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Inhalt: Der Aufsatz diskutiert, ob Hannas Analphabetismus ihre moralische Schuld im Kontext des NS-Regimes mindert. Es wird argumentiert, dass ihre Entscheidungen während des Holocausts von der damaligen Ideologie beeinflusst waren, aber dennoch unmoralisch. Ihre Obrigkeitstreue und egoistisches Denken trugen zur Unterstützung des Systems bei. Obwohl ihr Analphabetismus ihre Strafe hätte mildern können, bleibt sie eine aktive Täterin und überzeugte Nationalsozialistin. Es wird hinterfragt, ob Hanna Reue empfunden hat, doch letztlich gibt es keine Rechtfertigung für ihre Taten.
Schuldfrage
– Mindert Hannas Situation ihre Schuld?
Hannas
Analphabetismus nimmt keinen Einfluss auf ihr Entscheidungsvermögen.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kirche brannte, oblag ihr die
Entscheidungsgewalt. Ihrem Handeln konnte sich also keiner direkt
entgegenstellen. Meiner Meinung nach ist es alles andere, als human,
Menschen in einer Kirche bewusst verbrennen zu lassen. Für meine
Begriffe war ihre Reaktion unmoralisch. Allerdings ist Moral eine
Norm, die von der Gesellschaft akzeptiert wird. Das NS-Regime
vermittelte eine Moral, die von unserer heutigen Gesellschaft nicht
mehr anerkannt wird, damals aber für einen Deutschen galt.
KZ-Strafgefangene waren nicht menschengerecht zu behandeln. Für das
Gedankengut von gestern heute bestraft zu werden, ist meiner Meinung
nach nicht gänzlich fair. Man kann nicht sagen, dass Hannas Handlung
in diesem Moment widerrechtlich oder unmoralisch war. Ich schätze,
ihr gesunder Menschenverstand war damals von einer falschen Ideologie
benebelt. Daraus ergibt sich, dass sie sich für das auf menschlicher
Ebene richtige Handeln (die Türen der Kirche zu öffnen) vor dem
falschen System hätte verantworten müssen. Ihr Verhalten wäre also
in jedem Falle bestraft worden. Dass dieses falsche nationalistische
System bald gestürzt und ersetzt werden würde, konnte Hanna
natürlich nicht ahnen. Die Schuld, die sie in meinen Augen trägt,
ist ihre steinerne Obrigkeitstreue und ihr egoistisches Denken,
welches sie über die Menschlichkeit stellte. Somit war auch Hanna
ein kleines Rädchen in der großen Mordmaschine des
Konzentrationslagers.
In
Anbetracht unserer aktuellen demokratischen Rechtssituation, ist
Hanna zurecht die Schuldige. Ihr Analphabetismus mindert die Schuld
nicht. Er hätte maximal die Strafe mindern können. Hätte sie
zugegeben, Analphabetin zu sein, hätte sie das Protokoll nicht
geschrieben haben können. Außerdem ist sie nicht hundertprozentig
freien Willens als Aufseherin in ein KZ gegangen. Der Grund dafür
war ebenfalls, dass sie in anderen Berufen hätte lesen und schreiben
können müssen. Diese Tatsachen hätten das Ausmaß ihrer Strafe
eventuell verringern können. Doch ohne diese Informationen steht
Hanna für das Gericht als alleinige aktive Täterin und zudem als -
zumindest damals - überzeugte Nationalsozialistin dar. Man könnte
davon ausgehen, dass Hanna sich die Fehler, die sie im KZ gemacht hat
nie verziehen hat. Vor Gericht hatte sie ihr Schicksal in der Hand,
hätte ihre Schuld vor den Richtern zumindest etwas relativieren
können. Doch sie blieb starr. Vielleicht um sich selbst dafür zu
bestrafen?
„Weil
die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man
das Reden auch lassen.“ (S. 166)
Dieser
Satz fiel von Michael. Er war später in dem Buch auf eine andere
Situation bezogen, doch kann man die Aussage ebenfalls auf Hannas
Konflikt beziehen. Mit dem Satz ist gemeint, dass die Taten eines
Menschen wahrhaftig sind und das Reden darüber unnötig ist, da
bereits die Taten alles aussagen. Vielleicht trifft das auch auf
Hanna zu. Vielleicht ist ihr Handeln für sie gerechtfertigt gewesen,
doch darf sie es heute nicht zugeben. Vielleicht aber auch war sie
sich damals nicht richtig bewusst, was ihre Tat über sie aussagt. So
wie es ihr ungeschminkt vor Augen geführt wird, kann sie nicht damit
umgehen, was für ein Mensch sie doch war. Ihre unbarmherzige Seite,
die sich offenbart, schockiert sie.
Doch
es bleiben Vermutungen, ob Hanna vor dem Gericht und gegenüber den
Opfern Reue empfunden hat. Fakt ist, dass es keinen Grund gibt, der
Hannas grausames Tun rechtfertigen könnte. Gegenüber den Opfern
wird auch mittels einer lebenslangen Haftstrafe des Täters der
Gerechtigkeit nicht genüge getan. Das wird es wohl niemals.