Das
Kommunikationsquadrat als Vier-Ohren-Modell
Das
Kommunikationsquadrat bezieht sich auf das Wechselspiel zwischen dem
Senden und Empfangen von Botschaften in einer Kommunikation. Von Thun
geht davon aus, dass jeder Mensch Nachrichten auf vier verschiedenen
Ebenen entsendet und aufnimmt. Auf der Sachebene einer Botschaft geht
es ausschließlich um die reine Sachinformation der Aussage, die in
Daten, Fakten und Zahlen ausgedrückt wird. In der Beziehungsebene
geht es um die Art und Weise, wie der Sprecher sich ausdrückt, also
die Art seiner Formulierung, der Tonfall, Mimik, Gestik und seine
Körperhaltung. Diese Ebene gibt Aufschluss über die Beziehung, in
der die Beteiligten zueinander stehen. Auf der Ebene der
Selbstoffenbarung erfährt der Zuhörer mehr über den Redner, da er
die Botschaft ableiten kann, indem er den Standpunkt und mögliche
Motive interpretiert. Betrachtet man Botschaften auf der Appellebene
kann der Sprecher entweder direkt oder indirekt einen Appell an den
Zuhörer stellen. Ein gutes Beispiel bieten Reden von Politikern, die
mit ihrem Gesagten versuchen etwas zu erreichen oder Einfluss auf die
Zuhörer nehmen wollen. Damit wird klar, dass Sender und Empfänger
zum Gelingen einer Kommunikation beitragen können. Allerdings
verläuft eine Kommunikation in den seltensten Fällen ohne
Missverständnisse. Deshalb ist es für den Sprecher wichtig so genau
und deutlich wie möglich zu kommunizieren. Der Zuhörer sollte
wissen auf welcher Ebene er am empfindlichsten reagiert um Gesagtes
nicht fehl zu interpretieren. Oft werden besonders empfindliche
Ebenen zu „Lieblingsohren“, die jede noch so versteckte Botschaft
aus einer Äußerung heraushören. Das Verstandene ist jedoch nicht
gleich das Gemeinte, auch wenn das wünschenswert wäre, sondern
immer eine Interpretation des Gehörten.
Eine Studie namens
„SELF-Projekt“ der Volkswagen-Stiftung zeigt laut
Forschungsbefunden, dass soziale Beziehungen zwischen
Lehrern/Schülern und S/S für den schulischen Lernerfolg
entscheidende Einflussgrößen sind. Nachdem ich die Studie gesehen
habe, kam in mir die Frage auf, inwieweit uns das
Kommunikationsquadrat Aufschluss über die Ergebnisse bieten kann.
Im
Schulalltag kann man Kommunikationssituationen in vielen versch.
Facetten beobachten. Im Unterricht kann das der klassische
Lehrvortrag, Beratungsgespräche oder Diskussionsrunden sein,
außerhalb des Klassenraums sind es Elternabende oder Gespräche mit
der Schulleitung. Man sieht, dass mündliche kommunikation an Schulen
unverzichtbar ist. Ich möchte nun an einem konkreten Beispiel
erörtern, inwiefern die Anwendung des Kommunikationsquadrats im
Schulalltag sinnvoll ist und ob es dazu beitragen kann, die
Kommunikation zu verbessern.
Mathe-Unterricht(9.Klasse):
Herr Schmitt kontrolliert die hausaufgaben und notiert diejenigen,
die sie vergessen haben. Anschließend ruft er Thomas auf, er solle
seine Ergebnisse an der Tafel präsentieren. Der eher schüchterne
Junge tut sich schwer diese vorzutragen. Anschließend will der
Lehrer ein neues Thema einführen und bemerkt wie ein Stöhnen durch
die Klasse raunt. Am Ende der schleppenden Stunde fragt Herr Schmitt
die Klasse was los sei und versucht sie nochmals zu
motivieren:“Nächste Stunde muss das besser klappen. Wir sind schon
zwei Stunden hinter unserem Zeitplan!“
In diesem exemplarischen
Unterrichtsbeispiel können wir mehrere Lehrer-Schüler-Situationen
beobachten. Als Herr Schmitt Thomas auffordert seine Ergebnisse
vorzustellen, nimmt der Schüler die Aussage anders wahr als sein
Lehrer. Der Lehrer will Thomas auf der Beziehungsebene mitteilen,
dass er seine Hausaufgaben gut gemacht hat und ihn deshalb vor der
Klasse loben will. Thomas, der sich bei Präsentationen jedoch immer
zurückhält, vermittelt über die Beziehungsebene, dass er sich
unwohl fühlt und diese Aussage eher als Bestrafung wahrnimmt. In
dieser Situation erkennt man deutlich, dass die Kommunikation
zwischen Herr Schmitt und Thomas auf einem Missverständnis beruht.
Statt der eigentlichen Wirkung des Lobes, tritt das Gegenteil ein,
denn dieses Unwohlgefühl schadet dem Lernprozess erheblich. Die
nächste Situation, die ich herausheben möchte, ist die Einführung
in ein neues Thema, die mit einem Stöhnen der Schüler quittiert
wird. Hier wird unbeabsichtigt Kritik an Herrn Schmitt genommen, da
er diese Reaktion als Feedback zu seiner Unterrichtsmethodik
interpretiert. Das Fach Mathematik wird von den meisten in der Klasse
als Belastung wahrgenommen. Das Stöhnen soll dem Empfänger
Desinteresse am Fach signalisieren, aber keinesfalls Kritik an Herrn
Schmitt ausüben. Mit dem Schlussfazit “Nächste Stunde muss das
besser klappen … „ drückt Herr Schmitt auf der Beziehungsebene
indirekt aus, dass er von der Mitarbeit enttäuscht ist. Auf der
Appellebene betrachtet, erwartet der Lehrer, dass die Verzögerung
durch stärkere Mitarbeit aufgeholt wird. Der indirekte Appell wird
jedoch aus Schülersicht nicht wahrgenommen.
In diesem kleinen
Ausschnitt einer Unterrichtstunde wird deutlich, wie Kommunikation im
Unterricht neben der Wahrnehmung der Schüler auch von der
Wahrnehmung des Lehrers beeinflusst wird. In einer Untersuchung
stellte der Psychologe Hamacheck heraus, dass Schüler von Lehrern
mit positivem Selbstkonzept bessere Leistungen erbringen. Mit
positivem Selbstkonzept ist Kontaktfreudigkeit, Gewandtheit im Umgang
mit Problemen und eine unterstützende Haltung des Lehrers gemeint.
Man sieht also, dass man bereits mit dem eigenen Auftreten vor
Schülern Einfluss auf den Lernerfolg nehmen kann. Auf der anderen
Seite beeinflussen auch die Schüler das Selbstkonzept des Lehrers,
wie man an meinem Unterrichtsbeispiel beobachten kann. Eine positive
Haltung gegenüber dem Lehrer, zum Beispiel durch rege Teilnahme und
Begeisterung für die Unterrichtsgestaltung führen dazu, dass sich
ein Lehrer in seinem Tun positiv bestätigt fühlt. Man kann also
daraus schließen, dass das Gelingen von Kommunikation von der
Interaktion zwischen Lehrern und Schülern abhängt. Im weiteren
Verlauf möchte ich nun noch spezieller auf die einzelnen Ebenen
eingehen und klären, inwieweit sie den Schulalltag
beeinflussen.
Der Sachverhalt einer Botschaft ist die
grundlegendste Einheit. Er sollte deshalb auf jeden Fall relevant,
wahr und ausreichend sein. Wenn eine irrelevante oder unwahre
Äußerung an einen Empfänger gelangt, ist die weitere Kommunikation
stark gefährdet. Wird im Unterricht beispielsweise Gruppenarbeit
angewendet, die jedoch ständig vom Lehrer unterbrochen wird aufgrund
der Lautstärke, kann das sogar zur Verfehlung des Unterrichtsziels
führen. Gruppenarbeit setzt einen gewissen Geräuschpegel voraus, um
sich ausführlich auszutauschen.
Auf der Beziehungsebene einer
Botschaft spielen Tonfall und Mimik eine wichtige Rolle. Die Ebene
gibt Aufschluss darüber, in welcher Beziehung Lehrer und Schüler
zueinander stehen. Ich denke, dass diese den Schulalltag stark
beeinflusst, da der Lehrer durch Äußerungen auf Beziehungsseite
seine Machtstellung ausüben kann. Schülern kommt es häufig vor,
dass ein Lehrer sie auf dem Kicker haben und manchmal entspricht es
auch der Realität. Wenn eine Lehrperson seine Macht missbraucht,
führt dies zu einer stark gestörten Kommunikation.
Auf der Ebene
der Selbstoffenbarung gibt der Sender Hinweise, was in ihm Vorgeht
und wofür er einsteht. Gerade in der Schule muss der Lehrer
aufpassen, dass er seine subjektive Meinung nicht mit in den
Unterricht einbaut, da die Lehrperson eine Vorbildfunktion einnimmt
und somit die freie Meinungsbildung manipulieren könnte.
Auch
der Appellebene kann große Bedeutung im Schulalltag zugesprochen
werden. Gerade wenn es um das Entfachen von Motivation und
Begeisterung für ein Thema geht, können Schüler durch gezielte
Appelle angeregt und gelenkt werden. Mit einer interessanten und
aktuellen Fragestellung kann die Lehrperson ein noch so langweiliges
Thema auffrischen und damit das Desinteresse von Schülern bekämpfen.
Ein Schüler, der ein Thema mit aktuellen Gegebenheiten kennenlernt
und damit konfrontiert wird, wird automatisch stärker zum Mitdenken
aufgefordert, da er erkennt, dass die Thematik für das spätere
Leben relevant sein kann.
Aus den Differenzen der einzelnen
Ebenen schließe ich in erster Linie, dass der Lehrer eine
hochsensible Wahrnehmungsgabe aller vier Ebenen benötigt, um
Kommunikationsstörungen zu verhindern. Wenn andere „Ohren“
abgeschaltet bleiben, führt dies zu einer verzerrten und
unvollständigen Wahrnehmung von Äußerungen des Gegenübers. Durch
das Einbeziehen aller „Ohren“ vergrößert sich natürlich auch
das Repertoire an Antwortmöglichkeiten, da man Äußerungen aus
anderen Blickwinkeln wahrnehmen kann. Irritationen und
Kommunikationsstörungen im Schulalltag können mithilfe des
Kommunikationsquadrats teilweise behoben, bzw. entschärft werden.
Sicherlich ist es hilfreich für Lehrkräfte mit den Strukturen des
Modells vertraut zu sein, um ihre eigene Kommunikationsfähigkeit zu
reflektieren. Eine vollständige Lösung von Dialogschwierigkeiten
kann jedoch nicht erwartet werden, denn Missverständnisse können
nicht komplett vermieden werden. Dafür ist die Sprache viel zu
komplex. Wenn man Schüler mit Migrationshintergründen beobachtet,
können Missverständnisse leicht durch grammatikalische Unterschiede
der verschiedenen Muttersprachen entstehen. Auch die Mimik und Gestik
kann sich in verschiedenen Kulturen stark unterscheiden, sodass
Botschaften auf der Beziehungsebene falsch interpretiert werden
können.