Übungsaufsatz
Der Antritt des neuen
Jahrhunderts - Friedrich Schiller
Wir schreiben das Jahr 1799. Die französische Revolution ist
beendet. Durch einen Staatsstreich gelingt es Napoleon Bonaparte sich die Macht
Frankreichs zu ergreifen. Dies ist der Beginn der grausamen napoleonischen
Kriege. Doch es gibt eine weitere Macht, welche die Weltherrschaft für sich
beanspruchen will - England. Es kommt zu einer Auseinandersetzung der beiden
Großmächte, unter der der Rest der Welt leiden muss. Jeder Mensch sehnt sich
nach Freiheit, doch die gibt es jetzt nichtmehr auf der Welt. Das lyrische Ich
erzählt einen Freund von diesem Leid. Es meint, dass der einzige Ort auf der
Welt, in dem man Frei sein kann, in unserem Herzen sei. Im Folgenden wird „Der
Antritt des neuen Jahrhunderts“ erschlossen und interpretiert.
Das Gedicht "Der Antritt des neuen Jahrhunderts“ von F.
Schiller ist in zwei große Teile gegliedert. Die ersten sechs Strophen beschäftigen sich mit
der derzeitigen politischen Situation(V. 1-24), wobei man diese noch in die
Erklärung der allgemeinen Situation (V.1-12) und in die Charakterisierung
der beiden Großmächte (V.13-24) unterteilen kann. In den letzten drei Strophen
wird die Vision des lyrischen Ichs von einem Paradies dargestellt, in dem man
in Friede und Freiheit leben kann (V.33-34).
„Der Antritt des neuen Jahrhunderts“ entspricht dem strengen
Formwillen der Wiener Klassik. Immer wieder werden Bezüge zur Antike
hergestellt. Die
Epoche des Sturm und Drang ist vorbei, dies erwähnt der Autor am Anfang als
auch am Ende des Gedichts : „Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden“,
„Musst du fliehen aus des Lebens Drang“ (V.3,V.34). Es hebt sich durch seine
Regelmäßigkeit vom Sturm und Drang ab, erkennbar z.b. durch den durchgehenden
Kreuzreim. Jede der neun Strophen vier Verse, welche sich zwischen einen
5-hebigen männlichen und weiblichen Trochäus abwechseln.
"Der Antritt des neuen Jahrhunderts“ ist inhaltlich
entschieden der klassischen Epoche und ihrem Bildungsideal zuzuordnen. Das Problem der menschlichen
Freiheit, der Freiheit der Menschen, ist ebenfalls ein typisch klassisches
Motiv.
Das
lyrische Ich ist in dem Gedicht keine handelnde Person. Es ist lediglich ein
Zeitzeuge, welcher seinen Freund die politische Situation seiner Zeit und seine
Vorstellung von einem Paradies näher bringen will.
„Edler
Freund!“, das lyrische Ich spricht einen Freund an, hierbei soll sich
wahrscheinlich der Leser des Gedichts angesprochen fühlen (V.1). Es fragt
diesen Freund, ob es einen Zufluchtsort für Frieden- und Freiheitsuchende gibt
(vgl.V.1-2). Dies ist eine rhetorische Frage, denn es gibt diesen Zufluchtsort
nicht. In der ganzen Welt herrscht Unterdrückung und Leid. „Das Jahrhundert ist
im Sturm geschieden“, hierbei wird wahrscheinlich auf die französische
Revolution angespielt, welche 1799 das Ende des Jahrhundert kennzeichnet (V.3).
Gleichzeitig kann auch das Ende des Sturm und Drangs gemeint sein, wobei die
Epoche des Sturm und Drangs 15 Jahre zurück liegt. Die Metapher: „Im Sturm
scheiden“, „mit Mord öffnen“, lässt sich durch das Ende 1799 der französischen
Revolution und dem Beginn der Napoleonischen Kriege 1800 erklären (V.3-4).
Aufgrund
dieser Kriege ist das Band der Länder gehoben und die alten Formen stürzen ein
(vgl.V.5-6). Geographisch alte Formen werden durch die Annektierung von Ländern
von den Großmächten verändert. Z.b. das Abtreten des linken Rheinufers an
Frankreich oder der Kampf der Engländern gegen die Franzosen um Ägypten. Eine
Anapher verbindet diese politischen Probleme, da sie beide die selbe Ursache
haben. Ebenso die nächsten beiden Verse werden aufgrund dessen durch eine
Anapher verbunden. „Nicht das Weltmeer hemmt des Krieges Toben/Nicht der
Nilgott und der alte Rhein“, obwohl zwischen England und Frankreich ein
Weltmeer liegt, werden sie nicht nicht daran gehindert gegeneinander Krieg
zuführen (V.7-8). In Deutschland und Ägypten werden die Großmächte nicht durch
die großen Flüsse Rhein und Nil aufgehalten, um ihren Feldzug fortzuführen.
Hierbei wird Bezug zur Klassik hergestellt, denn der Nil wird durch einen Gott
personifiziert, welcher es genauso wenig wie der „alte Rhein“ schafft die
Truppen der Großmächte aufzuhalten.
Zwei
gewaltige Nationen ringen um den alleinigen Besitz der Welt, womit sie die
Freiheit aller anderen Länder verschlingen (vgl.V.9-11). England und Frankreich
kämpfen um die Weltherrschaft. Um dies zu erreichen schwingen sie den Dreizack
und den Blitz (vgl.V.12). Diese antiken Gegenstände Dreizack und Blitz kommen
aus dem griechischen Mythos. Der Dreizack ist die Waffe des Poseidon, der
Herrscher des Wassers. Er soll eine Metapher für die Seemacht Englands und
Frankreichs sein, welchen sie schwingen um in den alleinigen Besitz der Welt zu
gelangen (vgl.V.10). Der Blitz ist die Waffe des Zeus, welcher eine Metapher
für die Landmacht der Großmächte sein soll. Hierbei wird erneut Bezug rum Klassischen
genommen.
Im
Nächsten Abschnitt werden als erstes die Franzosen charakterisiert. Für den
Franzosen muss jede Landschaft Gold wägen, also jedes Land, das er angreift,
muss reich an Rohstoffen oder ähnlichem sein (vgl.V.13). „Und, wie Brennus in
der rohen Zeit,“ (V.14). Das lyrische Ich nimmt Bezug zu einem Mythos, in der
Brennus, ein König der Gallier, beim Abwiegen eines Lösegelds die Gewichte
gefälscht hat, indem er sein Schwert in die Waagschale warf . Genauso wie
Brennus, legt nun der Franzose seinen „ehrnen Degen“ in die Waage der
Gerechtigkeit (vgl.V.15-16). Der Franzose fälscht die Waage der Gerechtigkeit.
Diese Metapher charakterisiert den Franzosen als ungerecht.
In
der Nächsten Strophe werden die Engländer charakterisiert. Der Brite ist gierig,
denn seine Handelsflotte wird mit den Armen eines Polyps verglichen (vgl.V.18).
Ein Polyp ist ein Wassertier, das viele Tentakel besitzt die in alle Richtungen
greifen. Genauso wie die englische Handelsflotte, welche auf der ganzen Welt
nach neuen Kolonien greift. Der Engländer will das Reich der Amphitrite, der
Gemahlin des Poseidons, für sich schließen wie sein eigenes Haus (vgl.V.20).
Das Reich der Amphitrite ist eine Metapher für das Meer, denn die Briten
wollen das ganze Meer für ihre Flotte beanspruchen.
„Zu
des Südpols nie erblickten Sternen/Dringt sein rastlos ungehemmter Lauf,“
(V.21-22). Es werden immer noch die Engländer charakterisiert, welche neugierig
sind, denn ihre Flotte erkundet sogar den Südpol, an dem noch keiner zuvor
gewesen war. Mit der Hyperbel „Alle Inseln spürt er, alle fernen/Küsten“ betont
das lyrische Ich erneut die Aktivität der englischen Seeflotte (V.23). „nur das
Paradies nicht auf“, mit dem Anakoluth im letzten Vers der sechsten Strophe
wird direkt zum nächsten Sinnabschnitt übergeleitet (V.24).
Das
lyrische Ich spricht erneut den edlen Freund vom Anfang an. Es meint, dass du
umsonst auf allen Länderkarten nach dem seligen Gebiet spähst (vgl.V.25). Mit
dieser Ansprache wird Bezug zu dem „Zufluchtsort“ vom Anfang genommen, in der
erneut gesagt wird, dass es diesen Ort nicht gibt (vgl.V.2). Das selige Gebiet
ist das Paradies das in Vers 24 genannt wird. Der Leser soll sich das Bild des
„locus amoenus“ vorstellen, dies erreicht das lyrische Ich indem es die
Freiheit mit dem Pleonasmus „ewig grüner Garten“ und die Menschheit mit „schöne
blühende Jugend“ personifiziert (vgl.V.27-28).
„Endlos
liegt die Welt vor deinen Blicken/Und die Schifffahrt ermisst sie kaum“, die
Welt wird endlos groß dargestellt, nichtmal die Schifffahrt soll ihre gesamte
Größe ermessen (V.31-32). Diese übertrieben große Darstellung der Erde durch
eine Hyperbel erinnert an ein veraltetes Astrophysisches Denken, in der die
Erde eine Scheibe sein soll und den Mittelpunkt des Universums darstellt. Doch
auf dieser riesigen Fläche ist nicht einmal Platz für zehn glückliche Leute
(vgl.V.32).
„In
des Herzens heilig stille Räume/Musst du fliehen aus des Lebens Drang:“, in der
letzten Strophe verrät das lyrische Ich, dass sich das Paradies in Wirklichkeit
in unseren Herzen befindet (V.33-34). Der Gegensatz zum Paradies und zum
wirklichen Leben wird durch eine Antithese verbildlicht: „stille Räume“ -
„Lebens Drang“ (V.33-34). Das lyrische Ich fordert seinen „edlen Freund“ dazu
auf, aus der Wirklichkeit „aus dem Lebensdrang“ zu fliehen, um in das Paradies
zu gehen „in die heilig stillen Räume“ (V.33-34). Mit dem „fliehen aus des
Lebens Drang“, kann gleichzeitig, wie auch schon am Anfang, der Bezug zum Ende
der Epoche des Sturm und Drangs hergestellt werden. In den letzten beiden
Versen wird die Frage aus den ersten zwei Versen beantwortet: „Wo öffnet sich
dem Frieden/Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort“ (V.1-2). Die Antwort:
„Freiheit ist nur in dem Reich der Träume/Und das Schöne blüht nur im Gesang.“
(V.35-36)