1.
Geschichte und
Zweck der Porträtbüste
2.
Allgemeine
Beschreibung
3.
Detaillierte
Beschreibung bzw. Einflüsse und Vorbilder
1.
In der Stiftskirche zu Cappenberg befindet sich seit
dem 12.Jhd ein ehrwürdiges Kleinod in Form einer Porträtbüste aus vergoldeter Bronze.
Diese kleine Skulptur gehört zu mehreren Geschenken, die Friedrich I Barbarossa
seinem Taufpaten und weitschichtig mit den Staufern verwandten, Otto von
Cappenberg
machte.
Zusammen mit seinem Bruder Graf Gottfried ist Otto von
Cappenberg für die Einführung des Prämonstratenser Ordens in Westfalen
verantwortlich. Schloß Cappenberg wurde in ein Stift umgewandelt und die
kaiserlichen Geschenke wurden der Kirche gewidmet.
Zu diesen Geschenken gehörte auch eine Art Taufschale,
als welche die heute in Berlin befindliche Cappenberger Schale anzusehen ist.
Druckstellen auf der Schale lassen vermuten, dass der Untersatz samt Kopf
einmal auf dieser Schale geruht haben muß.
Die zweizeilige Inschrift, die sich rund um die
Taufdarstellung befindet, erklärt dass es sich um ein Geschenk Friedrichs an
Otto handelt, welches dieser dann Gott geweiht habe und weist auf die
reinigende und stärkende Kraft der Taufe hin.
Die Taufdarstellung selbst
zeigt eine sogenannte Immersionstaufe. Bei dieser Form der Taufe steht der
Täufling im Wasser und wird darin untergetaucht. Der Täufling wird als „
Fridericus Imperator „ bezeichnet und ein als „ Otto „ benannter Mann hält in
am Arm. Zweifellos handelt es sich hier um Otto von Cappenberg.
Die Büste wird jedoch nicht
nur mit der Taufschale sondern auch mit einem Reliquienkreuz in Verbindung
gebracht.
Das Kreuz gelangte in den Besitz der Cappenberger als
Friedrich II von Schwaben, der Vater Barbarossas und weitläufiger Verwandter
der Cappenberger, es gegen Burgen in Süddeutschland eintauschte. In diesem
Kreuz befanden sich kleine Tuchstücke mit dem Blut Christi, Partikel vom Kreuz
und Rock des Herrn, Haare Marias, Blumen aus ihrer Hand, dann Kopf- und
Barthaare des Evangelisten Johannes, Tuchstücke mit dem Blut des Täufers sowie Reliquien
des hl.Augustinus und der hl.Katharina.
Friedrich II soll später den Tausch schwer bereut
haben, da seine Unternehmungen seit Weggabe des Kreuzes nicht mehr den
gewünschten Erfolg brachten. Genau dieses Kreuz ermöglichte es Otto das Porträt
des Kaisers als Johannesreliquiar zu bezeichnen.
Laut Herbert Grundmann ist es kaum möglich gewesen,
dem Kopf wegen des Knotens der Halsbinde das Kreuz umzuhängen.
So hat Otto Haare des Johannes im Kopf unterbrachte. Die
Weihe des Kopfes an den Heiligen wird ebenfalls durch eine Inschrift
ausgesprochen, die Otto an den beiden Bändern des Porträtkopfes und den oberen
Zinnenkranz des Sockels anbringen ließ. Im Zuge dessen hat er wohl auch einen
der Trage – Engel durch seine Figur ersetzen lassen. Gerade dieses Figürchen
fehlt heute. Jedoch ist die Inschrift „ Otto „ auf dem ihr vorgelagerten Zinnen
als Identifizierung der kleinen Tragefigur zu deuten.
Vorgesehen war der
Verwendungszweck der Büste als Johannesreliquiar seitens Barbarossas wohl kaum.
Ob er das Haupt als Gnadenerweis und zweckfreies Geschenk an seinen Taufpaten
gab oder ob es doch als Stifterbildnis für das Reliquienkreuz nach Cappenberg
geschickt wurde, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen.
Nach dem Tode Ottos 1171
wurden die Reliquien wieder vom Kopf getrennt und in einer Staurothek untergebracht.
In dieser neuen Fassung hat das Reliquienkreuz lange
überlebt, fiel jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit der Säkularisierung zum
Opfer.
Die Büste selbst blieb, wenn auch leicht beschädigt,
bis heute erhalten. Diese Skulptur, die das Antlitz einer lebenden
Persönlichkeit festhielt, stellt eine Einmaligkeit in der Kunst des
Mittelalters dar.
2.
Den Grundbau bildet ein achteckiger, an vier Ecken von
Drachen artigen Körpern getragener Zinnenkranz mit vier abwechselnd runden und
quadratischen Türmen.
Die Mauerzüge dazwischen sind mit 24 Zinnen bestückt.
Im Innenraum steht auf einer profilierten Basis ein kleiner nach allen Seiten
geöffneter ziboriumartiger
Bau, der auch die Platte des Zinnenreifs trägt.
Zwischen den Türmen, innerhalb des Mauerrings, stehen
nach außen gewandte Engel im Schrittstand. Gebeugt unter der von ihnen
getragenen Last biegt sich ihr Oberkörper. Trotzdem strahlt das Ganze eine
gewisse Leichtigkeit aus. Nur der jeweils vordere Fuß ist vollständig auf den
Boden gesetzt, während der hintere nur mit den Zehen den Boden berührt. Türme
und Engel besetzen so abwechselnd die Ecken des Achtecks.
Die Engel stehen dabei, wohl absichtlich, direkt über
dem darunter liegenden Drachen. Mit erhobenen Händen tragen sie einen nach
außen geneigten Zinnenreif mit 16 Zinnen.
In diesem Reif steht das
grazil ausgearbeitete Haupt des Kaisers, das von den weit geöffneten Augen
beherrscht wird.
Zwei Linienbögen zwischen den
Augenbrauen und den oberen Augenlidern verstärken den Eindruck des
eindringlichen und streng geradeaus gerichteten Blickes.
Die Augen bestehen aus Silbereinlagen, in die die Iris
nielliert
war und Edelsteine die Pupillen bildeten. Diese wurden jedoch im 19.Jhd durch
Emaille ersetzt. Die Nase ist fein und relativ lebensnah geformt und steigt am
Ende des Nasenbeines leicht an. Der Mund ist geschlossen. Über den gewölbten
Lippen liegt ein nahezu waagrecht nach außen stehender Oberlippenbart.
Nach unten schließt zum Kinn ein knapper Bartwuchs an.
Ein kurzer Bart säumt das Gesicht bis zur Schläfe. Auch hier sind die Haare
abschnittweise zu Locken gedreht.
Sehr naturalistisch wiedergegeben sind die
Ohrmuscheln, von denen die rechte etwas dichter am Kopf anliegt.
Die Stirn ist mit einer, vom übrigen Haar durch eine
reifenförmige Fläche abgetrennten, Reihe zierlicher Locken belegt, in jeder
Gesichtshälfte fünf, wobei die beiden mittleren leicht nach außen gedreht mit
den Augenbrauen einen rautenförmigen Raum freigeben.
Der Hinterkopf zeigt zu beiden Seiten der Schleife je
vier Locken.
Die Haarkappe über den reifenförmigen Fläche ist von
einer Vielzahl geflochten wirkender Buckellocken bedeckt. Nur die unterste
Reihe der Haarbüschel ist am Ende zu kleinen Löckchen gedreht, vielleicht um den
Anschein zu erwecken, dass die Haare durch das Anstoßen auf den in der
reifenförmigen Fläche ruhenden Gegenstand zurückgestaut werden. Die
reifenförmige Stelle am Kopf markiert eine Fehlstelle.
Das Haupt des Kaisers könnte
hier nach Art der antiken Imperatoren mit einer Herrscherbinde oder einem Kranz
bekrönt gewesen sein, der im Zuge der Säkularisierung verloren ging.
Der kegelstumpfförmige Hals
wird durch zwei glatte beschriftete Bänder gegliedert, deren oberes durch eine
Schleife geschürzt wird, die auf das untere Band herabhängt.
Da der Kopf durchgehend vergoldet ist, ist nicht zu
bestimmen, ob das obere, mit einer Schleife unter dem Kinn geschlossene Band
einen unabhängigen Gegenstand meint. Wahrscheinlich zeigt diese Band die Borte
von Barbarossas Tunica.
Das untere Band könnte die Borte des schwereren,
tiefer liegenden Mantels zeigen, dessen Schließe durch die Schleife verdeckt
wird.
Jedes der beiden Bänder bzw. Borten trägt eine
Inschrift, die links neben der Schleife mit einem Kreuzeszeichen beginnen.
„ Was hier verwahrt wird, stammt vom Haar des
Johannes, die dich im Gebete bestürmen, erhöre, heiliger Johannes.“ Eine
Fortsetzung erhalten diese Inschriften durch zwei weitere, in kleinen Lettern
gegebene Verspaare, von denen das erste auf die Zinnen des Zinnreifes, das
zweite auf den Reif selbst graviert ist. „ Offenbarungseher, nimm gnädig an die
dir gestiftete Gabe; und, Huldvoller, durch Fürbitte eile zu Hilfe dem Geber
Otto.“
Wie aus der Namensnennung Ottos und dem Hinweis auf
Johannes hervorgeht, gehört diese Inschrift jedoch nicht zum ursprünglichen
Bestand. Sie wird vielmehr erst anlässlich der Stiftung des Kopfes durch Otto
von Cappenberg eingraviert worden sein.
3.
Der Gesamtaufbau der Skulptur bietet von unten nach
oben eine Folge von drei Ebenen:
Zunächst die architektonische
Ordnung des Mauerrings mit den vier Türmen, dann die darauf aufsitzende Ebene
der Engel, die den Zinnenreif tragen, schließlich die Büste des Kaisers.
Es wurde wiederholt
angenommen, dass der Zinnreif mit dem darauf sitzenden Kopf ursprünglich nicht
zusammen gehörte.
Gerechtfertigt wurde diese Annahme damit, dass sich
der Hals des Bildnisses nur bedingt in den Zinnenreif einfügen lässt. Denn
während der Reif die Form eines fast regelmäßigen Kreises bildet, stellt die
Abschlusslinie des Halses kaum wahrnehmbar eine Ellipse dar.
Wenn Otto von Cappenberg nachträglich einen Sockel
anfertigen ließ, dann müsste man dieselbe Frage erheben, warum der Sockel nicht
genau passt.
Und gegen die Verwendung eines zufällig vorhandenen
Sockels spricht die Einheitlichkeit des Gesamtaufbaus.
Man beachte hierzu die durchlaufende Konturlinie vom
Halsansatz des Kopfes bis zu den Drachenfüßen und dass die Zapfen der Büste
durch die Engel verdeckt werden. Für eine zufällige Vereinigung passen
letztlich Sockel und Büste doch erstaunlich gut zueinander. Es wäre durchaus
möglich, dass dem Meister ein Irrtum unterlief, und die Ellipsenform der Büste
unbeachtet blieb.
Schließlich ist noch zu bemerken, dass der Porträtkopf
wegen seiner langen Zapfen immer eine Sockelung besitzen musste und
höchstwahrscheinlich dem Grafen auch mit einem Sockel übergeben wurde. Man kann
also davon ausgehen, dass die Kombination Sockel und Porträtkopf die
ursprüngliche Version ist und auch so vom Kaiser bestellt wurde.
Auch wenn sich Verdächtigungen des Unterbaus als
nachträglich angebracht widerlegen lassen, so besagen sie doch, dass eine
schlüssige Deutung des gesamten Werkes noch aussteht – und dass die Deutung des
Sockelbaus den Kern des Problems bildet.
Lange Zeit wurde der
architektonische Sockelbereich, da er ja als nachträglich zugefügt galt, wenig
beachtet. Eher beiläufig wurde er im Hinblick auf die Engel als „ Himmlisches
Jerusalem „ gedeutet.
Doch nicht nur die Engel
wiesen darauf hin, sondern auch die an den Text der Apokalypse erinnernde
Regelhaftigkeit der in diesem Bildwerk gezeigten Zahlen, die auf mehrere Art
und Weise die Zahl 4 umspielen: die achteckige Grundfläche mit 4 Türmen und 4
Engeln zwischen ihnen, die 24 Zinnen im Mauerring und die 16 Zinnen im oberen
Zinnenreif.
Diese Vervielfachung der vollendeten Zahl könnte auf
das vorhin genannte „ himmlische Jerusalem „ der Apokalypse hindeuten, das
immer wieder durch die Zahl 4 bestimmt ist.
Gegen diese These wendet sich Hermann Fillitz. Er verweist
auf königliche und kaiserliche Bullen Barbarossas, die innerhalb eines
Mauerrings die Halbfigur des Kaisers mit Szepter und Sphaira zeigen.
So erklärte er den unteren Mauerring für Rom.
Vermutlich geht diese Art des Bullenbildes auf Heinrich IV oder Heinrich V
zurück, die dadurch ihren Anspruch auf Rom als kaiserliche Stadt gegenüber dem
Herrschaftsanspruch der Päpste bildlich formulierten. Nach Fillitz Ansicht
wurde dasselbe was auf dem Bullenbild Barbarossas dargestellt ist, im
Cappenberger Kopf ins Dreidimensionale umgesetzt und bewusst an die
spätrömischen Kaiserporträts angelehnt. Ob es eine bestimmte römische Skulptur
mit der Darstellung eines Imperators gab, an die der Cappenberger Kopf anschloss,
lässt sich nicht beantworten.
Zwei wesentliche Merkmale wurden jedoch übernommen:
die Porträttreue und die Kennzeichnung durch die Imperatorenbinde mit dem
Knoten. Was die Porträttreue betrifft so folgte der Künstler ganz der damaligen
künstlerischen Tradition, die sich so weit es ging bemühte das Wesentlichste
eines Gesichtes festzuhalten und ihm gelang es für seine Zeit hervorragend die
individuellen Züge des Herrschers bildhaft festzuhalten.
Durch die Dreidimensionalität
des Werkes war es nötig eine Verbindung zwischen Kopf und Mauerring zu schaffen.
Zu diesem Zwecke wurden
vielleicht die tragenden Engel geschaffen. Für das Motiv gibt könnten römische
Kaiser als Vorbild gedient haben.
Auf dem Gebiet der Skulptur ist durchaus der Typus der
Herrscherbüste, die von einer kleinen Victoriagestalt getragen wird, bekannt.
Besondere Bedeutung erlangte diese Victoriadarstellung in der staatlichen
Repräsentation der Spätantike. So waren den Armlehnen der architektonisch
aufgefassten Amtssessel der Consuln kleine Victorien vorgesetzt, die in einem
erhobenen Kranzrund die Büsten der Kaiser zeigten. Noch bedeutsamer wurde für
die christliche Kunst eine frühe Abwandlung des Victoria Motivs, die in
vielfältigster Weise verwendet wurde: die Verdoppelung der Victoria, die
gemeinsam ein Schild oder einen Kranz mit einem Brustbild erheben.
Als das Christentum nach Constantins Sieg in den
staatlichen Bereich eintrat, übernahm er zu Darstellung allen Thronen und
Herrschaften gebietenden Herrn die Darstellungsmittel der römischen
Imperatoren. So trat Christus in die Victoria – Ikonographie ein. Es umgaben
ihn, kennzeichnend für seine alles überwindende Herrschaft die Engel des
Sieges, die im Laufe des 5.Jh die Gestalt der Victoria übernommen hatten.
Erhoben zuvor Victorien den sieghaften Imperator, so erhoben nun Engel in
Victoriagestalt den überweltlichen Sieger Christus.
In dem Ausmaß, in dem das Christentum die weltlichen
Herrschaften durchdrang, griffen die Herrscher auf die christlichen Bildmittel
zurück und konnten dies auch herrschaftstheologisch begründen. Sie waren ja
nichts anderes als die Stellvertreter Christi aus Erden. Ihnen galt die
besondere Zuwendung Gottes, der ihnen Sieg und Herrschaft verlieh.
Der Victoria – Charakter der
Engel mag nun auch den Mauerring des Cappenberger Kopfes erklären.
Der Künstler des Cappenberger
Werkes wählte für die erhebenden Engel des Sieges den anderen verfügbaren
Siegeskranz: den Mauerkranz und er markierte dieses Kranz oder Kronenartige
dadurch, dass er den oberen Reif zarter als den Mauerring wiedergab und dessen
Zinnen zweckwidrig mit einer Neigung nach außen versah.
Der Sockelbereich des Cappenberger Kopfes stellt nicht
einfach nur eine Stadt dar, vielmehr verweisen die Engel in Victoriagestalt auf
den Sitz des sieghaften Herrschers. Im Hinblick auf den antik – römischen
Habitus Kaiser Barabrossas, kann dieser Sitz nur als Rom verstanden werden. So
findet die früher vorgelegte Deutung des unteren Bereichs als Rom eine
Bestätigung, die mit dem gesamten Werk stimmig ist. Das anfangs erwähnte Motiv
des „himmlischen Jerusalem „ diente wohl eher als Formulierungshilfe und war
nicht tatsächliches Ziel der Darstellung.
Die erkennbare hierarchische Gesamtgestalt ermöglicht
auch eine Deutung der das ganze Bildwerk tragenden Drachenfüße.
Drachen tauchen zwar in den Kleinplastiken des 12.Jh
auf, sind jedoch eine eher seltene Erscheinung, vor allem in Form von Füßen. Im
neuen Testament treten Drachen nur in der Apokalypse auf.
Man kann die Überordnung der Engel über die Drachen
als die Überwindung der durch sie repräsentierten Welt durch die Engel
verstehen
Wie schon kurz erwähnt
vertrat Hermann Fillitz die Meinung, dass der Cappenberger Kopf Anlehnung an
die spätantiken Imperatorenbüsten nimmt. Reinhard Hoeps jedoch weist in seiner
Abhandlung darauf hin, dass nicht allgemein spätantike Vorbilder Verwendung
fanden, sondern ganz speziell das Bild des Augustus. Betrachtet man nämlich die
Locken auf der Stirn der Barbarossa Büste, entsprechen diese, natürlich in
mittelalterlicher Stilisierung, sehr genau der Haarordnung, die die bedeutendste
Gruppe der Augustus Bildnisse zeigt.
Renate Tölle – Kastenbein hat
in der Frage nach den Einflüssen und etwaigen Vorbildern einen ganz anderen
Ansatz. Da das Werk in seiner Porträthaftigkeit im Abendland einzigartig ist,
suchte sie in anderen Kulturen nach Vorbildern.
Diese findet sie in den Bildnissen des Königs Shapur
II, der zwischen 309 und 379 n.Chr. über das Sassanidenreich herrschte.
Daraus schließt sie, dass der Meister des Cappenberger
Kopfes diesen nicht ohne Kenntnis des sassanidischen Werkes geschaffen haben
kann. Wenn der Barbarossakopf als Nachfolger dieser sassanidischen Werke
betrachtet werden kann, dann finden die Bänder an seinem Hals, auch wenn sie
ursprünglich nicht für eine Beschriftung konzipiert waren, eine sinnvolle
Erklärung. Denn schon die Büste Shapurs II war mit einer Halsbinde verziert.
Die Kenntnis orientalischer Kunstwerke im Abendland
wird auf die Kreuzzüge und die Auseinandersetzung mit Byzanz, das durch die
Eroberung Armeniens, Nordmesopotamiens und Nordsyriens im 10.Jh die Verbindung
mit dem Osten wiederherstellte, zurückgeführt.
Dieses ausländische Vorbild macht es jedoch unmöglich,
den Barbarossakopf einer europäischen Werkstatt stilistisch zuzuordnen.
Tölle – Kastenbein, die das Königsporträt für
zweckfrei hält kommt zu dem Ergebnis, dass das Werk nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt war, wie z.B. Münzen und Siegel oder Reliefbilder.
Barbarossa ließ sich selbst in getreuer Nachbildung seiner Zeit darstellen und
insofern ist der Cappenberger Kopf kein Symbol, kein Zeichen politischen
Selbstbewusstseins oder Herrscherwillens sondern ein zweckfreies, porträthaftes
und künstlerisch hochwertiges Bildnis.
Die bisherigen Untersuchungen
des Cappenberger Kopfes kommen bezüglich des Verwendungszwecks der Büste zu
verschiedenen Aussagen. Einige Autoren halten das Bildnis für ein zweckfreies
und privates Geschenk, während andere es für ein Stifterbildnis halten. Manche
sehen es auch als politische Manifestation und Ausdruck einer Herrschaftsidee.
Für den Kopf als Ganzes und
für das Motiv ihn Otto zu schenken, lässt sich jedoch eine plausible Erklärung
finden: Die Schenkung ist Ausdruck der geistlichen Verbundenheit und rückt Otto
als Mittelsmann des Kaisers bei Gott ins rechte Licht. Genau diese Vermittlung
wird auch in der Inschrift der Schale angedeutet. Es war Ottos vornehmste
Aufgabe für den Kaiser zu beten und Gottes Gnade auf ihn herabzurufen.
In der Totenverehrung herrschte die Auffassung, dass
ein beliebiger Teil aus dem Besitz des Verstorbenen dessen Anwesenheit in der
Gemeinschaft derer, die seiner gedachten, sicherstellen sollte. Vor allem aber
war es äußerst wichtig, dass eine abwesende Person durch ihren richtigen Namen
repräsentiert und im Gebet Gott auch unverwechselbar empfohlen wurde. Im
Hinblick auf diese Tatsache findet die Porträthaftigkeit des Cappenberger
Kopfes eine einleuchtende Erklärung. Sie ist eine Art Umsetzung der
Namensnennung und gewährleistet eine Unverwechselbarkeit.
Der Kaiser soll nicht nur durch seinen im liturgischen
Gedenkbuch eingetragenen Namen anwesend sein, sondern leibhaftiger.
Gerade die staufische Kunst bietet ein Beispiel
ähnlicher Art, wie ein liturgisches Namensgedächtnis in Dreidimensionalität
übersetzt wurde. Zu nennen sind hier die Stifterfiguren von Naumburg. Es handelt sich bei ihnen
um längst verstorbene Wohltäter der Kirche, deren Namen in den Totenbüchern des
Domes erscheinen und deren Antlitz noch einmal in plastischer Form im Chor des
Domes aufgeführt sind.
So war auch für Otto von
Cappenberg die Büste eine ständige Mahnung, das Gebet für den Kaiser nicht zu
vergessen. Barbarossa hat durch die Schenkung an einem ihm in besonderer Weise
verbundenen Gottesmann und die damit verbundene Hervorhebung von Taufe und
Patenschaft seiner in der Büste manifestierten Herrschaftsidee eine sakrale
Grundlage gegeben, die von der kirchlichen Hierarchie relativ unabhängig blieb.
Otto wird zum geistlichen
Mittelsmann aufgerufen. Durch die in der Büste plastisch dargestellte
Namensnennung ist Friedrich im Gebet Ottos präsent und sein im Bildnis interpretierter
Name wird so Gott geweiht.
Abschließend kann man sagen, dass dem Werk durch
Veranlasser und Gestalter untilgbar sein Gehalt eingeformt ist: Siegespreisung
Friedrichs zu sein, Ausdruck stolzer Selbstvergewisserung, die im antiken
Römertum wurzelt, sich dann aber auch in Freiheit, Vertrauen und tiefem Wissen
zum göttlichen hin emporschwingt.
Der Cappenberger Barbarossakopf stellt in seiner Art
und Weise eine Einmaligkeit in der zeitgenössischen Metallkunst des 12.Jhd und
des gesamten Mittelalters dar.
Zuletzt konnte man ihn in der
Ausstellung Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation vom 28. August bis 10.
Dezember 2006 im Kulturhistorischen
Museum Magdeburg und im Deutschen
Historischen Museum in Berlin sehen
·
Wolfgang Christian
Schneider, Die Kaiserapotheose Friedrich Barbarossas im Cappenberger Kopf: ein
Zeugnis staufischer Antikerneuerung, in: Castrum Peregrini, 217/218. 1995, S. 7
– 56
·
Reinhard Hoeps, Der
Cappenberger Barbarossakopf, in: Das Münster im Hellweg, 31.1978, S. 29 – 65
·
Willibald Sauerländer, Die
bildende Kunst der Stauferzeit, in: Die Zeit der Staufer: Geschichte , Kunst,
Kultur; Katalog der Ausstellung, S. 205 – 229, Württembergisches Landesmuseum,
Stuttgart, 1977,
·
Hermann Fillitz, Der
Cappenberger Barbarossakopf, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst III, Bd.
14, S. 39 – 50, 1963
·
Peter Kurmann, Die Zeit
der Staufer, Bemerkungen zur Ausstellung im Württembergischen Landesmuseum, in:
Kunstchronik, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München,S. 505 –
517, Verlag Hans Carl, Nürnberg, 1977