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Seminararbeit
Deutsch

Universität Basel

Simon, 2005

Bianca E. ©
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ID# 19618







Der Epigonalitätsbegriff in Adalbert Stifters

„Nachkommenschaften“


1        Einleitung

1.1 Ziel der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll die Künstlernovelle „Nachkommenschaften“ von Adalbert Stifter ergründen. Mit ergründen, möchte ich vorerst auf den Hintergrund der Überschrift hinweisen, denn schon vor dem Lesen, erscheint einem die Überschrift ziemlich nüchtern. Man erwartet alles andere, als das, was Stifter uns vorführt.

Der Held Friedrich Roderer leitet uns anfangs ziemlich prompt in das Thema der Malerei ein und schafft somit ziemlich schnell den Übergang in die Komplexität seiner Familie ein. Es ist klar, dass es sich um eine Familie namens Roderer und seine Nachfahren, also seinen Nachkommen handelt. Durch Umleitung, ausgehend von der Überschrift „Nachkommenschaften“ kommen wir auf die Nachkommen, die in der deutschen Literatur gross diskutiert worden sind, wo er unter dem Begriff der „Epigonen“ verstanden wird.

Folglich geht es im ersten Kapitel der Arbeit um die Definition dieses Begriffs und ihren Begriffsableitungen. In einem Unterkapitel sollen die biographischen Daten und die Entstehung des Werkes vorangestellt werden, um danach den Übergang zur Historischen Semantik und der Sozialgeschichte der Deutschen Literatur, da „Epigonalität“ viele Dichter und Denker im 19. Jahrhundert beschäftigt hat.

Dementsprechend wird in den Unterkapiteln das Thema des Begriffs, unter verschiedenen Aspekten aufgezeigt, so dass sich ein klares Bild über die Problematik der deutschen Literaturgeschichte gebildet werden kann. Dabei ist die Frage: Was ist das Charakteristikum von epigonaler Kunst? leitend.

Nach diesen Untersuchungen, die als eine Art von Vorgeschichte für unseren Text dienen, wäre die Analyse des Textes angebracht. Darunter fällt erst mal die Analyse der Familienpolitik und des Kunstverständnisses unseres Protagonisten.

Im Kapitel der Engführung kann dann ein Vergleich von der Familiensemantik und den Malstrategien Friedrichs gemacht werden.

Ich werde die Rolle der Susanna nach der Engführung einfügen, da diese Abhandlung einen guten Übergang zur Schlussfolgerung darstellen wird.

Die Zitate aus dem Text „Nachkommenschaften“ werden alle nur mit den Seitenzahlen angeführt.


1.2              Definition: Epigonalität

Um die Bedeutung der Epigonalität zu verstehen, muss zuerst erklärt werden, was „Epigone“ bedeutet. Das Wort Epigone kommt aus dem griechischen epigonos und heisst Nachgeborener oder Nachahmer ohne eigene Ideen, er ist vor allem ein unschöpferischer Nachfolger.[1]

Der Ausdruck Epigonen bezeichnet in der griechischen Mythologie die „Nachkommen“ der „Sieben gegen Theben“.[2]

Im berühmten Kampf der „Sieben gegen Theben“, dem Höhepunkt des thebanischen Sagenkomplexes, gelang es dem von Adrastos angeführten Heereszug der sieben Stammesfürsten nicht, dem um seinen Thron betrogenen Sohn des Ödipus, Polyneikes, wieder zur Macht zu verhelfen. Erst zehn Jahre später war es den Epigonoi, ihren Söhnen, vergönnt, Theben zu erobern. Sie zerstörten Theben und töteten Eteokles` Sohn und Nachfolger Laodamas.

Mit Epigonalität jedoch, ist in der deutschen Literatur die Schriftstellergeneration nach Goethe gemeint. Innerhalb eines Literaturverständnisses, das über Originalität definiert wird, ist Epigone ein Kampfbegriff der heutzutage negativ gedeutet wird. Der Begriff kann aber auch als positives Potential verstanden werden, dann aber gilt sie als die Kraft der Tradition.

In der Antike war der Begriff durchaus nicht negativ besetzt. Epigonoi, das waren die Nach-Geborenen im Sinne von Nachfahren, die manchmal auch vollenden konnten, was den Vätern noch versagt blieb. Den Beinamen „Epigonos“ gaben sich auch einige griechische Künstler, ohne das es ihrem Ansehen geschadet hätte; es war ein Beiname wie der auch heute noch gebräuchliche „Junior“.

Den Bildhauer Epigonos aus dem 3. Jh. v. Chr. hält man gar für den Schöpfer der (heute nur noch in römischer Kopie erhaltenen) .....

Die Betonung typischer Züge der Gestalten in der historischen Dichtung Stifters, dass der Einzelne in das Gesamtleben integriert wird. Der Verlauf der Geschehnisse ist bedeutungsvoller als die Erlebnisse des Individuums. Sein Ausspruch: Weil die gegenwärtige Weltlage Schwäche ist, flüchte ich zur Stärke, und dichte starke Menschen, und dies stärkt mich selber.“[9] Durch die literarischen Arten des Realismus, angefangen beim Historischen Roman, über den Bildungsroman, die Stifter mit seinen Werken durchlief, wird „Nachkommenschaften“ der „Österreichischen Erzählliteratur“ zugeteilt.[10] Die Werke, die heute von den Stifterausgaben angeboten werden, sind das Ergebnis die er selbst als Reifung zur Wirklichkeit verstand.

Die Welt u.a. in den Nachkommenschaften, war in ihrer schon gewaltsamen Stilisierung, die alle konkreten gesellschaftlichen Züge weitgehend beseitigte ist der Versuch gewesen, einen idealen Raum zu schaffen, in dem die verwirklichende menschliche Existenz beispielhafte Züge annehmen konnte. Die Wahrheit der Kunst ist daher nur dann vertreten, wenn die bezeichneten Schicksale in die identifizierbaren Details des alltäglichen Lebens eingetaucht sind, vorausgesetzt aber, wenn dessen gesellschaftliche Zuordnung leicht zustande gebracht werden kann.[11]

Drei wichtige Namen bei der Entstehung der Dorfgeschichte sind: Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), Karl Leberecht Immermann (1796-1840) und Alexander Weill (1811-1899.) Die Naturauffassung und die skeptische Abrechnung mit dem Zeitgeist haben in den Dorfgeschichten ihre Spuren hinterlassen. Mit der Beendigung von „Die Epigonen“ Immermanns, wurde auch der leichtfertige Plan, der Erinnerung ein zeitüberdauerndes Monument zu setzen, beendet.

Selber bezeichnete Immermann sein Werk als Familienmemoiren, worin ein eindrucksvolles Bild einer Naturkatastrophe geschildert wird.[12] Der Roman handelt nämlich von den Memoiren zweier Familien und dem abenteuerlichen Lebensweg des Helden Hermann mit einer Kulturkritik verbunden, die den Höhepunkt der künstlerischen Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit ansiedelt und daher jede Weiterentwicklung als unmöglich begreift.

Immermann, und mehr noch dem Zwang zur Originalität, auf den er reagiert, haben wir es zu verdanken, dass ein Epigone seither als besonders verabscheuenswürdiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft gebrandmarkt ist. Die Moderne hat mit ihrem emphatischen Fortschrittsbegriff wenig Sympathie für Zeitgenossen, die nicht an ihrem „Projekt“ mitarbeiten. Unschöpferische Nachahmer werden sie gescholten.[13]

Immermann zufolge ist „jede Kunst eine historische Erscheinung“ mit einem Traditionsbezug, welcher jedoch einen „Traditionsbruch“ impliziert, da „die Modernen nicht mehr mit den Augen der Alten sehen“ könnten. Immermann litt ganz offensichtlich darunter, dass die Generationen nach Goethe offenbar zum Epigonentum verdammt waren.

Um zurück auf die Naturkatastrophe zu kommen: die Natur stellt mit ihrer Ordnung der Dinge, auch die moralische Ordnung der Welt wieder her. Norbert Miller, der die Allegorisierung mit der Göttin Natur erkannt habe, meint, sie diene als Sinnzeichen einer vorbestimmten Harmonie der Welt, die sich auch nach der fürchterlichsten Störung wiederherstellt.

Nur durch Unterwerfung unter das Doppelgesetz der Sittlichkeit und der Natur könne der Fluch des Epigonentums abgewendet werden.[14]


3 Historische Semantik und Sozialgeschichte der Deutschen Literatur

In Anbetracht der Geschichte und ausgehend von der Definition bezeichnet man in der Geistes- und Kulturgeschichte die Generationen, die auf eine rückblickend als klassisch angesehene Epoche besonderer geistiger und kultureller Blüte folgen. Die abwertende Einstufung einer Epoche als epigonal setzt als Gegensatz die Annahme einer vorangehenden Epoche voraus, der besonders überragende Kulturleistungen von bleibendem Wert zugeschrieben werden.

Bekannte Gegenüberstellungen klassischer und epigonaler Epochen sind beispielsweise das klassische Griechenland – das hellenistische Griechenland, die goldene Latinität – die silberne Latinität, die Weimarer Klassik – das Biedermeier.

In Deutschland werden Epigonen vielfach als unbedeutende Nachahmer ohne eigene Ideen angesehen. Diese Geringschätzung der blossen kunstfertigen Reproduktion früherer Entwürfe geht u.a. zurück auf den in der deutschen Aufbruchphase des Sturm und Drang () .....

Als Goethe nämlich 1805 seinen engsten geistigen Freund und Vertrauten Schiller durch seinen Tod verliert, vollzieht sich – nach der Phase des Sturm und Drangs, der politisch-reformerischen zweiten, die bis zur italienischen Reise anhält, und der nachfolgenden „klassischen“ – der Übergang zur Spätzeit Goethes.[18] Dann als seine Mutter stirbt, wird seine wachsende Einsamkeit auch durch einen diplomatischen Verkehr, als er sogar eine Audienz mit Napoleon erhält, nicht aufgehalten.

Dadurch vergrössert sich, auch durch sein Älterwerden, sein sammelndes Zurückschauen und vergleichendes Deuten, bestärkt durch die Weimarer Kabalen, was ihn den gesellschaftlichen Dingen aber wieder genähert als entfremdet hat.[19] Gleichsam durch dieses Ereignis, tritt im Werk Goethes die klassizistische Polarisierung von Leben und Kunst, Natur und Ethik zugunsten einer mythischen und symbolischen Verallgemeinerung des geschichtlichen und gesellschaftlichen Lebens zurück.

Die konkrete Formation des Epigonendiskurses in Deutschland entstand um 1835 aus dem Zusammentreffen der Philosophien Georg Wilhelm Friedrich Hegels, der Literaturgeschichtsschreibung Georg Gottfried Gervinus` und Karl Leberecht Immermanns (1796 – 1840) Roman „Die Epigonen“ (1836.) Daraus entsteht eine Mischung, wie es in den Epigonen heisst – „Zwittertrank“ aus Literatur und Historiographie, der die ästhetische und historische Selbstreflexion des 19. Jahrhunderts beherrscht.[20]

Der Begriff der Epigonalität ist demnach seitdem stets problematisch gewesen. Das wird besonders dort spürbar, wo ein hochrangiger Autor wie Heine glaubt, nicht aus dem übermächtigen Goethe-Schatten heraustreten können. Heine hat den Übergang zur bürgerlichen Moderne – und seine Rückwirkungen auf die Kunst, in einem seiner späten Aphorismen behandelt.

Durch die industrielle Entwicklung und Mechanisierung des Alltags wird eine neue Wahrnehmung von der Welt erzwungen und die Romantische Innerlichkeit sei unmöglich geworden. Die Eisenbahn, die das natürliche Verhältnis zu Raum und Zeit „tötet“, die Gasbeleuchtung, die die natürliche Begrenzung des Tages aufhebt, würden die Aura individueller „Stimmung“ zerstören.

Trotz seiner Kritik am politischen Verhalten der beiden Grossen, so wie er es nennt, waren Hegels dialektisches Denken und Goethes pantheistischen Gedichte für Heine, die höchste „Blüte“ der klassisch-romantischen Epoche, für die er den Namen „Kunstperiode“ fand.[21] Bretz zufolge, ist diese Namensgebung ein Akt von gespaltener Bewunderung: „Sie meint zum einen die – grundsätzlich nicht mehr erreichbare – Vollkommenheit der künstlerischen und philosophischen Produktionen jener Zeit, in der die ästhetische Sphäre sich weit erhob über die kleinkarierte politische der Miniaturfürstentümer; ( .)“[22].

Mitte des 19. Jahrhunderts ist Heine der einzige lebende deutsche Autor von nationaler Repräsentanz. Während der emanzipatorische Übergangscharakter des Vormärz mit seinem Spektrum an Ungleichzeitigkeiten in die Dichte und Komplexität seiner Werke einging, kommt es bei der nachfolgenden Generation zu einer Zurücknahme auf eher bescheidene Ansprüche. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wird die Literatur .....

Die Dichtung ist „ .wenn anders aus der Geschichte Wahrheiten zu lernen sind, zu einem Ziele gekommen, von wo aus man mit Erfolg ein Ganzes überblicken, einen beruhigenden, ja einen erhebenden Eindruck empfangen und die grössten Belehrungen ziehen kann.“[27] Das erreichte Ziel, von dem er schreibt, ist „ein in der Natur der Sache begründetes.“

Solange Dichter mit einer überkommenen Literatur umgehen, würde diese vertrocknen, was in der Zeit, deren Poesie im Bann älterer Literatur steht, einem Todesurteil über die Gegenwartsliteratur gleichkommt; von der Poesie ist nichts, von Literaturgeschichtsschreibung und Kritik alles zu erwarten.

Für Karl Gutzkow wird, laut seinem Aufsatz über die „Kritik“, die klassische Periode unserer Literatur, statt fortgesetzt, angebetet. Statt Andenken lebenskräftig auf den Nachwuchs der Generationen einwirken zu lassen, habe man dieses in Marmor und Büsten verwandelt. Es begann die Herrschaft des Ruhmes. Der Unterricht machte aus der unmittelbar vergangenen deutschen Literatur eine abgeschlossene Realität.

Und unsere eigenen Väter rückten in eine nebelhafte, mythische Ferne, dass der vom Augenblick der privilegierten Jugend Nichts zurückblieb, als vor Unerreichbarem eine zitternde Andacht.[28]

Gutzkow hat hier ganz nebenbei beschrieben, wie Literaturhistoriographie und Kritik die Tradition unter sich aufteilen, um sie zuerst zu versteinern und dann zu zerbröseln. Das ist ein Protest gegen die Verabsolutierung Goethes und Schillers.

Kamann betont, dass wenn vom ästhetischen Erfassen der Epigonalität ein kritisches unterscheiden und jene als Blockierung künstlerischer Vermögen beschrieben wird, sei nicht behauptet, dass die ganze Rede von der Epigonalität eine eigennützige Machenschaft von Kritikern und Historikern sei. Auch sei davon nicht zu reden, dass Probleme wie, Epochenende, Nachahmung und Veräusserlichung nur von interessierter Seite lanciert worden wären.

Es ginge eher darum, dass im Umgang mit jenem verunsicherten Epochenbewusstsein ästhetische Strategien mit kritischen bzw. literarhistorischen kollidierten. Wie eng der Epigonalitätsdiskurs der 30er und 40er Jahre an zeittypische Veränderungen der damaligen Geisteskultur gebunden ist, zeigt ein Vergleich mit Goethe ganz anderer Wahrnehmung und Interpretation der Tatsache, dass nachahmende Künstler sich vermehren, und dass die Stile wuchern.

Goethe selbst schreibt 1812, dass „die Epoche der forcierten Talente, aus der philosophischen“ hervorgegangen sei. Man nahm später an, dass sie auf die grosse ästhetische Epoche gefolgt sei. Goethe sah, dass jedermann glaubte, Poet sein zu können.[29] Dies beschreibt er nicht als Nachblüte einer grossen künstlerischen Wachstumszeit, sondern als Folge eines Prozesses, der nur „die beiden Enden der Dicht.....

Grund für den Dilettantismus ist nicht nur ein Mangel an Begabung, sondern sei an bestimmten Geisteshaltungen und am Wiederholen älterer Literatur zu sehen; dabei sei es davon unabhängig, wie der Künstler dabei vorgeht. Diese Geisteshaltungen und Wiederholungen repräsentieren den Charakter der Werke.[32] Also sei das Vordergründigste, die Frage nach dem „ob“ ein Künstler aus eigener Initiative aus „Eigenem“ schafft oder sich aus anderweitigen Werken bedient und in der Wiederholung des Bestehenden verharrt.

Gervinus bringt die verschiedenen Erscheinungsweisen von Epigonalität im Spätmittelalter auf dieselbe Schiene: Persönlichkeitsverlust aufgrund eines Überhangs von Nicht-Eigenem und der schwindenden Fähigkeit, authentisch aus sich selbst zu schaffen.[33] Auch er stellt den Zusammenhang von Epigonalität und Beschreibungsliteratur unter ein negatives Vorzeichen.[34]

Bei einem Versuch, die kritischen und Historiographischen Thematisierungen von Epigonalität in jener Zeit zu überblicken, fällt Kamann auf, dass von unterschiedlichsten Autoren mit unterschiedlichster Programmatik Begriffe wie Dilettantismus, Epigonentum, Spätzeitlichkeit, Geniekult, Formalismus, Gehaltlosigkeit oder Restauration immer wieder neu ausgetauscht, unterschiedlich bestimmt und nirgends klar voneinander geschieden werden.

Politische, poetische und charakterologische Attribute verschwimmen ineinander und werden gleichsam „konvertibel.“ [35]

Folglich bildet sich um den Begriff der „Epigonalität“ ein Kreis verwandter und analoger Bezeichnungen. Nicht nur Worte wie Dilettantismus und Spätzeitlichkeit gehören zu diesem Kreis, sondern auch ein grosser Teil des Biedermeier. Durch die Unschärfe des Begriffs, wird dann ganz verschiedenen Schriftstellern und Poetikern epigonale Eigenschaften zugeschrieben.

Es scheint fast unnütz zu versuchen zu definieren, welche Literatur im 19. Jahrhundert für epigonal gehalten wurde. Man verhält sich gleichgültig gegenüber den konkreten literarischen Gebilden; anstelle dessen wird von Grundprinzipien gesprochen, doch nie von der inneren Struktur der einzelnen Gebilde. Es scheint, dass es sich gar nicht darum dreht, sondern mehr um Prinzipien wie „Wiederkehr von Bekanntem“ oder „Anschluss an ältere Genialitätskonzepte“, die zum Ausweis einer „defizienten“ charakterlichen Disposition werden.[36] Man findet also „in jenen Schriften keinen anderen Grund für diese so beliebig erscheinende Verwendung des Schlagworts, als der, dass bei all jenen Autoren aufgrund eines innerlich leeren Reprisenwesens die künstlerische Persönlichkeit zerstört würde.“[37]

Es sei kein Wunder, dass sich der Begriff zu einer Art Zauberwort der Kritik und der Geschichtsschreibung wurde. Er entwertete diejenigen, von denen die Sekundär-Autoren abhängen, die Schriftsteller, da die „pejorative“, gar abfällige Rede von Epigonalität die Position des Historiographen und .....

Also ist hier gleich zu Anfang ein deutlicher Hinweis auf natürliche Nachkommen zu erfahren. Er nennt ja seine Vorfahren gleich mit. Die Überschrift wird quasi bestätigt: der Leser erhält den Glauben daran, dass Stifter eine Familiengeschichte liefert. Mit den Aufzählungen der Familienangehörigen der Roderers wird auf die Nachahmer, also auf die natürlichen „Epigonen“ hingewiesen.

Es wird sogar noch vertieft: „…so habe ich eine Schwester, die Kinder hat; so haben meine zwei Oheime Kinder, diese Kinder bekommen einst Kinder, welche wieder Kinder bekommen, so dass ich bei dem hohen Alter, welches ich erreichen werde, Nichten, Neffen, Geschwisterkinder, Urnichten, Urneffen, Urgeschwisterkinder, Ururnichten, Ururneffen, Ururgeschwisterkinder,…“ (S.534).

Es wird durch die Vielheit vertieft und darauf eingegangen, dass seine Familie sehr viele Nachkommen hat und der Ich-Erzähler schon im Voraus weiss, ein langes Leben vor sich zu haben. Die nächsten Zitate: „Mein Grossmutter sagt, dass unsere Vorfahren immer zahlreiche Nachkommenschaften gehabt haben, “ (S.532) und „Und wären jene Oheime und Grossoheime und Tanten nicht gestorben,(…), so würde das Geschlecht noch ausgedehnter geworden sein…;“ (S.533), verstärken uns in dieser Annahme um so mehr; obwohl es sich beim letzteren um eine angestrebte „Vervielfältigung“ der Familie handelt.

In dem Sinne hat man aber gewisse Probleme, wenn man folgendes betrachtet: „Wenn der Sohn und der Enkel des Lüpfwirtes dem Vater und Grossvater nachschlagen “(S. 534). Der Grossvater wird in der Rolle des Originals, quasi in dem des Stammvaters gesehen, was natürlich auch wieder relativ ist, da der Grossvater auch ein Nachkomme seines eigenen Grossvaters ist.

Es herrscht also eine Art von Dubletten-Verständnis, wie sie in der Literaturgeschichte der Epigonalität zu verstehen ist.

Alle in der Familie Roderer haben „braune Augen, braune Haare “ (S.549) und alle heissen auch „Roderer“ mit dem nicht nur der Name sondern auch gleichsam der Charakter von Generation zu Generation vererbt wird. Wobei der Bart und die Vornamen Peter und Friedrich bei den männlichen Familienangehörigen eine äusserliche Anpassung zur Vererbung dargestellt wird.

Sie alle haben „ohne erhebliche Ausnahmen braune Haare und braune Augen bei freundlicher Farbe des Angesichts“.

Das Zeichen der Familie Roderer ist auch, dass alle Roderer, die sich mal mit der Kunst so innig beschäftigt haben, wie unser Maler es macht, ihrem Tun entsagen, worauf ihn der alte Herr Roderer aufmerksam macht, als dieser ihm widerspricht: „Das ist gerade auch eines der Merkmale mit, ( .) und bestärkt mich in meiner Ansicht.

Jeder unseres Geschlechtes war von der Unaufhörlichkeit seines Strebens schlechterdings durchdrungen, bis es aufhörte.“ (S.550)


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