Der 1.Weltkrieg
Das europäische Mächtesystem verändert sich
v
Neue Bündnisse entstehen
Die Kriege in den 50iger und 60iger des 19. Jahrhunderts sowie die
nationalen Einigungen Italiens und Deutschlands veränderten das seit 1815 in
Europa bestehende Mächtesystem grundlegend. Vor allem mit dem Deutschen Reich
war ein neuer politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor entstanden.
1879 schlossen die beiden europäischen Mittelmächte Deutschland und
Österreich-Ungarn den „Zweibund“, der später durch den Beitritt Italiens zum „Dreibund“ (Deutschland, Österreich-Ungarn und
Italien) erweitert wurde. Italien schloss 1902 allerdings auch ein Abkommen mit
Frankreich, das wechselseitige Neutralität im Falle eines Krieges vorsah. Ein
kurzfristiger Ausgleich der Interessen auf dem Balkan zwischen Österreich und
Russland macht 1881 den „Dreikaiservertrag“ zwischen Deutschland,
Österreich-Ungarn und Russland möglich. Während der Dreibund bestehen blieb,
wurde der Dreikaiservertrag nicht mehr erneuert.
Die Gegensätze auf dem Balkan, zwischen Österreich und Russland
erwiesen sich als zu groß. Schrittweise verschlechterten sich aber auch die
deutsch-russischen Beziehungen. Daraus entwickelte sich eine Annäherung Russlands
an Frankreich, das dem Zarenreich das für die Industrialisierung und den
Eisenbahnbau nötige Geld zur Verfügung stellte.
Die imperialistische Politik der Großmächte führte zu zahlreichen
Konflikten, aus denen aber neue Bündnisse hervorgingen. 1898 standen sich im
Sudan GB und Frankreich gegenüber, doch dieser Konflikt konnte bereinigt
werden.
Er führte sogar zu einer französisch britischen Annäherung, die 1904
in die „Entente Cordiale“ mündete.
1907 verständigten sich GB und Russland über ihre Interessen in
Persien und Afghanistan. Aus diesem Übereinkommen entwickelten sich auch
militärische Absprachen. Es entstand die „Triple
Entente“ (GB, Frankreich und Russland).
v
Wettrüsten
Eine wesentliche Rolle in der Entwicklung des Wettrüstens spielte die
Außenpolitik des Deutschen Reiches. Ab den 90iger Jahren des 19. Jahrhunderts
trat Deutschland im Sinne seiner „Weltpolitik“ verstärkt als imperialistische
Großmacht auf und kam damit in Gegensatz zu GB, der führenden See- und
Handelsmacht.
Die Verwirklichung eines gewaltigen Flottenbauprogrammes ließ
Deutschland zur zweiten Seemacht hinter GB aufsteigen. GB wertete die deutsche
Aufrüstung zur See als Bedrohung und Beweis für Deutschlands Streben nach der
Weltmacht. Dies verschärfte die Rivalität zwischen GB und Deutschland.
Aufrüstung fand aber auch zu Lande statt. Hier hatte sich lange wenig
geändert. Jetzt stiegen die Heeresstärken, besonders in Deutschland und
Russland, an. In Frankreich wurde die Dienstzeit der Wehrpflichtigen
verlängert.
Aber auch die strategischen Planungen stellten sich auf den
Kriegsfall ein. Der deutsche Generalstab ging von der Annahme eines
Zweifrontenkrieges aus. Er plante zunächst Frankreich zu besiegen und dann
gegen Russland vorzugehen. Auf Belgiens Neutralität wurde dabei keine Rücksicht
genommen. Dies war aber für GB von besonderer Bedeutung, da die britische
Regierung die belgische Neutralität garantierte.
Schon 1889 erschien Bertha von Suttners Buch (Bertha von Suttner ist
auf der 2€ Münze oben) „Die Waffen nieder“. Bis 1914 folgten 40 Auflagen in
fast allen europäischen Sprachen. Offenbar empfanden viele Menschen, dass das
Wettrüsten den Frieden gefährden könnte.
Auf politischer Ebene waren es die Sozialisten, die gegen die
Aufrüstung und Kriegsgefahr auftraten. Dazu veranstalten sie internationale
Friedenskongresse wie 1907 in Stuttgart oder 1911 in Kopenhagen.
Auch die internationale Politik setzte Schritte, um Konflikte durch
Schiedsgerichte zu lösen. 1899 und 1907 fanden zu diesem Zweck zwei
Friedenskonferenzen statt. Wohl wurde dabei das internationale Den Haager
Schiedsgericht gegründet, doch letztlich wollten sich die einzelnen Regierungen
durch diese Einrichtung in ihren Entscheidungen nicht einengen lassen.
Krieg im Industriezeitalter
v
Die „Industrialisierung des Tötens“
1914 standen auf beiden Seiten rund 10 Millionen Soldaten unter
Waffen. Sie bedienten sich einer bis dahin unvorstellbaren „Kriegsmaschinerie“.
Neue Geschütze, Maschinengewehre, Schlachtschiffe, Unterseebote, erste
Flugzeuge und Panzer, Giftgas. Der Krieg wurde mit ungeheuren Menschenopfern
geführt und die Rüstungsindustrien lieferten dazu gleichsam unbegrenzte Mengen
an Waffen.
Die „Industrialisierung des Tötens“ setzte ein.
v
Kriegsverlauf und erfolglose Friedensbemühungen
Im Westen erstarrte der Krieg in Frankreich zu einem Stellungskrieg.
Ähnliches galt für die Südfront. Hier trat Italien im Mai 1915 gegen
Österreich in den Krieg ein, nachdem von Seiten der Entente in einem
Geheimvertrag Gebietsgewinne (z.B Südtirol) in Aussicht gestellt worden waren. Italien=Verräter
Im Osten veränderte sich der Frontverlauf zwar mehrfach, doch war
auch dies vorerst mit keiner militärischen Entscheidung verbunden.
Die Zahl der Kriegsteilnehmer wuchs. Japan, Italien und Rumänien
traten auf der Seite der Entente, die Türkei und Bulgarien auf der Seite der
Mittelmächte (jetzt nur mehr Deutschland und Österreich-Ungarn) in den Krieg
ein.
Zwei Jahre ohne Entscheidungen führten zu einer Ernüchterung. Bei den
Mittelmächten mangelte es an Rohstoffen und Nahrungsmitteln, nachdem die
britische Flotte die Versorgung blockierte. Über die Regierung der USA, die zu
diesem Zeitpunkt noch nicht in den Krieg eingetreten waren, richteten sie im
Dezember 1916 ein Friedensangebot an die Alliierten (Entente). Dieses Angebot
enthielt allerdings keine konkreten Verhandlungsziele, sodass die Alliierten
mit Ablehnung reagierten. Zu groß waren inzwischen die Verluste und materiellen
Aufwendungen, als dass ein Friede ohne Sieg für eine der beiden Seiten in Frage
gekommen wäre. Im Sande verliefen auch Friedensbemühungen Österreichs, des
Papstes und der Sozialistischen Internationale.
v
1917 – Eintritt der USA in den Krieg
Die USA blieben bei Kriegsbeginn neutral. Dies entsprach auch der
Haltung eines großen Teils der amerikanischen Öffentlichkeit. Mit Dauer des
Krieges trat allerdings eine Veränderung ein. ZU dieser Entwicklung trug
wesentlich der deutsche U-Bootkrieg bei. Er traf seit 1915 immer wieder auch
amerikanische Schiffe, die Rüstungs- und Agrargüter aus den USA in die
Ententeländer brachten. Hinzu kam eine wachsende amerikanisch-deutsche
Rivalität in Mittel- und Südamerika. Nach Ausbruch des Krieges hatte die
Regierung in Berlin sogar versucht, Mexiko als Verbündeten zu gewinnen.
Der nach einer Unterbrechung im Jänner 1917 wieder aufgenommene
uneingeschränkte U-Bootkrieg und die Versenkung amerikanischer Schiffe führten
zur Kriegserklärung der USA an Deutschland. Sie wurde mit großer Mehrheit im
Kongress beschlossen.
Jene Kriegserklärung an Österreich-Ungarn erfolgte erst gegen Ende
des Jahres. Die USA waren allerdings nicht sofort kriegsbereit. Es gab noch
keine allgemeine Wehrpflicht. Erst im Sommer 1918 landeten dann
Militäreinheiten in großer Zahl in Europa. Dies spielte für den Ausgang des
Krieges eine entscheidende Rolle.
v
Auch hinter den Fronten veränderte sich vieles
Der Krieg griff tief in das Leben der Menschen hinter den Fronten
ein. Trauer um Gefallene, Verwundete, Vermisste und Gefangene prägte das Leben
der Angehörigen. Durch die ständigen Rekrutierungen entstand ein
Arbeitskräftemangel in Industrie und Landwirtschaft. Frauen, Jugendliche und
Kriegsgefangene kamen verstärkt als Arbeitskräfte zum Einsatz.
Die Frauenarbeit nahm während des Krieges stark zu. Frauen übernahmen
Arbeiten in den Dienstleistungsbereichen, für die sie angeworben wurden.
Vielfach mussten sie aber auch in den neuen Munitions- und Rüstungsbetrieben
arbeiten.
v
Die Eingriffe des Staates nehmen zu
In allen kriegsführenden Staaten kam es zu einer Zunahme der
Regierungsautorität. Neue Behörden entstanden, die in Wirtschaft und Versorgung
lenkend eingriffen. Es kam zu amtlichen Verbrauchsbeschränkungen. Zur
Finanzierung des Krieges wurden Kriegsanleihen aufgelegt.
Diese Maßnahmen sollten der Mobilisierung aller Kräfte für den Krieg
dienen. Mit Fortdauer des Krieges brachen im Inneren der Staaten jedoch wieder
die alten politischen und sozialen Gegensätze verschärft auf. In ganz
besonderer Weise betroffen waren davon Russland, Italien, Deutschland und
Österreich.
Hunger, Kriegsverdruss und Unmut über Kriegsgewinnler verbanden sich
mit politischer Unzufriedenheit. Das Problem war, dass die Regierungen hohe
Opferbereitschaft verlangten, doch Mitsprache gewährten sie keine.
„Brot und Frieden“ wurden verlangt.
Der Zusammenbruch der Mittelmächte 1918
v
Hunger breitet sich aus
Schon bald nach Kriegsbeginn wurden in den Städten der Mittelmächte
die Lebensmittel knapp. Die Seeblockade, sinkende landwirtschaftliche
Produktion und die Bevorzugung des Heeres waren dafür verantwortlich.
Die allgemeine Auszehrung ließ die Sterberate gegenüber der Zeit vor
dem Krieg drastisch ansteigen. Hinsichtlich der Versorgung besaß die ländliche
Bevölkerung gegenüber den Städtern Vorteile, obwohl sie unter den
Rekrutierungen für die Armee litt. Da die Bauern aber auch vielfach
Lebensmittel zurückhielten, kam es zu großen Spannungen zwischen Stadt und
Land.
In den Städten wiederum vertiefte sich der Gegensatz zwischen den
armen und den wohlhabenden Schichten. Wer dazu in der Lage war, unternahm
„Hamsterfahrten“ auf das Land und kaufte Lebensmittel zu Schwarzmarktpreisen
oder tauschte sie gegen Kleidung ein. Die offiziell verteilten Rationen lagen
weit unter dem notwendigen Kalorienbedarf.
1916 kam es auch zu den ersten großen Unruhen und Hungerstreiks,
wobei vor allem auch Frauen und Kinder auf die Straße gingen und höhere
Rationen forderten. Die Verbitterung der Not leidenden Bevölkerung war umso
größer, als es auch „Kriegsgewinnler“ gab. Sie gelangten durch Produktion und
Lieferung von Kriegsgütern zu großem Reichtum.
v
Kriegsende im Osten
In Russland brachen mit Fortdauer des Krieges jene gesellschaftlichen
Spannungen neuerlich auf,, die zu Kriegsbeginn noch einmal überdeckt worden
waren. 1917 fanden zwei Revolutionen statt, die zu einer völligen Umwandelung
des Staates und der Gesellschaft führten.
Die neue Sowjetmacht forderte zu einem allgemeinen Waffenstillstand
auf. Es kam allerdings nur zu einem Sonderfrieden mit den Mittelmächten, der im
März 1918 in Brest Litowsk abgeschlossen wurde. Hierin wurde Sowjet-Russland
harte Bedingungen auferlegt.
Polen, die Ukraine, das Baltikum (Estland, Lettland, Litauen) und
Finnland mussten abgetreten bzw. geräumt werden. Neue selbstständige Staaten
sollten hier entstehen, für die Deutschland als Schutzmacht fungierte. Der
Krieg im Osten war damit beendet.
v
Militärische Niederlage der Mittelmächte und
Waffenstillstand
Trotz des Kriegsendes im Osten trat im Laufe des Sommers 1918 die
Überlegenheit der Alliierten (Entente) immer mehr zu Tage. Im August erklärte
die deutsche Heeresleitung in einer Geheimbesprechung den Krieg bereits für
verloren. Allerdings dauerte es noch Wochen, bis die Mittelmächte den
Waffenstillstand anboten.
Hierbei setzten die Regierungen Deutschlands und Österreichs große
Hoffnungen auf die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, die
dieser im Jänner 1918 als Grundlage für einen Frieden proklamiert hatte.
Der amerikanische Präsident konnte sich die Verwirklichung seines
Friedensplanes jedoch nur zwischen demokratisch gewählten Regierungen
vorstellen. Dies war seiner Ansicht nach weder im Deutschen Reich noch in
Österreich der Fall. Hier änderte sich aber in den letzten Wochen des Krieges sehr
viel.
Ende Oktober wurde Deutschland durch eine Verfassungsänderung zu
einer parlamentarischen Monarchie. Nach weiteren revolutionären Unruhen
erfolgte am 9. November in Berlin die Ausrufung der Republik. Am 11. November
unterzeichnete ein Beauftragter der neuen Regierung den Waffenstillstand.
Im Oktober 1918 zerfiel auch der Vielvölkerstaat der Habsburger in
eine Reihe von „Nachfolgestaaten“. Am 3. November wurde der Waffenstillstand unterzeichnet
und am 12. November erfolgte die Ausrufung der Republik „Deutsch-Österreich“,
nachdem Kaiser Karl 1. auf die weitere Ausübung der Regierungsgeschäfte
verzichtet hatte.
Die Welt hatte sich gegenüber 1914 grundlegend verändert. Große
politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen fanden statt.
In Russland entstand der erste kommunistische Staat. Auch in Deutschland,
Österreich-Ungarn und im Osmanischen Reich stürzte die monarchistische Ordnung.
Republiken entstanden. Parlamentarische Demokratie und Verfassungsstaat
erfuhren neuen Auftrieb.
In vielen Staaten gewannen die Arbeiterparteien politischen Einfluss
und konnten sogar bei Regierungsbildungen eine entscheidende Rolle spielen.
Am Ende des Krieges gab es militärische Sieger und Besiegte, doch
ökonomisch (=wirtschaftlich) hatten mit Ausnahme der USA und Japans praktisch
alle den Krieg verloren.
Hinzu kam die jahrelange Kriegspropaganda, die den jeweiligen Gegner
entweder zum Ungeheuer gemacht oder der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.
Rund 10 Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren, weitere 20
Millionen waren verwundet worden und blieben vielfach ihr Leben lang körperlich
und seelisch verkrüppelt. Ungeheure Ressourcen wurden zerstört. Vor diesem
Hintergrund begannen im Jänner 1919 in Paris die Friedensverhandlungen.
Die Besiegten des Krieges waren von den Friedensverhandlungen
ausgeschlossen. Sie wurden von den USA, GB, Frankreich und Italien bestimmt.
Außer ihnen nahmen noch die Vertreter jener Staaten teil, die als Verbündete
gegen die Mittelmächte gekämpft hatten.
Insgesamt
wurden 5 Friedensverträge geschlossen:
§
der Vertrag von Versailles mit Deutschland
§
der Vertrag von Saint Germain mit Österreich
§
der Vertrag von Trianon mit Ungarn
§
der Vertrag von Neuilly mit Bulgarien
§
die Verträge von Sevres bzw. Lausanne mit der Türkei
Abrüstung, Kriegsentschädigungen (=Reparationen) und neue
Staatsgrenzen waren Hauptprobleme der Verträge, wobei neue Grenzen vor allem
Deutschland im Osten betrafen. Viele der kleinen Nationen erhielten ihre
staatliche Unabhängigkeit. Damit hoffte man, das spannungsgeladene
Nationalitätenproblem der Vorkriegszeit zu lösen.
Doch auch viele der neuen Staaten waren ethnisch unterschiedlich zusammengesetzt.
Minderheiten sahen sich bald wieder unterdrückt oder benachteiligt. Häufig
durchschnitten die Grenzen auch gemischt besiedelte Gebiete. Das führte bald zu
neuen Problemen in diesen Gebieten.