Inhaltsverzeichnis
Einleitung. 3
Die „schwachen Prototypen“
europäischer Organisationen und die wirtschaftspolitischen Pläne Frankreichs
nach 1945. 4
Von den Einflüssen und der
Ausarbeitung des Schumanplanes. 6
Die Regierungserklärung vom 9. Mai
1950 von Außenminister Robert Schuman   - Die Vorstellung der Supranationalität 9
Politische
Reaktionen auf den Schumanplan. 10
Der
weitere Verhandlungsverlauf im Hinblick auf die letztendlich geschaffene
Organisationsstruktur der EGKSÂ 12
Resümee. 15
Literatur-
und Quellenverzeichnis. 16
Anhang. 17
Einleitung
Überblickt man 60 Jahre europäischer
Einigungsgeschichte, so zeigt sich die Europäische Union in vielen Punkten als
erfolgreich. Staaten, die lange miteinander im Unfrieden lagen, haben heute
eine gemeinsame Währung und gemeinsame Institutionen, die ihre Wirtschafts- und
Handelsinteressen verwalten. Das am 9.Mai 1950 unterbreitete Angebot einer Zusammenführung
der Kohle- und Stahlindustrie in einer gemeinsamen Organisation von dem
französischen Außenminister Robert Schuman, welches in erster Linie an
Deutschland gerichtet war, sollte nach der Umsetzung im EGKS-Vertrag am
18. April 1951  nur sechs europäische Staaten betreffen.
Im Vergleich zum heutigen poltischen und
wirtschaftlichen Raum Europas, welcher gleichzeitig den größten Binnenmarkt der
Welt darstellt, mag dieser nur den Kohle- und Stahlsektor umfassende
Wirtschaftsraum und die mit ihm geschaffene Organisation der EGKS unter Leitung
der Hohen Behörde schnell seine Bedeutung einbüßen. Erst recht, weil die Kohle-
und Stahlindustrie längst nicht mehr zu den Schlüsselindustrien zu zählen ist.
Diese Betrachtung wäre allerdings ungerechtfertigt
und würde die erreichten Leistungen, welche zweifelsfrei einen wichtigen
friedenspolitischen, aber auch wirtschaftlichen Beitrag zur damaligen
Integration der beteiligten Länder  in ein europäisches Gefüge erfüllten,
vorschnell absprechen. Denn im Vertragswerk der EGKS konnte erstmalig das
bahnbrechende Element der Supranationalität umgesetzt werden und somit ein
wegweisendes Modell für später errichtete Organisationen, wie das
Europaparlament, die Europäische Kommission oder den Europäischen Gerichtshof
überhaupt erst hervorgebracht werden.
Die folgende Arbeit soll den Weg der Entstehung des
sogenannten Schumanplanes skizzieren. Weiterhin sollen meine Ausführungen
aufzeigen, unter welchen Vorbedingungen und Einflüssen das Vertragswerk der
EGKS entstanden ist, aber auch welche Ziele und Absichten die Mitwirkenden  im
Ver-handlungsverlauf erreicht haben bzw. fallen lassen mussten. Abschließend
möchte ich die Frage klären, mit welchem Erfolg die vorgeschlagene
Organisations-struktur des Schumanplanes im EGKS-Vertrag wirklich umgesetzt
wurde.      Â
Die „schwachen Prototypen“
europäischer Organisationen und die wirtschaftspolitischen Pläne Frankreichs
nach 1945
Als erster vielversprechender Meilenstein für den
europäischen Integrations-prozess nach dem Ende des zweiten Weltkrieges könnte
der durch die USA indizierte Marschallplan angeführt werden.  Mit diesem
außenpolitischen Manöver gelang es dem amerikanischen Staatsekretär George
Marschall Hilfe für die notleidende und teilweise verhungernde Bevölkerung des
durch den Krieg zerstörten Europas bereitzustellen und gleichzeitig sechszehn
europäische Nationen am 6. März 1948 zum Zusammenschluss zur OEEC zubewegen. Der
gemeinsame Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft, sowie die Ausweitung und
Erleichterung des europäischen Handels- und Zahlungsverkehrs hingen nun von der
Fähigkeit der Selbstverwaltung einer zwischenstaatlichen europäischen
Organisation ab.
 Doch gerade der Charakter des Intergouvernementalismus stellte sich als
unlösbares Problem heraus, sollte es darum gehen „nationale Interessen“ zu
vernachlässigen, um die „europäischen Anliegen“ voranzutreiben. Jede Nation war
natürlich bedacht darauf, sich möglichst viel, von denen im Marschallplan
veranschlagten Hilfen des European Recovery Program zu sichern. Â Â
Ebenso die im Londoner Zehnmächtepakt erreichte
„erste und einzige politische Organisation in Gestalt des Europarates“, „entsprach
in keiner Hinsicht den damaligen Bestrebungen und Erwartungen zur Einigung
Europas.“
Gerade die Tatsache, dass die beratende Versammlung
bei ihrer ersten Zusammenkunft vom 10. August bis zum 5. September 1949 Â nicht
in der Lage war, aufgrund des Vetos des britischen Regierungsvertreters im
Ministerkomitee, Â den Europarat mit weitergehenden Kompetenzen auszubauen und ihn
zu einer anerkannten politischen Autorität im europäischen Raum emporzuheben, zeigte
die Schwäche einer Organisationsform, welche die Entscheidungsgewalt in den
Händen der nationalen Regierungen ließ und auf die Einstimmigkeit der
Beschlüsse angewiesen war.
 In seiner 1976 veröffentlichten Autobiographie „Erinnerungen eines Europäers“
wird Jean Monnets Ãœberzeugung deutlich, dass man aus den Strukturfehlern dieser
„schwachen Prototypen“ europäischer Organisationen lernen musste und wie ein
Zusammenschluss internationaler Montanindustrie folglich nicht organisiert
werden durfte:Â Â
„Der
Vorschlag, die Kohle und den Stahl mehrerer Länder unter einer Oberhoheit zu
stellen, war ein simples Konzept. Man musste es bis zum handlichen Werkzeug
entwickeln, und hier konnte ich mich nicht mehr auf meine Erfahrungen berufen –
außer dass Systeme, deren Unwirksamkeit bereits erwiesen war, nicht in Frage
kamen, wie die entscheidungsunfähigen Kooperationsorgane.“
Zwischen 1945 und 1950 war Monnet Leiter des
französischen Planungsamtes und entwickelte Modernisierungsprogramme für die
schwer angeschlagene französische Wirtschaft, insbesondere Konzepte für die
stark unterentwickelte Kohle- und Stahlindustrie.Für eine
feste wirtschaftliche Kooperation wollte Frankreich zunächst noch in mehreren
Versuchen Großbritannien als Partner  gewinnen. Durch die mangelnde Bereitschaft
der britischen Regierung Entscheidungskompetenzen von der nationale Ebene zu
verlagern oder sich gar weitergehend an das zu schwach eingeschätzte Frankreich
zu binden, scheiterte dieser Unterfangen endgültig 1949. Â
Ebenso auf der politischen Bühne des europäischen
Kontinents wurde für Frankreich eine Neuorientierung seiner eigenen Rolle
notwendig. Nach 1945 propagierte Frankreich eine engstirnige Negativpolitik
gegenüber Deutschland, dessen Zweck eine vollständige Isolierung und
Ausschaltung eines souveränen deutschen Staates, als wirtschaftliche und
politische Großmacht verfolgte. Verschiedene Bemühungen deutsches Staatsgebiet
territorial zu spalten, dessen wirtschaftliche Produktion zu beschränken,
Großunternehmen und Unternehmensverbände zu zersprengen, sowie dessen
politische Souveränität stark zu beschneiden und es unter dauerhafter
Beaufsichtigung den Siegermächte des 2. Weltkrieges zu unterstellen, trafen
zunehmend auf Widerstand und wurden immer schwieriger durchzusetzen.Schon auf der
Londoner Sechsmächte-konferenz von Februar bis Juni 1948, auf der die
Zusammenlegung der drei westlichen Besatzungszonen zur Trizone
beschlossen wurde, konnte Frankreich nur mühsam die Bedingung abringen, dass
das SaarlandÂ
wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen und das Ruhrgebiet
weiter kontrolliert werden sollte. Die deutsche Kohle- und Stahlindustrie war
zwar zunächst stark eingeschränkt in ihrem freien Handeln, trotzdem zeigten
sich zunehmend Tendenzen, dass die USA und Großbritannien eine schrittweise
Wiedererlangung der vollen poltischen und wirtschaftlichen Souveränität eines
deutschen Staates befürworteten, was für Frankreich das Streben nach der
früheren deutschen Führungsrolle, als wirtschaftliche Großmacht erschweren,
vielleicht sogar unmöglich machen würde.
Im Zentrum von Jean Monnets Plänen stand die
Versorgung der französischen Industrie mit Kohle aus den deutschen Gebieten,
was durch eine Eingliederung in französisches Zollgebiet ermöglicht werden
konnte.
Die erfolgreiche Ent-wicklung der französischen Stahlindustrie war eine ausschlaggebende
Basis für die erhoffte Wirkung der Modernisierungsvorhaben, mit dem die
Wirtschaft Frankreichs wieder auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig werden würde. Beabsichtigte
Frankreich geringstenfalls ein Minimum an Kontrolle über den ehemalige Kriegsrivalen
zu erhalten, musste man, insbesondere im wichtigen Schlüsselsektor der Kohle- undÂ
Stahlindustrie, zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen.
Von den Einflüssen und
der Ausarbeitung des Schumanplanes
Jean Monnets Befürchtungen um die französische
Wirtschaft trieben ihn schließlich umso mehr in die Durchsetzung einer
Leitlinie, welche für die Kohle- und Stahlprobleme eine effektive Lösung herbeiführen
würde. Zuvor erfolgte im März 1950 für ihn ein weiterer schwerer Rückschlag in
den Einigungsgesprächen über eine Freihandelszone, welche Italien, Frankreich
und die Beneluxländern umfassen sollte. Der Versuch scheiterte wieder an der
Uneinigkeit über eine Beteiligung Westdeutschlands.
Die diplomatische „Pattsituation“, in die sich
Frankreich unter Ministerpräsident Georges-Augustin
Bidault mit seiner „Anti-Deutschen-Haltung“ selber herein manövriert hatte,
konnte nur durch Vorschläge internationaler Tragweite verlassen werden, wollte
man sich nicht wirtschaftlich, als auch außenpolitisch vollkommen isolieren. Â
Zudem war man sich in Frankreich im Vorhinein
bewusst darüber, dass Großbritannien und die USA auf der geplanten
Außenministerkonferenz am 10. Mai 1950 in London eine Befreiung von
Produktionsinterdikten und eine Entschärfung der Souveränitätsbegrenzungen für Deutschlands
erzielen wollten.
Brunn beurteilt die Gründe für einen Umschwung in der französischen Außenpolitik,
als Versuch Deutschland in eine „festgefügte europäische Struktur“ einzubinden,
bevor es durch „Wiedererlangung wirtschaftlicher und politischer Macht“
Frankreich erneut überholen konnte.
Zahlreiche Vorschläge dazu wurden bereits in der
Vergangenheit national, als auch international diskutiert, sind aber von der
französischen Regierung stets abgewiesen bzw. ignoriert worden. An der
Bereitschaft seitens des deutschen Nachbarn sollte es jedenfalls nicht mangeln
und ein Richtungswechsel der französischen Regierung hatte man schon lange
herbeigesehnt.
So versinnbildlicht ein Auszug aus der Rede des Industriellen und
Bundestagsabgeordneten Günter Henle zur deutsch-französischen Verständigung am
22. November 1949 die Erwartungen an ein französisches Signal für die Aufnahme
Deutschlands in einem Wirtschaftsbund:
„Wirklich
das europäische Problem lösen kann aber nur ein deutsch-französischer
Zusammenschluss wirtschaftlicher Art, für den die Voraussetzungen günstiger
liegen als bei den anderen Kombinationen, da die deutsche und französische Wirtschaft
sich wirklich in vielfacher Hinsicht zu ergänzen vermögen. Wir wollen bestimmt
einer ‚Fritalux‘ keine Schwierigkeiten bereiten, sondern vielmehr den Vers aus
Schillers Bürgschaft befolgen und mit dem Dichter sagen: Ich sei, gewährt mir
die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.“
Desweiteren hatte schon Bundeskanzler Adenauer, als
ersten Schritt zu einer Vergemeinschaftung der Schwerindustrie am 28. August
1949 eine Inter-nationalisierung der Thyssen-Hütte vorgeschlagen. Im März 1950 weitete
er das Angebot auf das Ziel einer vollständigen deutsch-französischen Union
aus.Â
Zölle und Wirtschaft beider Länder sollten zusammenwachsen
und durch ein „gemeinsames Wirtschaftsparlament“ könnte die Überwachung beider National-regierungen
garantiert werden.
Ebenso auf der Beratenden Versammlung des Europarats erklangen nun gleich
mehrere Stimmen, welche bessere Kontrollmöglichkeiten für die internationale
Schwerindustrie befürworteten.
Im Dezember 1949 beteiligte sich Paul Reynaud an der
Diskurssion mit der Idee, dass man die Kohleindustrie einer gemeinsamen Behörde
unterstellen könnte und damit fand er schnell zahlreiche Unterstützer, wieÂ
Edouart Bonnefous, André Philip oder Robert Boothby.
Jean Monnet konnte also auf vorhandene Ansätze bei
der Entwicklung seines Projektes einer „Montanunion“ zurückgreifen, musste sich
aber gegen die Stimmen aus der eigenen Regierung und der französischen
Öffentlichkeit behaupten. Für die konzeptionelle Ausführung nahm er ab dem 15. April
1950 die Hilfe von Prof. Paul Reuter in Anspruch, welcher als Rechtsberater des
Quai d’Orsay fungierte.
In den folgenden zwei Wochen wurden vom französischen Planungsamt unter der
Leitung Monnets insgesamt neun Entwürfe gefertigt, bis die Schlussfassung des zur
Veröffentlichung gedachten Dokuments am 6. Mai 1950 schließlich vorlag. Nachdem
Monnet Premierminister Bidault das Do-kument zukommen lassen hatte und dieser nicht
einmal bereit dazu war, sich mit dem Plan näher auseinanderzusetzen, vertraute
er das geheim gehaltene Projekt nun in seiner endgültigen Fassung Außenminister
Schuman an.Â
Dieser erkannte die sich bietende Chance und
sicherte Monnet seine Unterstützung zu, in einer öffentlichen Bekanntgabe und
im Kabinett für die Umsetzung zu werben. Schuman wollte aber zuvor noch den
amerikanischen Außenminister Dean Acheson und den deutschen Bundeskanzler
Konrad Adenauer informieren, um sich deren persönliche Zustimmung für diese
französische Initiative einzuholen. Mit der Gewissheit einer deutschen Beteiligung
an  „Monnets Modellversuch“ trat Schuman am 9. Mai 1950 vor das französische Kabinett
und es gelang ihm gegen den Protest des Ministerpräsidenten Bidault die
Mehrheit der Stimmen für sich zu gewinnen.
Die Regierungserklärung
vom 9. Mai 1950 von Außenminister Robert Schuman – Die Vorstellung der
Supranationalität
In der darauf folgenden Regierungspressekonferenz am
Nachmittag des 9.Mai 1950 erklärte Außenminister Robert Schuman, dass die
zentrale Bedingung für  Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa, sowie eine
angestrebte „Vereinigung der europäischen Nationen“ grundlegend davon abhinge,
ob der deutsch-französische Gegensatz überwunden werden könne.
Schuman betonte in diesem Zusammenhang die mehr als
20-jährige Voreiterrolle Frankreichs auf dem Weg zu einem Vereinten Europa und
bereitete in Namen der französischen Regierung das Angebot, die Gesamtheit der
französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen
Behörde zu unterstellen, wobei auch andere europäische Länder diesem Bund
beitreten  könnten.
Nicht allein die lange herbeigesehnte, aber
unerwartete diplomatische Entspannung in den deutsch-französischen Beziehungen war
der Anlass hochbrisanter politscher Reaktionen, sondern eher die mit Ausblick
auf das Ziel einer Europäischen Föderation erwähnte  supranationale Struktur
der neuen Organisation:
 Â
„„Durch
die Zusammenlegung der Grundindustrien und die Errichtung einer neuen Hohen
Behörde, deren Entscheidungen für Frankreich, Deutschland und die anderen
teilnehmenden Länder bindend sein werden, wird dieser Vorschlag den ersten
Grundstein einer europäischen Föderation bilden, die zur Bewahrung des Friedens
unerläßlich ist.““
Gleichzeitig untermauerte Schuman in seiner Rede
immer wieder indirekt den Autoritätsanspruch der Hohen Behörde, womit er
gleichzeitig die Grundlage weiterer Verhandlungen nach außen offerierte.
Deutlich unterstrich er ihren Kompetenzbereich und
stellt die zukunftsnahe Realisierung der wichtigsten Aufgaben in ihre
Verantwortung. So sollte die Produktion schnellstmöglich modernisiert und die
Qualität der Kohle- und Stahlerzeugnisse dauerhaft verbessert werden, alle
beteiligten Märkte den gleichen Ein- und Ausfuhrbedingungen unterliegen, der
Export zu unbeteiligten Ländern einheitlich geregelt und die Lebensbedingungen der
Arbeiter im Kohle- und Stahlsektor in allen Mitgliedsländern entsprechend
angepasst werden.
In keinster Weise sei die geplante Organisation mit
einem Kartell zu vergleichen, da Märkte ineinander verschmelzen sollen und eine
Ausdehnung der Produktion angestrebt werde. Weiterhin kündigt er die
ausführliche Ausarbeitung eines Vertragswerkes an, welches im Detail  durch die
einzelnen Staaten, mit Hilfe eines bei Differenzen in letzter Instanz
entscheiden Schiedsrichters, verhandelt werden wird.
Der Vertag erhält seine Rechtskräftigkeit in den
Mitgliedsländer, durch die endgültige Absegnung in deren Parlamenten. Zum Aufbau
der Hohen Behörde äußert sich Schuman nochmals am Ende seiner
Regierungserklärung und spricht davon, dass die gesamte  Administration über
dieses „eine Organ“ erfolgen wird. Die Hohe Behörde wird sich aus unabhängigen
Experten zusammensetzen, welche auf gleichberechtigter Basis von den Regierungen
ernannt werden. An die Spitze der hohen Behörde soll ein wählbarer Präsident,
die für alle Mitgliedsländer bindenden Entscheidungen verkünden.  Für die
Mitgliedsländer sichert Schuman  jedoch geeignete Mittel des Einspruchs zu.
Politische Reaktionen
auf den Schumanplan
Während eines Zeitraum von nur drei Wochen
entwickelt, war der Schumanplan natürlich nur in Ansätzen durchdacht, sodass
gerade in Hinsicht auf die zu schaffende Organisation weitgehende Spielräume
für kommende Verhandlungen offen blieben.
Als wichtigster Unterschied zu den vorangegangen Entwürfen europäischer Verbundsysteme
bleibt jedoch die institutionelle Struktur, mit der Monnet gezielt erreichen
wollte, dass die einzelnen Nationalstaaten ihren direkten Einfluss an die Hohe
Behörde abgeben.
Dieses Novum einer überstaatlichen Organisation hebt Schuman mehrmals in seiner
Rede hervor, vielleicht auch mit der versteckten Intention heraus, den Kreis
der gewünschten Verhandlungspartner einzugrenzen. Der Schöpfer des Planes, Jean
Monnet, musste schlicht davon ausgehen, Â dass nicht alle Staaten einer
Kompetenzumverteilung von der na-tionalen Ebene auf eine unabhängige
europäische Behörde zwangsläufig bejahten.
Zuweilen äußert Brunn sogar den Verdacht, einer geplanten
Ausgrenzung Großbritanniens. Zu keinem Zeitpunkt hätte es eigene Souveränitäts-beschneidungen
durch eine supranationale Organisation akzeptiert. Ein
Argument, was dieser These durchaus Berechtigung verleiht, ist die sehr späte
Benachrichtigung der britischen Regierung, welche erst unmittelbar vor der
Regierungserklärung von Schuman am 9. Mai über den Plan informiert wurde.
Der britische Außenminister Ernest Bevin reagierte
erschüttert und setzte den Schumanplan gleich einem Komplott gegen den
britischen Handel, welchen er mit lautstarkem Protest bekämpfen würde. Vielleicht
sah Monnet in einer Beteiligung Großbritanniens eine zu große potenzielle
Gefahr für das Herzstück der Montanunion, „seiner“ Hohen Behörde, denn
schließlich hatten die Briten schon andere Organisationen, wie der OEEC oder den
Europarat immer wieder Kompetenzen abgerungen und ihnen so den Einfluss
genommen.
Jedenfalls stellte man eine Teilnahme einer
britischen Delegation an den eigentlichen Verhandlungen zum EGKS-Vertrag sehr
schnell in Frage. Monnet betonte noch einmal ausdrücklich, dass das Prinzip
der supranationalen Behörde, wie in der Regierungserklärung von Außenminister
Schuman bereits offenkundig wurde, vor der Aufnahme der Beratungen von allen
Beteiligten akzeptiert werden müsse, woraufhin die britische Regierung
endgültig ablehnte.
                                     Â
Kritische Stimmen gab es allerdings auch in den
Reihen der belgischen und niederländischen Regierungen zu vernehmen.
Beispielsweise trug der spätere Delegationsleiter der Niederlande, Dirk
Spierenburg, Monnet seine Bedenken bei einem Gespräch am 24. Mai 1950 in Paris
vor. Er befürchtete die Errichtung einer völligen Diktatur einiger weniger
Experten der Hohen Behörde über die Kohle- und Stahlindustrie, in der niemand
wirklich die Verantwortung für Entscheidungen übernehmen müsste und hatte Angst
vor einer Benachteiligung kleinerer Länder, wenn die nationalen
Produktionsraten mit dem Stimmengewicht in Verbindung gesetzt würden.  Das
Urteil der belgischen Regierung fiel ähnlich aus, sodass sie sogar über
konkrete Veränderungswünsche in der Organisations-struktur der hohen Behörde
beraten hatte.
Ein Vorschlag war die Dreiteilung der hohen Behörde:
Als exekutive Kraft sollte ein „Board“ unter der Leitung eines Präsidenten
arbeiten. Für die Interessen der Unternehmen, Arbeitnehmer und Regierungen war
ein „Konsultativorgan“ vorgesehen. Bei der Verletzung nationaler Belange
sollten die Mitgliedsstaaten zudem ein “Vermittlungs- und Schiedsorgan“
hinzuziehen können, welche als Berufungsmöglichkeit die Klage vor einem Gerichtshof
anbieten würde.
Noch vor dem eigentlichen Verhandlungsbeginn am 20.
Juni 1950 sah es aus, als würden die Beneluxregierungen die „Rolle“ des
ausgeschiedenen Großbritanniens übernehmen und sich immer stärker für die
Einflussstärkung der National-regierungen und die Begrenzung des
supranationalen Charakters der hohen Behörde  aussprechen.
Nur Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte am 23. Mai
1950 bei einer Unterredung mit Monnet die bindende Entscheidungskompetenz der
Hohen Behörde ohne Zögern anerkannt. Die Bundesrepublik Deutschland war ohnehin
zu diesem Zeitpunkt dem Besatzungsrecht unterworfen und verfügte nur über
eingeschränkte Souveränität, weshalb es bedeutend leichter fiel, die Autorität
der neuen europäischen Behörde zu akzeptieren, da sie schließlich die
Möglichkeit bot, langfristig auf europäischer Ebene wieder als
gleichberechtigter Partner behandelt zu werden. Italien stimmte aus den
gleichen politischen Motiven zu, obwohl die wenig entwickelte Stahlindustrie
Schwierigkeiten haben würde, mit den „neuen“ Konkurrenten mitzuziehen. Â
Der weitere
Verhandlungsverlauf im Hinblick auf die letztendlich geschaffenen
Organisationsstruktur der EGKS
Die Beneluxländer konnte Monnet dagegen nur am
Verhandlungstisch halten, wenn er eine Kontrollinstanz für die Hohe Behörde
zusicherte. So wurde als neue Verhandlungsgrundlage eine parlamentarische
Versammlung und die Möglichkeit eines Misstrauensvotums hinzugefügt. Folglich
sollte die Hohe Behörde einen jährlichen Rechenschaftsbericht ablegen, welcher
das Parlament genehmigen musste oder andernfalls die Hohe Behörde abberufen konnte.
 Ebenfalls
vorrangig auf Initiative der Beneluxländer wurde eine Beschränkung der
Entscheidungsbefugnisse der Hohen Behörde durch die Errichtung eines Ministerrates
eingeräumt. Dieser durfte von seinem Zustimmungsrecht für Entscheidungen der Hohen
Behörde in solchen Fällen Gebrauch machen, in denen es unmittelbare Auswirkungen
auf andere Wirtschaftsbereiche der Teilnehmerländer außerhalb des Kohle- und
Stahlsektor geben könnte.
Entscheidungs- oder Weisungsrechte hatte der
Ministerrat nur in Krisenfällen, welche beispielsweise durch Überproduktion
bzw. Mangelwirtschaft hervorgerufen wurden oder wenn die Hohe Behörde bei der
Festsetzung von Höchst- und Mindestpreisen, sowie Zollsätzen untätig blieb und
wiederum bei Beitrittsersuchen weiterer Staaten zur Vertragsgemeinschaft. Ein
zugesichertes Anhörungsrecht eröffnete dem Ministerrat außerdem ein Podium für die
eigene Meinungsäußerung vor jeder endgültigen Entscheidungsfindung durch die
Hohe Behörde.
Der Gerichtshof sollte die Funktionen eines
Verfassungsgerichtes, Verwaltungsgerichtes und eine Entscheidungs- und Schlichtungsinstanz
für Rechtsstreitigkeiten vereinen. Ein Klagerecht besaßen die Organe, sowie die
Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft, aber auch alle natürlichen und juristischen
Personen.
Damit auch die Gewerkschaften, Interessenverbände der Arbeit-nehmer und
Unternehmen sich nicht vollkommen ausgrenzt fühlen mussten, fügte man als
weiteres Organ einen Beratungsausschuss hinzu, welcher Vorschläge direkt an die
Hohe Behörde weiterreichen konnte.
Nachdem man sich über Struktur der Montanunion weitgehend
geeinigt hatte, bildeten in der nächsten Phase der Verhandlungen die Anzahl der
Mitglieder und die Stimmengewichtung in den einzelnen Organen Streitthemen. In
Bezug auf die Hohe Behörde schrieb man die Anzahl der Mitglieder auf neun fest.
Dabei bekamen Deutschland und Frankreich jeweils zwei Plätze in der Hohen
Behörde und jeweils ein Platz wurde durch die anderen Mitgliederstaaten für die
Dauer von sechs Jahren besetzt. Die Ernennung dieser acht Mitglieder sollte im
Einvernehmen mit allen Nationalregierungen geschehen. Ein „Anwärter“ auf den
neunten Platz in der Hohen Behörde benötigte mindestens fünf Stimmen von den
bereits gewählten acht Mitgliedern.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Mitglieder
der Hohen Behörde ihre Tätigkeit vollkommen unabhängig und nur zum Wohle der
Gemeinschaft ausüben sollten. Im Gegensatz dazu verlieb die „personelle
Besetzung“ des Ministerrates bei den Nationalregierungen, da sie selber einen
Abgeordneten entsenden konnten und so mit einer Stimme vertreten waren.
Entscheidungen im Ministerrat sollten grundsätzlich
durch den Mehrheitsbeschluss erfolgen, allerdings in Fällen, wo die Hohe
Behörde, dessen Zustimmung benötigte, einigte man sich auf einen anderen
Abstimmungsmodus. Die Zustimmung konnte somit nur dann erzielt werden, wenn aus
mindestens einen der beiden Hauptproduzenten
und den anderen vier Mitgliedsstaaten eine Mehrheit gebildet werde konnte. Im
Falle einer Stimmengleichheit würde die Hohe Behörde den Vorschlag nach zweiter
Beratung, den Ministerrat nochmals vorlegen, allerdings würde dann alleine die
Zustimmung der beiden Hauptproduzenten reichen.
Die Mitgliedszahl und der Wahlmodus der Gemeinsamen
Versammlung waren Streitpunkte, indem die Benelux-Staaten erneut
Durchsetzungsfähigkeit bewiesen. Sie erhielten zusammen mit je zehn Sitzen für
die Niederlande und Belgien, sowie vier Sitze für Luxemburg, ein größeres
Gewicht, als jeder der drei Staaten Frankreich, Deutschland und Italien, welche
jeweils mit achtzehn Sitzen vertreten waren. Zuvor neigte man unter „französischer
Invention“ dazu, sich an den Quoten der Beratenden Versammlung des Europarats
zu orientieren, wobei die Beneluxländer insgesamt neun Sitze weniger bekommen
hätten.
Eine von Deutschland und Frankreich befürwortete
Direktwahl der Abgeordneten durch die Bevölkerung der Mitgliedsstaaten konnten
die Beneluxländer ebenfalls verhindern, mit der Aussage, dass man ein solche Maßnahme
für politisch verfrüht halte und sie für künftige Integrationsschritte offen
stehen bleiben müsste. Â
Der Gerichtshof sollte aus sieben Richtern bestehen,
welche einvernehmlich von den nationalen Regierungen für die Dauer von sechs
Jahren ernannt werden sollten. Die Mitgliederanzahl im Beraten Ausschuss konnte
nach Bedarf variieren und war dagegen nur in einer Spanne zwischen 30 und 51
Mitglieder festgesetzt.
Resümee
Ich denke, dass alleine die kritische Haltung der
Beneluxstaaten in den Verhandlungen deutlich macht, wie schwer es letzten Endes
gewesen sein muss, den Charakter der Supranationalität für die EGKS zu wahren. Nur
durch ein wirksames Eingreifen Monnets und die Einbeziehung wichtiger
Staatsmänner, allen voran Robert Schuman und Konrad Adenauer, ist ein halbwegs
zufriedenstellendes Ergebnis einer Montanunion überhaupt möglich geworden. Zwar
muss man gestehen, dass der Ursprungsentwurf in vielen Punkten starke
Abänderung erfahren musste, allerdings würde ich kein so hartes Urteil fällen,
wie u.a. Trausch in seinen Ausführungen. Er spricht davon, dass durch ein
„Trompetenstoß“ mit der Supranationalität große Erwartungen aufgeweckt wurden,
letztendlich sei es aber nicht das revolutionäre Ereignis geworden, was die
Ankündigung in der Schumanerklärung versprochen hätte. Ich stimme ihn in dem
Punkt zu,  dass die Hohe Behörde auf Betreiben der  Beneluxländer durch die Ermächtigungen
eines Ministerrats abgeschwächt wurde, teile aber nicht die Ansicht, dass die
Verhandlungen keinen Durchbruch zur Europäischen Föderation gebracht hätten. Immerhin
hatten sich die Mitgliedsstaaten im Vertrag verpflichtet, den überstaatlichen
Charakter der Hohen Behörde zu achten und deren Mitglieder nicht bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. In festgelegten Bereichen mussten die
Mitgliedsstaaten die bindenden Beschlüsse der mit Mehrheit getroffenen
Entscheidungen befolgen und haben so einen Teil ihrer nationalen Souveränität
auf eine europäische Behörde verlagert. Brunn erläutert für mich schlüssig,
dass „das Bestehen von Gegengewichten gegen die Hohe Behörde den Prinzipien der
Machtkontrolle und demokratischer Legitimation folgte“.
Auf dieser Grundlage wurden auch heutige europäische
Institutionen aufgebaut, welche meines Erachtens ohne die Ideen Jean Monnets
und seiner Gehilfen, nicht in dieser Gestalt verwirklicht worden wären, denn
schon Schuman erkannte:
„Europa lässt sich nicht mit einem
Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird
durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“
Literatur-
und Quellenverzeichnis
·
Brunn,
Gerhard: Die Europäische Einigung von 1945 bis heute, Stuttgart: Reclam 2002
(=Reclams Universalbibliothek; Nr. 17038).
·
Bührer,
Werner (Hg.): Die Adenauer-Ära; Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1963,
München: R.Piper 1993 (Serie Piper Dokumentationen; Nr. 1744).Â
·
Gruner,
Wolf D.: Der Platz Deutschlands in Europa nach dem zweiten Weltkrieg aus der
Sicht Jean Monnets (1940 -1952), in: Wilkens, Andreas (Hg.): Interessen verbinden. Jean Monnet und die europäische Integration der Bundesrepublik Deutschland, Bonn: Bouvier 1999 (=Pariser
historische Studien; Nr. 50); S.31-72.
·
Keller,
Mathias: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl: Ein
idealistisch-europäisches Werk? Deutsche und französische Interessen bei der
Gründung der Europäischen Union, Siegen: Scylda 2006 (=Schriftenreihe des
Faches Politikwissenschaft).
·
Küsters,
Hanns Jürgen: Die Verhandlungen über das institutionelle System zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, in: Schwabe, Klaus (Hg.): Die
Anfänge des Schuman-Plans 1950/51; Beiträge des Kolloquiums in Aachen, 28. -
30. Mai 1986, Baden-Baden: Nomus 1988 (Veröffentlichungen der
Historiker-Verbindungsgruppe bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften;
Nr. 2).
·
Monnet,
Jean: Erinnerungen eines Europäers, München: Hauser-Verlag 1978.
·
Niess,
Frank: Die europäische Idee - Aus dem Geist des Widerstands, Frankfurt am Main:
Suhrkamp 2001 (=Edition Suhrkamp; Nr. 2160).
Â
·
Pescatore, Pierre: Die Geschichte der europäischen Einigung zwischen Realität und Utopie, Baden-Baden: Nomus 2007 (=Schriftenreihe
Europäisches Recht, Politik und Wirtschaft; Nr. 330).
·
Rheinisch,
Thomas: Europäische Integration und Industrielles Interesse: die Deutsche
Industrie und die Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Stuttgart:
Steiner 1999 (=Vierteljahrschrift        für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte:
Beihefte; Nr. 152).
Â
·
Trausch,
Gilbert: Der Schuman-Plan zwischen Mythos und Realität. Der Stellenwert des
Schuman-Planes, in: Rainer Hudemann, Hartmut Kaelbe, Klaus Schwabe (Hgg.):
Historische Zeitschrift. Europa im Blick der Historiker, München 1995,
S.105-128.
Anhang
Dokument
1: Schuman, Robert: Regierungserklärung (9. Mai 1950)
Der Friede der
Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe
der Bedrohung entsprechen. Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges
Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unerläßlich [sic!] für die
Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen. Frankreich, das sich seit mehr als
zwanzig Jahren zum Vorkämpfer eines Vereinten Europas macht, hat immer als
wesentliches Ziel gehabt, dem Frieden zu dienen. Europa ist nicht zustande
gekommen, wir haben den Krieg gehabt.
Europa läßt
[sic!] Â sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine
einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die
zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Die Vereinigung der europäischen
Nationen erfordert, daß [sic!] der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen Frankreich
und Deutschland ausgelöscht wird. Das begonnene Werk muß [sic!]  in erster
Linie Deutschland und Frankreich erfassen.
Zu diesem Zwecke
schlägt die französische Regierung vor, in einem begrenzten, doch
entscheidenden Punkt sofort zur Tat zu schreiten. Die französische Regierung
schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und
Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer
Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht.
Die Zusammenlegung
der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen
für die wirtschaftliche Entwicklung sichern – die erste Etappe der europäischen
Föderation – und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der
Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind.
Die Solidarität
der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, daß [sic!]  jeder Krieg
zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell
unmöglich ist. Die Schaffung dieser mächtigen Produktions-gemeinschaft, die
allen Ländern offensteht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen
Ländern, die sie umfaßt, [sic!]  die notwendigen Grundstoffe für ihre
industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen
Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen.
Diese Produktion
wird der gesamten Welt ohne Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt
werden, um zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der Werke des
Friedens beizutragen. Europa wird dann mit vermehrten Mitteln die
Verwirklichung einer seiner wesentlichsten Aufgaben verfolgen können: die
Entwicklung des afrikanischen Erdteils. So wird einfach und rasch die
Zusammenfassung der Interessen verwirklicht, die für die Schaffung einer
Wirtschaftsgemeinschaft unerläßlich [sic!] ist und das Ferment einer weiteren
und tieferen Gemeinschaft der Länder einschließt, die lange Zeit durch blutige
Fehden getrennt waren.
Durch die
Zusammenlegung der Grundindustrien und die Errichtung einer neuen Hohen
Behörde, deren Entscheidungen für Frankreich, Deutschland und die anderen
teilnehmenden Länder bindend sein werden, wird dieser Vorschlag den ersten
Grundstein einer europäischen Föderation bilden, die zur Bewahrung des Friedens
unerläßlich ist.
Um die Verwirklichung der so umrissenen Ziele zu betreiben, ist die
französische Regierung bereit, Verhandlungen auf den folgenden Grundlagen
aufzunehmen: Die der gemeinsamen Hohen Behörde übertragene Aufgabe wird sein,
in kürzester Frist sicherzustellen:
die
Modernisierung der Produktion und die Verbesserung der Qualität, die Lieferung
von Stahl und Kohle auf dem französischen und deutschen Markt sowie auf dem
aller beteiligten Länder zu den gleichen Bedingungen, die Entwicklung der
gemeinsamen Ausfuhr nach den anderen Ländern, den Ausgleich im Fortschritt der
Lebensbedingungen der Arbeiterschaft dieser Industrien.
Um diese Ziele
zu erreichen, müssen in Anbetracht der sehr verschiedenen
Produktionsbedingungen, in denen sich die beteiligten Länder tatsächlich
befinden, vorübergehend gewisse Vorkehrungen getroffen werden, und zwar: die
Anwendung eines Produktions- und Investitionsplanes, die Einrichtung von
Preisausgleichsmechanismen und die Bildung eines Konvertierbarkeits-Fonds, der
die Rationalisierung der Produktion erleichtert. Die Ein- und Ausfuhr von Kohle
und Stahl zwischen den Teilnehmerländern wird sofort von aller Zollpflicht
befreit und darf nicht nach verschiedenen Frachttarifen behandelt werden. Nach
und nach werden sich so die Bedingungen herausbilden, die dann von selbst die
rationellste Verteilung der Produktion auf dem höchsten Leistungsniveau
gewährleisten.
Im Gegensatz zu
einem internationalen Kartell, das nach einer Aufteilung und Ausbeutung der
nationalen Märkte durch einschränkende Praktiken und die Aufrechterhaltung
hoher Profite strebt, wird die geplante Organisation die Verschmelzung der
Märkte und die Ausdehnung der Produktion gewährleisten. Die Grundsätze und die
wesentlichen Vertragspunkte, die hiermit umrissen sind, sollen Gegenstand eines
Vertrages werden, der von den Staaten unterzeichnet und durch die Parlamente
ratifiziert wird. Die Verhandlungen, die zur Ausarbeitung der
Ausführungsbestimmungen unerläßlich [sic!]  sind, werden mit Hilfe eines
Schiedsrichters geführt werden, der durch ein gemeinsames Abkommen ernannt
wird. Dieser Schiedsrichter wird darüber zu wachen haben, daß [sic!] die
Abkommen den Grundsätzen entsprechen, und hat im Falle eines unausgleichbaren
Gegensatzes die endgültige Lösung zu bestimmen, die dann angenommen werden
wird.
Die gemeinsame
Hohe Behörde, die mit der Funktion der ganzen Verwaltung betraut ist, wird sich
aus unabhängigen Persönlichkeiten zusammensetzen, die auf paritätischer
Grundlage von den Regierungen ernannt werden. Durch ein gemeinsames Abkommen
wird von den Regierungen ein Präsident gewählt, dessen Entscheidungen in
Frankreich, in Deutschland und den anderen Teilnehmerländern bindend sind.
Geeignete Vorkehrungen werden Einspruchsmöglichkeiten gegen die Entscheidungen
der Hohen Behörde gewährleisten. Ein Vertreter der Vereinten Nationen bei
dieser Behörde wird damit beauftragt, zweimal jährlich einen öffentlichen
Bericht an die Organisation der Vereinten Nationen zu erstatten, der über die
Tätigkeit des neuen Organismus, besonders was die Wahrung seiner friedlichen
Ziele betrifft, Rechenschaft gibt.
Die Einrichtung
einer Hohen Behörde präjudiziert in keiner Weise die Frage des Eigentums an den
Betrieben. In Erfüllung ihrer Aufgabe wird die gemeinsame Hohe Behörde die
Vollmachten berücksichtigen, die der Internationalen Ruhrbehörde übertragen
sind, ebenso wie die Verpflichtungen jeder Art, die Deutschland auferlegt sind,
solange diese bestehen.
Quelle: Minister
für Auswärtige Angelegenheiten Robert Schuman, Regierungserklärung, 9. Mai 1950,
in: Fontaine, Pascal, Eine neue Ordnung für Europa. Vierzig Jahre Schuman-Plan
(1950-1990), Luxemburg 1990, S. 46-48.
Verfügbarkeit im
Internet:
[Abruf 06-09-2010
14:35Uhr]