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Seminararbeit / Hausarbeit

Exegese des Buches der Weisheit: Tief­grün­dige Analyse - Semi­nar­ar­beit

6.310 Wörter / ~23 Seiten sternsternsternsternstern Autorin Aileen F. im Dez. 2017
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Seminararbeit
Theologie

Universität, Schule

Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Note, Lehrer, Jahr

1,3, 2015

Autor / Copyright
Aileen F. ©
Metadaten
Preis 8.00
Format: pdf
Größe: 0.17 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 69939







Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung…………………………………………………………………………………S. 2

2. Das Buch der Weisheit – allgemeine Einordnung………………………….……… ……S. 3

2.1. Ein Buch der Apokryphen…………………………………………….…………S. 3

2.2. Inhalt des Werkes……………………………………………………….……….S. 4

3. Salomos Gebet um Weisheit (Weish 9,1-18)……………………………………….… …S. 5

3.1. Übersetzungskritik…………………………………………………….…… .…S. 5

3.2. Literar- und Kompositionskritik…………………………………….………… S. 6

3.3. Quellen- und Redaktionskritik…………………………………….…………….S. 7

3.4 Formkritik……………………………………………………….…………… .S. 9

3.5. Einzelversauslegung………………………….……………….……………….S. 10

3.6. Theologischer Skopus………………………………………….………………S. 14

4. Der wahre Verfasser………………………………………………….………………….S. 15

5. Die Botschaft der Weisheit Salomos………………………………….………….………S. 17

6. Fazit…………………………………………………………………………….…… …S. 19

7. Literaturverzeichnis…………………………………………………………………… .S. 20

8. Anhang………………………………………………………………………………… S. 21

9. Eidesstattliche Erklärung……………………………………………………………… .S. 23


1. Einleitung

Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“ Aristoteles

Schon vor 2000 Jahren kam der griechische Philosoph zu der Erkenntnis: Wissen gehört zu der Begierde jedes Menschen. Damit bezieht er sich nicht nur auf das rein enzyklopädische Wissen, sondern auf unterschiedlichste Formen, z.B. Belebung seiner Sinne, Verständnis oder das Bestreben zu seinem intellektuellen Bewusstsein zu finden.

Warum streben wir nach Wissen? Aristoteles beantwortet diese Frage eindeutig: Es liegt in der Natur des Menschen. Die Menschheit strebt tagtäglich nach Fortschritt, nach Weiterentwicklung und nach Erkenntnis. Als Bespiel sei hier die Forschung angeführt, die auf der Entdeckung neuer Verfahren oder Ressourcen baut. Außerdem versucht der Mensch durch Wissen die Sehnsüchte des Alltags zu stillen ihn zu erleichtern.

Vielleicht ist das Streben nach Wissen eine Ausrede, um mit einer Erfindung das Ansehen der Menschheit zu erhalten, weil sie ihn im Gedächtnis der Nachwelt wiederfinden lässt. Somit würde Wissen das Streben nach Ruhm und Ehre ausfüllen; ebenso die Sehnsucht nach Anerkennung und Gerechtigkeit, die uns von Gott mitgegeben wurde, damit der Mensch sich auf die Suche nach ihm begibt.

Das Wissen eines Menschen hat in unserer Gesellschaft einen großen Einfluss auf das Leben. Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten, die trotz Streben nach Wissen keinen Erfolg haben, gelten als unmündig, erhalten dadurch nur eine gering bezahlte Arbeit, in Folge dessen entsteht ein Mangel an Reichtum und Ansehen. Dies kann sogar bis zum Ausschluss aus der Gesellschaft führen.

Wissen ermöglicht also Macht, Reichtum, Ansehen – ein gutes Leben?! Weisen Menschen werden die Fähigkeiten zugeschrieben: einen guten Rat geben zu können, Einblick in die Dinge zu haben, die menschlichen Sehnsüchte zu verstehen und zu wissen was vor Gott gerecht ist. Strebt nicht im Endeffekt jeder Mensch nach Gerechtigkeit und danach „gute Taten“ zu tun? Gläubige Menschen haben das Bestreben danach Gott zu gefallen um am Ende von ihm angenommen zu werden.

Doch wie soll der Mensch Gottes Willen erkennen, um zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können? Der Verfasser des Buches der Weisheit versucht auf diese Fragen eine Antwort zu finden.


2. Das Buch der Weisheit – allgemeine Einordnung

Das Buch der Weisheit ist in der Bibel im Alten Testament (AT) einzuordnen. Es ist Bestandteil der Weisheitsliteratur, die sich zwischen den Geschichtsbüchern und den Büchern der Prophetie befindet. Zusätzlich gehören zur Weisheitsdichtung das Buch Hiob, die Psalmen, Sprichwörter, Kohelet (Prediger), Hoheslied und Jesus Sirach.


2.1 Ein Buch der Apokryphen

Das Buch der Weisheit ist die jüngste Schrift des AT und gehört zu den Schriften der Apokryphen.1 Das griechische Wort „apokryph“ bedeutet „verborgen“ und wird für Schriften verwendet, die nicht in den Bibelkanon aufgenommen wurden.2 In der Septuaginta3 finden sich im Gegensatz zur hebräischen Bibel zusätzliche Bücher: Judit, Tobit, 1. bis 4. Makkabäerbuch, Weisheit, Jesus Sirach, Baruch und der Brief des Jeremia.

„In der Septuaginta führt das Buch die apokryphe Poesie an, in der Vulgata4 wird es als letztes der vier Bücher Salomos (Sprüche, Prediger, Hoheslied, Weisheit) genannt.“5

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Diese Schriften lagen in griechischer Textfassung vor und wurden deshalb in der lutherischen Kirche und bei den Reformatoren ausgeschlossen. Allerdings sind die Bücher Bestandteil der katholischen Bibel, in der die Schriften als Deuterokanonen bezeichnet werden.6 Auf dem Konzil zu Trient (1546) wurde die Entscheidung dazu von der römisch-katholische Kirche gefällt.

Auch die orthodoxe Kirche nahm die Bücher 1672 in die deuterokanonischen Schriften auf.7


2.2. Inhalt des Werkes

Kapitel/Versangabe

Inhalt

Weish 1,1 – 6,21

Aufruf zu einem Leben nach der Weisheit

Weish 6,22 – 9,18

Loblied auf die Weisheit

Weish 10,1 – 19,22

Die Weisheit und Gott in der Geschichte

Das Hauptthema des Buches Weisheit ist die Weisheit und der Appell zu einem Leben in Gottesfurcht. In 19 Kapiteln werden die Eigenschaften der Weisheit vorgestellt, der Weg, wie man sie erlangen kann, ihre Auswirkungen deutlich gemacht und immer wieder betont, dass die Weisheit ein Gnadengeschenk Gottes ist. Das Werk lässt sich in drei, nicht eindeutig voneinander abgrenzbare, Hauptteile gliedern:


Im ersten Teil wird das Schicksal und dessen Gegensatz zwischen den Gerechten, die Gott lieben, und den Gottlosen dargestellt. Zu Beginn (Weish 1,1-15) steht ein Aufruf an die Herrschenden der Welt zu einem Leben in Gerechtigkeit und Weisheit, der auch als Mahnrede bezeichnet wird.8 Danach folgt die Beschreibung des Lebens aus der Sicht der Gottlosen (Weish 1,16-2,24).

Der Vergleich zwischen den unterschiedlichen Lebensstilen erreicht seinen Höhepunkt (Weish 5,23).

Im zweiten Teil beschreibt der Verfasser die Weisheit in einem Loblied. Er gibt Auskunft über ihren Ursprung, ihr Wesen, ihr Wirken und den Weg, sie zu erlangen. Das Loblied endet in einem Gebet (Weish 9), welches auch als Salomos Gebet um Weisheit bekannt ist. Anschließend wird von dem Wirken der Weisheit in der Geschichte berichtet (Weish 10,1-19,22). Dabei ist das Thema der Unvernunft des Götzendienstes von großer Bedeutung.

Der Inhalt der Sapientia ist immer mit dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte zu verstehen. Die Sprache und das Denken sind sowohl biblisch als auch griechisch – hellenistisch geprägt. Ebenso sind verschiedene Philosophische Strömungen und die zeitgenössische antike Literatur des ersten vorchristlichen Jahrhunderts in die Schrift eingeflossen, z.B. „[…] finden sich Einflüsse des stoischen Denkens, etwa in der Rede von den Elementen in Sap 7,17; 19,18, der Vorstellung einer göttlichen Vorhersehung in Sap 14,3 oder den Anspielungen auf das Gewissen in Sap 17,11. […] [G]leichermaßen werden aber auch platonische Vorstellungen rezipiert [ ] oder die Vorstellung einer Präexsistenz der Seele in Sap 8,19f.“9 Markus Sauer nennt in seinem Buch „Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur als Beispiele für platonische Vorstellungen die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Besonnenheit, Einsicht und Tapferkeit, die im Kapitel 8,7 aufgelistet werden.10


3. Salomos Gebet um Weisheit (Weish 9,1-18)

Das Buch der Weisheit bedient sich einer breiten Anzahl von Gattungen: Einzelsprüche, Mahnungen, Gedichten, Hymnen, Reden und Gebeten. Ein bedeutendes Gebet ist im Kapitel 9, 1-18 zu finden: Salomos Gebet um Weisheit11. Salomo wird als Verfasser ausgeschlossen; vielmehr werden zwei zentrale Bibelstellen 1 Kön 3, 6-9 und 2 Chr 1, 8-1012 verarbeitet, die auf den weisen König Salomo hinweisen.13


3.1. Übersetzungskritik

Im Vergleich zur philologisch genauen Menge-Bibel von 1939, die besonders nah an den hebräischen und griechischen Grundtexten übersetzt ist, verwendet die Lutherübersetzung aktuellere Worte, z.B. „Herrlichkeit“ anstatt „Lichtglanz“ (V.11); „mit aufrichtigem Herz“ anstatt „Lauterkeit des Herzens“ (V.3); „schick“ anstatt „[e]ntsende“.

Der Satzbau ist stark am Urtext orientiert und klingt daher zunächst oft etwas holprig, zumal es zahlreiche Ergänzungen in Klammern gibt: „und die Welt regiere mit Heiligkeit und Gerechtigkeit und in Lauterkeit des Herzens Gericht halte (= die Herrschaft ausübe)“ (V.3). Hierdurch ist die Übersetzung jedoch sehr gut dazu geeignet, die sprachliche Struktur des Urtextes nachzuvollziehen.14 In Vers 5 spricht die Menge Bibel von „wenig tüchtig an Einsicht für Rechtspflege und Gesetzeskenntnis“; im Gegensatz dazu steht in der Lutherbibel nur „dem es an Einsicht fehlt für Recht und Gesetz“.

Interessant ist auch der Beginn des Gebets in der Menge Bibel, der zusätzlich mit einem „Du“ beginnt.

Die Gute-Nachricht Übersetzung orientiert sich noch stärker am heutigen deutschen Sprachgebrauch; in Vers 5 wird nicht mehr von einem „Knecht“, sondern von einem „Sklave“ gesprochen. Diese Bibel ist eine gemeinsame römisch-katholische und evangelische Übersetzung.

Ihr Hauptziel ist die verständliche Wiedergabe der biblischen Inhalte, die nicht durch eine „sklavische Bindung an formale Eigentümlichkeiten des fremdsprachigen Textes“ erreicht werden kann (Nachwort 1997). Deshalb besitzt die Gute-Nachricht Übersetzung zusätzliche Bemerkungen: „Ich betete“ V.1; „du hast ihm den Auftrag gegeben“ V.2b, die den Leser, der keine Vorkenntnisse oder Probleme mit dem Verständnis des biblischen Sprachgebrauchs hat, unterstützen will.

Besonders betont werden soll hier die Anrede Gottes in Vers 1: „Herr, du Gott meiner Vorfahren, du Gott voll Erbarmen.“ Während in den beiden anderen Übersetzungen das Gebet mit „Gott meiner Väter“ eingeleitet wird, setzt die Gute-Nachricht das Vorwissen über Gott als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht voraus.

Durch die Verwendung des Wortes „Schöpfung“ in Vers 3 wird dem Leser der direkte Bezug zur Schöpfungsgeschichte erleichtert. Herausfordernde und unübliche Vokabeln, z.B. Einsicht oder Besonnenheit, werden in dieser Übersetzung mit „verstehen“ (V.5c) und „umsichtig hand[eln]“ (V.11b) umschrieben.

Die Lutherbibel stellt ein hervorragendes Gleichgewicht zwischen der Treue zum Urtext (Menge Bibel) und dem aktuellen Zeitgeist (Gute Nachricht) dar. Die Übersetzung nach Martin Luther überzeugt durch seine klangvolle Sprache und ist der maßgebliche Bibeltext der evangelischen Kirche. Die Exegese des Gebets Salomos um Weisheit soll deshalb nach der lutherischen Übersetzung erfolgen.

Das Gebet um Weisheit steht im Zentrum des Werkes und bildet damit die Klimax des gesamten Buches. Es schließt sich an die Hymne auf die Weisheit an. Der Verfasser vollzieht einen Perspektivwechsel in Kapitel 8,18b und teilt dem Leser mit, dass er nun auf der Suche zur Weisheit ist, um sie für sich zu gewinnen. Er erkennt, dass die Weisheit ein Geschenk Gottes ist und wendet sich im Gebet an Gott; Weish 8,18b – 8,21 bildet dafür den Auftakt bzw. das Vorwort.

Nach dem Gebet wird von der Macht der Weisheit in der Geschichte Israels berichtet.

Der Beter wendet sich in Weisheit 9,1 an Gott und eröffnet somit das Gebet. Das Ende dagegen ist nicht eindeutig markiert. Einerseits ist davon auszugehen, dass der Schluss nach Kapitel 9,18 zu ziehen ist, da Gott in den nachfolgenden Versen nicht mehr direkt angesprochen wird. Andererseits finden sich in den weiteren Kapiteln immer wieder einzelne Passagen oder Verse, in denen der Verfasser die Erzählperspektive wechselt.

Am Ende des 11. Kapitels wird Gott als „Herr“ (Weish 11,26) direkt adressiert und in Kapitel 12-19 weiterverwendet. Daraus lässt sich schließen, dass das Gebet ein Bestandteil des Buches der Weisheit bis zum letzten Kapitel ist.


3.3. Quellen- und Redaktionskritik

Es handelt sich um ein poetisches Kunstwerk und kann daher in drei Strophen gegliedert werden:

Versangabe

Inhalt

V. 1-6

Verlangen nach Weisheit, damit der Schöpfungsauftrag, den Gott dem schwachen Menschen gegeben hat, erfüllt werden kann

V. 7-12

Der Mensch kann nur König, Richter, Tempelbauer sein und gute Werke tun, wenn er die Weisheit von Gott erhält

V. 13-18

Ohne die Weisheit Gottes ist und war es keinem Menschen möglich Gottes Willen und Heilsplan zu erkennen



= primärer Text


= nachträglich zum Ur-Text hinzugekommen

In der letzten Überarbeitung wurde dem Gebet „[…] noch eine Klage aus der spekulativen Mystik angehängt“15, die die Verse 13-18 darstellt. Außerdem trug das neunte Kapitel ursprünglich keine Überschrift, sondern hat „die aus dem 13. Jh. Stammende Minuskelschrift 579 in Blatt 201b in Zeile 7-12 über das ´Gebet Salomos´ 9,1-6 folgende beigegeben: Gebet des weisesten Salomo, der König war und zu beten pflegte, wenn er zum Richter(amt) heraustreten wollte16.

In den Versen 1-6 wird die Weisheit für den Menschen erbeten, um über die Welt herrschen zu können. Während in den Versen 7-12 die Weisheit für den König verlangt wird, um über das Volk Gottes zu herrschen, schließt sich der Rahmen zu ersten Strophe in den Versen 13-18. Dort handelt das Gebet ebenfalls von der Bitte um Weisheit für den Menschen, um den Willen Gottes zu erkennen.

Im Folgenden sollen die erste und zweite Strophe, die dem Ur-Text entsprechen, genauer analysiert werden.

Grob lässt sich Weisheit 9,1-12 in vier Abschnitte gliedern; die Feingliederung besteht aus acht Teilen:

Grobgleiderung

Versangabe

Inhalt

V. 1-3

Gottes Schöpfungsauftrag an den Menschen

V. 4-6

Bitte des schwachen Menschen um Weisheit

V. 7-9

Bevollmächtigung des Menschen zum Richter, König und Tempelbauer

V. 10-12

Zentrum des Gebets: Aufruf die Weisheit zu erhalten

= direkte Anrede Gottes

= Ich - Perspektive


Feingliederung


Versangabe

Funktion

Inhalt

V. 1-2a

Hymnischer Aufgesang

Lobpreis der Herrlichkeit Gottes

V. 2b-3

Hinführung zum Hauptteil

Mensch als Herrscher und Richter über die von Gott geschaffenen Kreaturen

V. 4a

Hauptteil

Bitte um Weisheit

V. 4b-6

Hauptteil

Grenzen des unvollkommenen Menschen

V. 7-8

Hauptteil

Mensch ist von Gott zum Richter, König und Tempelbauer erwählt

V. 9

Hauptteil

Wesen der Weisheit

V. 10

Zentrale Stelle

Mensch fordert Weisheit zur Erkenntnis

V.11-12

Hymnischer Abgesang

Loblied auf die Weisheit

3.4. Formkritik

Das Gebet ist innerhalb des Preisgedichts auf die Weisheit eingefügt. Der Verfasser zitiert das Gebet als wörtliches Zitat, somit ist es keiner Erzählgattung, sondern der Redegattung zuzuordnen. Das Gebet ist eine (einseitige) verbale Kommunikationsform; ein Gespräch eines Menschen mit einer Gottheit. Idealtypische Gebetsformen lassen sich in Alltagsgebete und Klagelieder, Danklieder sowie Hymnen, die die Hauptgattungen der Psalmen darstellen, einteilen.

Das Gebet Salomos um Weisheit lässt sich als Bitt-Gebet nicht eindeutig in die Alltagsgebete einordnen, weil es sich nicht um ein Gebet der alltäglichen Gebetspraxis handelt. Es findet sich keine Fürbitte oder ein Dank für Gottes erfahrenen Schutz, sondern behandelt eine sehr tiefsinnige Bitte: die Bitte um Weisheit (V.10), die den Höhepunkt des Gebets ausmacht.

U. Offerhaus schreibt in seinem Werk „Komposition und Intention der Sapientia Salomonis“, dass das Gebet nicht die Wiedergabe eines ursprünglichen Bittgebets ist, sondern vielmehr eine Fortsetzung der Rede Pseudosalomos.18 Armin Schmitt hingegen betont, dass das Gebet zu den „Fundamentalsätzen weisheitlicher Frömmigkeit“19 gehört.

In den Versen 1-3 und 7-9 wird Gott direkt angesprochen und somit die Bitte um Weisheit immer der Bezug auf den, der Weisheit schenkt, hergestellt.

Die Weisheit wird in Form von Personifikationen beschrieben („die bei dir auf deinem Thron sitzt“, V.4). Auffällig sind auch die zahlreichen anthropomorphen Gottesvorstellungen: „in der Stadt, in der du wohnst“ (V.8). Außerdem verarbeitet der Verfasser hauptsächlich das Stilmittel Parallelismus membrorum, der als synonymer Parallelismus eingesetzt wird (Gott hat „alle Dinge durch [sein] Wort“ und „den Menschen durch [seine] Weisheit“ gebildet, V.1).

Dadurch erhalten einige Verse besondere Betonung. Es findet sich des Weiteren ein Chiasmus (V.4 und V.10). Auch das Stilmittel Merismus wird verwendet, da „Söhne und Töchter“ (V.7) hier eine Teilung des Wortes „Kinder“ vorliegt.

Die Metapher „ich bin dein Knecht und der Sohn deiner Magd“ (V.5) veranschaulicht die Niedrigkeit des Menschen gegenüber Gott. Ebenfalls veranschaulichen viele Aufzählungen das Gebet, z.B. die drei-teilige Aufzählung des Schöpfungsauftrages für den Menschen. Diese Berufung des Menschen stellt ein positives Bild dar; danach folgt ein Bildwechsel: der Mensch ist zu schwach diesen Auftrag auszuführen.

Das Gottesbild des Gebets wird in der Anrede thematisiert, indem der Beter Gott als „Herr des Erbarmens“ (V.1) anspricht und damit eine Anspielung auf seine Intention bzw. seine Bitte herbeiführt. Er selbst als Person erniedrigt sich und sieht sich in der Rangfolge auf der untersten Stufe.


3.5. Einzelversauslegung

Das Gebet beginnt mit einer doppelten direkten Anrede: „Gott meiner Väter und Herr des Erbarmens“ (V.1), die fester Bestandteil dieser Kommunikationsform ist. Die Aussage „Gott meiner Väter“ lässt sich als Rückblick in die Geschichte auslegen, Gott war der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Damit wird Gottes Treue und sein Heilswillen mit dem Volk Israel aufgezeigt, und mit der Anrede „Herr des Erbarmens“ noch verstärkt.

Der Verfasser nimmt Bezug auf Exodus 34,6f.; hier bekennt Gott seinem Volk seine Liebe und sein Erbarmen. Da er in der Geschichte so gehandelt hat, wird dadurch die Gewissheit für die Zukunft betont. Durch diese Anrede wird auch eine persönliche Ebene erreicht; Gott erscheint dem Beter trotz seiner Heiligkeit nicht unerreichbar fern. Des Weiteren spiegelt die Anrede die Ehrfurcht vor Gott wieder.

Vers 1b und 2a bilden einen synonymen Parallelismus. Gott hat „alle Dinge durch [sein] Wort“ und „den Menschen durch [seine] Weisheit“ gebildet. Die Worte „alle Dinge“ und „den Menschen“ sowie „durch dein Wort“ und „durch deine Weisheit“ entsprechen sich als Synonyme und sind eine instrumental verwendete Adverbialbestimmung. Sie gehören also als Schöpfungsmittel zu Gott.

In diesen Versen kommen deutlich Gottes Eigenschaften zur Sprache: allwissend, allmächtig, erbarmend, hinwendend, vergebend und seine Tätigkeit als Schöpfer. Der Leser wird an den Schöpfungsbericht in Gen 1 erinnert, der „[…] die im Alten Orient, besonders in Ägypten, verbreitete Vorstellung von der ´Schöpfung durch das Wort´“20 enthält.

Zunächst ist von „alle[n] Dingen“ (V.1b) die Rede, danach wird explizit von der Erschaffung des Menschen gesprochen, der der einzige ist, der durch die Weisheit erschaffen wurde. Daraus folgt die zentrale Stellung des Menschen als Mittelpunkt der Schöpfung, der in Vers 2a besonders hervorgehoben wird, um dessen Ziel, Verantwortung und Berufung, die Gott in Gen 1,2821 benennt, einzuleiten.

In Vers 5 erkennt der Beter, dass er dieser verantwortungsvollen Aufgabe nicht mächtig ist. Er unterwirft sich und gibt seine Niedrigkeit Preis, indem er sich als Knecht und der Sohn der Magd Gottes, sowie als schwacher und kurzlebiger Mensch bezeichnet, der das Gesetz und das Recht nicht versteht.

Die beiden Konditionalsätze (V.5-6), jeweils mit der Präposition „denn“ eingeleitet, geben die Begründung für die Bitte in Vers 4, die als Imperativ gestaltet ist. Nur durch das Geschenk der Weisheit ist es dem Menschen möglich rechtschaffen zu richten und so fleht er Gott an: „Gib mir die Weisheit“ (V.4). Der Verfasser formuliert die Bitte gegenüber den anderen Salomogebeten neu.

In 1 Kön 3,9 erbetet Salomo ein „gehorsames Herz“ und in 2 Chr 1,10 „Weisheit und Erkenntnis“. In Weish 9,4 wird die Weisheit mithilfe einer Personifikation beschrieben: „die bei dir auf deinem Thron sitzt“ (V.4) In diesem Zusammenhang erhält Gott die anthropomorphe Vorstellung der Besitzer der Weisheit zu sein. Dieses Bild stammt aus der griechischen Götterlehre; die Tochter von Zeus und Themis ist Dike (göttliche Gestalt der Gerechtigkeit).

Durch den Perspektivwechsel in die Ich-Perspektive wird dieser Bitte noch mehr Ausdruck verliehen. Der von der Weisheit handelnde Vers 4 verbindet die Verse 1-3, in denen Gott angesprochen wird, mit den Versen 5-6, die vom Beter selbst handeln. Daher wird die Weisheit auch als Bindeglied zwischen Gott, der hierarchisch gesehen an erster Stelle steht und dem Menschen, dem der letzte Rang zugeschrieben wird, gesehen.24 Ohne die Weisheit würde der Mensch nicht zu Gottes Kindern gehören (V.4).

Im Konjunktiv wird in Vers 6 zurecht von einem vollkommenen Menschen gesprochen, der doch nichts vor Gott gelten würde, hätte er die Weisheit nicht. Durch den Relativsatz „die von dir kommt“ (V.6), erkennt der Beter an, dass die Weisheit ein Geschenk Gottes ist und niemals durch eigene Anstrengung erlangt werden kann.

Die Verse 7-12 bilden die zweite Strophe. Ein Absatz ist nach Vers 6 deutlich zu erkennen, da der Beter sich in Vers 7 wieder Gott direkt zuwendet und ihn anspricht. Die synonymen Parallelismen (V.7a,12c; V.7b,12b; V.8,12a) gestalten die Strophe als Ringkomposition. Das Wesen und Wirken der Weisheit, welches in Vers 9 und 10c-11 beschrieben wird rahmt zusätzlich Vers 10a,b ein.25 Auf Grund dessen wird die erneute Bitte, die gleichzeitig die Klimax des Gebets (V.10) ist, untermauert.

Der Beter macht Gott deutlich, dass er für diesen Auftrag ausgestattet werden muss, sonst kann er nicht erfüllt werden. Gott ist der Auftraggeber und der Verantwortliche, deshalb wird er direkt in Vers 7 und nochmal in Vers 8 mit einem beeindruckenden „DU“ angesprochen.

Der Verfasser verwendet ein weiteres Mal einen synonymen Parallelismus, der ausdrückt, dass Gott den Beter „zum König über dein Volk“ (V.7a) und zum „Richter über deine Söhne und Töchter“ (V.7b) erwählt hat. Dabei greift er die beiden weiteren Salomogebete in 1 Kön 3,6-9 und 2 Chr 1,8-10 erneut auf. Interessant ist, dass die Bezeichnung „Gottes Söhne und Töchter“ nur noch an drei weiteren Stellen in der Bibel vorkommen: Jes 43,6; Dtn 32,19; 2 Kor 6,18. Helmut Engel vermutet, dass der weibliche Teil, der hier explizit hervorgehoben wird, auf die zwei Frauen zurückzuführen ist, welche „als erste den jungen König als Richter in Anspruch nehmen und das berühmt gewordene Urteil ganz Israel die Weisheit Salomos erkennen läßt.“26

Dieses Motiv des „heiligen Berges“ findet sich hauptsächlich in den Psalmen (z.B. 3,5; 15,1) oder auch im Jesajabuch wieder.

Die anthropomorphe Gottesvorstellung „in der Stadt, in der du wohnst“ (V.8b) beschreibt Jerusalem. Zusätzlich wird im Vers 8b der Brandopferaltar erwähnt. Salomo hat davor sein feierliches Tempelweihgebet gesprochen und ihn während der sieben Tage eines Festes eingeweiht (1 Kön 8, 22.54; 2 Chr 6,12).

Interessant ist, dass die Vorstellung des Tempel als Nachbildung des himmlischen Urbildes (aus Ex 25,9.40; 26,30) in diese kurze Darstellung mit hineingenommen und das Zeltmotiv so stark betont ist.“28 Dieter Georgi geht in seiner Auslegung auf den Ausspruch „ein Abbild des heiligen Zeltes“ (V.8b) ein und ist erstaunt, da es sich nicht um ein typisches Element der Salomotradition handelt.

Der Vers 8 schließt mit einem Relativsatz, der Bezug zur Urzeit (die Zeit vor aller irdischen Zeit) herstellt. Dabei verarbeitet der Verfasser Elemente aus der platonischen – philonischen Ideenlehre: „Die eigentliche Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des jenseitigen Gottes und seines Himmels, von der her alle irdische Wirklichkeit wirklich wird und ist. […] Diese göttliche Wirklichkeit wird der irdischen nur durch die Weisheit vermittelt.“29


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