, 12.4.2010
Der Oberrhein: Von einer natürlichen Flusslandschaft zur dynamischen Entwicklungsachse
Definition Oberrhein
ca. 350 km langer Abschnitt des Rheins von Basel bis Bingen (nahe Mainz) (Flusskilometer 170 bis 530); unterteilbar in:
- den südlichen Oberrhein (von Basel bis Iffezheim, Flusskilometer 334); am Ostufer (deutsches Ufer, Baden-Württemberg) verläuft die deutsch-französische Grenze, dieser Abschnitt des Rheins gehört also zu Frankreich (Elsass)
- und den nördlichen, freifließenden Oberrhein (von Iffezheim bis Bingen); er fließt weitgehend ausschließlich in Deutschland, wobei er häufig die Grenze zwischen Bundesländern bildet (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen)
Natürliche Flusslandschaft – Flussverlauf, Folgen für die Landwirtschaft/Menschen
Ursprünglich (bis ins 19. Jhd.) zwei verschiedene Flusslauftypen:
- Im südlichen Abschnitt die kilometerbreite Furkationszone:
- in etliche Arme aufgegabelter Fluss mit vielen kleinen Inseln und sumpfigen Auenlandschaften
- fruchtbare Böden und reiche Fischgründe, aber auch guter Lebensraum für Überträger von Malaria und Typhus
- periodische Hochwasser verursachten verheerende Überschwemmungen und Änderungen des Flussverlaufs
=> ständige Bedrohung für Anwohner, häufige Aufgabe oder Umsiedlung von Ortschaften
- Im nördlichen Abschnitt die Mäanderzone:
- Flusslauf mit vielen Schlingen (Mäandern), in denen sich es (laut dem Wasserbauingenieur Max Honsell (1843-1910)) bei Hochwasser staute
=> Gefahr von Überschwemmungen
Starke Schwankungen des Wasserpegels führten zu einem hohen Grundwasserstand und der Zufuhr von Nährstoffen.
Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser wurden nur durch die Errichtung einzelner Dämme, nicht aber in Form von einer durchgreifenden Verbesserung getroffen.
Rheinbegradigung nach Tulla
- jahrhundertelang zersplitterte Kleinstterritorien waren nicht kooperationsfähig
- Durchstechung der Mäander im nördlichen Abschnitt und Bildung eines sanft gekrümmten Flusslaufs, dadurch Kürzung des Flusses um 50 km (37%)
Prinzip: Grabung eines schmalen Durchstichs, der durch die Kraft des Flusses allmählich verbreitert wird und bei Erreichen der gewünschten Breite durch befestigte Ufer abgeschlossen wurde; den restlichen Raum sollte sich der Strom durch Tiefenerosion (Vertiefung des Flussbettes) schaffen.
Erfolge bei Hochwassern in den 1820er Jahren ermöglichen Zuversicht und Fortsetzung des Projektes bis zur Fertigstellung 1879
- Zusammenfassung der 2-3 km breiten Furkationszone im südlichen Abschnitt in ein einziges, 200-300 Meter breites Flussbett
- Tiefenerosion zunächst optimal => Fruchtbarkeit der Böden, starker Rückgang von Krankheiten, Besiedelung von vorher versumpftem Land, mäßige Schiffbarkeit (außer zeitweise bei Hoch- und Niedrigwasser)
- Unerwünschte Fortsetzung der Tiefenerosion => Absinken des Grundwasserstandes und Versteppung
Verarmung der Fischbestände und Anstieg der Hochwassergefahr in nördlicheren Abschnitten des Rheins durch den schnelleren Abfluss im Oberrhein
Weitere Baumaßnahmen
Weitere bautechnischne Maßnahmen im 20. Jahrhundert:
=> Errichtung von Buhnen (in den Fluss senkrecht spitz hineinragende Schotteranhäufungen) zur Schaffung einer stabilen Fahrrinne, die auch bei Niedrigwasser befahrbar ist; Verstärkung der Tiefererosion, Entstehung erneuter Hochwassergefahr
- ab 1928: Errichtung des betonierten „Grand Canal d'Alsace“ von Kembs bis Breisach als Schifffahrtsstraße und Kanal zur Energiegewinnung
=> Beinahes Trockenliegen des alten Rheinflussbettes; weiteres Absinken des Grundwasserstandes und Beschleunigung der Hochwasserwelle
- 1956: Schließung eines Vertrages zwischen Frankreich und Deutschland nach Einwänden gegenüber der geplanten Erweiterung des Grand Canal d'Alsace
- 1952-1970: Errichtung von sieben französischen Staustufen
- 1970-1977: deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt zum Bau von zwei weiteren Staustufen zur Energiegewinnung und Verminderung der Tiefenerosion
Allerdings lediglich Verschiebung des Problems der Tiefenerosion nach Norden und weitere Absenkung des Grundwasserstandes
- Lösung seit 1978: Geschiebezugabe (Schüttung von Kies in das Flussbett)
- 1968: Bildung einer Kommission zur Untersuchung von Hochwassern und ihrer Entwicklung
Der Rhein als dynamische Entwicklungsachse
- Bildung einer Verkehrsachse durch die Schifffahrt
- industrielle Nutzung (hauptsächlich im Elsass) verursacht bis heute ökologische Schäden für den Rhein
Zwar leichte Verbesserungen in der Entsorgung chemischer Abfälle, jedoch problematische Folgen v.a. durch Salzeinleitungen aus Kaligruben im Oberelsass, z.B. hoher Salzgehalt des Rheins, aus dem in den Niederlanden Trinkwasser gewonnen wird
Quellen
Literarische Quellen:
- Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1999. S. 110-193
- Fenzl, Manfred: Der Rhein. Schaffhausen-Nordsee und zum IJsselmeer, Hamburg 2003. S. 32-83
- Falk, Gregor C., Korby, Wilfried: Terra. Geographie Bayern 11, Stuttgart 2009. S. 94f.
Internet-Quellen:
- Wikipedia-Artikel „Rhein“, „Oberrhein“ und „Rheinbegradigung“:
- Bernhard, Christoph: Die Rheinkorrektion:
- Zeitungsartikel der Badischen Zeitung „Tulla veränderte den Oberrhein für immer“:
- Artikel der Gewässerdirektion südlicher Oberrhein/Hochrhein (2001):
- Artikel der Webseite
Bildquellen:
- Ullrich, Daniel: Rhein-Karte:
- Gesamtkarte Rhein:
- Buhnen am Oberrhein:
- Gemälde von Peter Birmann;
Alle Internet- und Bildquellen wurden am 11.4.2010 aufgerufen.