„Der
Schriftsteller im Exil“ von Lion Feuchtwanger
Der Text „ Der Schriftsteller im Exil“ von Lion Feuchtwanger aus
dem Jahr 1943 ist ein in Prosa verfasstes Beispiel deutscher
Exilliteratur im 2. Weltkrieg. In seinem Text präsentiert L.
Feuchtwanger die Lebenssituation deutscher Schriftsteller im Exil und
beschreibt explizit die Schwierigkeiten und Folgen eines
langfristigen Aufenthalts in der „Fremde“. Dabei bezieht er sich
teilweise auf persönliche Erfahrungen aus seinem Exil. 1933 verließ
er wegen seiner politischen Einstellung und jüdischen Herkunft
Deutschland und reiste zunächst nach Frankreich. Bei Kriegsausbruch
floh er wiederum weiter nach Amerika. In den USA, wo er auch nach dem
Krieg weiterhin lebte, verstarb er schließlich 1958 in Kalifornien
an Magenkrebs. Im Verlauf des Textes stellt er die These auf, dass
ein deutscher Schriftsteller im Exil kaum Aussicht auf Erfolg hat und
sich durch die lange Trennung von der Entwicklung der eigenen
Muttersprache, in Hinsicht auf die Schreibtätigkeit, sprachlich
negativ verändert.
Hierbei scheint Feuchtwanger vordergründig gleichgestellte deutsche
Exilanten zu adressieren und einen Diskussionsanstoß zu liefern.
Auffällig ist dabei, dass er in seinem Text den Kontrast zwischen
der Heimat und der „Fremde“ deutlich hervorhebt
Der Text weist, bis auf eine inhaltliche Zweiteilung, keine
bemerkenswerten formalen Besonderheiten auf. Stattdessen entwickelt
der Autor allmählich seine Position zu der behandelten Problematik
und stützt diese durch eine Vielzahl von Argumenten, Beispielen und
auch persönlichen Erfahrungen. Die inhaltliche Zweiteilung trennt
den Text zum Einen in die „äußeren“, ökonomischen,
Bedingungen und zum Anderen in die „inneren“ Schwierig-keiten,
die sich hauptsächlich durch die Auswirkungen auf die Schreibarbeit
eines Schriftstellers, aufgrund der unsicheren Lebenssituation im
Exil, auszeichnen. Hinsichtlich der „äußeren“ Umstände
erläutert der Autor zunächst die Unsicherheit der wirtschaftlichen
Existenz eines Schriftstellers, der, abgeschottet von seiner früheren
Leserschaft und jeglicher verwandtschaftlicher Unterstützung ,
allein mit seiner Schreibarbeit, für den Lebensunterhalt für sich
und seine Familie sorgen muss. Allerdings würden die zuvor in
Deutschland veröffentlichten Werke keinen vergleichbaren Absatz
finden, weil sie im Ausland nicht bekannt sind und auch inhaltlich
nicht unbedingt auf das Interesse der ausländischen Leserschaft
stoßen. Ebenfalls wäre für den Schriftsteller durch neue
Veröffentlichungen ein finanzielles Auskommen wegen der fremden
Sprache und der mangelnden Bekanntheit,
schwierig. Weiterhin würde der Schriftsteller, so sagt Feuchtwanger,
im Exil einer ganzen
Reihe anderer Hürden gegenüberstehen. Demnach beschreibt
Feuchtwanger z.B. aus persönlicher Sicht die Hürden der
bürokratischen Anforderungen für einen Exilant ohne gültige
Papiere als ebenso aufwendig wie das Schreiben eines Romans. (Vgl.
Z.50-51) Hierzu erzählt er, wie die amerikanischen
Einwanderungsbehörden ihn aufforderten Papiere vorzulegen, die er
als Flüchtling unmöglich hätte erhalten können. Dies untermalt er
stilistisch mithilfe der Akkumulation von Zeile 45-47. Dies und
ähnliches würde zu einem endlosen Kampf mit eigentlichen
Nichtigkeiten und einer ständige Angst vor der Ausweisung führen.
Mit diesem „tragikomische Leben“ ( Zeile 57 ) würde sich
allerdings nicht jeder Exilant arrangieren können und Feuchtwanger
behauptet, dass einige Schriftsteller stattdessen den Freitod wählen.
Der Prozess, der dahin führt, dass einige Exilanten lieber sterben
als mit der Situation zu leben, beschreibt Feuchtwanger sehr bildhaft
als „zermürbt“ werden ( Zeile 56 ).
Aus solchen und ähnlichen Textstellen lässt sich allerdings nicht
nur die Tragik der Situation dieser Menschen erkennen, sondern
ebenfalls eine leicht ironisch angehauchte Stellung des Autors
gegenüber alledem. So beschreibt er die „Leiden der Verbannung“(
Zeile 36 ) mit
einer Alliteration als etwas „leise Lächerliches“ (Zeile 39).
Von da ab führt der Autor dem Leser die „inneren“ Umstände
eines Schriftstellers im Exil vor Augen und bezieht sich dabei
vor allem auf den sprachlichen Wandel, der sich, nach einer Vielzahl
von Jahren im Ausland abgeschnitten von der Sprachentwicklung der
Heimat, bei einem Schriftsteller vollzieht. Anfänglich beschreibt er
die Aussichtslosigkeit in der fremden Sprache Literatur zu
veröffentlichen, worauf er sich im späteren Verlauf weiter bezieht.
Zunächst beschreibt er aber mithilfe der Hyperbel bzw.
Personifikation von Zeile 67-68, „ es hat für tausend neue
Erscheinungen tausend neue Worte und Klänge verlangt“, wie schnell
der Wandel der Muttersprache verläuft und wie schwierig es für den
Schriftsteller ist mit einer solch raschen Entwicklung mitzuhalten.
Dies wird ohnehin dadurch erschwert, so Feuchtwanger, dass die fremde
Sprache im Sprachgefühl eine wachsend dominante Rolle einnimmt, was
nach langjährigem Kontakt mit dieser durchaus verständlich ist.
Dieses Problem stellt er besonders in Zeile 69 ff. dar, wobei er vor
allem in Zeile 73-74 durch eine Personifizierung der fremden Sprache,
„knabbern an unserem eigenen Ausdrucksvermögen“, die eigene,
sich für den
Schriftsteller als negativ für seine Schreibarbeit erweisende,
Sprachentwicklung hervorhebt.
Im weiteren Verlauf des Textes beschäftigt sich Feuchtwanger mit
den, größtenteils von Misserfolgen gekrönten, Versuchen deutscher
Schriftsteller in der fremden Sprache Literatur zu verfassen und
weist darauf hin, dass es im Grunde gänzlich unmöglich sei in der
fremden
Sprache sprachliche Gestaltung in dem Umfang zu realisieren, wie es
in der Muttersprache für einen Schriftsteller möglich ist. Dies
begründet er mit dem fehlenden, lebenslangen Umgang
mit einer Sprache, der einem erst poetische Ausdruckskraft verleiht.
Auch die Übersetzung muttersprachlicher Literatur in die fremde
Sprache, wäre vergleichsweise so, als würde man das Wort Gottes in
Basic English übersetzen ( Vgl. Zeile 109-110 ). Bei seiner
Argumentation bezieht sich Feuchtwanger auf Ovid, einen
Leidensgenossen aus der römischen Geschichte, der ebenfalls als
Dichter im Exil versuchte, Werke in der fremden Sprache zu verfassen.
Dazu beklagte er sich, dass dort nicht die Fremden die Barbaren sind,
wie die Römer alle Völker nannten, die nicht römisch/latein
sprachen, sondern er selbst dort der Barbar ist.
Abschließend stellt Feuchtwanger fest, dass auch die beste
Übersetzung nicht an die Formulierung heranreicht, die im Original
in der Muttersprache gefunden wurde. Als letztes beschreibt er die
Unaufhaltsamkeit der Veränderung für jeden persönlich, der sich
für lange Zeit im Exil befindet.
Persönlich kann ich L. Feuchtwanger in seiner gänzlich negativen
Haltung gegenüber dem Einfluss der fremden Sprache nicht zustimmen,
sondern bin der Meinung, dass man durch den Kontakt durchaus auch
einiges gewinnen kann, wie z.B. ein weitgreifenderes Weltbild.
Allerdings beschriebt Feuchtwanger diesbezüglich vordergründig die
negativen Aspekte in Hinsicht auf die Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Existenz eines Exilanten als Schriftsteller, diese
wiederum verständlich sind. Allerdings könnte man auch hierbei
sagen, dass die Situation in der sich die im Exil befindlichen
Schriftsteller fanden für ihre Schreibarbeit nicht ausschließlich
negativ sein konnte. Denn das Erlebte lieferte sicherlich so einiges
an interessanten Geschichten, die vor allem in der Nachkriegszeit
großen Anklang fanden, da so ziemlich jeder Deutsche mehr oder
weniger betroffen war und insofern auch sicherlich interessiert
daran, wie es ihren Landsleuten im Ausland ergangen ist bzw.
weiterhin ergeht. Auch stimme ich in Bezug auf die Ablehnung des
sprachlichen Wandels persönlich nicht zu, da Sprachen wie Englisch
sehr wohl mit dem Deutschen verwandt sind und somit
auch vokabularisch oftmals eine Stütze darstellen können. Weiterhin
ist der Bezug zu Ovid
nicht unbedingt vereinbar mit der Argumentation des Autors, da dieser
von den Menschen in der Fremde als Dichter gefeiert wurde, obwohl er
selbst von Sprachbarrieren klagte.
Die Leiden eines deutschen Schriftstellers unmittelbar im Exil kann
ich nach der Auseinandersetzung mit dem Text von Feuchtwanger
allerdings nun nachvollziehen, da das Leben eines Menschen, dessen
Lebensunterhalt von dem Umgang mit der eigenen Sprache abhängt, im
Exil, konfrontiert mit einer völlig fremden Sprache, sicherlich
nicht einfach gewesen sein kann.