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Seminararbeit / Hausarbeit

Der Cappenbe­rger Barbaros­sakopf - Das Herrsche­rbild im Mittelal­ter

2.967 Wörter / ~13 Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Jasmine M. im Jan. 2012
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Seminararbeit
Kunst/Design

Universität, Schule

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

Note, Lehrer, Jahr

2010

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Jasmine M. ©
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Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 14316







 

1.     Geschichte und Zweck der Porträtbüste

2.     Allgemeine Beschreibung

3.     Detaillierte Beschreibung bzw. Einflüsse und Vorbilder

 

 

 

1.

In der Stiftskirche zu Cappenberg befindet sich seit dem 12.Jhd ein ehrwürdiges Kleinod in Form einer Porträtbüste aus vergoldeter Bronze. Diese kleine Skulptur gehört zu mehreren Geschenken, die Friedrich I Barbarossa seinem Taufpaten und weitschichtig mit den Staufern verwandten, Otto von Cappenberg[1] machte.

Zusammen mit seinem Bruder Graf Gottfried ist Otto von Cappenberg für die Einführung des Prämonstratenser[2] Ordens in Westfalen verantwortlich. Schloß Cappenberg wurde in ein Stift umgewandelt und die kaiserlichen Geschenke wurden der Kirche gewidmet.

Zu diesen Geschenken gehörte auch eine Art Taufschale, als welche die heute in Berlin befindliche Cappenberger Schale anzusehen ist. Druckstellen auf der Schale lassen vermuten, dass der Untersatz samt Kopf einmal auf dieser Schale geruht haben muß.

Die zweizeilige Inschrift, die sich rund um die Taufdarstellung befindet, erklärt dass es sich um ein Geschenk Friedrichs an Otto handelt, welches dieser dann Gott geweiht habe und weist auf die reinigende und stärkende Kraft der Taufe hin.

Die Taufdarstellung selbst zeigt eine sogenannte Immersionstaufe. Bei dieser Form der Taufe steht der Täufling im Wasser und wird darin untergetaucht. Der Täufling wird als „ Fridericus Imperator „ bezeichnet und ein als „ Otto „ benannter Mann hält in am Arm. Zweifellos handelt es sich hier um Otto von Cappenberg.

Die Büste wird jedoch nicht nur mit der Taufschale sondern auch mit einem Reliquienkreuz in Verbindung gebracht.

Das Kreuz gelangte in den Besitz der Cappenberger als Friedrich II von Schwaben, der Vater Barbarossas und weitläufiger Verwandter der Cappenberger, es gegen Burgen in Süddeutschland eintauschte. In diesem Kreuz befanden sich kleine Tuchstücke mit dem  Blut Christi, Partikel vom Kreuz und Rock des Herrn, Haare Marias, Blumen aus ihrer Hand, dann Kopf- und Barthaare des Evangelisten Johannes, Tuchstücke mit dem Blut des Täufers sowie Reliquien des hl.Augustinus und der hl.Katharina.

Friedrich II soll später den Tausch schwer bereut haben, da seine Unternehmungen seit Weggabe des Kreuzes nicht mehr den gewünschten Erfolg brachten. Genau dieses Kreuz ermöglichte es Otto das Porträt des Kaisers als Johannesreliquiar zu bezeichnen.

Laut Herbert Grundmann ist es kaum möglich gewesen, dem Kopf wegen des Knotens der Halsbinde das Kreuz umzuhängen.

So hat Otto Haare des Johannes im Kopf unterbrachte. Die Weihe des Kopfes an den Heiligen wird ebenfalls durch eine Inschrift ausgesprochen, die Otto an den beiden Bändern des Porträtkopfes und den oberen Zinnenkranz des Sockels anbringen ließ. Im Zuge dessen hat er wohl auch einen der Trage – Engel durch seine Figur ersetzen lassen. Gerade dieses Figürchen fehlt heute. Jedoch ist die Inschrift „ Otto „ auf dem ihr vorgelagerten Zinnen als Identifizierung der kleinen Tragefigur zu deuten.

Vorgesehen war der  Verwendungszweck der Büste als Johannesreliquiar seitens Barbarossas wohl kaum. Ob er das Haupt als Gnadenerweis und zweckfreies Geschenk an seinen Taufpaten gab oder ob es doch als Stifterbildnis für das Reliquienkreuz nach Cappenberg geschickt wurde, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen.

Nach dem Tode Ottos 1171 wurden die Reliquien wieder vom Kopf getrennt und in einer Staurothek[3] untergebracht.

In dieser neuen Fassung hat das Reliquienkreuz lange überlebt, fiel jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit der Säkularisierung zum Opfer.

Die Büste selbst blieb, wenn auch leicht beschädigt, bis heute erhalten. Diese Skulptur, die das Antlitz einer lebenden Persönlichkeit festhielt, stellt eine Einmaligkeit in der Kunst des Mittelalters dar.

 

 

2.

Den Grundbau bildet ein achteckiger, an vier Ecken von Drachen artigen Körpern getragener Zinnenkranz mit vier abwechselnd runden und quadratischen Türmen.

Die Mauerzüge dazwischen sind mit 24 Zinnen bestückt. Im Innenraum steht auf einer profilierten Basis ein kleiner nach allen Seiten geöffneter ziboriumartiger[4] Bau, der auch die Platte des Zinnenreifs trägt.

Zwischen den Türmen, innerhalb des Mauerrings, stehen nach außen gewandte Engel im Schrittstand. Gebeugt unter der von ihnen getragenen Last biegt sich ihr Oberkörper. Trotzdem strahlt das Ganze eine gewisse Leichtigkeit aus. Nur der jeweils vordere Fuß ist vollständig auf den Boden gesetzt, während der hintere nur mit den Zehen den Boden berührt. Türme und Engel besetzen so abwechselnd die Ecken des Achtecks.

Die Engel stehen dabei, wohl absichtlich, direkt über dem darunter liegenden Drachen. Mit erhobenen Händen tragen sie einen nach außen geneigten Zinnenreif mit 16 Zinnen.

In diesem Reif steht das grazil ausgearbeitete Haupt des Kaisers, das von den weit geöffneten Augen beherrscht wird.

Zwei Linienbögen zwischen den Augenbrauen und den oberen Augenlidern verstärken den Eindruck des eindringlichen und streng geradeaus gerichteten Blickes.

Die Augen bestehen aus Silbereinlagen, in die die Iris nielliert[5] war und Edelsteine die Pupillen bildeten. Diese wurden jedoch im 19.Jhd durch Emaille ersetzt. Die Nase ist fein und relativ lebensnah geformt und steigt am Ende des Nasenbeines leicht an. Der Mund ist geschlossen. Über den gewölbten Lippen liegt ein nahezu waagrecht nach außen stehender Oberlippenbart.

Nach unten schließt zum Kinn ein knapper Bartwuchs an. Ein kurzer Bart säumt das Gesicht bis zur Schläfe. Auch hier sind die Haare abschnittweise zu Locken gedreht.

Sehr naturalistisch wiedergegeben sind die Ohrmuscheln, von denen die rechte etwas dichter am Kopf anliegt.

Die Stirn ist mit einer, vom übrigen Haar durch eine reifenförmige Fläche abgetrennten, Reihe zierlicher Locken belegt, in jeder Gesichtshälfte fünf, wobei die beiden mittleren leicht nach außen gedreht mit den Augenbrauen einen rautenförmigen Raum freigeben.

Der Hinterkopf zeigt zu beiden Seiten der Schleife je vier Locken.

Die Haarkappe über den reifenförmigen Fläche ist von einer Vielzahl geflochten wirkender Buckellocken bedeckt. Nur die unterste Reihe der Haarbüschel ist am Ende zu kleinen Löckchen gedreht, vielleicht um den Anschein zu erwecken, dass die Haare durch das Anstoßen auf den in der reifenförmigen Fläche ruhenden Gegenstand zurückgestaut werden. Die reifenförmige Stelle am Kopf markiert eine Fehlstelle.

Das Haupt des Kaisers könnte hier nach Art der antiken Imperatoren mit einer Herrscherbinde oder einem Kranz bekrönt gewesen sein, der im Zuge der Säkularisierung verloren ging.

Der kegelstumpfförmige Hals wird durch zwei glatte beschriftete Bänder gegliedert, deren oberes durch eine Schleife geschürzt wird, die auf das untere Band herabhängt.

Da der Kopf durchgehend vergoldet ist, ist nicht zu bestimmen, ob das obere, mit einer Schleife unter dem Kinn geschlossene Band einen unabhängigen Gegenstand meint. Wahrscheinlich zeigt diese Band die Borte von Barbarossas Tunica.

Das untere Band könnte die Borte des schwereren, tiefer liegenden Mantels zeigen, dessen Schließe durch die Schleife verdeckt wird.

Jedes der beiden Bänder bzw. Borten trägt eine Inschrift, die links neben der Schleife mit einem Kreuzeszeichen beginnen.

„ Was hier verwahrt wird, stammt vom Haar des Johannes, die dich im Gebete bestürmen, erhöre, heiliger Johannes.“ Eine Fortsetzung erhalten diese Inschriften durch zwei weitere, in kleinen Lettern gegebene Verspaare, von denen das erste auf die Zinnen des Zinnreifes, das zweite auf den Reif selbst graviert ist. „ Offenbarungseher, nimm gnädig an die dir gestiftete Gabe; und, Huldvoller, durch Fürbitte eile zu Hilfe dem Geber Otto.“

Wie aus der Namensnennung Ottos und dem Hinweis auf Johannes hervorgeht, gehört diese Inschrift jedoch nicht zum ursprünglichen Bestand. Sie wird vielmehr erst anlässlich der Stiftung des Kopfes durch Otto von Cappenberg eingraviert worden sein.

 

 

3.

Der Gesamtaufbau der Skulptur bietet von unten nach oben eine Folge von drei Ebenen:

Zunächst die architektonische Ordnung des Mauerrings mit den vier Türmen, dann die darauf aufsitzende Ebene der Engel, die den Zinnenreif tragen, schließlich die Büste des Kaisers.

Es wurde wiederholt angenommen, dass der Zinnreif mit dem darauf sitzenden Kopf ursprünglich nicht zusammen gehörte.

Gerechtfertigt wurde diese Annahme damit, dass sich der Hals des Bildnisses nur bedingt in den Zinnenreif einfügen lässt. Denn während der Reif die Form eines fast regelmäßigen Kreises bildet, stellt die Abschlusslinie des Halses kaum wahrnehmbar eine Ellipse dar.

Wenn Otto von Cappenberg nachträglich einen Sockel anfertigen ließ, dann müsste man dieselbe Frage erheben, warum der Sockel nicht genau passt.

Und gegen die Verwendung eines zufällig vorhandenen Sockels spricht die Einheitlichkeit des Gesamtaufbaus.

Man beachte hierzu die durchlaufende Konturlinie vom Halsansatz des Kopfes bis zu den Drachenfüßen und dass die Zapfen der Büste durch die Engel verdeckt werden. Für eine zufällige Vereinigung passen letztlich Sockel und Büste doch erstaunlich gut zueinander. Es wäre durchaus möglich, dass dem Meister ein Irrtum unterlief, und die Ellipsenform der Büste unbeachtet blieb.

Schließlich ist noch zu bemerken, dass der Porträtkopf wegen seiner langen Zapfen immer eine Sockelung besitzen musste und höchstwahrscheinlich dem Grafen auch mit einem Sockel übergeben wurde. Man kann also davon ausgehen, dass die Kombination Sockel und Porträtkopf die ursprüngliche Version ist und auch so vom Kaiser bestellt wurde.

Auch wenn sich Verdächtigungen des Unterbaus als nachträglich angebracht widerlegen lassen, so besagen sie doch, dass eine schlüssige Deutung des gesamten Werkes noch aussteht – und dass die Deutung des Sockelbaus den Kern des Problems bildet.

Lange Zeit wurde der architektonische Sockelbereich, da er ja als nachträglich zugefügt galt, wenig beachtet. Eher beiläufig wurde er im Hinblick auf die Engel als „ Himmlisches Jerusalem „ gedeutet.

 

Doch nicht nur die Engel wiesen darauf hin, sondern auch die an den Text der Apokalypse erinnernde Regelhaftigkeit der in diesem Bildwerk gezeigten Zahlen, die auf mehrere Art und Weise die Zahl 4 umspielen: die achteckige Grundfläche mit 4 Türmen und 4 Engeln zwischen ihnen, die 24 Zinnen im Mauerring und die 16 Zinnen im oberen Zinnenreif.

Diese Vervielfachung der vollendeten Zahl könnte auf das vorhin genannte „ himmlische Jerusalem „ der Apokalypse hindeuten, das immer wieder durch die Zahl 4 bestimmt ist.

Gegen diese These wendet sich Hermann Fillitz. Er verweist auf königliche und kaiserliche Bullen Barbarossas, die innerhalb eines Mauerrings die Halbfigur des Kaisers mit Szepter und Sphaira[6] zeigen.

So erklärte er den unteren Mauerring für Rom. Vermutlich geht diese Art des Bullenbildes auf Heinrich IV oder Heinrich V zurück, die dadurch ihren Anspruch auf Rom als kaiserliche Stadt gegenüber dem Herrschaftsanspruch der Päpste bildlich formulierten. Nach Fillitz Ansicht wurde dasselbe was auf dem Bullenbild Barbarossas dargestellt ist, im Cappenberger Kopf ins Dreidimensionale umgesetzt und bewusst an die spätrömischen Kaiserporträts angelehnt. Ob es eine bestimmte römische Skulptur mit der Darstellung eines Imperators gab, an die der Cappenberger Kopf anschloss, lässt sich nicht beantworten.

Zwei wesentliche Merkmale wurden jedoch übernommen: die Porträttreue und die Kennzeichnung durch die Imperatorenbinde mit dem Knoten. Was die Porträttreue betrifft so folgte der Künstler ganz der damaligen künstlerischen Tradition, die sich so weit es ging bemühte das Wesentlichste eines Gesichtes festzuhalten und ihm gelang es für seine Zeit hervorragend die individuellen Züge des Herrschers bildhaft festzuhalten.

Durch die Dreidimensionalität des Werkes war es nötig eine Verbindung zwischen Kopf und Mauerring zu schaffen.

Zu diesem Zwecke wurden vielleicht die tragenden Engel geschaffen. Für das Motiv gibt könnten römische Kaiser als Vorbild gedient haben.

Auf dem Gebiet der Skulptur ist durchaus der Typus der Herrscherbüste, die von einer kleinen Victoriagestalt getragen wird, bekannt. Besondere Bedeutung erlangte diese Victoriadarstellung in der staatlichen Repräsentation der Spätantike. So waren den Armlehnen der architektonisch aufgefassten Amtssessel der Consuln kleine Victorien vorgesetzt, die in einem erhobenen Kranzrund die Büsten der Kaiser zeigten. Noch bedeutsamer wurde für die christliche Kunst eine frühe Abwandlung des Victoria Motivs, die in vielfältigster Weise verwendet wurde: die Verdoppelung der Victoria, die gemeinsam ein Schild oder einen Kranz mit einem Brustbild erheben.

Als das Christentum nach Constantins Sieg in den staatlichen Bereich eintrat, übernahm er zu Darstellung allen Thronen und Herrschaften gebietenden Herrn die Darstellungsmittel der römischen Imperatoren. So trat Christus in die Victoria – Ikonographie ein. Es umgaben ihn, kennzeichnend für seine alles überwindende Herrschaft die Engel des Sieges, die im Laufe des 5.Jh die Gestalt der Victoria übernommen hatten. Erhoben zuvor Victorien den sieghaften Imperator, so erhoben nun Engel in Victoriagestalt den überweltlichen Sieger Christus.

In dem Ausmaß, in dem das Christentum die weltlichen Herrschaften durchdrang, griffen die Herrscher auf die christlichen Bildmittel zurück und konnten dies auch herrschaftstheologisch begründen. Sie waren ja nichts anderes als die Stellvertreter Christi aus Erden. Ihnen galt die besondere Zuwendung Gottes, der ihnen Sieg und Herrschaft verlieh.

Der Victoria – Charakter der Engel mag nun auch den Mauerring des Cappenberger Kopfes erklären.

 

 

Der Künstler des Cappenberger Werkes wählte für die erhebenden Engel des Sieges den anderen verfügbaren Siegeskranz: den Mauerkranz und er markierte dieses Kranz oder Kronenartige dadurch, dass er den oberen Reif zarter als den Mauerring wiedergab und dessen Zinnen zweckwidrig mit einer Neigung nach außen versah.

Der Sockelbereich des Cappenberger Kopfes stellt nicht einfach nur eine Stadt dar, vielmehr verweisen die Engel in Victoriagestalt auf den Sitz des sieghaften Herrschers. Im Hinblick auf den antik – römischen Habitus Kaiser Barabrossas, kann dieser Sitz nur als Rom verstanden werden. So findet die früher vorgelegte Deutung des unteren Bereichs als Rom eine Bestätigung, die mit dem gesamten Werk stimmig ist. Das anfangs erwähnte Motiv des „himmlischen Jerusalem „ diente wohl eher als Formulierungshilfe und war nicht tatsächliches Ziel der Darstellung.

Die erkennbare hierarchische Gesamtgestalt ermöglicht auch eine Deutung der das ganze Bildwerk tragenden Drachenfüße.

Drachen tauchen zwar in den Kleinplastiken des 12.Jh auf, sind jedoch eine eher seltene Erscheinung, vor allem in Form von Füßen. Im neuen Testament treten Drachen nur in der Apokalypse auf.

Man kann die Überordnung der Engel über die Drachen als die Überwindung der durch sie repräsentierten Welt durch die Engel verstehen

Wie schon kurz erwähnt vertrat Hermann Fillitz die Meinung, dass der Cappenberger Kopf Anlehnung an die spätantiken Imperatorenbüsten nimmt. Reinhard Hoeps jedoch weist in seiner Abhandlung darauf hin, dass nicht allgemein spätantike Vorbilder Verwendung fanden, sondern ganz speziell das Bild des Augustus. Betrachtet man nämlich die Locken auf der Stirn der Barbarossa Büste, entsprechen diese, natürlich in mittelalterlicher Stilisierung, sehr genau der Haarordnung, die die bedeutendste Gruppe der Augustus Bildnisse zeigt.

Renate Tölle – Kastenbein hat in der Frage nach den Einflüssen und etwaigen Vorbildern einen ganz anderen Ansatz. Da das Werk in seiner Porträthaftigkeit im Abendland einzigartig ist, suchte sie in anderen Kulturen nach Vorbildern.

Diese findet sie in den Bildnissen des Königs Shapur II, der zwischen 309 und 379 n.Chr. über das Sassanidenreich herrschte.

Daraus schließt sie, dass der Meister des Cappenberger Kopfes diesen nicht ohne Kenntnis des sassanidischen Werkes geschaffen haben kann. Wenn der Barbarossakopf als Nachfolger dieser sassanidischen Werke betrachtet werden kann, dann finden die Bänder an seinem Hals, auch wenn sie ursprünglich nicht für eine Beschriftung konzipiert waren, eine sinnvolle Erklärung. Denn schon die Büste Shapurs II war mit einer Halsbinde verziert.

Die Kenntnis orientalischer Kunstwerke im Abendland wird auf die Kreuzzüge und die Auseinandersetzung mit Byzanz, das durch die Eroberung Armeniens, Nordmesopotamiens und Nordsyriens im 10.Jh die Verbindung mit dem Osten wiederherstellte, zurückgeführt.

Dieses ausländische Vorbild macht es jedoch unmöglich, den Barbarossakopf einer europäischen Werkstatt stilistisch zuzuordnen.

Tölle – Kastenbein, die das Königsporträt für zweckfrei hält kommt zu dem Ergebnis, dass das Werk nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, wie z.B. Münzen und Siegel oder Reliefbilder. Barbarossa ließ sich selbst in getreuer Nachbildung seiner Zeit darstellen und insofern ist der Cappenberger Kopf kein Symbol, kein Zeichen politischen Selbstbewusstseins oder Herrscherwillens sondern ein zweckfreies, porträthaftes und künstlerisch hochwertiges Bildnis.

Die bisherigen Untersuchungen des Cappenberger Kopfes kommen bezüglich des Verwendungszwecks der Büste zu verschiedenen Aussagen. Einige Autoren halten das Bildnis für ein zweckfreies und privates Geschenk, während andere es für ein Stifterbildnis halten. Manche sehen es auch als politische Manifestation und Ausdruck einer Herrschaftsidee.

Für den Kopf als Ganzes und für das Motiv ihn Otto zu schenken, lässt sich jedoch eine plausible Erklärung finden: Die Schenkung ist Ausdruck der geistlichen Verbundenheit und rückt Otto als Mittelsmann des Kaisers bei Gott ins rechte Licht. Genau diese Vermittlung wird auch in der Inschrift der Schale angedeutet. Es war Ottos vornehmste Aufgabe für den Kaiser zu beten und Gottes Gnade auf ihn herabzurufen.

In der Totenverehrung herrschte die Auffassung, dass ein beliebiger Teil aus dem Besitz des Verstorbenen dessen Anwesenheit in der Gemeinschaft derer, die seiner gedachten, sicherstellen sollte. Vor allem aber war es äußerst wichtig, dass eine abwesende Person durch ihren richtigen Namen repräsentiert und im Gebet Gott auch unverwechselbar empfohlen wurde. Im Hinblick auf diese Tatsache findet die Porträthaftigkeit des Cappenberger Kopfes eine einleuchtende Erklärung. Sie ist eine Art Umsetzung der Namensnennung und gewährleistet eine Unverwechselbarkeit.

Der Kaiser soll nicht nur durch seinen im liturgischen Gedenkbuch eingetragenen Namen anwesend sein, sondern leibhaftiger.

Gerade die staufische Kunst bietet ein Beispiel ähnlicher Art, wie ein liturgisches Namensgedächtnis in Dreidimensionalität übersetzt wurde. Zu nennen sind hier die Stifterfiguren von Naumburg[7]. Es handelt sich bei ihnen um längst verstorbene Wohltäter der Kirche, deren Namen in den Totenbüchern des Domes erscheinen und deren Antlitz noch einmal in plastischer Form im Chor des Domes aufgeführt sind.

So war auch für Otto von Cappenberg die Büste eine ständige Mahnung, das Gebet für den Kaiser nicht zu vergessen. Barbarossa hat durch die Schenkung an einem ihm in besonderer Weise verbundenen Gottesmann und die damit verbundene Hervorhebung von Taufe und Patenschaft seiner in der Büste manifestierten Herrschaftsidee eine sakrale Grundlage gegeben, die von der kirchlichen Hierarchie relativ unabhängig blieb.

Otto wird zum geistlichen Mittelsmann aufgerufen. Durch die in der Büste plastisch dargestellte Namensnennung ist Friedrich im Gebet Ottos präsent und sein im Bildnis interpretierter Name wird so Gott geweiht.

 

Abschließend kann man sagen, dass dem Werk durch Veranlasser und Gestalter untilgbar sein Gehalt eingeformt ist: Siegespreisung Friedrichs zu sein, Ausdruck stolzer Selbstvergewisserung, die im antiken Römertum wurzelt, sich dann aber auch in Freiheit, Vertrauen und tiefem Wissen zum göttlichen hin emporschwingt.

Der Cappenberger Barbarossakopf stellt in seiner Art und Weise eine Einmaligkeit in der zeitgenössischen Metallkunst des 12.Jhd und des gesamten Mittelalters dar.

Zuletzt konnte man ihn in der Ausstellung Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation vom 28. August bis 10. Dezember 2006 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg und im Deutschen Historischen Museum in Berlin sehen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellenverzeichnis

 

 

·        Wolfgang Christian Schneider, Die Kaiserapotheose Friedrich Barbarossas im Cappenberger Kopf: ein Zeugnis staufischer Antikerneuerung, in: Castrum Peregrini, 217/218. 1995, S. 7 – 56

 

 

·        Reinhard Hoeps, Der Cappenberger Barbarossakopf, in: Das Münster im Hellweg, 31.1978, S. 29 – 65

 

 

·        Willibald Sauerländer, Die bildende Kunst der Stauferzeit, in: Die Zeit der Staufer: Geschichte , Kunst, Kultur; Katalog der Ausstellung, S. 205 – 229, Württembergisches Landesmuseum, Stuttgart, 1977,

 

 

·        Hermann Fillitz, Der Cappenberger Barbarossakopf, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst III, Bd. 14, S. 39 – 50, 1963

 

 

·        Peter Kurmann, Die Zeit der Staufer, Bemerkungen zur Ausstellung im Württembergischen Landesmuseum, in: Kunstchronik, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München,S. 505 – 517, Verlag Hans Carl, Nürnberg, 1977

 

 

 



[1] Geboren um 1100, gestorben 1171

[2] auch Norbertiner genannt, 1120 von Norbert von Xanten gegründet

[3] spezieller Aufbewahrungsgegenstand für Kreuze

[4] eine Art Baldachin

[5] Niello ital., Verzierung aus Silber, Gold oder Bronze, Zeichnung wird mit schwarzer Farbe gefüllt

[6] Kugel

[7] Naumburger Dom St.Peter und Paul, Naumburg in Saale

Quellen & Links

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