: sie hielten die
Vernunftorientierung der Aufklärung für zu einseitig, zweifelten
am Fortschrittsglauben der Vätergeneration
Dichter des Sturm und Drang
waren beeinflusst durch Jean-Jacques Rousseau, dessen Schriften
stark kulturpessimistische Züge tragen
Losung Rousseaus „Zurück zur Natur“
Auf diese Losung wartete damals
die europäische Geisteswelt, die es nicht länger hinnehmen wollte,
dass der Mensch auf die Vernunft als seine einzige Qualität
begrenzt werden sollte. Die Natur wurde zum Gegenraum einer auf
Ungleichheit gegründeten und daher „unnatürlichen“
Feudalherrschaft verklärt.
Stürmer und Dränger legten
anderes Menschenbild zugrunde (als Aufklärer Gottsched, Lessing,
Friedrich Nicolai), fühlten sich von Rousseau bestätigt und
betonen, dass jeder Mensch über Gefühle verfüge, fordern diese
auch ein.
Der Literatur eröffnen
sich neue, subjektivistische Dimensionen, die die Zeitgenossen
stärker ansprach als die etablierte Kunst (Erfolge von Götz von
Berlichingen, Werther, Räuber verdeutlichen das)
Literatur des Sturm
und Drang
Hamann und Herder –
die großen Anreger
Vordenker der Sturm und
Drang-Literatur: Johann Georg Hamann; verwendete als einer der
ersten den Genie-Begriff (Sein Beiname „Magus (Magier) des
Nordens“ deutet auf den irrationalen Sprachstil hin, mit dem er
sich ganz konsequent dem Rationalismus der Aufklärung entzogen
hatte)
Johann Gottfried Herder =
Schüler Hamanns übernahm
Genie-Begriff
Unternahm Reisen
veröffentlichte Journal meiner Reise im Jahre 1769
darin stellt Herder das sich von gesellschaftlichen Normen lösende
und nur auf sich und seine Erfahrungen bauende Individuum in den
Mittelpunkt bedeutet erste
Umsetzung des Genie-Gedankens von Hamann
Auf weiteren Reisen lernte
Herder Goethe kennen, der für zwei Jahre sein Schüler wurde
Goethe in Straßburg
(1770/71), Frankfurt (1771 – 1775) und Weimar (1775 – 1786)
In Straßburg lernte Goethe
Herder kennen (machte ihn mit völlig neuen Gedanken über Kunst und
Kultur bekannt Goethe
integrierte sie in ein eigenen System, das wesentlich dazu beitrug,
die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts in ganz neue Bahnen zu
lenken)
Unmittelbare Auswirkungen der
Bekanntschaft der beiden: Entstehung des Sturm und Drang als
literarische Bewegung
Weitreichendere Folgen:
Einfluss auf spätere Epochen (Klassik und Romantik, und – in
Auseinandersetzung mit diesen – auf die Literatur des 19. Jh.
(Vormärz, Naturalismus))
Herder ging davon aus, dass
jedes Volk eine eigene Kultur besitzt, die der jedes anderen Volkes
prinzipiell gleichwertig ist
lehnt die Bevorzugung und Nachahmung der Völker ab, die von den
Zeitgenossen als vorbildlich betrachtet wurden.
für Deutschland bedeutet
das: man sollte nicht versuchen, es den Dramatikern der
klassizistischen französischen Epoche gleich zu tun, sondern
sollte man sich auf die eigene nationale Kultur besinnen und ihre
Wurzeln, die mittelalterliche Dichtung und v.a. die Volkpoesie,,
entdecken
Goethe wurde durch diese
Vorstellung entscheidend beeinflusst: Stellte eine Gestalt aus den
Bauernkriegen in den Mittelpunkt seines ersten Dramas (Götz von
Berlichingen), beschäftigte sich mit dem Faust, den er
aus Kindertagen als Puppenspiel kannte.
Motiv des großen Kerls, das
Kraft- oder Originalgenie prägte die Literatur des Sturm und Drang.
(= Vorstellung der autonomen, nur sich selbst verantwortlichen
Persönlichkeit) (Übernahm Goethe ebenfalls von Herder)
Die Rückkehr einer derart
übermenschlichen Figur, deren Existenz man idealtypisch in das
Mittelalter projizierte, schien einen Ausweg aus der
absolutistischen Enge zu bieten.
Die Autoren des Sturm und Drang
empfanden sich jeweils selbst als „Genie“ und befanden sich
somit in Konflikt zu den realen gesellschaftlichen Zuständen, wenn
nicht gar der Gesellschaft ganz enthoben. Von diesem übergeordneten
Standpunkt aus konnten sie dann an den bestehenden Verhältnissen
Kritik üben.
Als Vorbild galt den Stürmern
und Drängern – ausgehend von Herder, von Goethe übermittelt –
Shakespeare. Seine Dramen verkörpern die Volkspoesie.
In Frankfurt (1771 – 1775)
schuf Goethe seine großen Sturm und Drang-Dichtungen:
Geschichte Gottfriedens von
Berlichen, dramatisiert, den „Urgötz“, dem er später als
Götz von Berlichingen seine endgültige Form gab
Die Leiden des jungen
Werthers
Hymnen, in denen er dem
genialistischen Lebensgefühl der jungen Generation eine poetische
Form gab, wie z.B. Prometheus
1775: Herzog Karl August rief
Goethe nach Weimar. Es entstand unter anderem Iphigenie.
Werke wurden von seiner Arbeit (Kriegs- und Finanzminister, Leiter
der Verwaltung) beeinflusst
Die Sturm und
Drang-Zeit Schillers
Friedrich Schiller gehörte
nicht zum eigentlichen literarischen Kreis des Sturm und Drangs (da
er zehn Jahre jünger war als Goethe, als dieser seinen Götz
veröffentlichte war er 14)
Schon mit 21 schrieb er Die
Räuber (prangerte die fürstliche Willkür an, die im 18. Jh.
in den deutschen Kleinstaaten häufig zu finden war)
Literarische
Gattungen
Die am intensiv gepflegteste
Gattung: Drama, speziell das
bürgerliche Trauerspiel
anknüpfend an die
Sozialkritik der Aufklärung, ABER: Goethe, Lenz, Schiller, u.a.
steigerten diese Kritik noch und zeigten dabei den Willen zur
radikalen Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen und der
geltenden Werte und Normen
zentrale Forderung der jungen
Generation: Freiheit des Individuums (wurde besonders im Drama
thematisiert)
Diese verlangte aber auch eine
konsequente Abkehr von herkömmlichen literarischen Formen
Haupt- und Staatsaktionen
interessierten die Stürmer und Dränger nicht, das bürgerliche
Trauerspiel ging ihnen in seinen politischen Implikationen nicht
weit genug Suche nach
neuen Vorbildern
Shakespeare und volkstümliche mittelalterliche Literatur
Shakespeares Dramen sprengten
durch ihre Regellosigkeit alles auf dramatischen Gebiet bisher
Dagewesene Goethes Götz
von Berlichingen mit seinen typischen „Fetzenszenen“ orientiert
sich am Vorbild (Abkehr von 3- oder 5-aktigen Aufbau, Aufteilung
der Handlung in eine lockere Szenenfolge mit schnellem Personal-
und Schauplatzwechsel) (Auch neue Sprache: Kraftausdrücke,
Wortneuschöpfungen, volkstümliche Wendungen schienen für das
„Originalgenie“, den „großen Kerl“ angemessen)
Themen (sind durchweg vor
gesellschaftlichem Hintergrund zu verstehen)
Kindsmord und Probleme der
Geschlechtermoral (Wagner: Die Kindermörderin; Lenz: Die
Soldaten)
Liebe über Standesgrenzen
hinweg (Schiller: Kabale und Liebe)
Das Genie, das an sozialen
Widrigkeiten scheitert (Goethe: Götz von Berlichingen)
Lyrik:
Vorwiegend Erlebnislyrik
Das Schaffende Individuum,
das „Genie“ dominiert auch hier
Tradierte und für überkommen
erachtete Formen (z.B. Sonett) wurden abgelehnt)
Machte sich von äußeren
Zwängen frei
unregelmäßiger Strophenbau, uneinheitliches Metrum als Folge
Thema: nicht wie im Barock
üblich allgemein-menschliche Probleme, sondern sie ließen ihren
Gefühlsregungen scheinbar freien Lauf
Gefühlsstarke Liebesgedichte wie Maifest oder Es schlug
mein Herz als Folge
Klopstock wurde für viele
zum Vorbild, da er den gesteigerten Empfindungen durch freie
Rhythmen Ausdruck verlieh (An Schwager Kronos, Ganymed)
Goethes Hymnen artikulieren
oft pathetische und affektvolle Anklagen an eine für ungerecht
gehaltene Weltordnung (Prometheus)
Mischform der literarischen
Gattungen: Ballade
(Erzählgedichte)
Goethe nannte sie das „Ur-Ei“
der Dichtung, da sie epische, lyrische und dramatische Elemente in
sich vereine
Bsp. Goethes: Erlkönig,
Der Fischer
Epische
Formen wurden seltener verwendet (Epoche war zu kurz und
schnelllebig)
Goethe verfasste in dieser
Zeit nur den Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (zeigt im
Hinblick auf Sprachverwendung und Thematik deutlich empfindsame
Züge)
Literarisches Leben:
Freundschaftsbund und Originalität
Göttinger Hainbund war ein
Freundschaftsbund empfindsam gesinnter junger Männer aus Süd- und
Norddeutschland, die sich in Göttingen zusammenfanden, um ihrem
Vorbild Klopstock nachzueifern
Autoren und Werke
Genialisches Lebensgefühl: Goethes „Prometheus“
s. Buch S. 41ff.
Unbedingter Subjektivismus der Jugend: Goethes
„Werther“
s. Buch S. 43ff.
„Kabale und Liebe“ und Schillers Kritik am
18. Jahrhundert
s. Buch S. 45 ff.
Klassik (1786 -1805)
Klassik im Bezug auf Literatur
bedeutet (vom Lateinischen kommend): Vorbildlich, mustergültig
Es gab mehrere klassische
Literaturepochen: die gesamte griechisch-römische Antike,
Renaissance in Italien, 16./17. Jahrhundert in Spanien, das
Elisabethanische Zeitalter in England (Shakespeare)
Blütezeit jeder europäischen Literatur kann als „klassische“
Epoche bezeichnet werden
Klassik in Deutschland: weitere
Begriffsveränderung: als „klassisch“ wird nun auch die
Literatur bezeichnet, die sich in Form und Inhalt auf die Antike
Griechenlands und Roms bezieht
Zwei Ereignisse markieren die
zeitliche Einordnung der „Weimarer Klassik“
1786: Goethe brach zu seiner
Italienreise auf (wird mit den Zeugnissen römischer Vergangenheit
konfrontiert)
1805: Todesjahr Schillers
Goethe wandte sich von den gemeinsam erarbeiten klassischen
Positionen ab; Seine Dichtung nimmt romantische Züge an (=
Alterswerk Goethes)
Politische Situation
Zeit um 1800: geprägt von
politischer Unruhe und großen Umwälzungen
Auswirkungen der Französischen
Revolution waren in Deutschland deutlich zu spüren
Der Ruf der Französischen
Revolution nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit löste
zunächst Begeisterung im Deutschen Reich aus, doch führten
wachsendes Chaos und fortschreitender Terror (Jakobinerherrschaft)
bald zu kritischer Sicht und Ablehnung
Nach den Septembermorden
wandten sich Schiller, Goethe und Kant entsetzt und enttäuscht von
der Revolution ab, Herder hielt noch an deren Idealen fest
Kulturelle
Voraussetzungen
Zur Entstehung einer
klassischen deutschen Literatur viele Voraussetzungen notwendig:
Gefühlskultur der
Empfindsamkeit
Radikale Subjektivismus des
Sturm und Drang
Vernunftorientierung der
Aufklärung
Die durch sie angeregte
Säkularisierung des Geisteslebens
Entscheidenden Einfluss übten
auch die philosophischen Werke des Idealisten und die
Kunsttheoretischen und kunstgeschichtlichen Studien Winckelmanns
aus
Immanuel Kant beeinflusste die
Autoren des späten 18. Jh., v.a. Schiller, Kleist und Brüder
Schlegel
Kritik der reinen Vernunft
Erkenntnisfähigkeit des
Menschen
These: ein „Ding an sich“
kann nicht wahrgenommen werden, absolute Erkenntnisfähigkeit sei
dem Individuum nicht gegeben
Dieses sei, bedingt durch
seine Geschichtlichkeit, nur in der Lage, die jeweiligen
Ausprägungen des Absoluten zu erkennen
Beeinflusste die Ästhetik
Kleists
Kritik der praktischen
Vernunft
Sittliches Verhalten
Kategorische Imperativ:
Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit als Prinzip
einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte!
Kant postuliert die
grundsätzliche Freiheit jedes Individuums und damit verbunden
eine Gehorsamspflicht für jedes Individuum gegenüber dem
kategorischen Imperativ
Kritik der Urteilskraft
Lehre vom Schönen
Das Schöne und das Erhabene
sollen die Gegenstände des Kunstwerks sein
Kant begründet mit dieser
Abhandlung die subjektive Ästhetik, also das Geschmacksurteil des
Rezipienten über die Eigenschaften des Kunstwerks
Kunsthistoriker Johann Joachim
Winckelmann
Schrieb über die Kunst des
Altertums
In seiner Ablehnung von
(barockem) Schwulst und „Maßlosigkeit“ glaubte Winckelmann in
der Kunst der Griechen ein zeitloses Schönheitsideal zu erkennen:
„Edle Einfalt (Einfachheit, Schlichtheit, Klarheit), stille
Größe“
Winckelmann gab so Anstöße
zu einem neuen humanen Ideal, dem ruhigen, abgeklärten, in sich
selbst ruhenden Menschen und regte die Zeitgenossen zu einer –
nach der Renaissance – neuen Betrachtungsweise der Antike an
Winkelmanns Kunstauffassung
wurde v.a. von Goethe (Iphigenie auf Tauris) und Schiller
(Die Götter Griechenlands) produktiv rezipiert
Literatur der Klassik
Goethes Entwicklung
hin zur Klassik
Klassische Periode begann mit
seiner Italienreise
entwickelte neue Kunstauffassung
Auch schon seine vorklassische
Periode (10 Jahre Weimar) stellte für die neue Denkweise Goethes
die Weichen
Durch seine Arbeit als Beamter
stellten sich im manche gesellschaftliche, wirtschaftliche und
politische Probleme differenzierter das als in seiner Sturm und
Drang-Phase
Goethes Freundin in Weimer –
Charlotte von Stein – brachte ihn nicht nur höfisches Benehmen
bei, sondern ermöglichte ihm auch die intellektuelle
Auseinandersetzung mit poetologischen Problemen
in ihr/Charlotte fand Goethe das Ideal reiner Menschlichkeit und
Güte, das seine Dichtungen dieser Zeit nachhaltig bestimmte
Aber Weimar wurde Goethe bald
zu eng fuhr nach Italien
Goethe gewann in den Weimarer
Jahren und dann v.a. in Italien eine neue Auffassung von der Kunst.
Das, was wir heute „klassisch“ nennen, bekam damals seine
endgültige Gestalt
|
Kunstideal
des Sturm und Drangs
|
Kunstideal
der Klassik
|
Selbstverständnis
des Dichters
|
Genie
|
Erzieher
|
Aufgabe
der Dichtung
|
Veränderung, Sozialkritik
|
Bildung und Erziehung
|
Form
|
Regelosigkeit
|
Formstrenge, Regelhaftigkeit
|
Sprache
|
Geprägt durch Ausrufe, Ellipsen, Inversionen, Kraftwörter, …
|
Hochsprache, „erhaben“, Vergleiche, Metaphern
|
Rahmenbereiche
der Dichtung
|
Alltagsrealität der Gegenwart
|
Idealität der Antike
|
Bevorzugte
Themen
|
Standesunterschiede, politische Freiheit, Selbstverwirklichung
|
Humanität, Willensfreiheit, Schuld und Läuterung
|
Bevorzugte
Gattungen
|
Drama
|
Drama, Lyrik
|
(Wandel
in Goethes Kunsttheorie)
Bei aller Kontrastierung von
Sturm und Drang und Klassik darf nicht übersehen werden: So wie der
Sturm und Drang als Weiterentwicklung der Aufklärung zu begreifen
ist, kann man auch die Klassik nur als Fortführung des Sturm und
Drang verstehen, in der allerdings einige Positionen relativiert
oder abgelehnt wurden
In der Klassik ist die
Entfaltung einer ganzheitlichen Persönlichkeit im Mittelpunkt.
Dies steht dem Sturm und Drang-Konzept des Originalgenies teilweise
entgegen, denn während das Genie aus sich selbst heraus
schöpferisch tätig wird und sich über alle Konventionen
hinwegsetzt, muss sich der klassische Dichter seine Position in
Auseinandersetzung mit den bestehenden Regeln und der Tradition
erarbeiten
Durch Französische Revolution
erkannte Goethe auch, dass eine gesellschaftliche Ordnung durchaus
ihre Berechtigung hat, allerdings darf das Individuum dabei nicht
unterdrückt werden – der Einzelne muss seine Grenzen
selbstverantwortlich einhalten
Der philosophische
Ansatz Schillers
Goethe sah in Schiller immer
noch den Autor der Räuber und ignorierte ihn
Was Schiller unter klassischer
Kunst verstand, ist v.a. in seinen theoretischen Schriften
nachzulesen (Über Anmut und Würde, Über die ästhetische
Erziehung des Menschen, Über das Erhabene)
Schiller ging – wie Kant –
von der Divergenz von Pflicht und Neigung aus; diese galt es zu
überwinden: Die Klassik propagiert die selbsterzieherische Leistung
des Einzelnen. Diese Haltung bedeutet eine Abkehr von den Idealen
des Sturm und Drangs
Hatten Goethe und Schiller in
ihren Jugendschriften noch Originalität und Subjektivismus den Weg
gebahnt, so änderten sie ihre Einstellung in ihrer klassischen
Phase: Der Einzelne sollte freiwillig bestehende Gesetze anerkennen
und das rechte Maß für sein Handeln finden
Dafür ist „Genie“ keine Voraussetzung mehr – im Gegenteil:
Schiller fordert vom klassischen Dichter Selbstdisziplin
Damit geht einher, dass Staat Individuum nicht länger unterdrücken
darf
Der Freundschaftsbund
zwischen Goethe und Schiller
Schiller suchte schon seit
längerem Kontakt zu dem von ihm verehrten und bewunderten Goethe.
ABER Goethe hielt ihn immer noch für den typischen Sturm und
Drang-Dichter.
Schiller verwickelt Goethe in
ein Gespräch über die Ur-Pflanze
Beginn der Freundschaft (1794)
Zusammenarbeit ist ziemlich
fruchtbar, obwohl beide völlig unterschiedliche Charaktere waren
(trifft auf Persönlichkeit und literarisches Werk zu)
Schiller erkannte diese
Unterschiede und schieb eine Abhandlung: Über naive und
sentimentale Dichtung
In Goethe sah er den „naiven“
Dichter, der noch mit der Natur im Einklang war und dem so ein
unmittelbare, unbewusstes Schöpfertum möglich war
Der moderne, in Schillers
Begrifflichkeit „sentimentale“ Dichter hat durch Kultur und
Zivilisation diese ursprüngliche Naturnähe verloren. Er versucht
nun, über philosophische Reflexionen den vermissten Urzustand
wiederherzustellen und Ideal und Realität zu vereinen, was jedoch
ein unerreichbares Ziel bleiben muss (Schiller sah sich als
sentimentalen Dichter)
1797 ist als „Balladenjahr“
in die Literaturgeschichte eingegangen: Im Wettstreit dichteten
Goethe und Schiller ihre schönsten Balladen (Goethe: Der
Zauberlehrling, Die Braut von Korinth; Schiller: Der Taucher,
Die Kraniche des Ibykus, Die Bürgschaft)
Die Zusammenarbeit zwischen
Goethe und Schiller fand ihren Ausdruck nicht nur in den gemeinsamen
Werken. Zu Beginn ihrer Freundschaft stand die gegenseitige Anregung
und künstlerische Befruchtung im Vordergrund
führt dazu, dass Goethe schon früher begonnene Werke wieder
bearbeitet, im Sinne der klassischen Ästhetik verändert und
abschließt (Wilhelm Meisters Lehrjahre, Faust. Der Tragödie
erster Teil)
Trotz Krankheit schrieb
Schiller Jahr für Jahr ein Drama: Wallenstein, Maria Stuart, Die
Jungfrau von Orleans Wilhelm Tell, …
Literarische
Gattungen
Stoffe von allgemeiner und
grundsätzlicher Bedeutung
nicht mehr das Genialische erscheint literaturwürdig, sondern
Themen, die überzeitliches Interesse beanspruchen können
Ziel der Dichter nicht mehr
Anprangerung von sozialen Missständen (die durch die aufgeklärte
Form des Absolutismus gemildert in Erscheinung traten), sondern die
Versöhnung des Individuums mit Staat und Gesellschaft
Dieses Harmoniestreben, die Darstellung von Humanität, spiegelt
sich in allen literarischen Gattungen wieder
Drama
Eignet sich besonders durch
klaren (meist 5-aktigen) Aufbau, durch Verwendung stilisierter
Hochsprache mit Neigung zur Sentenzhaftigkeit sowie durch die
Darstellung idealer Figuren, diese klassischen Ansprüche zu
erfüllen
Vorherrschende Dramentypen
Ideendrama (Darstellung einer
Idee, z.B. Goethes Iphigenie)
Geschichtsdrama (Darstellung
historischer Stoffe, die für die Gegenwart um 1800 neu gedeutet
wurden, z.B. Schillers Wilhelm Tell)
Schiller stellte in seinen
Dramen meist die Idee der Freiheit in den Mittelpunkt
Roman
Meist Ausgestaltung eines
Lebenslaufs eines Helden. Dieser entwickelt sich vom sich selbst
absolut setzenden Individuum zum nützlichen Mitglied der
Gesellschaft und kommt auf diesem Bildungsweg zu einer neuen,
vollkommenen Identität (Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre,
Wahlverwandtschaften)
Lyrik
Abkehr vom Erlebnishaften
Überzeitlich gültige Themen
und Probleme im Mittelpunkt
Fremdes Kulturgut (v.a. aus
dem griechischen, asiatischen Raum) wird in die klassische Lyrik
aufgenommen
Literarisches Leben:
Weimar als Kulturzentrum
Literarisches Leben in der
Klassik weitgehend an Weimar gebunden
Autoren und Werke
Das klassische Drama: Schillers „Maria Stuart“
s. Buch S. 59ff.
Blütezeit des Bildungsromans: Goethes „Wilhelm
Meister“
s. Buch S. 61ff.
Literatur jenseits von Epochengrenzen: Goethes
„Faust“
s. Buch S. 64 ff.
Zwischen Klassik und
Romantik
Epochengliederungen sind nur
Hilfskonstruktionen der Literaturwissenschaft
Ideen der einzelnen Autoren und
die Themen ihrer jeweiligen Werke werden unter gewissen
Leitperspektiven als zusammengehörig empfunden und in Epochen
zusammengefasst
Dabei gibt es aber immer wieder
literarische Strömungen, die dem Geist der Epoche nicht
uneingeschränkt zuzuordnen sind und in gewisser Hinsicht sogar
zuwiderlaufen
Mit der Ausdifferenzierung des
literarischen Spektrums um 1800, der Abkehr von normativen Poetiken
und der Hinwendung zur bewussten Subjektivität wird es immer
schwieriger, typische, für alle Autoren des Zeitraums gültige
Leitlinien zu finden
In der Klassik gab es nicht nur
„die Klassiker“ Goethe und Schiller, sondern auch
Jakobinerliteratur (Forster, Rebmann), Unterhaltungsliteratur
(Iffland, Kotzebue, Vulpius) und Autoren, die sich jeder
Epochenzuordnung entziehen, da ihr Werk zu vielschichtig und von
gegensätzlichen Einflüssen bestimmt ist.
Dies wird zum ersten Mal bei
Friedrich Hölderlin, Jean Paul, Heinrich von Kleist sichtbar. Alle
drei Dichter stehen der Klassik und der Romantik nahe; keine Epoche
kann sie ganz für sich vereinnahmen.
Romantik (1793 –
1830)
Politische Situation
Durch die Französische
Revolution und die Herrschaft Napoleons gingen in Europa gewaltige
Veränderungen in politischer, wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Hinsicht vor sich
Beginn der Revolution = Jubel
Nach Septembermorde und
Hinrichtung Ludwigs XVI. = Wandel der Einstellung
Weitere Verunsicherung entstand
durch die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation und durch die Mediatisierung und Säkularisation geistlicher
und immediater weltlicher Herrschaftsbezirke
Napoleon: viele waren anfangs
von ihm in den Bann gezogen, aber nach und nach wurde er zu
Unperson, die es zu bekämpfen galt
Das in der Auseinandersetzung
mit der Herrschaft Napoleons entstehende Nationalgefühl führte
rasch zu einer radikalen Ablehnung nicht nur des Kaisertums
Bonapartes, sondern jeder Fremdherrschaft
Truppen Napoleons konnten in
den Befreiungskriegen geschlagen werden (Ansporn: Ablehnung)
Wiener Kongress:
europäische Siegermächte stellten, z.T. sogar unter Einbeziehung
Frankreichs, die alte, vorrevolutionäre Ordnung wieder her;
Gründung des Deutschen Bundes (lockere Vereinigung der deutschen
Länder mit Österreich)
Vorsitz hatte Österreich
Staatskanzler Fürst
Metternich konnte ungehindert eine restaurative Politik betreiben
(Karlsbader Beschlüsse) und damit die im Kampf mit Napoleon
entstandenen liberalen und nationalen Bewegungen niederhalten
Teile des Bürgertums
reagierten auf die eigene Machtlosigkeit und die territoriale
Zersplitterung mit der Sehnsucht nach einer alten,
vorabsolutistischen und damit quasi Naturgewollten politischen und
gesellschaftlichen Ordnung
Königsherrschaft und ständische Ordnung des Hochmittelalters
Mittelalter als Fluchtpunkt bürgerlicher Sehnsüchte um 1815
Kulturelle
Voraussetzungen
Philosophischen Grundlagen für
die romantische Kunst legte der deutsche Idealismus mit Johann
Gottlieb Fichte, Friedrich W.J. Schelling, Friedrich Hegel
Wissenschaften wandten sich dem
Volkhaften zu (z.B. Jacob Grimm: Deutsche Wörterbuch)
Literatur der
Romantik
Jenaer Romantik:
Wackenroder, Tieck, Schlegel, Novalis
Beginn romantischer Dichtung:
Wilhelm Heinrich Wackenroder, Ludwig Tieck
Wanderten nach Nürnberg,
entdeckten dort das Mittelalter als die ideale Epoche, als das
„goldene Zeitalter“, das es wiederherzustellen galt
Ältere Romantik war vorwiegend
philosophisch ausgerichtet. Hatte schon Herder auf die Bedeutung des
Volkstümlichen hingewiesen, hatten sich die Stürmer und Dränger
für die Volkspoesie stark gemacht und die große Persönlichkeit,
das Genie, enthusiastisch gefeiert, so nahm die Romantik diese
Anregungen auf und vertiefte sie.
Bekanntschaften zwischen
Klassiker und Romantiker: z.B. Schiller und Friedrich Schlegel
Die Romantik wuchs auf dem
Boden der Klassik; Das Alterswerk Goethes, v.a. sein Roman Wilhelm
Meisters Lehrjahre beeinflusste die Romantiker
Johann Gottlieb Fichte
versuchte das von Kant festgestellte Erkenntnisproblem (Individuum
kann nicht „Ding an sich“, sondern lediglich Erscheinungsform
wahrnehmen) aufzuheben, indem er nicht die „Dinge“, sondern das
Bewusstsein in den Mittelpunkt der Betrachtung rückte
Ich ist zentral subjektive
Individuum wird zum Mittelpunkt alles Seins erklärt, das aber
aufgrund der begrenzten Wirklichkeit nicht zur vollen Entfaltung
seines Wesens gelangen kann
Tendenz zur Unendlichkeit in Form der Hinwendung an die
Vergangenheit einerseits und in Erwartung einer „neuen Religion“
andererseits liegt hierin begründet
spiegelt sich auch in der Literatur wider: Inhalt ist nicht mehr
„letzter Endzweck“, sondern verweist auf das Ganze, das jegliche
Begrenztheit Überschreitende
Friedrich Schlegel war es, der
für den literarischen Ausdruck dieser Stimmung und Geisteshaltung
der Romantiker den Begriff der „progressiven Universalpoesie“
prägte. In ihr sollten alle Gattungen sowie Philosophie, Poetik und
Kritik miteinander verschmelzen
Für solche literarische
Experimente ist der Roman gut, da viel Spielraum um Essays, Briefe,
Märchen, Lieder, Gedichte, … einzubauen
Die romantische Ironie soll das
Gemachtsein von Literatur enthüllen, zeigt auch, dass der
angestrebte Naturzustand, in dem jede Entfremdung beseitig ist, auch
in der Kunst nicht mehr erreicht werden kann
Dichter wissen um das Auseinanderfallen von Phantasie und Erfahrung,
von Ideal und Realität, von begrenzter Wirklichkeit und
imaginierter Unendlichkeit und heben diese Grenzen poetologisch
mithilfe der Ironie auf, indem sie Zeiten (Vergangenheit –
Zukunft), Bewusstseinsebenen (Realität – Traum/Vision) und
literarische Formen (klassisch geschlossen – fragmentarisch)
miteinander verweben
Symbol der Romantik: Blaue
Blume (stammt aus Roman von Friedrich von Hardenberg (Novalis)
Heinrich von Ofterdingen
Heidelberger
Romantik: Arnim, Brentano, Eichendorff
Hochromantik oder auch
Heidelberger Romantik
Achim von Arnim und Clemens
Brentano begannen gemeinsam Volkslieder als Dokumente von deutschem
Nationalgeist zu sammeln; von Herders Volksliedsammlung (1778)
inspiriert nahmen Arnim und Brentano sowohl ältere, mündlich
überlieferte Lieder wie auch zeitgenössische und sogar eigene, im
volksliedhaften Ton verfasste Gedichte in ihre Sammlung auf: Des
Knaben Wunderhorn (1805) wurde zum Inbegriff der sogenannten
Volkspoesie
Achim von Arnim, Clemens
Brentano, Joseph von Eichendorff, Karoline von Günderode, Joseph
Görres, Brüder Grimm
Diese Richtung war weniger
theoretisch-philosophisch ausgerichtet als die Jenaer Romantik, sie
rückte das volkstümliche Element in den Vordergrund: Dichter
wandten sich gegen die französischen Einflüsse auf die deutsche
Literatur, gegen Aufklärung und Klassizismus, ihnen ging es v.a. um
Pflege des Volksgutes (sammelten Volkslieder, volksliedhafte
Dichtungen, Volksmärchen, Sagen und entdeckten Volksbücher (Till
Eulenspiegel, Schildbürger, Historia von D. Johann Faust) neu)
Brüder Grimm machten sich auch
als Sprachforscher (Grimm’sche Wörterbuch) und Begründer der
Germanistik einen Namen
Weitere Zentren waren Dresen
und Berlin, wo Adam Müller und Heinrich von Kleist wirkten. In
Berlin waren auch Adelbert von Chaisso und Erst Theodor Amadeus
Hoffmann (der bizarrste und phantastischste Autor dieser Zeit) tätig
Schwäbische
Romantik: Hauff, Schwab, Uhland
Vorwiegend historisch
interessiert
Orientierten sich an der
Geschichte und Kultur der Staufer, die sie auch literarisch
Gestalteten
Mitglieder:
Wilhelm Hauff
V.a. als Märchendichter (Der
kleine Muck, Zwerg Nase)
Gustav Schwab
Sammler und Nacherzähler von
alten Sagen und Volksbüchern (Sagen des klassischen Altertums)
Ludwig Uhland
Wählte Stoffe für seine
Dichtungen (Balladen, Romanzen) vorwiegend aus dem Bereich der
deutschen, romanischen und nordischen Sagen
Johann Peter Hebel
Novellen und Anekdoten:
Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes
Literarische
Gattungen
Im Mittelpunkt steht der Roman
Beeinflusst von Goethes
Wilhelm Meister und getragen von der Überzeugung im Roman
das romantische Literaturprogramm am besten verwirklichen zu können
Viele Romane sind Fragmente
geblieben (Novalis: Heinrich von Ofterdingen, Arnim: Die
Kronenwächter)
Versuch der Romantisierung des
Lebens zog als logische Folge die Auflösung der typischen
Romanform nach sich: In den epischen Texten wurden nun märchenhafte
oder lyrische Elemente, etwa in Form von Erzählungen oder
Gedichten aufgenommen
Novelle
Die Novelle hat per
definitionem eine unerhörte Begebenheit zum Thema und kommt damit
der antirationalistischen Tendenz der romantischen Bewegung nahe
Märchen
Wurde für Romantiker zu einer
wichtigen Gattung, da es keine wirkliche Begebenheit erzählen
will, sondern – frei von allem Gegenständlichen – nur mit der
Imagination des Lesers spielt
Ähnlich auch Anekdote
Drama
Schenkten Romantiker aufgrund
ihres fehlenden strengen Formwillens nur wenig Beachtung
Hinzu kommt wohl auch, dass
das Schaffen der Vätergenerationen (v.a. Sturm und Drang, Klassik)
als zu übermächtig, zu vollendet angesehen wurde und neue Ansätze
so eher behindert als gefördert hat
Der einzige wichtige
Bühnenautor ist Heinrich von Kleist, dessen dramatisches Schaffen
aber von der romantischen Theorie nur wenig beeinflusst ist
Lyrik
Vorliebe für gleichförmige
Strophik und Reim
Romantische Gedichte gelten
uns als gefühlsvoll, doch auch dies entspringt dem Kunstwollen der
Autoren
Romantische Lyrik ist nicht
abstrakt-analytisch und rational, aber es handelt sich auch nicht
um Erlebnisdichtung; es dominieren volkstümliche Formen und
Inhalte Gedichte wurden
oft vertont (z.B. von Schubert, Schuhmann, Mendelssohn-Bartholdy)
Literarisches Leben:
Salonkultur
Literarisches Leben der
Romantik ist an große Städte als literarische Zentren gebunden
Auf gesellschaftlicher Ebene
spielte es sich überwiegend in den Salons kunstinteressierter oder
dichtender Frauen ab
Immer mehr schreibende Frauen
traten im frühen 19. Jh. in das Licht der Öffentlichkeit (z.B.
Karoline von Günderode, Bettina von Arnim, Dorothea Veit-Schlegel,
Caroline Schlegel-Schelling)
Autoren und Werke
Novalis‘ Roman „Heinrich von Ofterdingen“
s. Buch S. 80ff.
Die romantische Novelle: Brentanos „Geschichten
vom braven Kasperl und dem schönen Annerl“
s. Buch S. 82ff
Romantische Lyrik: Eichendorffs „Sehnsucht“
s. Buch S. 85f.
Biedermeier, Vormärz
und Junges Deutschland (1815 – 1850)
Noch während sich die
romantische Dichtung in Deutschland in ihrer Blütezeit befand,
kamen neue literarische Strömungen auf
Verkörpern unterschiedliche
Reaktionen auf die politische Entwicklung nach 1815 und dauern bis
zur Revolution von 1848/49
Literatur des Biedermeier
Spiegel die Enttäuschung und
die Resignation des sich in die Privatsphäre zurückziehenden
Bürgertums über die restaurative politische und gesellschaftliche
Entwicklung Deutschlands nach dem Wiener Kongress wider
Literatur des Jungen
Deutschland
Befindet sich im Widerspruch
zur Restauration und zum Absolutheitsanspruch des Staates und der
Kirche
Autoren stellen ihre Literatur
in den Dienst der Tagespolitik und schreiben gezielt auf eine
politische und gesellschaftliche Veränderung hin
Vormärz
Ursprünglich politischer
Begriff; meint die Zeit von der Julirevolution 1830 bis zu den
Märzereignissen 1848
Literatur = selber Zeitraum
Meist politischen Inhalts und
gegen die auf dem Wiener Kongress hergestellte Ordnung gerichtet
Politische Situation
Zur Zeit der napoleonischen
Herrschaft erwachte in Deutschland starkes Nationalbewusstsein
Befreiungskriege 1813
Nach deren Beendigung hoffte
das Volk, dass Europa auf dem Wiener Kongress (1814/15) neu geordnet
werden würde: nach demokratischen Prinzip in Form von
Nationalstaaten. ABER es wurde soweit möglich die vorrevolutionäre
Ordnung wiederhergestellt
Periode der Restauration (dauert bis 1848)
Diese ist gekennzeichnet durch
die Unterdrückung nationaler Forderungen und politischer
Äußerungen, durch Pressezensur, Überwachung der Universitäten
(hielt man für Zentren des Aufruhrs), durch Demagogenverfolgungen
(Karlsbader Beschlüsse 1819)
Aber auch das zunehmend
selbstbewusster werdende Bürgertum und die Studentenschaft
artikulierten ihre Forderungen. (erste Demonstration für Einheit
und Freiheit: Wartburgfest)
Auf Hambacher Fest äußerte
sich das unbedingte Streben nach parlamentarischen Verhältnissen,
nach Aufhebung der Unterdrückung und nach einem Nationalstaat, in
dem alle Deutschen in Freiheit zusammenleben sollten
ABER erst 1848 – angeregt
durch die Februarunruhen in Frankreich – entluden sich die
Spannungen in Revolutionen
Kulturelle
Voraussetzungen
Hegel und Marx beeinflussen die
Literatur
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
führt das dialektische Prinzip in die Geisteswissenschaften ein,
das besagt, dass sich zwei Gegensätze auf einer höheren Ebene
aufheben: Die Begriffe von These und Antithese, die zu einer
Synthese führen, können dies verdeutlichen.
Diesem Prinzip liegt ein
Geschichtsbewusstsein zugrunde, das von der evolutionären
Entwicklung des Denkens ausgeht und daher den Zweifel am Bestehen
absoluter Werte unterstützt
Karl Marx griff die Gedanken
Hegels auf. Er behauptete, Hegel „vom Kopf auf die Füße
gestellt“ zu haben Marx
deutet das ursprünglich idealistisch zu verstehende Denkgebäude
Hegels in materialistischem Sinne um
Marx und Friedrich Engels begründeten mit ihrer Philosophie den
wissenschaftlichen Sozialismus. 1848, kurz vor der Märzrevolution
erschien ihr Kommunistisches Manifest
Literatur der
Restaurationszeit
Literatur der Restaurationszeit
ist eine Literatur im Übergang zwischen dem überlieferten Erbe der
Klassik und Romantik und den neuen Gegebenheiten einer
materialistisch und positivistisch ausgerichteten Zukunft einer
bürgerlichen Gesellschaft
Sie bewegt sich im
Spannungsfeld zwischen zwei Polen
Die politisch und
gesellschaftlich restaurativen Bestrebungen im Namen der
Metternich’schen Allianz
Die bürgerlich-liberale
Bewegung, deren kritisches und progressives Potenzial sich in der
Bewegung des „Jungen Deutschland“ konzentriert
Literatur des
Biedermeier
Bürgerliche Bewegung
Wandten sich ganz bewusst von
den politisch-gesellschaftlichen Zuständen ab
Enttäuscht von der
restaurativen Politik gaben sie sich scheinbar unpolitisch,
leisteten damit aber den konservativen Haltungen Vorschub
resignative Rückzug ins
Private = Keine Gruppenbildung, kein gemeinsames Programm
Themen: Rückzug ins
Privatleben, sittliche Gesetz (dem alles gehorchen soll); Beides
scheint aber ständig gefährdet: Die Umwelt wird immer mehr als
bedrohlich empfunden und auch die Bedrohung von innen, durch
unbeherrschte Leidenschaften, ist eingeschlossen
Wichtige Autoren
Johann Nepomuk Nestroy
Stücke wollen in erster
Linie unterhalten, übt aber auch Kritik an Zeitumständen
Ferdinand Raimund
Verarbeitet in seinen
Zauberspielen (Der Bauer als Millionär) volksnahe Stoffe
Franz Grillparzer
Orientierte sich an der
Klassik der griechischen Antike
Schrieb v.a. Historiendramen
(Ein Bruderzwist in Habsburg) und ein einziges Lustspiel
(Weh dem, der lügt)
Eduard Mörike
Maler Nolton ist
ähnlich wie Goethes Wilhelm Meister, aber er bezieht auch
das Dämonische in seine Darstellung ein, er psychologisiert es
befindet sich an der Schwelle zum Realismus
Adalbert Stifter
Bei ihm finden sich schon
früh Elemente einer „realistischen“ Erzählweise in Form der
minutiösen Beschreibung der Natur
Annette von Droste-Hülshoff
Ist für ihre Naturlyrik und
ihre Novelle Die Judenbuche bekannt
In Novelle kristallisieren
sich schon Ansätze einer „realistischen“ Erzählweise heraus:
In einer realistisch-sachlichen Handlungsführung wird der
Charakter des Helden aufgrund seiner Anlagen und der
gesellschaftlichen Umstände entwickelt
Literatur des Vormärz
Autoren waren politisch
engagiert, meist auf Seiten des Kleinbürgertums und der
Arbeiterschaft
Anliegen der Autoren:
grundlegende Änderung der Gesellschaftsordnung, die es auch den
bislang von politischer Mitsprache und gesellschaftlichen Ansehen
fern gehaltene Bevölkerungsschichten ermöglichen sollte, am
öffentlichen Leben teilzunehmen
Politische Vorbild:
Französische Revolution (z.B. Büchner dramatisiert den Stoff in
Dantons Tod)
Wichtige Autoren
Georg Büchner
Verfasste aus Enttäuschung
über die politische Entwicklung das Flugblatt Hessischer
Landbote musste in
Schweiz flüchten, weil er steckbrieflich gesucht wurde
Heinrich Heine
Betont trotz politischen
Engagements den Kunstanspruch jeder Dichtung
Ludwig Börne
Christian Dietrich Grabbe
Knüpft an die Literatur des
Sturm und Drang an
Häufig historischer Stoff
als Grundlage
Das „Junge
Deutschland“
Ist eine literarische Bewegung
innerhalb des Vormärz
Jungdeutschen wandten sich
gegen jede unpolitische Literatur, v.a. gegen Goethe und die
Romantik, aber auch gegen die alten Autoritäten (absoluten Staat,
Kirche)
Politische Forderung:
demokratischer Liberalismus, der für die Abkehr von der
Kleinstaaterei, die Abschaffung der Zensur, eine demokratische
Verfassung, Rechte der Frauen (z.B. auf Bildung) stand
Jungdeutsche Schriften (und
auch Heines) wurden durch Beschluss des Frankfurter Bundestages
verboten
Literarische
Gattungen
Epische
Dichtung wurde in der ersten Hälfte des 19. Jh. intensiv
gepflegt.
V.a. Dichter des Biedermeier
lebten in dem Bewusstsein, keine großen, bestimmenden Aktionen
darstellen zu können
hielten sich an Beschreibungen der in sich abgeschlossenen
bürgerlichen Welt
Romane:
zahlreich
Erzählungen
und Novellen prägen das
literarische „Biedermeier“
Recht beliebt war auch die
Dorfgeschichte, zeigte sie doch
die Menschen in ihrer gewohnten Umgebung abhängig von inneren und
äußeren Einflüssen
Neue Gattung: Reisebilder
(mitgeschaffen durch die Zensur)
Lyrik
des Biedermeier gibt v.a. idyllische Stimmungen und Naturbilder
wieder, bei Vormärz: politische Agitation
Drama:
Es sind viele bedeutende
Dramen überliefert
Es gab historische Dramen und
Volksstücke (unterhaltsamer Charakter)
Neben den herkömmlichen
Gattungen gewinnen journalistische Formen
an Bedeutung (Literaturkritik,
Berichterstattung, Feuilleton)
Literarisches Leben:
Unterdrückung und Zensur
Epoche ist geprägt durch
Zensur (durch Karlsbader Beschlüsse (Ermordung Schriftsteller
Kotzebue)
Zensiert wurden alle Schriften
unter 20 Druckbogen (man nahm an, das Schriften die politisch
wirksam werden und die Leser erreichen wollten, einen Umfang von
weit unter 320 haben müssten)
Autoren des Vormärz und des
Jungen Deutschland reagierten auf die Zensurbestimmungen, indem sie
zur Gattung der Reisebeschreibung griffen
Autoren und Werke
Heines Lyrik: Zwischen Romantik und Realismus
s. Buch S. 94ff.
Stifters Vorrede zu „Bunte Steine“
s. Buch S. 97 f.
Auf dem Weg zur Moderne: Büchners „Woyzeck“
s. Buch S. 98 ff.
Realismus (1850 –
1890)
Sinnlich wahrnehmbare,
empirisch fassbare Wirklichkeit wird in den Vordergrund gerückt
Anders als die Idealisten sehen
die Realisten die Dinge, wie sie sind und nicht in idealer
Überhöhung
War eine gesamteuropäische
Epoche: gibt Vertreter in Frankreich, England, Russland, Deutschland
finden
In Deutschland datiert man den
Realismus von ca. 1850 (nach Revolution von 1848/49) bis zum
Rücktritt Bismarcks 1890, der einen grundlegenden Wandel nicht nur
in der deutschen Politik, sondern auch im Selbstverständnis der
Deutschen markiert
Realistische Strömungen nicht
nur auf 2. Hälfte 19. Jh. beschränkt: auch in Antike kann man
einen gewissen Realismus der Darstellung erkennen, oder 17. Jh.
Grimmelshausens Simplicissimus; im 19. Jh. sind als Vorläufer
der Realisten im eigentliche Sinne manche Dichter des Vormärz zu
nennen (z.B. Büchner, Grabbe); im 20. Jh. finden sich realistische
Strömungen zu finden (z.B. Alfred Döblin, Heinrich Böll, Martin
Walser)
Politische Situation
1850 – 1890: stark geprägt
von der sich schnell entfaltenden Industrialisierung (Kennzeichen:
verstärkter Kapitaleinsatz im wirtschaftlichen Beriech, Entstehung
eines neuen Unternehmertypus = Betätigungsfeld des Großbürgertums)
Primat des technischen
Fortschritts wurde eine weitere Demokratisierung der Gesellschaft
untergeordnet
Bildung einer neuen Schicht:
Fabrik- und Hilfsarbeiter/das Industrieproletariat
Deutsch-Dänische Krieg (um
Schleswig und Holstein) und Deutsche Krieg (Streit um Verwaltung der
Herzogtümer; Sicherte Preußen die Vormacht in Deutschland)
1870 nützt Bismarck die
Gelegenheit Frankreich mithilfe der Emser Depesche bloßzustellen
und zwing es, Deutschland den Krieg zu erklären (stark
Außenpolitisch)
1871: Gründung des
kleindeutschen Reiches
Bismarck bemüht sich danach um
die Lösung der innenpolitischen Probleme in seinem Sinne
(Kulturkampf, Sozialistengesetze, Sozialgesetzgebung)
1888: Regierungsantritt Kaiser
Wilhelm II (signalisiert Anbruch einer neuen Zeit – auch im
politisch-gesellschaftlichen Sinn)
Kulturelle
Voraussetzungen
Rasch fortschreitende
Industrialisierung brachte große soziale Probleme mit sich
Antworten auf soziale Frage versuchten Marx und Engels mithilfe des
sog. wissenschaftlichen Sozialismus zu geben
Großen Einfluss auf das Denken
der Menschen noch bis ins 20. Jh. hatte der sog. Sozialdarwinismus
(Lehre beruht auf der Theorie Darwins vom „Recht des Stärkeren“
und der „natürlichen Auslese“, Ergebnis von Beobachtungen im
Tierreich)
Im Zuge des sich in
wirtschaftlichen und politischen Bereich etablierenden Liberalismus,
der die freie Entfaltung des Individuums proklamiert, wurde diese
Theorie unkritisch und ohne Überprüfung ihrer Gültigkeit auf das
menschliche Zusammenleben übertragen
Vertreter des Sozialdarwinismus propagierten den „Kampf ums
Dasein“ und legitimierten dadurch soziale Ungleichheit, sondern
förderten sie sogar
Teilweise wurde Materialismus,
Kapitalismus, Untertanenmentalität und Werteverfall als Zeichen
eines allgemeinen Niedergangs gedeutet
Literatur des
Realismus
„Realistische“
Erzählelemente sind in fast jeder Literatur zu finden
Das spezifisch „realistische“
der Literatur um die Mitte des 19. Jh. besteht v.a. in der Abkehr
von allem Idealistischen und Exemplarischen der Goethezeit und der
Romantik und in der Hinwendung zum Alltäglichen sowie zur Natur als
reale Gegebenheit und nicht als romantisch überhöhtes Refugium
Große Erzähler
Erzählliteratur rückt in den
Vordergrund (da beschreibende Darstellung und die damit
einhergehende symbolische Überhöhung weder in der Lyrik noch auf
dem Theater angemessen zu leisten ist)
Novellen, Erzählungen, Romane
spiegeln Epoche am deutlichsten wider
V.a. Alltagssituationen können
in der Prosa angemessen dargestellt werden, da den epischen Formen
nicht wie anderen Gattungen ein vorgegebenes, starres Regelsystem
zugrunde liegt
Autoren
Theodor Storm
Der Schimmelreiter:
Konflikt zwischen Jung und Alt, zwischen Bewahren und Erneuern,
zwischen Leben mit der Natur und Auflehnung gegen sie
Wilhelm Raabe
Theodor Fontane
Gottfried Keller
Conrad Ferdinand Meyer
Literarische
Gattungen
Realismus war Blütezeit der
erzählenden Literatur. Es
entstanden Gesellschaftsromane, historische Romane, Abenteuer- und
Bildungsromane; Vielzahl von Novellen und Erzählungen
Gesellschaftsromane
Geben Einblick in die
Gesellschaft des Deutschen Kaiserreiches, wobei sie arm an äußerer
Handlung sind, ABER detailreiche Beschreibung der materiellen
Verhältnisse, der Seelenzustände, der umgebenen Natur
Bsp.: Fonante (Frau Jenny
Treibel, Effi Briest)
Historische
Romane
Großbürgertum liebte
unterhaltsame historische Romane, mit deren Lektüre man sich zu
bilden glaubte
Abenteuerromane
z.B. Karl May
Bildungsroman
Wurde von den Autoren des
Realismus gepflegt, aber nicht mehr im Sinne der klassischen oder
romantischen Theorie: Ihnen ging es nicht um die Vervollkommnung
des Individuums, sondern um seine möglichst reibungslose
Anpassung an die gesellschaftlichen Normen
Novelle
Detailgenauigkeit und
Darstellung psychologischer Beweggründe konnte hier auf knappster
Form geleistet werden
Erwähnenswert sind auch die
Dorfgeschichten
Drama
Keine nennenswerte Entwicklung
Als das einzige dramatische
Talent ist Friedrich Hebbel anzusehen, der mit Maria Magdalena
das erste bürgerliche Trauerspiel des 19. Jh. schuf
Lyrik
Vollzog sich der Übergang von
Erlebnislyrik zur symbolischen Bildlyrik: Die Dichter verwendeten
zwar noch meist die traditionellen Gattungen des Erlebnis- und
Stimmungsgedichts, doch mit dem immer problematischer werdenden
Verhältnis des Individuums zu seiner Umwelt rückte mehr und mehr
das Dinggedicht in den
Vordergrund
Balladendichtung errichte mit
Meyer und Fontane ihren Höhepunkt
Literarisches Leben:
Leibücherei und populärer Roman
Immer größer werdendes
Lesepublikum Literatur
wurde zur Massenware, wurde in Zeitungen/Familienblättern
verbreitet, Leibüchereien fanden großen Zulauf;
Unterhaltungsliteratur boomte
Autoren und Werke
Das Dinggedicht: Meyers „Römischer Brunnen“
s. Buch S. 110 ff.
Hebbels bürgerliches Trauerspiel „Maria
Magdalena“
s. Buch S. 113ff.
Der Gesellschaftsroman: Fontanes „Effi Briest“
s. Buch S. 116ff.
Der „Poetische
Realismus“
Poetischer Realismus ist
eigentlich ein Paradoxon: besagt, dass die Wirklichkeit, also die
Gegenwart in der zweiten Hälfte des 19. Jh., abgebildet und dabei
gleichzeitig dichterisch verklärt werden soll
Extremes (z.B. abstoßend
Hässliches) soll ausgespart werden
Dem Anspruch werden die Autoren
gerecht: Kritik an den gesellschaftlichen oder politischen
Verhältnissen wurde kaum oder nur unterschwellig laut
knüpfen an Literatur des Biedermeier an (anders als der folgende
Naturalismus)
Oberflächliche Optimismus
täuscht über die wirklichen Probleme der Zeit hinweg
Dichtung des Realismus ist
bürgerliche Literatur; stellt vorwiegend das Leben des
wirtschaftlich erfolgreichen Großbürgertums dar
Der Naturalismus und
seine Gegenströmungen (1880 – 1925)
In den letzten Jahrzehnten des
19. Jh. löste sich die recht einheitliche Epoche des Realismus in
verschiedene Stilrichtungen auf:
Dichter des Naturalismus (1880
– 1900) bemühten sich um eine noch genauere Wiedergabe -der
sinnlich erfahrbaren Welt, verzichteten darauf, diese zu poetisieren
(wie Realisten)
Es ging ihnen primär um die
Abbildung der realen Verhältnisse im Sinne einer Aufdeckung
gesellschaftlicher Wirklichkeit, und nicht um deren moralische oder
philosophische Deutung
Wurden vor allem von
skandinavischen (Ibsen), russischen (Tolstoy) und französischen
(Zola) Autoren beeinflusst
Impressionismus: lehnte es ab,
in ihren Werken nur Realität abzubilden, wollten momentane
Stimmungen, subjektive Sinneseindrücke, Impressionen möglichst
genau wiedergeben
Symbolismus
Ursprung: Frankreich
Symbolisten sehen davon ab, in
ihren Werken eine gesellschaftsbezogene Wirklichkeit darzustellen,
da sie nicht an die Veränderbarkeit politischer, moralischer,
psychischer oder sozialer Zustände glaubten
Kunst sollte vielmehr Mittel
sein, durch Abstraktion und Entdinglichung (Bedeutung des Symbols)
eine tiefere Wirklichkeit hinter der sichtbaren Realität der Dinge
erahnbar zu machen
Politische Situation
Politik des Deutschen Reiches
fand sich im Umbruch (1888/90)
1888: Tod Kaiser Wilhelm I.
Sohn Friedrich III. folgte ihm todkrank auf den Thron
nach 99 Tagen starb auch er
Wilhelm II. wurde deutscher Kaiser mit nur 29 Jahren (=
Wilhelminische Ära)
Von Anfang an gab es zwischen
Kaiser und Kanzler Spannungen
1890: Rücktritt Bismarcks
Bismarcks Außenpolitik war auf
Sicherheit bedacht gewesen, da noch junges Reich; Wilhelm II glaubt
nun, Deutschland sei mächtig genug, in der internationalen Politik
eine wichtigere Rolle zu spielen
Wilhelm II. verlängert
Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht
Annäherung Russlands an Frankreichs
Überzogene, deutsche
Flottenpolitik stößt England vor den Kopf
Bündnis mit Russland und Frankreich (Entente cordiale)
Deutschland bliebt allein
mit Österreich und Italien (beide schwach) (Dreibund)
Die internationale Lage, das
Wettrüsten, das gegenseitige Misstrauen brachte Krieg in greifbare
Nähe, auch Friedenskonferenzen konnten daran nichts ändern
Attentat von Sarajewo (auf
österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und Gemahlin):
Auslöser für Ersten Weltkrieg
Anfangs Begeisterung bei
Bevölkerung und Soldaten groß
1918: bedingungslose
Kapitulation Deutschlands
Wilhelm II. nach Holland ins Exil
Weg frei die monarchische durch eine parlamentarische Regierungsform
zu ersetzen
Kulturelle
Voraussetzungen
Wesentliche Grundbedingung der
naturalistischen Weltsicht waren die Erkenntnisse der
Naturwissenschaften auch in
Literatur wurde jede Transzendenz abgelehnt
Mensch und Erforschung seines
materiellen Umfeld rückten in den Mittelpunkt
Charles Darwins
Abstammungslehre wurde konsequent auf die menschliche Existenz und
die Gesellschaft übertragen.
Willensfreiheit des Einzelnen
negiert, Determination des Menschen behauptet
Milieutheorie: Mensch durch
Herkunft, Umgebung und herrschende Zeitumstände festgelegt
Vor diesem Hintergrund ist
Handeln der Menschen zu sehen: Gut oder schlecht sind nur noch
bedingt geeignete Kategorien zur Bewertung menschlichen Verhaltens;
positiv bewertet: was zur Selbsterhaltung des Einzelnen beiträgt
Literatur des
ausgehenden Jahrhunderts
Der Naturalismus
Die junge Generation der
naturalistischen Dichter empfand aufgrund der gewandelten
gesellschaftlichen Verhältnisse ein Ungenügen an der tradierten
Literatur und strebte eine „Literaturrevolution“ an
Arno Holz stellt in Die
Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze (Programmschrift des
konsequenten Naturalismus) Forderung auf, dass die Kunst die Natur
nicht abbilden, sondern zu ersetzen habe. Das sei seiner Meinung
nach aber nicht möglich, indem der Dichter ein Kunstwerk im
herkömmlichen Sinne verfasse. Er müsse vielmehr versuchen, Natur
zu schaffen
Kunst = Natur – x
X ist v.a. der Autor, wäre
er nicht vorhanden x = 0
Kunstwerk hätte seine
höchste Entfaltung erreicht; Kunst und Natur wären identisch
Aus dieser theoretischen
Position Holz‘ resultiert die Einschätzung des Schriftstellers
durch die Naturalisten: Weder gelehrte Dichter, noch „Genie“ ist
die leitende Figur, sondern der selbst fast unsichtbare Beobachter,
der Stenograf wirklicher oder der Wirklichkeit entsprechender
Begebenheiten
Autoren griffen zu neuen
Mitteln der Darstellung (in sprachlich-gestalterischer Hinsicht) um
programmatischen Forderungen nachzukommen:
Sekundenstil: Erzählzeit und
erzählte Zeit sind deckungsgleich, Sprechpausen, Stottern,
Versprecher werden „sichtbar“ gemacht
Ausführliche Regieanweisungen
so exakt wie möglich
wiedergeben
Naturalistische Autoren
enthielten sich in ihren Werken weitgehend einer persönlichen
Bewertung
Handlungsträger:
kleinbürgerliche und proletarische Schichten (damit beziehen sie
aber mehr oder weniger Stellung)
Doch über die Kritik an den
realen Lebensverhältnissen hinausgehend, muss die Darstellung des
Menschen in seiner entwurzelten Existenz, abgeschnitten von
jeglicher Tradition und dementsprechend haltlos und verloren, als
das eigentliche Anliegen des „konsequenten Naturalismus“ gelten.
Wichtige Autoren:
Arno Holz
Johannes Schlaf
Gerhart Hauptmann
Hermann Sudermann
Max Halbe
Die „Korrektur“
des Naturalismus: der Impressionismus
Um 1890 kamen in literarisch
interessierten Kreisen neue Dichtungsideale auf, wegen Ablehnung der
Konzeption und Intention des Naturalismus durch einige Autoren
Vertraten die Ansicht, Kunst
müsse mehr leisten, als nur das soziale Elend der unteren
Bevölkerungsschichten wiederzugeben und zu beklagen.
Nahmen aber die Forderung nach
der Darstellung der Wirklichkeit in ihr Programm auf (ABER andere
Blickwinkel: ausgehend von anderen sozialen Voraussetzungen und
veränderter Zielrichtungen verfolgend, stellte sich ihnen die
„Wirklichkeit“ umfassender dar als den „konsequenten
Naturalisten“)
Sie versuchten wie Maler eine
Augenblickstimmung einzufangen, gaben momentane Eindrücke und damit
assoziierte Empfindungen wieder.
Ihren Werken liegt seltener ein
strenger Bauplan zugrunde; stattdessen werden Einzelbeobachtungen
sinnvoll aneinandergereiht (= mosaikartiges Verfahren, das den
Beobachter mit der ihm umgebenden Welt eins werden lässt)
Einführung des inneren
Monologs: ermöglicht es dem Dichter, ein enges Beziehungsgeflecht
zwischen der literarischen Figur und dem Leser aufzubauen, sodass
sich dieser gleichsam in das fiktive Geschehen eingebunden glaubt.
Kurze, locker gereihte Sätze,
ein parataktischer Stil, unterstützen diese Imagination des
Unmittelbaren und rein Zufälligen
Wegen dieser formalen
Beschränkungen ist Literatur am an Darstellungen von Handlung
kaum bedeutende Dramen
Gegen den
Naturalismus: der Symbolismus
Gehen von der Vorstellung eines
hintergründigen, nicht leicht zugänglichen Zusammenhangs alles
Seienden aus. Dieser wird als „Geheimnis“ erfahren, das nur
mittels künstlerischer Ausgestaltung durch die Sprache offenbart
werden kann
Autoren berufen sich dabei auf
ihre Subjektivität, die ihnen jedoch nur helfen soll, objektive
Seinszustände wirklich umfassend zu erkennen
Nicht Reflexion der Dinge steht
im Symbolismus im Vordergrund, sondern sinnhafte Erfahrung der Welt
Gegenbewegung des
Naturalismus
Wollen nicht die Wirklichkeit
abbilden, sondern in Symbolen fassen und mithilfe einer bewusst
gehaltenen Sprache erfahrbar machen will
Zeigt sich v.a. als Formkunst
Gegen den Alltagsjargon des
Naturalismus stellten sie eine gewählte, kunstvolle und
ungewöhnlich gestaltete Sprache, die elitäre Wirkung haben sollte
Z.B. Die fast durchgängige
Kleinschreiben in den Texten Stefan Georges, die Vermeidung von
Satzzeichen und das ungewöhnliche Druckbild seiner Texte, das
seiner Handschrift entsprach, verlangte dem Leser vollste
Konzentration ab
Wichtigsten Vertreter:
Stefan Georges,
Hugo von Hofmannsthal
Literarische
Gattungen
Vorherrschende Gattung: Drama
Mit seinen ausführlichen
Regieanweisungen und dem dramatischen Dialog schien es den Autoren
am besten geeignet, Lebensverhältnisse und psychologische
Eigenheiten darzustellen
In Sachen Lyrik
stehen Naturalisten hinter Impressionisten und Symbolisten zurück
Romane
wurden auch nicht so zahlreich geschrieben
Literarisches Leben:
Großstadt und Gruppenbildung
Industriestädte wuchsen seit
Mitte des 19. Jh. durch arbeitssuchende Landflüchtige zu
Großstädten heran
Autoren und Werke
Das naturalistische Programm: Hauptmanns „Weber“
s. Buch S. 130ff.
Symbolismus: Rilkes Dinggedicht: „Der Panther“
s. Buch S. 132 ff.
Literarischer Impressionismus: Schnitzlers
„Leutnant Gustl“
s. Buch S. 135ff.
Der Expressionismus
(1910 – 1925)
Begriff Expressionismus (lat.
expressio: Ausdruck) meint Gegenbewegung zur Eindruckskunst des
Impressionismus und auch zum Symbolismus
Ursprüngliche Verwendung für
junge Maler wie z.B. Kandinsky, Klee, Marc, … (nicht mehr die
nuancierten Eindrücke der Außenwelt, sondern der künstlerische
Ausdruck der eigenen Innenwelt stand im Mittelpunkt)
Kurt Hiller übertrug Begriff
auf Literatur
Zeitlich läuft Expressionismus
mit 1. Weltkrieg weitgehend parallel, ABER weisen gerade die
Dichtungen Heinrich Manns, Alfred Döblins, Franz Kafkas über die
Epochengrenzen hinaus.
Politische Situation
Expressionismus = Kunst der
Krisenzeit
1. Weltkrieg warf seine
Schatten voraus, wurde schon Jahre vorher befürchtet
Nach Kriegsbeginn wich
anfängliche Begeisterung schnell dem Schrecken über das bislang
unbekannte Grauen, die der Krieg mit sich brachte
Deutsche Reich verlor
Völlige Umorientierung im Bewusstsein der Zeitgenossen notwendig
(Republik statt Monarchie, alte Werte waren überholt)
Aber auch in den frühen Jahren
der Weimarer Republik viele Probleme: Dolchstoßlegende (Deutsche
Herr sei im Felde unbesiegt, nur durch Revolutionen in Heimat
sabotiert), überzogene Reparationsforderungen der Alliierten,
Kapp-Putsch, Hitler-Putsch und politische Morde von links und rechts
bestimmten das politische Leben in den Krisenjahren der Republik bis
1923
Zu der autoritären,
obrigkeitsgläubigen Prägung und der politischen Unsicherheit kam
die wirtschaftliche Ungewissheit (Ruhrbesetzung, Inflation)
Literatur des
Expressionismus
Gesellschaftliche
Anknüpfungspunkt dieser Dichtung war das Unbehagen an der
Vorkriegszivilisation, die durch die Saturiertheit und
Selbstgefälligkeit des wilhelminischen Bürgertums gekennzeichnet
war. Dieses hatte sich ganz dem Materialismus und dem Positivismus
verschrieben.
Litererarischer
Anknüpfungspunkt: Ästhetizismus des „Fin de Siècle“
Menschheitsdämmerung
Naturalismus, Impressionismus,
Symbolismus, Expressionismus sind Versuche der Reaktion auf eine
sich verändernde Gesellschaft, Umwelt und Politik
Dasein wurde um 1900 als
zunehmend gefährdet empfunden, Expressionisten sahen das Leben als
verlogen und sinnlos an.
versuchten Existenzängste in Kunst wenn nicht zu bewältigen,
wenigstens zu benennen oder darzustellen
Autoren bedienten sich eines
leidenschaftlichen Pathos („expressionistischer Schrei“), um
ihren Vorstellungen von einem menschenwürdigen Dasein und einer
neuen Brüderlichkeit Ausdruck zu verleihen
Gaben sich mit der Darstellung
der Wirklichkeit nicht zufrieden, sondern wollten die Realität
verändern, die Wirklichkeit ihrem Ideal anpassen = „Aktivismus“
Tradierte literarische
Gesichtspunkte greifen nicht mehr, will man die Richtung des
Expressionismus verstehen. Formal-ästhetische Aspekte treten
zugunsten von Satire und Polemik zurück
Ziel: Befreiung des Menschen
von den Zwängen der Maschinenwelt und des modernen Kapitalismus
Zu diesem Zweck sollten neue
gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, das den
Menschen umgebende Milieu verändert werden
Intensität und Simultaneität
waren die Schlagwortejener Zeit, die der Reizüberflutung durch die
Großstadtwirklichkeit geschuldet waren
Erste Phase
Themen: Krieg,
Generationenkonflikte (Vater-Sohn-Problematik) (= Auflehnung gegen
die väterliche und staatliche Autorität)
Bevorzugte Gattung der ersten
Phase: Lyrik (da wurde die Sinnentleertheit des Daseins deutlich
artikuliert
Autoren:
Georg Heim
Georg Trakl
Gottfried Benn
Ernst Stadler
Zweite Phase
Beginn: Ausbruch des 1.
Weltkriegs 1914
Themen: Krieg und seine Folgen,
Gesellschaftskritik
Klagen in ihren Werken
menschliche Wahrhaftigkeit ein und versuchten die Welt mithilfe der
Literatur zu verbessern. Beschworen wurde nun Pazifismus, eine neue
Brüderlichkeit und (v.a. von jüdischen Dichtern) der Gedanke des
Opfers
Expressionismus bezog nun eine
klare Gegenposition zu allen Entwicklungen, die die Autoren für die
Entfremdung des Menschen verantwortlich machten: Militarismus,
Kapitalismus, Mechanisierung, Industrialisierung
Bevorzugte Gattung der zweiten
Phase: Drama
Autoren:
Carl Sternheim
Ernst Toller
Frank Wedekind
Literarische
Gattungen
Lyrik
und Drama waren die bevorzugten
Gattungen, Epik trat
demgegenüber in den Hintergrund
Lediglich Novellen
und Erzählungen (z.B. Kafka),
also kleinere Formen entstanden, denn sie entsprachen neben der
Lyrik am ehesten der Schnelllebigkeit jener Zeit.
Expressionistische Roman
in literarisch-künstlerischer Vollendung gelang nur Alfred Döblin
(Berlin Alexanderplatz)
Lyrik:
Von Naturalismus und
Impressionismus beeinflusst
Man knüpft auch an Sturm und
Drang an, da Betonung des Gefühls über den Verstand gestellt
wurde
In der Lyrik fand die von
Dynamik, Leidenschaftlichkeit, Pathos, bizarrer Bildlichkeit
gekennzeichneten Sprache der Expressionisten ihren adäquaten
Ausdruck
Zum anderen brachen zynische
und kalte Gedichte in einem saloppen Alltagsstil mit formalen
Konventionen (Besonders Benn schockierte den Leser, indem er mit
medizinischer Nüchternheit Leichen beschreibt)
Etablierung der Ästhetik
des Hässlichen in deutscher Literatur
Drama
Im Drama glaubte man die
Gegensätze, die man im Dasein erblickte, am besten darstellen zu
können
Abkehr von Realismus und
Naturalismus Abkehr von
Bühnenrealismus: keine individuellen Figuren, sondern meist
modelhafte Typen, die die Stoffe transportieren sollten
Inszenierung von Massenszenen
= expressionistisches Novum
Expressionistische Drama ist
sowohl als Vorläufer des politischen Thesenstücks (Piscator) wie
auch des epischen (Brecht) und absurden Theaters (Beckett) zu sehen
Literarisches Leben:
Massenkultur und Kino
Berlin wurde in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jh. das herausragende kulturelle Zentrum (große
Verlagshäuser, moderne Lichtspielhäuser (Kinos), viele junge,
progressiv gesinnte Autoren)
Von Film beeinflusst: nahmen in
ihre literarischen Werke Stilmittel auf, die sie aus Welt des Films
entliehen: Montagetechnik, Bewusstseinsstrom
Autoren und Werke
Brechts expressionistische Anfänge: „Trommeln
in der Nacht“
s. Buch S. 144ff.
Lyrik des Expressionismus: Heyms „Die Stadt“
s. Buch S. 146f.
Die Parabel bei Kafka: „Der Steuermann“
s. Buch S. 148ff.
Weimarer Republik und
Drittes Reich (1918 – 1945)
Ab Beginn 20. Jh. löst sich
die literarische Entwicklung in verschiedene, zeitlich parallel
verlaufende Strömungen auf
Politische Situation
Weimarer Republik hatte von
Anfang an mit enormen Problemen zu kämpfen
Annahme des Friedenvertrages
wurde aufgezwungen; demokratisch gesinnte Politiker wurden als
Novemberverbrecher verunglimpft; Dolchstoßlegende entbehrt jeder
Grundlage; Abdankung Kaiser Wilhelm II. als Gebot der Stunde,
Reparationsforderungen der Alliierten, Forderung nach Abbau der
deutschen Truppen trugen nicht zur Stabilisierung der politischen
Lage der Republik bei
Verhängnisvoll für
Selbstverständnis wirkten sich jedoch die Gebietsabtretungen aus,
denen Deutschland zustimmen musste (Elsas-Lothringen, Teile West-
und Ostpreußens und Oberschlesien)
Weitere Belastung: Versailler
Vertrag (Art. 231): Deutschland und seinen Verbündeten wurde die
alleinige Kriegsschuld zugeschrieben
ABER Deutschland konnte sich zu
einem kulturell und wirtschaftlich blühenden Staat entwickeln
goldenen Zwanziger (1924 – 1929)
1930: Scheitern der Großen
Koalition
Weltwirtschaftskrise, Versuch
der Problembewältigung durch das Instrument der Präsidialregierung
unter Brüning, Papen und Schleicher bahnten Hitler („starken
Mann“) den Weg
30.01.1933: Machtergreifung =
Machtübertragung (Hitler wird Reichskanzler)
ABER die bürgerlichen
Mitglieder der neuen Regierung waren davon überzeugt, Hitler für
ihre Absichten benützen zu können
ABER Hitler festigte seine
Macht kontinuierlich: Aufhebung der Grundrechte (Februar 1933),
Einsetzung von sog. Reichsstatthaltern und Aufhebung der Länder
(1933/34), Verbot der bürgerlichen Parteien (Juli 1933) waren die
ersten Schritte
2.8.1934: Tod Hindenburgs
Hitler übernahm Amt des Reichspräsidenten
Macht war umfassend
Andersdenkende oder Gegner der
NSDAP wurden gnadenlos verfolgt
1935: Nürnberger Gesetze
(Grundlage für systematische Judenverfolgung)
1942: Wannseekonferenz
(Endlösung wurde beschlossen = Höhepunkt der Judenverfolgung;
Ziel: Ausrottung der Juden in ganz Europa)
Aber schon vorher waren viele
jüdische Bürger und Mitglieder der Kommunistischen Partei ins Exil
geflüchtet
Nach Ende des 2. Weltkriegs
kehrten sie nur zögernd/gar nicht mehr nach Deutschland zurück
Kulturelle
Voraussetzungen
Einheitliche
geistesgeschichtliche oder kulturelle Strömungen gab es schon in
der Weimarer Republik nicht mehr
Expressionismus wirkte weiter
Auch erkennt man eine Tendenz
hin zu einer „neuen Sachlichkeit“
Aber auch der Mythos des
Völkischen wurde allenthalben beschworen
Literatur zwischen
1918 und 1945
1. Weltkrieg und die
nachfolgenden Krisen machten den Autoren eine unveränderte
Wiederaufnahme vergangener literarischer Traditionen unmöglich
Notwendigkeit, einen eigenen Standpunkt der veränderten
Wirklichkeit gegenüber zu finden
geschah auf unterschiedliche Weise
Literatur der
Weimarer Republik
Die Jahre nach 1918 brachten
eine Vielzahl von epischen Meisterleistungen hervor
Romankunst hatte mit Goethe
(Wilhelm Meisters Lehrjahre) begonnen, von den Romantikern
(Novalis, Eichendorff) fortgesetzt, erlebte im Realismus (Keller,
Stifter, Raabe, Fontane) eine Blütezeit, kam in der Weimarer
Republik und im Exil zu ihrem Höhepunkt
Es gab historische Romane, die
aber in Bezug zu ihrer Gegenwart verstanden werden wollten;
zeitgeschichtliche Romane; Künstlerbiografien; sozialkritische
Romane
Bedeutende Autoren:
Lion Feuchtwanger (Jud Süß)
Joseph Roth
Stefan Zweig (Schachnovelle)
Robert Musil
Heinrich Mann (Der
Untertan, Professor Unrat)
Erich Kästner (Fabian)
Hermann Hesse (Das
Glasperlenspiel)
Berthold Brecht (Theaterautor)
Literatur der NS-Zeit
Lebens- und Arbeitsbedingungen
für Schriftsteller während des Dritten Reichs waren in der
Geschichte der deutschen Literatur einzigartig. Zensur und
politische Verfolgung seit dem Mittelalter fester Bestandteil der
Geschichte von Intellektuellen, aber noch nie waren sie in diesem
Ausmaß einer Verfremdung im rassischen oder politischen sinn
ausgesetzt
Nur zwei Möglichkeiten, wenn
nicht in Dienst der nationalsozialistischen Kulturpolitik:
Exil
Autoren, deren Leben unter
dem Regime Hitlers unmittelbar bedroht war (v.a. jüdische
Schriftsteller oder aktive Mitglieder der kommunistischen Partei)
Flucht ins Ausland
Rund 1500 Autoren gingen ins
Exil
Anfangs in die Nachbarstaaten
(Österreich, Schweiz, Tschechoslowakei), doch nach „Anschluss“
Österreichs wuchs auch in Europa die Bedrohung
Flucht nach USA, Südamerika, Sowjetunion, Israel
Exil-Autoren verkörperten
für das Ausland in der Regel die deutsche Kultur,
doch hatten sie trotz ihres Ansehens mit oft gravierenden
wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, denn kaum einer war
im Exil gesellschaftlich oder beruflich integriert; Probleme
resultierten nicht zuletzt aus einem alle Produktivität
erdrückenden Gefühl der Heimatlosigkeit, das oftmals mit dem
einer lebensbedrohlichen Sprachlosigkeit einherging (Was sollte
Dichter, der auf seine Muttersprache angewiesen war, für den
amerikanischen Markt schreiben? Deutschsprachige Literatur wurde
kaum rezipiert, Sprachwechsel war den meisten Autoren nicht
möglich)
Nur wenige konnten sich wie
Bert Brecht mit Drehbuchschreien für Hollywood eine
Existenzgrundlage sichern
Viele Flüchtlinge begingen
Selbstmord
Werke, die im Exil
entstanden:
Berthold Brecht Furcht
und Elend des Dritten Reiches
Klaus Mann Mephisto
Carl Zuckmayer Des
Teufels General
Innere Emigration
Bezeichnet Autoren, die
während der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland
geblieben sind und unter Lebensgefahr ihr Werk fortgeschrieben
haben (oft in der Gewissheit, es nicht mehr veröffentlichen zu
können)
Autoren:
Werner Bergenguen (Der
Großtyrann und das Gericht)
Stefan Andres (El Greco
malt den Großinquisitor)
Häufig werden auch solche
Autoren der inneren Emigration zugrechnet, die zwar in Deutschland
geblieben waren, aber ihre schriftstellerische Produktion
eingestellt oder in politisch ungefährliche Bahnen gelenkt haben,
ABER oft kommen diese Dichter in gefährliche Nähe zur
nationalsozialistischen Ideologie
Übergang zur offiziellen „Blut-und-Boden“-Literatur, die das
deutsche Wesen, den fleißigen Landmann, das blonde Mädel
heroisierte, war oft fließend
Literarisches Leben:
Von der Zeitkritik zur Gleichschaltung
In kaum einer anderen Zeit
vollzog sich der Wandel im literarischen Leben so rasch und rigoros
wie zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich
Kabarett und „Weltbühne“
Künstlerische Zeitkritik
manifestierte sich in den Nachkriegsjahren auf unterschiedliche
Weise:
Als bissige politische Satire,
z.B. in der Berliner „Weltbühne“ (dem Theater verpflichtete
Zeitschrift)
Als politisches Chanson, das
sich in dieser Zeit als bedeutende Waffe der Gesellschaftskritik in
Deutschland durchsetzte, als Forum diente das neu entstandene
Kabarett
Gleichschaltung der Literatur
Spätestens seit 1930 nahmen
die staatlichen Eingriffe in den Bereich der Kunst und Publizistik
immer mehr zu
Nationalsozialisten versuchten
gezielt, jede literarische Äußerung, die nicht der
Partei-Ideologie entsprach zu unterdrücken
April/Mai 1933:
Bücherverbrennungen (von jüdischen, pazifistischen, linken
Autoren; Bsp.: Heinrich Mann, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, …)
Erstellung schwarzer Listen, in
denen die unerwünschten Werke zusammengefasst waren
Oktober 1933: Gründung
Reichsschrifttumskammer (wer künftig in Deutschland veröffentlichen
oder ein Werk verlegen und verkaufen wollte, musste Mitglied dieser
Vereinigung sein)
9.11.1938: Reichskristallnacht
Lage verschärft sich: Auch
bislang unbehelligt gebliebene Autoren wurden angegriffen (Günter
Eich, Peter Huchel, Ernst Kreuder)
Autoren und Werke
Europa am Vorabend des Ersten Weltkriegs: Thomas
Manns Roman „Der Zauberberg“
s. Buch S. 159ff.
Franz Biberkopf, der Antiheld: Döblins „Berlin
Alexanderplatz“
s. Buch S. 162ff.
Das epische Theater Brechts: „Der gute Mensch
von Sezuan“
s. Buch S. 165ff. (+ Tabelle
episches, dramatisches Theater)
Eine ‚unerhörte Begebenheit‘: Zweigs
„Schachnovelle“
s. Buch S. 168ff.
Literatur zwischen
1945 und 1968
Literarische Strömungen und
Entwicklungen nach 1945 lassen sich nicht auf einen einfachen Nennen
bringen. Zu viele verschiedenartige geistesgeschichtliche Systeme
und Weltanschauungen konkurrieren, auch ist der zeitliche Abstand zu
dieser Literatur noch nicht groß genug, um leitende, oder
langfristig tragfähige Aspekte heute schon bestimmen zu können
Außerdem: räumliche
Differenzierung = „deutsche Literatur“ entsteht nicht unbedingt
in der BRD selbst: Die deutschsprachige Literatur der Schweiz,
Österreichs und später der DDR muss berücksichtigt werden
Politische Situation
8.5.1945: Kapitulation
Deutschlands
In den folgenden Jahren wurde
die Welt in eine östliche (von UdSSR dominiert) und eine westliche
(an USA orientierte) Hemisphäre geteilt
Teilung spiegelt sich in Deutschland im kleinen wider (Bizone, SBZ
(Sowjetische Besatzungszone))
Kalte Krieg (erster Höhepunkt:
Berlin-Blockade 1948/49) bestimmte das politische Leben der 50er
Jahre, die in weiten Teilen der Bevölkerung gewünschte
Wiedervereinigung war nicht in Sicht.
Die 50er- und beginnenden
60er-Jahre werden oft mit Kanzlerschaft Konrad Adenauers (CDU)
gleichgesetzt, der Nachkriegsjahren seinen politischen Stempel
aufgedrückt hatte
Nachfolger Ludwig Erhard (Vater
des Wirtschaftswunders) hatte weniger Glück und trat 1966 zurück
Kurt Georg Kiesinger (CDU)
bildete in den ersten Krisenjahren zusammen mit der CSU und der SPD
eine große Koalition; FDP als einzige, kleine Partei, war nicht zu
einer wirkungsvollen Opposition in der Lage
politische (Protest-)Aktionen verlagerten sich auf die Straße: die
APO (außerparlamentarische Opposition) war geboren
Kulturelle
Voraussetzungen
Die Herrschaftspraxis des
nationalsozialistischen Regimes, das unvorstellbare Ausmaß der
Judenvernichtung, das erst jetzt allgemein bekannt wurde, die
Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg waren die das geistige Leben
nach 1945 bestimmenden Elemente
Philosophen und Literaten
reagierten darauf mit Nihilismus und Atheismus oder machten sich auf
die Suche nach neuen sinnstiftenden Faktoren, wandten sich der
Religion oder auch dem Mystizismus zu
Literatur nach 1945
Kahlschlag, Stunde
Null oder Kontinuität?
Viele Autoren empfanden die
Situation nach der bedingungslosen Kapitulation als Stunde Null.
standen unter dem Eindruck des vollkommenen Zusammenbruchs, der
einen neuen Anfang aus dem Nicht möglich und nötig machen würde
Wolfgang Weyrauch forderte
sogar einen „Kahlschlag“ im Sinne einer radikalen Sprachkritik,
die einem wirklichen Neubeginn vorausgehen müsste
Heute wissen wir, dass von
absoluten Nullpunkt keine Rede sein kann, vielmehr waren manche
Traditionslinien abgebrochen, andere aber nur unterbrochen, und an
diese konnten die Schriftsteller bald wieder anknüpfen
Autoren, die sich als Erste im
Nachkriegs-Deutschland wieder Gehör verschafften und größere
Erfolge erzielen konnten, waren noch aus Zeiten der Weimarer
Republik bekannt: Bsp. Thomas Mann, Hermann Hesse, Robert Musil
12 Jahre war die deutsche
Literatur vom Ausland abgeschnitten
Interesse die in dieser Zeit entstandene ausländische Literatur zu
lesen war groß
Auch der Autoren der inneren
Emigration erinnerte man sich
Langsamer setzte die
Auseinandersetzung mit den exilierten Autoren ein; es wurde ihnen
oft zum Vorwurf gemacht, Deutschland in Zeiten größter Not
verlassen zu haben (wobei Kritiker nicht sahen oder sehen wollten,
dass fast alle Exilautoren im Falle ihres Bleibens unmittelbar an
Leib und Leben bedroht gewesen wären)
Viele Dichter kamen aus dem
Exil nicht nach Westdeutschland zurück – auch dies machte sie in
der Zeit des beginnenden Kalten Krieges für viele Menschen suspekt
(Bsp.: Bert Brecht ging nach Ostberlin
machte ihn ihm Westen zur persona non grata)
„Trümmerliteratur“
und Gruppe 47
Nach 1945 trat in Deutschland
eine neue Dichtergeneration auf den Plan: die jungen, um 1920
geborenen Autoren, die den Krieg als Frontsoldaten selbst miterlebt
hatten
Sie traten mit Programm an,
dass Heinrich Böll mitprägte: In seinem Bekenntnis zur
Trümmerliteratur spricht er sich für eine Literatur aus, die
die Folgen des Krieges ohne Beschönigung darstellt, für eine
rückhaltlose Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die nicht
hinter einem „schönen Stil“ oder eine Beschwörung von
Innerlichkeit zurückbleiben darf
Programm erwies sich als der
folgenreiche Versuch zu einem neuen Stil und zu neuen Inhalten der
Dichtung zu finden
Mitgetragen wurde es von den
Autoren der Gruppe 47 (einer 1947 von den Autoren Alfred Andersch
und Hans Werner Richter ins Leben gerufenen lockeren Vereinigung von
jungen Dichtern)
„Mitglieder“
Martin Walser
Günter Grass
Heinrich Böll
Ingeborg Bachmann
Siegried Lenz
Die moderne deutsche
Kurzgeschichte
Unmittelbar nach Kriegsende
waren nicht nur lebensnotwendige Dinge, sondern auch Papier knapp
Zuwendung zu neuer Gattung: Moderne deutsche Kurzgeschichte
Vorbild: amerikanische „short
story“, wie man sie z.B. von Hemingway kannte
Diese Gattung schien in der
damaligen Situation das richtige Medium gewesen zu sein:
Man konnte an die so begierig
aufgenommene anglo-amerikanische Tradition anknüpfen
Problem der Papierknappheit
löste sich fast von allein
Die Dichter hatten in der
unmittelbaren Nachkriegszeit zwar den Drang sich mitzuteilen, aber
kaum die Kraft, einen langen Roman oder ein streng aufgebautes
Drama zu verfassen (Auch wäre das nach Zusammenbruch er bis dahin
gültigen Werteordnung und der Suche nach neuen ethischen wie
ästhetischen Kategorien nicht möglich gewesen sofort schlüssige
Orientierungshilfen und Problemlösungen anzubieten)
Aber mit Kurzgeschichte bestand
die Möglichkeit, Probleme und Krisensituationen aufzuzeigen und
literarisch zu gestalten, die Lösung dabei allerdings den
Rezipienten zu überlassen
Themen bekannter
Kurzgeschichten meist: Krieg und seine Folgen
Wolfgang Borchert (Nachts
schlafen die Ratten doch, Das Brot)
Heinrich Böll (Wanderer,
kommst du nach Spa …)
Das Hörspiel
Bedeutende literarische
Nachkriegsform
Autoren: Wolfgang Weyrauch,
Wolfgang Borchert, Ingeborg Bachmann
Lyrik nach 1945
Nationalsozialisten hatten die
deutsche Sprache für ihr verbrecherisches Regime in den Dienst
genommen, sie missbrauchten und deformierten
Theodor W. Adorno: „Nach Auschwitz noch ein Gedicht zu schreiben,
ist barbarisch“
Anliegen vieler Lyriker:
Sprache als Ausdrucksmittel neu erfinden
Lyrik entwickelt sich nach 1945
in mehreren großen Linien, die durch gegensätzliche
weltanschauliche Tendenzen geprägt sind
Hermetische Dichtung
Dichter, denen es nach dem
Hitlerregime darum ging, ein neues Verständnis für Sprache zu
entwickeln
Hermetische Gedichte sind in
sich abgeschlossen, meist von der Wirklichkeit losgelöst,
Ausdeutung bleibt spekulativ, stellt für jede Generation eine
neue Herausforderung dar
Beispiel
Paul Celan (Todesfuge)
Ingeborg Bachmann (Anrufung
des Großen Bären)
Nelly Sachs (Welt, frage
nicht …)
Politische Gedichte
Vorbild: Brecht
Behandeln die
gesellschaftliche Realität in ihren Gedichten
Themen: 2. Weltkrieg und
seine Folgen für das Individuum, die Notstandsgesetze, die
außerparlamentarische Opposition, Vietnam-Krieg
Naturlyrik
Natur war politisch
unbelastet, weshalb sich Autoren, die Kritik und Selbstkritik
scheuten, ihr ebenso zuwandten wie viele Leser, die von Politik
nichts mehr hören wollten, sich lieber dem Wiederaufbau widmeten
und die Vergangenheit verdrängten
Vertreter
Peter Huchel
Wilhelm Lehmann
Elisabeth Langgässer
Konkrete Poesie
Autoren versuchten sich in
Sprachexperimenten, nahmen dabei das Sprachmaterial ernst und
stellten einzelne Worte und Laute in neuen Zusammenhang
Dichtungen verstanden sich
als Politikum und betonten selbst ihre Verantwortung als Dichter
Oft visuelle Bilder, beziehen
ihren Wert aus ihrer akustischen Qualität
Vertreter:
Ernst Jandl
Helmut Heißenbüttel
Der zeitkritische
Roman
Zeitkritische Roman spielte
herausragende Rolle in den 50er/60er-Jahren
Den großen Epikern der
Restaurationsjahre ging es um eine kritische Auseinandersetzung mit
der neu entstehenden Bundesrepublik, mit der Wohlstandsgesellschaft
und mit dem Vergessen und Verdrängen der individuellen und
kollektiven Schuld während der nationalsozialistischen Herrschaft
Autoren:
Wolfgang Koeppen (Tauben im
Gras, Das Treibhaus, Tod in Rom)
Heinrich Böll (Wo warst
du, Adam?; Der Engel schwieg, Die verlorene Ehre der Katharina
Blum, Ansichten eines Clowns, Gruppenbild mit Dame)
Günther Grass (Die
Blechtrommel, Im Krebsgang)
Siegfried Lenz (Die
Deutschstunde)
Alfred Andersch (Sansibar
oder der letzte Grund, Vater eines Mörder)
Martin Walser (Halbzeit)
Literatur der
Arbeitswelt
Forderung nach zeitgemäßen
Inhalten, verbunden mit einem kritischen Sprachbewusstsein, führte
zur Gründung der „Gruppe 61“
Themen: Auseinandersetzung mit
der industriellen Arbeitswelt und den sozialen Problemen
Oft Dokumentation konkreter
gesellschaftlicher Um- bzw. Missstände im Vordergrund
Intention war eine durch und durch politische
Annäherung von Politik und
Literatur erreichte Ende 60er Jahre nicht zuletzt durch die Politik
Willy Brandts und seine Offenheit gegenüber Intellektuellen und
Schriftstellern ihren Höhepunkt
Deutschsprachige
Literatur der Schweiz
Wichtige Anregungen für die
deutsche Literatur kamen aus der Schweiz (vom 2. Weltkrieg nicht
unmittelbar betroffen, konnte sich in der Schweiz ein unverkrampftes
Verhältnis zur Vergangenheit entwickeln
Frage nach der
Mitverantwortlichkeit des Einzelnen als Teil eines
gesellschaftlichen Ganzen stellten die Schriftsteller Max Frisch und
Friedrich Dürrenmatt in ihren Werken auf unterschiedliche Weise dar
Autoren
Max Frisch (Homo faber,
Mein Name sei Gantenbein)
Friedrich Dürrenmatt (Die
Physiker, Besuch der alten Dame, Der Richter und sein Henker)
Literarisches Leben:
Verlage und Buchgemeinschaften
Literarisches Leben ist sehr
vielschichtig geworden, wird nicht mehr nur von den Autoren und den
literarisch Interessierten geprägt, es treten immer mehr die
wirtschaftlichen Interessen der Verlage in den Vordergrund
Autoren und Werke
Das Heimkehrerdrama: Borcherts „Draußen vor
der Tür“
s. Buch S. 185ff.
Die moderne deutsche Kurzgeschichte: Bölls „So
ein Rummel“
s. Buch S. 188ff.
Vom Leben des Mittelstandes: Walsers Roman
„Halbzeit“
s. Buch S. 192ff.
Die Parabel vom Anderssein: Frischs Drama
„Andorra“
s. Buch S. 194ff.
Literatur der DDR
(1945 – 1990)
Literatur von vornherein durch
die politischen Rahmenbedingen eingeschränkt; sie musste die
jeweils aktuelle Linie der SED unterstützen
Literatur hat politische Funktion inne (wertet sie auf, aber legt
sie auch ideologisch fest)
Abweichungen von den
offiziellen Vorgaben wurden meist rigoros mit Schikanen, Zensur,
Publikationsverbot oder Ausbürgerung des Autors geahndet
Politische Situation
Wenige Jahre nach Kapitulation
beschloss SED offiziell den „Aufbau des Sozialismus“ (
Übernahme des politischen und wirtschaftlichen Systems der
Sowjetunion)
Oppositionelle wurden von
Staatssicherheit (Stasi) bekämpft, Fluchtwege geschlossen
1953: Arbeiteraufstand
bedeutet Rückschlag für die Herrschenden
1961: Bau der Berliner Mauer
Versuch hohe Flüchtlingszahlen zu minimieren
1968: Neue Verfassung:
definierte den Sozialismus als eigenständige Gesellschaftsform
Erst in der Ära Honecker (ab
1971) entkrampfte sich die Beziehung zwischen BRD und DDR
Grundlagenvertrag (1972) macht Weg frei für gleichberechtigtes
Nebeneinander der beiden deutschen Staaten
Reform-Politik des sowjetischen
Präsidenten Gorbatschow schaffte dann den Freiraum für die
Oppositionsgruppen, die mit der offiziellen Politik der DDR-Führung
unzufrieden waren und sich in den sog. Montagsdemonstrationen
artikulierten
Tausenden gelang 1989 die
Flucht über Ungarn und Österreich in die BRD, bis die Regierung
Honecker dem öffentlichen Druck nicht mehr Stand hielt und am
18.10.1989 zurücktrat
Bis zur Wiedervereinigung war
es dann nur noch ein kleiner Schritt
Kulturelle
Voraussetzungen
Literatur hatte in
sozialistischen Staaten einen hohen Stellenwert. Dies liegt daran,
dass sich die politischen System mithilfe der
Gesellschaftswissenschaften legitimieren und die Literatur- bzw.
Sprachwissenschaft als Teil jener definiert wird
Grundlage jeder offiziellen,
staatstragenden Literatur sind die Schriften von Marx und Engels,
von Lenin, Stalin und anderen sozialistischen Staatsdenkern und
Führerpersönlichkeiten
Literatur der DDR
Antifaschistische
Sammlung (nach 1945)
Nach 1945 gab es in der SBZ
keine offenen Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen und
kommunistischen Positionen.
Man versuchte stattdessen im
Sinne der „Volksfrontpolitik“ unter dem Schlagwort der
„antifaschistischen-demokratischen Ordnung“ zu den kommunistisch
gesinnten auch die großen bürgerlichen Autoren der Weimarer Zeit
aus dem Exil zurück sowie Vertreter der inneren Emigration ins Land
zu holen
Schon 1945 wurde der
„Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“
gegründet (prägte den scheinbar überparteilichen Charakter der
frühen DDR-Literatur entscheidend mit, ohne völlig verschleiern zu
können, dass die Literatur den Aufbau des sozialistischen Staates
unterstützen sollte
Sozialistischer
Realismus (ab 1950)
Auf III. Parteitag der SED
(Juli 1950) wurde der sozialistische Realismus zur Doktrin erhoben
Autoren wurden angewiesen, den Aufbau des Sozialismus bzw. seine
Errungenschaften zu beschreiben; dazu sollten sie positive Helden
(„Held der Arbeit“) in den Mittelpunkt stellen
Eduard Claudius und Heiner
Müller versuchten sich erfolgreich auf dem Gebiet der
Produktionsliteratur, aber schon bald war die Thematik erschöpft
In der kurzen Periode des
„Tauwetters“ nach Stalins Tod und dem Arbeiteraufstand 1953
übten viele Autoren (v.a. Brecht und Becher) verstärkt Kritik an
der engen Auslegung der geltenden Doktrin vom sozialistischen
Realismus.
Da jedoch in der Folge der
Freiraum für kritisches Denken nach wie vor bedrückend eng blieb
und schon nach den Unruhen in Polen und Ungarn 1956 eine neue
Eiszeit im kulturellen Leben einsetzte, verließen selbst berühmte
Denker wie Ernst Block (Das Prinzip Hoffnung) die DDR
„Bitterfelder Weg“
(1959 – 1964)
1959: Beginn einer neuen
kulturpolitischen Phase: Auf Anregung der SED kamen im Bitterfeld
Parteifunktionäre, Literaten und schreibende Arbeiter zusammen und
riefen den sog. Bitterfelder Weg ins Leben: Die Arbeiter sollten
sich der Literatur zuwenden, Schriftsteller in Betrieben Studien
betreiben
Ziel: Verzahnung von Kunst und
Arbeitswelt und die Entstehung echter Dokumentarliteratur
Fünf Jahre später war diese
literarische Strömung, die sich in der Produktion von eher
langweiligen Industrieromanen erschöpfte, gescheitert
Westintegration der
Bundesrepublik, Mauerbau und damit einhergehend ein ausgeprägtes
Staatsbewusstsein der DDR-Bürger schlugen sich Anfang 60er-Jahre
auch in der Literatur nieder = „Ankunftsliteratur“ oder
Reformliteratur jüngere
Generation jener Schriftsteller, die in der DDR aufwuchsen und
Kritik nur an den Einzelerscheinungen einer sonst akzeptierten
gesellschaftlichen Ordnung übten
Bsp.: Christa Wolfs Geteilter
Himmel (Absage an Republikflucht)
Kulturpolitische
Liberalisierung in der Ära Honecker und der Fall Biermann
Seit Honecker kam es zu einer
Liberalisierung im Bereich der Kulturpolitik
sozialistischer Realismus verliert an Bedeutung, stattdessen eine
Phase zunehmender Subjektivität
Bsp.: Christ Wolf Nachdenken
über Christa T. oder Ulrich Plenzdorf Die neuen Leiden des
jungen W.
Ausweisung des unbequemen
Lyrikers Wolf Biermann 1976 bedeutete eine Zäsur nicht nur in der
Literatur, sondern in der gesamten Kulturpolitik
Dem Wahl-DDR-Bürger Biermann
wurde nach einem Konzert in Köln die Rückkehr in die DDR
verweigert mehr als 70
Künstler und Schriftsteller unterzeichneten einen Protestbrief;
eine Reihe von Schriftstellern verließ die DDR (u.a. Sarah Kirsch,
Jurek Becker, Günter Kunert)
Zwischen Repression
und Anpassung in den 80er-Jahren
Nach 1979 mussten Autoren mit
Repressalien rechnen, wenn sie im Westen veröffentlichten
immer mehr verließen die DDR
Diejenigen, die zurückblieben,
zogen sich häufig in das Umfeld der evangelischen Kirche zurück,
die Lesungen oppositioneller Autoren zuließ und schützte
Um den Prenzlauer Berg in
Berlin entstand zeitgleich eine alternative Literaturszene
Themen: Radikale
Zivilisationkritik, Endzeitgedanken, Umweltbewusstsein
Bedeutende Autoren der DDR
Jurek Becker (Jakob der
Lügner; ARD-Serie: Liebling Kreuzberg, Irreführung der
Behörden)
Wolf Biermann
Monika Maron
Literarische
Gattungen
In den Anfangsjahren
dominierten Lyrik und Drama
Lyrik
Hymnischer, pathetischer Stil
Erzählende Prosa
Kam in der Phase des
sozialistischen Realismus besondere Bedeutung zu, da die damals
aktuellen Themen die epische Schilderung verlangten
Produktions- und
Ankunftsromane
Auch die seit den 70er-Jahren
entstehende Frauenliteratur ist meist Prosa-Literatur
Autoren und Werke
Über den Umgang mit dem literarischen „Erbe“:
Plenzendorfs Roman „Die neuen Leiden des jungen W.“
s. Buch S. 203ff.
Heins Novelle „Der fremde Freund/Drachenblut“
s. Buch S. 205f.
Ein Beispiel für Lyrik in der DDR: Kunzes
„Sensible Wege“
s. Buch S. 207
Christa Wolfs ‚Erinnerungsmonolog‘
„Kassandra“
s. Buch S. 208f.
Literatur zwischen
1968 und 1990
Im Jahr 1968 war die
unmittelbare Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland zu
Ende (Kriegswirren vorbei, Menschen hatten sich in ihrem Staat
wieder eingerichtet, manche hatten Karriere gemacht, viele lebten in
Wohlstand, Wirtschaft florierte)
Für die Jungen war dies alles
Selbstverständlichkeit, auf die sie nicht stolz waren
lehnten äußerlichen Luxus ab, kritisierten das Karrierestreben der
Elterngeneration, fragten nach den „dunklen Seiten“, den
unbewältigten Problemen der deutschen Nachkriegsgeschichte = 68-er
Bewegung (meist linksgerichtete Studenten, Professoren, Künstler)
68-er Bewegung kritisiert
Bindung Westdeutschlands an die USA, die Vietnam-Krieg führte, die
Verdrängung der deutschen Schuld der Nazi-Zeit, die politische und
gesellschaftliche Restauration der Adenauer-Zeit, sagten alten
Autoritäten in Staat, Kirche, Gesellschaft den Kampf an und traten
für demokratische Prozesse im Bereich der Bildung (Schule,
Universität), Gleichstellung von Minderheiten und sexuelle
Freiheiten (Frauenbewegung, sexuelle Revolution) ein
Jahr 1968 bedeutet Einschnitt
in der Geschichte und der Literatur der Bundesrepublik: Neue Themen
wurden diskutiert, neue gesellschaftliche Kräfte gewannen an
Bedeutung
In der DDR spielten die Themen
der 68er keine Rolle, da man sich – so die offizielle Politik –
frühzeitig von der kapitalistischen Gesellschaft und ihren
Problemen abgekoppelt hatte.
Politische Situation
nach 1968
Große Koalition (CDU, CSU,
SPD) und Fehlen einer wirksamen Opposition trieben viele politisch
Interessierte auf die Straßen
außerparlamentarische Opposition (APO) entstand
Studentenunruhen,
Straßenschlachten, Proteste gegen Schah-Besuch und Krieg in Vietnam
Neue sozialliberale Koalition
(SPD, FDP) unter Willy Brandt (1969) gab Bevölkerung wieder das
Gefühl, doch politische Veränderungen herbeiführen zu können;
der Stillstand war überwunden, die Politik unter dem Slogan „Mehr
Demokratie wagen“ brachte nicht nur Bewegung in die deutsche
Innenpolitik (Senkung des Wahlalters 21
18, neues Scheidungsrecht), sondern auch in die deutsch-deutschen
Beziehungen (Mit Grundlagenvertrag von 1972 begann neue Ära im
deutschen Ost-West-Verhältnis)
In 70er/80er Jahren gab es eine
Reihe von Krisen, die aber die BRD nicht ernsthaft erschütterte
(Ölkrisen zwangen zum Umdenken im Bereich der Nutzung von Energien,
Menschen hatten unter den Anschlägen der RAF-Terroristen zu leiden;
ABER insgesamt blieb wirtschaftliche und politische Lage in BRD
stabil)
Kulturelle und
gesellschaftliche Voraussetzungen
Nach 1968 bekamen zahlreiche
neue Themen gesellschaftspolitische Bedeutung und beeinflussten die
literarische Entwicklung:
Generationenkonflikt
Autoritätenkonflikt
Emanzipation der Frau
Ölkrise
Umweltschutz
„Die Grünen“
Nachrüstungsdebatte
Tschernobyl-Katastrophe
Anti-Atomkraft-Bewegung
Rationalisierung
Computerisierung
Abbau von Arbeitsplätzen
Dritte Welt
Nord-Süd-Konflikt
Literatur der BRD
Nach 1968
Sozialkritische
Literatur
Stimmungslage von 1968 führte
zu einer Blüte der gesellschaftskritischen Literatur; v.a. in Prosa
stößt man auf Autoren, die schon in der Nachkriegszeit populär
geworden sind
Günter Grass (Örtlich
betäubt)
Max von der Grün
(Stellenweise Glatteis)
Martin Walser
Heinrich Böll
Auch Theater arbeitete
sozialkritisch. Davon profitierten die jungen Autoren der
70er-Jahre, sie schufen das sozialkritisch ausgerichtete „neue
Volksstück“
Dominierten in den 60er-Jahren
die Sprachspiele der „konkreten Poesie“, so setzte mit den
Bemühungen Hans Magnus Enzensbergers eine neue Lyrik eine Phase der
ideologiekritischen Lyrik ein (Franz Josef Degenhardt, Rolf Dieter
Brinkmann, Erich Fried)
„Neue
Subjektivität“
Seit Mitte 70er-Jahre:
verstärkter Trend zur Entpolitisierung der Literatur
APO-Aktivisten und
Sympathisanten hatten die Lust am Protest bald verloren, hatten sie
doch feststellen müssen, dass die Demonstrationen und
Hausbesetzungen das tägliche Leben nur wenig und die politische
Praxis noch weniger verändern konnte. Ernüchterung/Resignation
machte sich auch angesichts des Radikalenerlasses breit, demzufolge
jeder Anwärter für den öffentlichen Dienst (Lehrer, Richter,
Staatsanwalt) auf seine Verfassungstreue überprüft wurde
Autoren stellen nun wieder
verstärkt subjektive Erfahrungen und persönliche Probleme in den
Mittelpunkt ihrer Texte
Führte nur vereinzelt zu einer
„neuen Innerlichkeit“
Meist geht es in den Werken der
„neuen Subjektivität“ um Probleme der Gesellschaft –
dargestellt jedoch am konkreten Beispiel einer Figur, häufig in
biographischer Form oder im Zusammenhang mit der jetzt einer breiten
Öffentlichkeit bekannt werdenden „Frauenliteratur“
Autoren dieser Stilrichtung:
Peter Schneider (Lenz)
Karin Struck (Klassenliebe)
Max Frisch
Autobiographisches
Schreiben
Im Zusammenhang mit „Neuen
Subjektivität“ kam es zu einer Renaissance des autobiographischen
Schreibens
Viele Autoren wollten sich (und
den Lesern) Klarheit über die eigene Situation verschaffen, ihren
Standpunkt bestimmen und das Verhältnis zu den Eltern (meist
Vater), das nach Kriegsende oft problematisch war, neu ausloten
Autoren
Max Frisch (Tagebuch)
Günter Grass (Aus dem
Tagebuch einer Schnecke)
Peter Härtling (Nachgetragene
Liebe)
Frauenliteratur
Im Zuge der Studentenbewegung
Ende der 60er-Jahre und ihrer Kritik an erstarrten
gesellschaftlichen und politischen Strukturen und Institutionen
sowie im Zusammenhang mit der darauf folgenden subjektiven Weltsicht
entstand ein gewissermaßen neues Genre: die feministische Literatur
Zwei Hauptströmungen in der
erzählenden Literatur von Frauen der 70er/80er-Jahren
Suche nach der eigenen
Identität
Kritik an den bestehenden
autoritären und patriarchalischen Verhältnissen
Lyrik nach 1968
Vielfältige Themenbereiche
Liebeslyrik
Auffallend: gebrochene
Verhältnis bzw. die kritische Sicht auf Liebe
Oft in gewollt einfacher
Sprache, aber mit Mitteln der modernen Lyrik (Reimlosigkeit, kein
festes Metrum, starke Rhythmik, symmetrischer Aufbau, sinntragende
Verben oder Nomen)
Politische Gedichte
Hilde Domin und Rose
Ausländer setzten sich mit den Folgen des Nazi-Regimes
auseinander (beide Autorinnen nehmen Sonderstellung in Literatur
des 20. Jh. ein)
Alfred Andersch äußert sich
zur Tagespolitk
Umweltlyrik
Versucht eine Synthese von
Naturlyrik und gesellschaftspolitischem Engagement
Themen: Zerstörung der
Natur, Gegensatz von Natur und Technik, Weltuntergang
Poetologische Lyrik
= Gedichte, die das Dichten
selbst zum Inhalt haben
Postmoderne
Schreibweisen
Gemeint ist im wörtlichen
Sinne die Zeit nach der literarischen „Moderne“, die man
mit dem Expressionismus und der Weimarer Zeit gleichsetzt
Postmoderne hebt sich explizit von der Moderne ab, will Diskrepanz
zwischen Unterhaltungsliteratur und „ernster“, „hoher“
Literatur überwinden und prinzipiell jede Leserschaft ansprechen
Häufige Kennzeichen
Aufhebung von realen
Zeitmustern und Ortsvorstellungen, dabei aber häufig Entrückung
des Dargestellten an exotische Orte und in historische Ferne
Darstellung der
Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem
Spiel mit Anachronismen
Intertextualität (Spiel mit
den literarischen Traditionen (Figuren, Handlungsmuster, Orte, …)
Ablehnung vordergründiger
Rationalität
„Dekonstruktion des
Subjekts“, d.h. Abkehr von einem klar charakterisierten Helden,
Betonung der Wandelbarkeit des Menschen
Spannende Handlungsführung
Mehrfache
Rezeptionsmöglichkeiten:
Leser von
Unterhaltungsliteratur wird durch die spannende Handlungsführung
und die Verlagerung des Romangeschehens an ungewöhnliche Orte und
vergangene Zeiten bedient
Literarisch Interessierte
sollen aufgrund ihrer Textkenntnis die Beziehung zu anderen
literarischen Werken herstellen
Erste große Erfolg eines
postmodernen Romans: Umberto Eco Der Name der Rose
Weitere Werke
Patrik Süskind (Das
Parfum)
Christa Wolfs (Medea.
Stimmen, Kassandra)
Kinder- und
Jugendliteratur
Mit dem Neuansatz der
Beurteilung von Literatur 1968 beginnt auch eine neuartige Kinder-
und Jugendliteratur zu entstehen
Kinder werden mit ihren
Bedürfnissen ernst genommen
die für sie bestimmte
Literatur wird nicht länger als inhaltliche Hinführung zur
Erwachsenwelt verstanden
die neue Kinder- und
Jugendliteratur zeichnet sich dadurch aus, dass sie sprachlich
anspruchsvoll ist und Themen und Probleme behandelt, die für die
jungen Leser authentisch sind
Bekannte Autoren
Michael Ende (Momo, Die
unendliche Geschichte)
Otfried Preußler (Krabat)
Paul Maar (Lippels Traum)
Astrid Lindgren (Ronja
Räubertochter)
Literarisches Leben:
Konzentration und Nischen
In den 70er/80er Jahren setzt
sich eine Entwicklung fort, die das literarische Leben schon seit
Kriegsende bestimmt: Das Buch ist eine Ware
Manuskripte werden danach
ausgewählt, wie effizient sie sich in möglichst kurzer Zeit
vermarkten lassen
Autoren und Werke
Die BRD in den 70er-Jahren: Strauß‘ „Groß
und klein“
s. Buch S. 219f.
Parodie des Bildungsromans: Süskinds „Das
Parfum“
s. Buch S. 221f.
Ransmayrs „Letzte Welt“ als postmoderner
Roman
s. Buch S. 223f.
Literatur nach der
Wiedervereinigung
Im Jahr 1990 nach Auflösung
der DDR traten die neuen Bundesländer der alten BRD bei
politische Einschnitt veränderte die Rahmenbedingungen und Themen
der Literatur
Hinzu kommt, dass das
wiedervereinigte Deutschland ein enormes wirtschaftliches und
politisches Gewicht hatte, was von manchen europäischen Nachbarn
nicht ohne Sorge gesehen wurde und dazu führte, dass die Politik
den Standort der Bundesrepublik neu bestimmen musste; wurde von der
Literatur kritisch begleitet
Neue Bedrohungen für Europa
(Rechtextremismus, Balkankonflikt) und die Welt (Nord-Süd-Konflikt,
ökologische Frage, Globalisierung, islamistischer Terrorismus)
Themen finden Eingang in die Literatur
Zugleich rückt auch Individuum
mit seinen Sorgen, Nöten und Schwächen (Hedonismus, politisches
Desinteresse, politische Radikalisierung, Angst vor Statusverlust,
Hinwendung zur Sexualität als Kompensation für verlorene
Identität, Suche nach Identifikationsmustern) in Mittelpunkt der
Literatur
Politische Situation
nach 1990
Michail Gorbatschow hatte mit
Glasnost (Politik der Offenheit) und Perestroika (wirtschaftliche
Umgestaltung) neue Prinzipien in sein Land eingeführt, die
mittelbar zum Ende der DDR führten
9.11.1990: Fall der Mauer
Auch in internationaler Politik
gab es seit 1990 einschneidende Veränderungen:
Sowjetunion brach 1990
auseinander
Kalte Krieg wurde offiziell
für beendet erklärt
USA blieb einzige Weltmacht
Präsident George W. Bush
senior entwarf Konzept einer „Neuen Weltordnung“, in der
Frieden und Freiheit im Mittelpunkt stehen sollten; USA verstand
sich als Garant dafür
Vermittlung zwischen Israel
und Palästinensern
Ordnungsmacht, die mit
internationaler Unterstützung den Aggressor Irak aus dem Kuwait
zurückdrängte (1990/91)
11.9.2001: Terroranschlag in
USA Signal für den Krieg
gegen den internationalen Terrorismus, den US-Präsident George W.
Bush junior nun gegen die vermuteten Stützpunkte – Afghanistan
und Irak – führte
Europa/EU wuchs zusammen
Im vereinigten Deutschland
mehrten sich die wirtschaftlichen Probleme (Arbeitslosenzahlen
erreichten 5-Millionen-Grenze (wg. Globalisierung), Sozialstaat
wurde umgebaut (Hartz-IV-Gesetze), Regierung wechselte mehrfach)
Kulturelle und
gesellschaftliche Voraussetzungen
Wirtschaftliche Probleme, da
traditionellen Absatzmärkte im Osten Europas wegbrachen: Fabriken
mussten geschlossen werden, Firmen gingen bankrott, viele
Arbeitssuchende kamen von Ost nach West, aber auch da brach
Wirtschaftswachstum ein, Zahl der Arbeitslosen stieg,
Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arme und Reiche (bis heute
ungebrochen)
Globalisierung wurde zum
Schlagwort
Islam als Bedrohung für die
westliche Zivilisation
Philosophen und Literaten
versuchten um die Jahrhundertwende, die neue Unübersichtlichkeit zu
überwinden führt
einerseits zur Hinwendung zu klassischen und antiken Denkmustern,
andererseits zu einer sachlichen Beschreibung des Ist-Zustandes;
auch jüngere Vergangenheit, NS-Zeit, Geschichte der DDR wird einer
Neubewertung unterzogen
Literatur der BRD
nach 1990
Auch nach 1990 orientierten
sich viele Autoren an literarischen Traditionen
Neben literarischen
Neuerscheinungen im Stil der „neuen Subjektivität“ und der
„neuen Innerlichkeit“ lassen sich folgende Strömungen ausmachen
Geschichtlich-mythologische
Stoffe
Glaubten, in der Gegenwart
ähnliche Probleme oder Lösungsmöglichkeiten zu erkennen
Zeitgeschichtliche Themen
Leben im vereinten Deutschland
Popliteratur
Trashliteratur
Stellt soziale Außenseiter
und ihre Lebensbedingungen dar
Autobiographische oder
autobiographisch gefärbte Texte
V.a. von älteren,
etablierten Autoren
„Wendeliteratur“
Nach den Zusammenbruch der DDR
und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten erwarteten viele
einen bedeutenden Roman, der diese Problematik aufarbeiten würde;
Hoffnung blieb bis heute enttäuscht
ABER literarische
Auseinandersetzung mit dem System der DDR und dem Leben der Menschen
dort fand sehr wohl statt
Autoren:
Martin Walser (Verteidigung
der Kindheit)
Günter Grass (Ein weites
Feld)
Ingo Schulze (Simple
Storys. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz)
Thema Leben in Ost und West
wurde oft auch in Form von Satire dargestellt (Thomas Brussig: Am
kürzeren Ende der Sonnenallee, Helden wie wir)
„Junge Erzähler“
Begriff ist mehrdeutig
Lebensalter dieser meist
zwischen 1960 und 1970 geborenen Autoren (meist weiblich)
Erzählweise: jugendlich und
unkonventionell, weil sie einen Hang zum Fiktiven, zum
Geschichtenerzählen zeigt, wie er der Vorgängergeneration fremd
war
Geschichten oft
autobiographisch gefärbt oder geben sich zumindest den Anschein, es
zu sein, wirken für den Leser authentisch und wurden, da sie
handlungsreich erzählt sind und ihr Reflexionsgehalt nie
vordergründig ist, oft zu nationalen Bestellern und in viele
Sprachen übersetzt
Große thematische Bandbreite
Grenze zur Popliteratur ist
fließend
Autoren:
Zoë Jenny (Das
Blütenstaubzimmer)
Karen Duve (Dies ist kein
Liebeslied)
Birgit Vanderbeke (Das
Muschelessen)
Wladimir Kaminer (Russendisko)
Popliteratur
Kam in den 1940er-Jahren in den
USA auf und wandte sich gegen die verkrusteten gesellschaftlichen
Strukturen
In Deutschland verbreitete Rolf
Dieter Brinkmann in den 1960er-Jahren die US-Popliteratur in seiner
Zeitschrift Acid und schrieb auch Texte im Stil der
Popliteratur Provozierte
viel Zeitgenossen, darunter auch Vertreter der Gruppe 47
ABER von vielen jungen Lesern
wurde die Popliteratur jedoch als Möglichkeit angenommen, sich im
Zeichen der 68er-Bewegung von der Elterngeneration zu distanzieren
Nach Mauerfall kam es zu einer
neuen Welle der Veröffentlichung von Popliteratur
Vielen Kritikern erscheint die
Popliteratur zu oberflächlich, um ernst genommen zu werden, werfen
den jungen Autoren vor – politisch unkorrekt – die
gesellschaftlichen Zustände nicht kritisch zu hinterfragen, sondern
sie als gegeben darzustellen und dabei lediglich sich selbst zu
inszenieren; ABER genau das ist die Absicht der Pop-Autoren: Sie
wollen die Grenzen zwischen ernster und Unterhaltungsliteratur
überwinden und geben dazu die Alltagswelt ihrer jugendlichen
Protagonisten detailgenau wieder, ihre Dichtung ist im Hier und
Jetzt angesiedelt, in Texten finden sich konkrete Bezüge zu
öffentlichen Personen der Gegenwart, zu gängigen Labels und
Lifestyle-Accessoires, zu zeitgenössischer Musik, zu Kino und
Literatur der Gegenwart
spricht meist jugendliche
Leser an
Viele Pop-Autoren treten bei
Poetry Slams oder Kneipenlesungen auf
verlassen traditionellen Weg der Literaturvermittlung
Wichtige Autoren:
Christian Kracht (Faserland)
Benjamin von Stuckrad-Barre
(Soloalbum)
Dramen nach 1990
Entwicklung des Dramas nach
1990 ist unspektakulär
Meisten Werke blieben ohne
wirklichen Erfolg
Der Schweizer Urs Widmer hatte
mit Top Dogs Bühnenerfolg
Lyrik nach 1990
In den Jahren nach 1990 prägten
sich verschiedene Facetten der Lyrik aus
Etablierte Autoren (Ulla Hahn,
Günter Grass, …) schreiben ihr Werk fort
öffentliches Interesse, Erfolg
Politische Gedichte
Stammen ebenfalls von bereits
etablierten Autoren
Themen sind gleichgeblieben:
Natur als Spiegel menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher
Zustände
Meist resignative Züge
Gedichte, die Erfahrungen der
DDR-Bürger auch nach der Wiedervereinigung
Autoren und Werke
Erste Liebe und nationalsozialistische
Vergangenheit: Schlinks Roman „Der Vorleser“
s. Buch S. 236ff.
Ein Roman vom Scheitern großer Utopien: Timms
„Rot“
s. Buch S. 239ff.
Das Projekt Aufklärung im Roman: Kehlmanns „Die
Vermessung der Welt“
s. Buch S. 241ff.