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Seminararbeit
Theologie

Universität Konstanz

SS 2010

Silvia L. ©
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ID# 3547







Universität Konstanz

Geisteswissenschaftliche Sektion

Fachbereich Philosophie

WS 2009/2010

Seminar: Einführung in das Christentum

Dr. Florian Zimmermann


Essay zum Thema:

Das Ereignis der Rechtfertigung – Gottes Gerechtigkeit

Nach Eberhard Jüngel 1998

Vorgelegt am: 29.03.2010


Die Gerechtigkeit ist ein vielschichtiger Begriff der schwer zuzuordnen ist. Eberhard Jüngel beschäftigt sich in § 3 seines Buches Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens 1998 unter der Überschrift „Das Ereignis der Rechtfertigung – Gottes Gerechtigkeit“ zunächst mit der Frage, wie sich Gottes Gerechtigkeit von dem Unterscheidet, was sonst als Gerechtigkeit verstanden wird.

Hierzu wirft er einen Blick auf das traditionelle Verständnis:

Hier gilt Gerechtigkeit als höchste Tugend (vollkommene Gerechtigkeit), wobei derjenige gerecht ist, der das Gesetz achtet. Das Alte Testament pries ebenfalls die Liebe zum Gesetz wonach weltliche Ordnung nur durch das Gesetz und die Gerechtigkeit erlangt werde.

Frieden herrsche dann dadurch, dass jeder zu seinem Recht käme, dies führe schließlich zu einer friedvollen Gesellschaft. Das Neue Testament vertritt eine ähnliche Anschauung. Hier wird zusätzlich das Verhältnis des Menschen zu Gott und zu sich selbst erwähnt und als grundlegend erachtet, was ein sehr bedeutsamer Zusatz ist.

Wichtig im Neuen Testament ist die Vermeidung rücksichtsloser Selbstverwirklichung, denn diese fordere die Opferung der Beziehung zu Gott und gleiche einem Götzendienst, wobei die Götzen als Instrumente der Menschen dienen.

Gott und auch die Mitmenschen seien dann bloße Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen. Leider hat sich heutzutage dieses Bild gefestigt. Unter den Menschen gibt es nun immer mehr, die von ihrem Glauben und ihrer Beziehung zu Gott abkommen und sich lediglich auf das Leben im Hier und Jetzt fokussieren.

Die Durchsetzung eigener Interessen hat oftmals höchste Priorität, weshalb auch ohne größere Überwindung Ungerechtigkeiten in Kauf genommen werden. Eine eiskalte Seele und Herzlosigkeit gewinnen Übermaß. Jüngel fügt an dieser Stelle hinzu, dass nach dem Neuen Testament das Gesetz die Gerechtigkeit des Menschen vor Gott nicht bewirken kann, womit also kein Mensch allein durch die vom Gesetz geforderten Taten und Werke gerecht wird.

Selbstverständlich grenzen uns die vorgegebenen Gesetze in unseren Taten und möglichen Ungerechtigkeiten ein, jedoch verhindern sie diese nicht von Grund auf. Ich denke es gibt einen Signifikanten Unterschied zwischen der Verantwortung vor Gott und der vor den Menschen.

Allein dem Gesetz willen wird kein Mensch gerecht sein und gerecht handeln; es ist der Glaube an Gott und die Überzeugung, dass der Mensch ihm gegenüber etwas schuldig geblieben ist. Er, der den Menschen ihre Sünden vergeben hat, fordert von ihnen nun nicht mehr als diese Gnade anzuerkennen und das gottlose Leben hinter sich zu lassen und ihm damit zu danken, indem sie glauben - allein aus Glauben.

Jüngel schließt an das bisherige Verständnis die Auffassungen Aristoteles und Platons an, indem er zunächst die Annahme aufstellt, auf der Welt herrsche Ungerechtigkeit. Dies ist der Fall, wenn einer auf Kosten anderer mehr hat.

Nach Platon geht es bei dem Gerechtigkeitsbegriff eher um die Seele des Menschen. Ein wichtiger Aspekt ist demnach die Sorge für die Seele, denn für ihn entfaltet sich das Wesen des Menschen erst im Gemeinwesen, weshalb er die Gesellschaft als das vergrößerte Modell der Seele betrachtet.

Er stellt hierzu drei Kardinaltugenden auf, welchen er die Gerechtigkeit überordnet und somit ein harmonisches Zusammenspiel bewirkt. Hierzu zählt die Klugheit, die für Rationales Denken steht, die Tapferkeit, die Tatkraft voraussetzt und schließlich die Besonnenheit, die der Maßhaltung dient.

Aristoteles, der den Satz „Jedem das Seine“ geprägt hat, sieht Gerechtigkeit als eine Tugend, durch die jeder das Seine erhält und zwar wie das Gesetz es angibt. Danach ist Gerechtigkeit der beständige und feste Wille, jedem sein Recht zuzuteilen.

Da das aber meiner Meinung nach nicht der Fall ist, finde ich diese Auffassung sehr fragwürdig und höchst überspitzt, worauf ich später noch zu sprechen komme.

Paulus schwächt dieses Verständnis allerdings ab, indem er den über die Ungerechtigkeit kommenden Zorn Gottes als Gegenbegriff zur Gerechtigkeit Gottes versteht. Der Zorn gehört somit in die Kategorie des Gesetzes und nicht in die des Evangeliums.

Das Gesetz behaftet die Übertreter dessen und genau dies ist nach Paulus Gottes Zorneswirkung (Eschatologischer Zorn Gottes). Gott ist demnach im Weltgeschehen passiv und überlässt die Menschen sich selbst und dem Bösen.

Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.

Das Evangelium gilt als Ort der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes. Gott hatte bis zu diesem Zeitpunkt die vom Menschen verkehrte Welt ihrer eigenen Verfallenheit überlassen, doch dann schickte er Jesus Christus. Es war eine neue Zeit die anbrach. Es war die Zeit in der die Gerechtigkeit Gottes offenbart wurde.

Dieses Verständnis verabscheute er und kam schließlich auf eine Neuinterpretation durch den Zusatz: allein durch Glauben. Nun sah er die Gerechtigkeit Gottes in einem ganz neuen Licht erscheinen: Der aus Glauben Gerechte wird leben.

Die Gerechtigkeit Gottes galt nun nicht mehr als eine Aktive, sondern eher als eine Passive, mit der Gott der Barmherzige die Menschen gerecht macht, allein durch Glauben.

Jüngel führt an dieser Stelle ein Problem auf indem es darum geht ob nun die Gerechtigkeit Gottes nur eine Gabe an die Menschen ist, oder ob sie ein Ausdruck der Macht Gottes ist oder ob sie nicht vielleicht sogar beides sein kann?

Gerechtsein Gottesvs.Gerechtsprechung durch Gott

Das evangelische Verständnis der Gerechtigkeit Gottes lautet: Gott ist gerecht, indem er Ungerechte gerecht spricht bzw. gerecht macht. Gott ist durch den Tod Jesu Christi gerecht und er macht den gerecht, der da ist aus dem Glauben an Jesus.

Auf diese Weise offenbart Gott am Kreuz der Welt seine Gerechtigkeit und hat zugleich die Möglichkeit geschaffen den ungerechten Menschen frei zu sprechen. Wer also im Vertrauen zu Jesus Christus kommt, ihm seine Ungerechtigkeit übergibt, der kann dafür von Jesus Gerechtigkeit erhalten.

Nach meinem Verständnis stehen die Menschen ab diesem Zeitpunkt als gerechte Menschen vor Gott da. Gott schenkt ihnen auf unverdiente Weise seine Gerechtigkeit, die sie wieder vor ihm bestehen lässt, so rein als hätten sie vorher nie gesündigt.

Das sogenannte neue Leben, welches sich in Gerechtigkeit abspielt ist der Weg ins ewige Leben, für das Gott die Menschen von Anfang an bestimmt hatte.

Infolgedessen kommen wir zu der Bedeutung, dass Gott gerecht ist, indem er Gnade übt. Er ist sich selbst gegenüber treu und auch seinem Geschöpf gegenüber verhält er sich richtig und gerecht. Somit ist Gott in seiner Gnade im Recht, was zu einer Einheit von Gerechtsein Gottes und dem Gerechtmachen des Sünders führt.

Augustinius in De spiritu et littera:

Durch die Barmherzigkeit und die rechtfertigende Gnade Gottes werden die Menschen für gerecht erklärt. Es heißt dann nunmehr Gottes und unsere Gerechtigkeit, weil sie durch seine Gnade uns gegeben ist.

Ich denke Menschen als ungerechte, sündhafte Wesen zu bezeichnen ist ein niederschmetternder Gedanke. Wenn dies so wäre, dann müssten wir alle das Gefühl haben auf ewig verloren zu sein. Es gäbe kein Streben nach Gleichheit, Einheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe, das Menschsein und das damit verbundene Gefühl der Empfindsamkeit, Liebe und der Empathiefähigkeit und alle anderen wundervollen Empfindungen, die ein Mensch fühlen und geben kann wären somit verloren.

Die Menschheit wäre ja arm dran, wenn man die Gerechtigkeit Gottes unter anderem wie nach Aristoteles definieren würde.

Wir sehen also, dass es wirklich nicht ganz einfach ist, den Begriff Gerechtigkeit umfassend und erschöpfend zu definieren, vielleicht wird es nie möglich sein. Vielleicht können wir an dieser Stelle zumindest festhalten, dass im Wort Gerechtigkeit das Wort "Richtigkeit" enthalten ist.

Ein zentraler Satz aus der Bergpredigt hilft das Verständnis von Gerechtigkeit weiter zu erläutern: „Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere dazugegeben“. Jesus weist an dieser Stelle auf das Leben hier auf der Erde hin.

Er ermahnt dazu, die Gerechtigkeit nicht zu vernachlässigen. Nach biblischem Verständnis ist Recht, Frieden und Freiheit unverbrüchlich damit verbunden, weshalb die Menschen dazu angehalten sind, auf Gerechtigkeit zu achten und darauf hin zu wirken. Im kleinen wie im großen, im persönlichen wie im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich.

„Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst“

Das biblische Verständnis lehrt uns, die umfassende Größe der Gerechtigkeit zu verstehen. Gott schenkt allen Menschen Gerechtigkeit. Wer sich nun für gerechte Verhältnisse auf dieser Erde einsetzt, der hat zugleich einen Gottesdienst erbracht.

Literatur:

Jüngel, Eberhard: Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens. Tübingen (Mohr Siebeck) 1998


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