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Interpretation

Das Eisen­walz­werk: Adolph von Menzel - Bild­ana­lyse

1.229 Wörter / ~3½ Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Anna B. im Mai. 2018
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Dokumenttyp

Interpretation
Kunst/Design

Universität, Schule

Gymnasium Ansbach

Note, Lehrer, Jahr

1,7, Müller;2018

Autor / Copyright
Anna B. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.06 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 74436








Das Eisenwalzwerk

Adolph von Menzel

Adolph Menzel, auch bekannt als der „Maler Preußens“, wurde 1815 in Breslau geboren. Sein Vater gründete eine Steindruckerei, in der Adolph bereits mit 14 Jahren tätig war. Dort erhält er eine lithographische Ausbildung im väterlichen Betrieb. Nach dem frühen Tod des Vaters muss der junge Menzel bereits sehr bald für den Unterhalt der Familie sorgen und betreibt die Druckerei weiter. Aufgrund seiner Größe von nur 1,40 Meter, wurde er als militäruntauglich erklärt. Er gilt noch heute als der bedeutendste deutsche Realist des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zum Idealismus, versteht man darunter eine Malerei, die ausschließlich die vorgefundene Wirklichkeit abbildet. Seine Werke waren äußert vielfältig. Auch die Abbildung kleinster Details war für Menzel enorm wichtig. Seine Detailbesessenheit grenzte an Manie.
Das Streben nach Wirklichkeitstreue war offensichtlich auch der Grund für die Detailfülle in seinen Gemälden. Menzel war bekannt, neben Natur- und Stadtansichten Gemälde des häuslichen und gesellschaftlichen Lebens zu schaffen. Jedoch gab es eine Ausnahme – Das Eisenwalzwerk (1875). Adolph von Liebermann gab bei Menzel ein Werk in Auftrag, welches die Bedingungen der Arbeiterklasse zum Thema hatte. Nie zuvor hat ein Maler den Alltag der Fabrikarbeit so thematisiert. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Industrialisierung bereits voll im Gange. Er malte von 1872 bis 1875 an dem 153x253 cm großen Werk, welches so imposant war, wie die Maschinen im Bildgrund. Das Ölgemälde wirkte bereits durch seine Maße. Um das Gesehene nicht einfach abzumalen, sondern sich wirklich in diesen Sachverhalt hinein versetzen zu können, verbrachte er zur Vorbereitung einige Wochen in einem Walzwerk in Oberschlesien. Hier fertigte er mehr als 150 Zeichnungen. Millimetergenau maß er beispielsweise die Geräte aus und zeichnete sie sogar von der Rückseite, um ihre Konstruktion zu verstehen.

Ich schwebte dabei in steter Gefahr, gewissermaßen mitgewalzt zu werden. Wochenlang, von morgens bis abends, habe ich da zwischen den sausenden Riesenschwungrädern und Bändern und glühenden Blöcken gestanden und skizziert.“ notierte Menzel später.

Das Kunstwerk vermittelt uns einen genauen Einblick in das Geschehen in einer großen Fabrikhalle, in der Eisenbahnschienen hergestellt werden. Auf den ersten Blick wirkt das Kunstwerk sehr ungeordnet, und doch ist es eine durchdachte Aufteilung. Der Künstler ordnet das lärmende Geschehen nach den Harmoniegesetzen des Goldenen Schnitts. Die zahlreichen Männer arbeiten hoch konzentriert mit Kraft und Geschicklichkeit. Alle sind barfuß und tragen Holzpantoffeln, die Ärmel ihrer Hemden sind nach oben geschlagen. Eine

Bildgrenze wird durch die im Vordergrund abgelegten Werkzeuge symbolisiert. Die leuchtende, Funken sprühende Eisenwalze dominiert das eher dunkel gehaltene Bild. Ausschließlich an der Seite scheint zusätzliches Tageslicht durch die Fenster herein. In der Halle findet jedoch viel mehr als nur die Produktion statt. Erschöpft von der harten Arbeit, haben sich vorne rechts einige Arbeiter für eine Mahlzeit hingesetzt. Einer lässt die Schultern erschöpft hängen, ein anderer beißt gierig in einen der Fische, die gerade von einem Mädchen gebracht wurden. Sie hält als einzige Blickkontakt zum Betrachter. Links hingegen beenden gerade einige Arbeiter ihre Schicht und waschen die Spuren des harten Arbeitstages von der Haut. Keiner dieser Männer besitzt eine echte Identität. Auch der Herr mit Hut, der womöglich der Direktor des Werkes ist, ist typisiert. Er läuft elegant und doch unbeteiligt durch das Werk. Adolph von Menzel bringt also die verschiedenen Phasen des Arbeitsalltages in das Bild. Der Betrachter spürt sofort, dass der Künstler nicht nur Zuschauer war, sondern sich wirklich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat und schon beinahe selbst ein Teil des Produktionsprozesses war. Der Ausbau der Industrialisierung hing damals wesentlich vom Bau des Eisenbahnnetzes ab. Das war wahrscheinlich der Grund, warum Menzel sich auf seinen Gemälden mit der Eisenbahnindustrie auseinandergesetzt hat. Beim Anblick des Werkes werden wir durch Menzels Realismus in die dargestellte Zeit versetzt. Menzel möchte hier nicht den technischen Fortschritt darstellen, sondern eher menschliche Kraft, Geschick und Konzentration, mit der die Technik bedient wird. Es erweckt den Eindruck einer dumpf arbeitenden, ameisengleichen, Masse, die sich der Maschine bereits untergeordnet hat.
Einige Jahre nach Veröffentlichung fügte Menzel selbst den Untertitel „Moderne Zyklopen“ hinzu. Zyklopen sind Gestalten aus der griechischen Mythologie, welche besonders berühmt für ihre herausragenden Schmiedekünste sind. Der Betrachter taucht in eine Welt ein, die für einen außenstehenden eine sehr fremde, verwirrende, gewissermaßen beängstigende Welt ist. Wir kennen eine solche Arbeitswelt nicht. Durch die Lichtführung und die vielen Akteure entwickelt sich eine sehr enge Atmosphäre. Man glaubt fast körperlich die Hitze spüren und den Maschinenlärm hören zu können. Ächzende Schwungräder, dröhnende Schmiedehammer, das glühende Eisen zischt, die Hitze flimmert. Alles vereint mit den menschlichen Rufen der Arbeiter.
Menzel überblickte auch die harten Fakten dieser neuen Wirklichkeit. Die wöchentliche Arbeitszeit lag damals bei 72 Stunden, ohne Krankenversicherung, Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch. Die Gefahr ist förmlich zu spüren. Die Arbeiter tragen kein festes Schuhwerk, ausschließlich eine große Schürze dient zum Schutz vor den Funken. Auch die ständige harte körperliche Arbeit ist zu spüren. Für angenehme Pausen zum Abschalten ist hier absolut keine Zeit.

Der Künstler lässt Raum für eigene Empfindungen des Betrachters. Bewundern wir diese Arbeiter für ihre Kraft? Konnten sie wohl Stolz und Zufriedenheit aus ihrer Arbeit schöpfen? Wie wurden diese hart arbeitenden Menschen wohl in der Gesellschaft angesehen? Ohne sie wäre eine Industrialisierung immerhin nicht möglich gewesen. Er möchte nicht auf die schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam machen, oder Mitleid beim Betrachter erregen. „Das Eisenwalzwerk“ formuliert, was erst noch zum politischen Thema werden sollte – die soziale Frage. Erst die Bismarcksche Sozialgesetzgebung im Jahr 1883 war der Beginn einer gesetzlichen Absicherung im Alter, im Krankheitsfall und bei Unfällen.

Adolph von Menzel war bereits zu Lebzeiten ein sehr angesehener Künstler und war durch seine thematische und stilistische Vielfalt bekannt. Trotzdem galt er als Außenseiter, denn seine Werke entsprachen oft nicht der damals geltenden Kunstauffassung und den bürgerlichen Kunstgeschmack. Auch die Erhebung 1898 in den Adelssand bezeugt die große Wertschätzung, die Menzel als Künstler und Mensch durch sein Wirken erreichte.

Nun möchte ich zum Vergleich noch auf ein weiteres Werk aus der Zeit des Realismus eingehen - Die Steinklopfer (1849). In dem Bild von Gustave Courbet sehen wir zwei Männer bei der Arbeit. Im Vordergrund wird die niedere Arbeit verrichtet, der Hintergrund ist dunkel. Lediglich oben rechts ist ein Sonnenstrahl und blauer Himmel zu sehen. Die Farbe der Kleider stechen nicht vom Arbeitsplatz hervor. Die zerrissenen Kleider und die kaputten Schuhe bezeichnen den sozialen Stand der Arbeiter. Von beiden Arbeitern ist kein Gesicht zu sehen, sie wirken anonym und ersetzbar. Rechts im Bild ist der ganze Inhalt eines Arbeiterlebens angedeutet. Haus, Arbeit, Essen. Wie auch bei Menzels Eisenwalzwerk werden auch hier die damaligen Grundwerte des Menschen dargestellt. Ein Kochtopf, ein Schöpflöffel, ein Brot. Es steht symbolisch für das ernähren der Familie. Hier ist kein Platz für Freizeit. Diese Darstellung ist sehr typisch für den Realismus. Auch in Menzels Eisenwalzwerk wurden die schlechten Arbeitsbedingungen deutlich. Dennoch wirkt es nicht so, als sollte Mitleid erweckt werden. Die Arbeiter im Eisenwalzwerk wirken eher stark und dynamisch, als bemitleidenswert. Menzel lässt mehr Platz für eigene Empfindungen, während Gustave Courbet den Betrachter stärker beeinflusst, Mitleid für die Arbeiter zu empfinden. Hier wirken die Arbeiter auch eher gebückt, gebrechlich und kraftlos.

Abschließend stelle ich mir die Frage, was die beiden Gemälde heutzutage ausdrücken. Was erweckt es in uns jungen Menschen, die noch ganz am Anfang ihres Berufslebens stehen? Es sollte eine Art Denkanstoß sein, über die Arbeitsbedingungen früher und heute, über die Vorzüge des heutigen Arbeitsleben, die wir alle früher oder später genießen werden, und vor allem über die Selbstverständlichkeit mit der wir diese Vorzüge genießen, ohne diese bewusst zu schätzen.




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