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Das politische System Großbritanniens,
Frankreichs, den USA und der Schweiz

und

Das politische System der Europäischen Union


Ein Vorbereitungsskript für das

Staatsexamen Lehramt GS - Sozialkunde
Bereich Politikwissenschaft – Vergleichende Politikwissenschaft


Verwendete Literatur:

Skript zur Vorlesung: Einführung in die Politische Systemlehre und die vergleichende Politikwissenschaft, Klaus Stüwe. Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, WS 09/10

Hartmann, Jürgen: Westliche Regierungssysteme. Parlamentarismus, präsidentielles und semi-präsidentielles Regierungssystem. 3. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011.

Kempf, Udo: Das politische System Frankreichs. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007.

Stüwe, Klaus: USA. Analyse politischer Systeme. Wochenschau Verlag, Schwalbach, 2013.

Website der Europäischen Union:


Inhaltsverzeichnis

1. Das politische System - Grundlagen. 4

1.1 Grundmodell eines politischen Systems nach David Easton. 4

1.2 Modell eines politischen Systems nach Almond und Powell4

1.3 Typologien politischer Systeme. 6

2. Parlamentarische, präsidentielle und semipräsidentielle Systeme. 8

2.1 Parlamentarische und präsidentielle Systeme. 8

2.2 Semipräsidentielle Systeme. 10

3. Totalitäre und Autoritäre Systeme. 11

3.1 Totalitäre Systeme. 11

3.2 Autoritäre Systeme. 12

4. Das politische System Großbritanniens. 14

4.1 Das Staatsoberhaupt15

4.2 Premierminister und Regierung. 16

4.3 Das Parlament17

5. Das politische System der USA. 18

5.1 Die Verfassung – Entstehung und grundlegende Prinzipien. 18

5.2 Der Präsident22

5.3 Der Kongress (United States Congress)23

6. Das politische System Frankreichs. 26

6.1 Die Verfassung. 26

6.2 Der Staatspräsident27

6.3 Premierminister und Regierung. 28

6.4 Das Parlament29

7. Das Direktoral – oder Konkordanzsystem – Die Schweiz –. 31

7.1 Die Konkordanzdemokratie. 31

7.2         Das föderative System32

7.3 Die Verfassungsorgane. 33

8. Das politische System der Europäischen Union. 36

8.1 Grundlegendes zur Europäischen Union. 37

8.2 Europäische Verträge. 38

8.3 Die Organe der EU. 39


1. Das politische System - Grundlagen

1.1 Grundmodell eines politischen Systems nach David Easton

Politisches System = politische Dimension eines umfassenderen sozialen System, das in das externe Umfeld der internationalen Staaten- und der Gesellschaftswelt eingebettet ist

Das Politische = die autoritative Zuweisung von Werten

Kern des politischen Systems ist ein Entscheidungsapparat in Form des Regierungssystems

Im Mittelpunkt stehen die Akteure der Gesetzgebung, der Regierung und der Verwaltung, also das Ensemble staatlicher Institutionen.

Parteien, Interessensgruppen und Medien schlagen Brücken zwischen der Gesellschaft als Umwelt des politischen Systems und dem Regierungssystem

Forderungen (demands) durch die Gesellschaft
Unterstützung (support) durch bspw. Wahlen, Steuern, etc.
Entscheidungen (decisions or policies) = Output


1.2 Modell eines politischen Systems nach Almond und Powell

Weiterentwicklung des Grundmodells à die Politik hat auch hier eine Generalfunktion für die Gesellschaft

Aber: Gesellschaftlichen Anforderungen an die Politik werden in verschiedene Funktionen aufgeteilt.

Die Vermittlungsfunktionen (Input-Funktionen)

1.    Interessensartikulation
Durch Organisationen wie Vereinen und Verbänden werden die Interessen von Klassen, Schichten, Berufsgruppen, etc. an die Politik herangetragen.
Auch große und mächtige Unternehmen können auf die Politik einwirken

2.    Interessensaggregation
Sammler- und Filterfunktion für die zahlreichen Forderungen der Bürger und Verbände an die Politik
à erfolgt durch verschiedenste Strukturen wie beispielsweise durch Zentral- und Dachverbände der Wirtschaft bei Gesamtinteressen von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern
à politische Parteien sind der wichtigste Faktor bei der Interessensaggregation

3.    Rekrutierung
Bürger müssen für die Mitarbeit in Parteien und als Kandidaten für Mandate und Ämter gewonnen werden, Verbände sind .....

Beispiele von Totalitarismus-Theorien

Hannah Arendt (1906 – 1975)

·         1955 Theorie aufgestellt

·         Terror ist das entscheidenden Merkmal totalitärer Systeme

·         Verschiedene Weltanschauungen können dem Totalitarismus verfallen

·         Weitere Merkmale:

o   Willen zur Weltherrschaft

o   Fanatisierte Massenbewegungen

o   Führerprinzip

o   Millionenfache Morde im Namen einer „neuen“ gesetzmäßigen Ordnung

o   Die Umdeutung und Manipulation der Moral

o   Propaganda

·         NS-Regime und Stalinismus sind die einzigen Beispiele


Carl J. Friedrich und Zbigniew Brzezinski (1957)

Die 6 zentralen Elemente totalitärer Regime:

1. umfassende, alle Lebensbereiche vereinnahmende Ideologie (à Weltanschauung, Weltbild, in sich schlüssig, schließt andere aus!)

2. Einheitspartei mit Führerpersönlichkeit

3. Ausgrenzung und systematischer Terror gegen angeblich zersetzende Kräfte (die Juden, die Bourgeoisie)

4. Steuerung und Zensur der Medien

5. Militarisierung der Gesellschaft

6. von Staats und Partei gelenkte Wirtschaft


3.2 Autoritäre Systeme

Beispiele: Franco (Spanien), Pinochet (Chile), Suharto (Indonesien)

Juan Linz
Drei zentrale Elemente autoritärer Regime

·         begrenzter Pluralismus (auch in der Führung möglich, unabhängige Wirtschaftsverbände erlaubt, solange nicht politisch)

·         Depolitisierung oder begrenzte Partizipation

·         „Mentalitäten“ à keine Ideologien!

·         Die meisten Staaten der Welt so??

Entstehungsbedingungen autoritärer Regime

·         Krise und Zusammenbruch von demokratischen Systemen

·         Ãœbergang von traditioneller Herrschaft

·         Instabilität nach der Dekolonialisierung

·         Konflikte in multi-ethnischen Gesellschaften

·         „Veralltäglichung“ des totalitären Utopismus


Typen autoritärer Regime

·         Bürokratisch-militärischer Typ (Militärdiktaturen, Argentinien, Chile,…)

·         Autoritärer Korporativismus (Portugal, Franco in Spanien)

·         Mobilisierende autoritäre Regime in postdemokratischen Gesellschaften (Italien Mussolini)

·         Nachkoloniale mobilisierende Regime (Afrika)

·         Rassen“demokratien“ (Südafrika)

·         Defekte totalitäre Regime (?)

·         Posttotalitäre Regime (Jugoslawien nach 1966)



Totalitär

Autoritär

Legitimationsgrundlage

Exklusive Ideologie

Meist Berufung auf Ãœberlieferung

Rolle des Staates

„Austrocknen“ zugunsten der Bewegung

Staat behält meist Ordnungsfunktion

Rolle des Bürgers

Pseudodemokrat. Mobilisierung

Meist Depolitisierung,
politische Apathie

Kontrollreichweite

umfassend

Kontrollfreie Räume mögl.,
Bsp.: Kirche
ABER Unterordnung

Struktur des Machtzentrums

Monistisch (z.B. Führer)

Begrenzter Pluralismus

Rechtssystem

Völlig unter Vorbehalt des Politischen
(Erhaltung der Ideologie)

Begrenzte Rechtssicherheit in nicht-politischen Bereichen möglich

4. Das politische System Großbritanniens


GB besitzt kein einheitliches, geschriebenes Verfassungsdokument à den Verfassungsrahmen bilden Konventionen, Verpflichtungen der Krone, Gesetze, Gerichtsentscheidungen und Gesetzesinterpretationen

Prinzip der „Parlamentssouveränität“: Alle Gesetze besitzen gleiche Normqualität

·         Parlamentssouveränität: jedes Parlament kann Gesetze des Vorgängers aufheben

·         alle Gesetze sind gleichrangig (Vgl. BRD: einfache Gesetze unterliegen Verfassung)

·         vertikale Gewaltenteilung oder Föderalismus sind dadurch undenkbar


Quellen des brit. Verfassungsrechts:

Ø  statute law (versch. Gesetzte, Verfassungscharakter, z.B. Magna Charta, Bill of Rights)

Ø  constitutional conventions (nicht schriftlich, Verfassungskonventionen, die sich durch Tradition als  Norm durchgesetzt haben, regeln v.a. Verhältnis zw. Monarch u. Staatsorganen)

Ø  common law (Rechtstraditionen)

Ø  case law (Präzedenzfälle: Gerichtsentscheide mit interpretierendem Charakter)

Ø  zusätzliche: EU-Recht

4.1 Das Staatsoberhaupt

Verfassungsrechtlich ist das Vereinigte Königreich eine konstitutionelle Erbmonarchie à in der Praxis hat es sich aber zu einer parlamentarischen Monarchie entwickelt

Staatsoberhaupt ist der König bzw. die Königin
(seit dem 18. Jahrhundert herrscht die Familie Hannover-Windsor-Mountbatten)

Formal regiert heute immer noch die „Queen in Parliament“ à sie ernennt „ihre“ Regierung, die Bischöfe, die Richter und die Spitzen des Militärs

Aber: Vorschlagsrecht li.....

Das Unterhaus

·         derzeit 646 Abgeordnete

·         direkt gewählt à seit den Wahlrechtsreformen des 19/20. Jhr. in freien, allgemeinen und gleichen Wahlen gewählt

·         Relatives Mehrheitswahlrecht

·         keine feste Legislaturperiode (max. 5 Jahre) à innerhalb dieser Zeit muss der Premierminister Neuwahlen vorschlagen

Die Funktionen des Unterhauses (nach Walter Badgehot)

·         Gesetzgebung

·         Kreation des Regierungschefs (da: Premierminister nicht gewählt sondern ernannt)

·         Kontrolle der Regierung (durch Opposition)

·         Artikulation und Kommunikation

Charakteristiken des britischen Unterhauses

Ø  „Redeparlament“ (wichtigste Debatten finden im Plenum statt)

Ø  Majorisierung der Opposition

Ø  Speaker (leitet Diskussionen) und Ausschüsse

Ø  Schwach ausgebildete Kontrollinstrumente (keine Möglichkeit für Opposition à Misstrauensvotum sehr unwahrscheinlich, da Mehrheit notwendig)

à Tendenziell 2-Parteien-System


5. Das politische System der USA


Prototyp eines präsidentiellen Regierungssystems


5.1 Die Verfassung – Entstehung und grundlegende Prinzipien

Revolution
Unabhängigkeitserklärung 4. Juli 1776 (von Thomas Jefferson)
àBeginn einer neuen Staatlichkeit

Unabhängigkeitskrieg (1773 – 1783)

  • Sieg der Amerikaner im „Frieden von Paris“ mit Hilfe der Franzosen
  • Anerkennung der Unabhängigkeit

Die Articles of Confederation 1777 àEin gescheiterter Staatenbund
Keine Zentralregierung + Keine Steuerhoheit + Kriegslasten + Starke Souveränität der einzelnen Staaten
à Keine Steuerflüsse, Mangelnde politische Entscheidungsfähigkeit
à
Scheitern des Staatenbunds


Der zweite Versuch: Die US Constitution

  • Constitutional Convention von Philadelphia (1787)

·         Ziel: Neuer Verfassungsentwurf

  • Ratifikationsprozess (1787-1789)
  • 2/3 Mehrheit der 12 Kolonien/Staaten verabschiedet den Entwurf
  • Verfass.....


Prinzip der Bundesstaatlichkeit

·         Die Verfassung nennt in ihrer Präambel als erstes Ziel „to form a more perfect union“

·         Grundprinzip des föderalen Staatsaufbaus der USA ist das Konzept des „dual federalism“, wonach der Bund und die Einzelstaaten jeweils über eigene, gentrennte Zuständigkeiten verfügen

Die Bill of Rights

·         Von 1791 à Grundrechte der Menschen

Weitere Merkmale der Verfassung:

  • Änderungsverbot!
  • Ergänzungen mit 2/3 Mehrheit beider Häuser und der Staaten möglich



Verfahren der Verfassungsänderung



5.2 Der Präsident


Allgemeines

  • Mindestalter 35 Jahre
  • Angeborene US-Bürgerschaft
  • 14 Jahre Wohnsitz in den USA
  • Einschränkungen: in Gewaltenteilung eingebunden
  • Amtszeit: 4 Jahre, seit 1951 Beschränkung auf einmalige unmittelbare Wiederwahl
  • Amtsenthebung: durch Impeachment-Verfahrenà also nur aus rechtlichen nicht aus Politischen Gründen!!


Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Präsidenten

Executive Power

·         Head of state (Staatsoberhaupt)

·         Head of government (Regierungschef)

·         Chief diplomat (vertritt die USA völkerrechtlich, schließt international Verträge, etc.)

·         Commander-in-chief (Oberbefehlshaber der Streitkräfte)

·         Appointment powers (Ernennungsrechte bei Beamten und Offizieren)

·         Executive orders (Rechtsverordnungen)


Legislative Powers

·         Veto Power (Suspensives Vetorecht bei Gesetzen)

·         Proposing legislation (Gesetzesempfehlungen)



.....

·        
Die politischen Parteien haben sich als maßgebliche Institutionen für den politischen Willensbildungsprozess etabliert


Der Senat

à Föderatives Verfassungsorgan/Längerfristige Politikperspektiven

Formal sind Senat und Repräsentantenhaus gleichberechtigt à der Senat gilt aber als die bedeutendere Parlamentskammer

Wichtige Fakten:

·         100 Mitglieder (2 Senatoren je Einzelstaat)

·         Amtszeit 6 Jahre

·         Alle 2 Jahre wird je 1/3 der Senatoren gewählt

·         Vorsitz führt der amtierende Vizepräsident der Vereinigten Staaten, dessen Stimme gibt aber nur in Pattsituationen den Ausschlag

·         Die Fraktionen der politischen Parteien im Senat wählen

o   jeweils einen Sprecher der Mehrheits- und der Minderheitspartei
(majority und minority leader)

o   einen parlamentarischen Geschäftsführer für jede Partei (whip)

o   stellv. Vorsitzenden des Senats


Das Repräsentantenhaus

à Ort der Volkssouveränität/Plebiszitäre Funktion

·         Direkt vom Volk gewählt

·         435 Mitglieder

·         Amtszeit 2 Jahre

·         Neben den minority und majority leaders und den whips, wird noch ein Speaker of the House gewählt à dieser ist Fraktionsvorsitzender der Mehrheitspartei und der Präsident des Repräsentatenhaus


Die K.....

Das System der „checks & balances“

  • Bei fast allen Aktionen ist der Präsident auf die Kooperation mit dem Kongress angewiesen
  • „Separated institutions sharing powers“ à Institutionelle Trennung/Funktionale Teilung



6. Das politische System Frankreichs

Das französische Regierungssystem hat sich in Schüben und Brüchen entwickelt
à Es verkörpert einen klaren Gegensatz zu den anderen beiden Regierungssystemen

Wichtigstes Kennzeichen: Primat der Regierung

Ø  An der Spitze der Exekutive steht der Präsident als politisch gestaltungsmächtiges Staatsoberhaupt und daneben eine parlamentarisch verantwortliche Regierung

6.1 Die Verfassung

Ø  16 Verfassungen seit 1789

Ø  Parlamentarische oder präsidentielle Republiken

Ø  Der janus-köpfige Charakter der V. Republik: Parlamentarische und präsidentielle Züge VS semipräsidentieller Typ


Grundzüge der Verfassung von 1958 – die V. Republik

89 Artikel (kurz!) à Menschenrechtskatalog der Revolution

16 Titel (Abschnitte)

o   Titel 1: Selbstverständnis der Republik

o   Titel 2: Staatspräsident

o   Titel 3: Regierung

o   Titel 4: Parlament

Verfassungsänderungen:

·         Vorschlagsrecht: Präsident und Mitglieder des Parlaments

·         Zustimmung beider Parlamentskammern (Senat + Nationalversammlung)

·         Referendum oder 3/5-Mehrheit des „Kongresses“

è10 Verfassung.....


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