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Christian August Vulpius: Der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini

Inhaltsverzeichnis


A.Abstract2


B.Christian August Vulpius: Lebenslauf und literarische Werke2


B.1 Lebenslauf3


B.2 Literarische Werke5


C.Der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini im Kontext der Trivialliteratur6


C.1 Trivialliteratur: Geschichte, Definition, Merkmale6


C.2 Die Figur Rinaldo Rinaldini im Kontext der Trivialliteratur9


D.Bibliographie14


A.  Abstract


Grundlage für das folgende Portfolio sind die Auseinandersetzungen mit dem Thema „Das klassische Weimar und seine Autoren“ innerhalb des Seminars für Deutsch als Fremdsprachenphilologie der Universität Heidelberg.

Neben Autoren wie Goethe, Schiller, Wieland und Herder und deren Werke wurden auch solche vorgestellt und besprochen, die sich aus heutiger Sicht nicht so hohen Bekannheitsgrad erfreuen wie zum Beispiel Christian August Vulpius. Als sein größter literarischer Erfolg erweist sich der Roman über den befürchteten Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini, den er zwischen 1799 und 1801 schrieb.

Die Gründe für die Beliebheit dieses Werks sind unterschiedlich. Einerseits volzog sich die Romanentstehung zu einer Zeit, in der das Objekt, von dem er handelt, noch gegenwärtig war und große Aufmerksamkeit genoß. Andererseits entwickelte sich zu dieser Zeit ein neues Verhältnis des Publikums den Büchern gegenüber: das Buch wurde nicht mehr nur als Quelle der Weisheit angesehen, sondern auch als Unterhaltungsmittel.

Nicht zuletzt spielte das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Büchermarkt eine große Rolle für den Erfolg des Trivialromans.

Die Frage danach, ob und inwieweit die Handlung und die Figuren des Romans zu seinem Erfolg beigetragen haben, bleibt offen. Tatsache ist, dass die Figur des Räubers zu jenen Figurenkategorien der Trivialliteratur gehört, die das Leserinteresse über einen verhältnismäßig langen Zeitraum hinweg zu fesseln vermocht haben.

Bei diesem Portfolio geht es um einen Versuch, die Figur Rinaldo Rinaldini im Kontext der Debatte über die Trivialliteratur und deren umfangreiche Kritik zu analysieren. Als Grundlage werden unterschiedliche Kritikpunkte herangezogen, die in Nachschlagewerken über das Thema Trivialliteratur zu finden sind.

Die Analyse der Hauptfigur des Romans wird im Anschluß an einem kurzen Überblick über das Leben und literarische Werk von Christian August Vulpius erfolgen.


B.  Christian August Vulpius: Lebenslauf und literarische Werke


Ins Zentrum des folgenden Portfolios rückt die Auseinandersetzung mit der privaten und öffentlichen Person Christian August Vulpius einerseits und seinem literarischen Beitrag andererseits. Im Anschluß daran wird im Abschnitt D auf den Roman Rinaldo Rinaldini der Räuberhauptmann.

Romatische Geschichte eingegangen sowie den Versuch unternommen, die Huaptfigur, die gleichzeitig Namensgeber des berühmten Räuberromans ist, im Kontext der Debatte über die Trivialliteratur zu analysieren.

B.1 Lebenslauf


Der folgende Abschnitt widmet sich ausschließlich der Frage nach der Person Christian August Vulpius. Letzterer erblickte das Licht der Welt am 23. Januar 1762 in Weimar. Zunächst besuchte er das Weimarer Gymnasium und studierte anschließend trotz den geringen finanziellen Mittel seiner Familie zuerst in Jena und dann in Erlangen Jura, Geschichte und historische Hilfswissenschaften.

Aus der studentischen Zeit stammten seine ersten Veröffentlichungen, bei denen ihm Goethe teilweise beratend zur Seite stand. An dieser Stelle ist seine Mitarbeit an Reichardts Bibliothek der Romane zu erwähnen, die seine beschwerliche finanzielle Lage verbessern sollte.[1]

Obwohl er teilweise oder ganz verschiedene Fremdsprachen wie Französisch, Italienisch, Griechisch, Spanisch, Latein und Englisch beherrschte, konnte er zuerst keine dauerhafte Anstellung finden. Sein Studium schließ er zunächst auch nicht ab.[2]

Aufgrund seinem Geldnot sah sich Christian August Vulpius gezwungen, seine jüngere Schwester und spätere Lebensgefährtin von Goethe, Christiane Vulpius, um einen Gefallen zu bitten, der das Leben der ganzen Familie Vulpius beträchtlich beeinflusste.

So musste die junge Christiane Vulpius den berühmten Goethe treffen und ihm eine Bittschrift um eine Anstellung seitens Christian August Vulpius’ überreichen. Bekannt ist, dass das erste Treffen zwischen Christiane Vulpius und Goethe auch der Anfang einer in der damaligen Gesellschaft heftig umstrittene Liebesbeziehung war, die für Christian August Vulpius sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich brachte. 1788 schrieb Goethe einen Brief an F. H.

Jacobi, in dem er den jungen Vulpius empfiehlt:


“Du verlangst einen jungen Mann zum Sekretär und zum Unterricht Deiner Kinder und ich habe eben einen, den ich gar zu gerne unterbringen möchte, ich wünschte nur, daß er auch dir recht wäre. [ .] Er hat von Jugend auf Disposition zu den Wissenschaften gezeigt und hat früh aus Neigung und Not geschrieben und drucken lassen . [ .] Es ward ihm sauer genug, auf eine solche Weise sich und einige Geschwister zu unterhalten [ .] Von seinem Französisch kann ich nicht sagen, wie weit er es versteht, soviel weiß ich, daß er artig Italienisch kann.

Er hat eine gute Bildung und aus seinen Handlungen und Äußerungen schließe ich ein gutes Gemüt.”[3]


Ab 1791 arbeitete Vulpius, nachdem ihn Goethe bei verschiedenen Verlegern vergebens empfohlen hat, als schlecht und unregelmäßig bezahlter Dramaturg des Hoftheaters in Weimar. Er hatte dabei Bühnenstücke einzurichten, italienische und französische Opern zu übersetzen und eigene zu schreiben.Dank Goethes Vermittlung bekam er 1805 die Stelle als Erster Bibliothekar und Inspektor der Münzsammlung der großherzoglichen Bibliothek, an derer Spitze ebenso Goethe stand.

Sein Beamtenfleiß wurde 1803 mit der Promotion zum Dr. phil. honoris causa von der Universität Jena belohnt. 1816 wurde er auch vom Fürsten anerkannt, indem er zum großherzoglichen Rat und Ritter des Weißen Falkenordens ernannt wurde. 1802 schrieb Goethe an Schiller die folgenden Worte: “Der Bibliothekssecretair Vulpius hat sich musterhaft gezeigt, er hat in dreyzehen Tagen, 2134 Stück Zettel geschrieben.

Das heißt Bücher-Tittel, auf einzelne Zettel, aufgeschrieben.”[4]

1824 bekam Vulpius einen Schlaganfall und konnte nur noch sehr eingeschränkt arbeiten, was ihn dazu bewegte, sich in den Ruhestand versetzen zu lassen. Diese neue Lebenssituation und die damit verbundene freie Zeit ermöglichte ihm, seine literarischen Aktivitäten intensiver nachzugehen. Ein zweiter Schlaganfall machte ihm seine literarischen Tätigkeiten zwar erschwerlicher, er blieb aber bis zu seinem Tod am 26. Juni 1827 produktiv.


B.2 Literarische Werke


Was das literarische Erbe von Christian August Vulpius angeht, lässt sich feststellen, dass er zwar viele Werke hinterlassen hat, nur wenige davon sind aber bis heute in dem allgemeinen Literaturgedächtnis bekannt geblieben.

Ziel dieses Kapitels ist eine Darstellung des literarischen Werks von Vulpius. Es wird keinen Anspruch erhoben, seine Werke in ihrer Gesamtheit zu erfassen, viel mehr gilt es zu beschreiben, welche die bedeutendsten davon sind.

Insgesamt hinterließ Vulpius 43 Bühnenstücke, 77 Prosaschrifte, 24 längere Gedichte bzw. Liedsammlungen und 4 literarische bzw. Unterhaltungszeitschriften. Die umfangreichste Gruppe seiner Werke, die Prosaschriften, lässt sich einteilen in Geheimbundromane, Ritterromane, Feengeschichten, Märchen- und Anekdotensammlungen sowie Räuberromane.

Die wichtigsten Werke darunter sind Der Scheyer (1789), Aurora. Ein romantisches Gemäldeder Vorzeit (1794/5), Karl der Zwölfte (1800), Das Geheimniß (1800), Farrando Farrandini (1800), Orlando Orlandino (1802). Außerdem arbeitete er an zahlreichen Musenalmanachen und Rezensionblättern mit. Ab 1817 war er Herausgeber von „Die Vorzeit. Ein Journal für Geschichte, Dichtung, Kunst und Literatur des Vor- und Mittelalters“. [6]

Der größte literarische Erfolg Vulpius‛ ist der Räuberroman Rinaldo Rinaldini der Räuberhauptmann. Romantische Geschichte, der teilweise auf historische Personen und Ereignisse basiert. So ist nachgewiesen worden, dass Vulpius viele der Ereignisse im Roman der wahren Geschichte des Räubers Angelo Duca (1734-1784) entnommen hat.

Dieser lebte bis zu seinem 40. Lebensjahr friedlich als Bauer, geriet aber in Grenzstreitigkeiten mit einem Adligen. Im Anschluss an diesem Streit musste er in den Wald fliehen, wo er an einer Räuberbande teilnahm und zu ihrem Anführer wurde.


C.  Der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini im Kontext der Trivialliteratur


Das Ziel des folgenden Kapitels ist die Auseinandersetzung mit der Definition, den Merkmalen und nicht zuletzt der Geschichte der Trivialliteratur einerseits und die Analyse der Hauptfigur Rinaldo Rinaldini in ihrem Kontext andererseits.


C.1 Trivialliteratur: Geschichte, Definition, Merkmale


Der Begriff „trivial“ geht auf das lateinische Substantiv „trivium“ zurück, das soviel bedeutet wie „der Ort, an dem drei Wege zusammenstießen“. Das im 17. und 18. Jahrhundert aus dem Französischen ins Deutsche übernommene Wort „trivial“ wird bis heute im Sinne von „allgemein zugänglich“, „gewöhnlich“ verwendet.[8]

Gleichzeitig findet der Begriff „trivial“ in dem Kompositum „Trivialschule“ Verwendung. Damit wurde bis ins 19. Jahrhundert die Art von öffentlichen Schulen bezeichnet, die nur Grundkenntnisse in Grammatik, Dialektik und Rhetorik vermittelt hat. Somit bedeutet das Wort „trivial“ nicht nur „allgemein zugänglich“ sondern auch „bekannt“, „einfach“ und „unkompliziert“.[9]

Der Begriff „Trivialliteratur“ wurde in den 1920er Jahren in die Literaturwissenschaft eingeführt und ist seit dem heftig umstritten, da er zu unpräzise ist. Der Begriff hat sich im Laufe der Zeit fest etabliert und wird bis heute verwendet.

Ersatzmöglichkeiten sind Massenliteratur, populäre Literatur usw. Überträgt man die zwei oben genannten Bedeutungen des Worts „trivial“ auf die Literatur, kommt man zu dem Schluss, dass die wesentlichen Merkmale der Trivialliteratur ihre leichte Zugänglichkeit und ihre weite Verbreitung sind.[10] Außerdem ist mit dem Begriff der Trivialliteratur eine Abwertung verbunden, die stets moralische und ästhetische Dichotome wie „gut“ und „böse“, „schlecht“ und „gut“ gegenüberstellt.[11] Neben diesen Merkmalen existieren auch weitere, die sich als wesentlich für die Trivialliteratur erweisen.

Ihre Ursprünge hat die Trivialliteratur in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Zwar gab es auch früher populäre Stoffe, sie wurden aber entweder nicht schriftlich überliefert (mündlich tradierte Volkslieder) oder sie fanden kein Publikum, das in der Lage war, sie zu lesen.

Die zum Lesen fähige Bevölkerung bestand bis zu der Mitte des 18. Jahrhunderts fast ausschließlich aus Adeligen und Akademikern. Auch wenn die Leuten der unteren Schicht lesen konnten, bestand ihr Lesestoff aus der Bibel und Kalenderheften oder Volksbücher. Das änderte sich Mitte des 18.Jahrhunderts, als die Buchproduktion enorm stieg. Gleichzeitig wuchs auch das Informationsbedürfnis der städtischen Bevölkerung, die mit einem bunten Angebot von Zeitschriften, Zeitungen und Büchern konfrontiert wurde.

Wer erfolgreich an Handel und Gewerbe sowie an dem öffentlichen Leben teilnehmen wollte, war gezwungen zu lesen, um sich dann über die Neuigkeiten aus der Welt austauschen zu können.[12]

Zugleich änderte sich die Stellung der Menschen den Büchern gegenüber. Das Buch war nicht mehr nur als Quelle seelischer Bereicherung anzusehen, sondern bot in mancherlei Hinsicht Unterhaltungselemente an. Diese wurden von den meisten Lesern gerne angenommen, was wiederum Einfluss auf das Angebot hatte.[13]

Im 19. Jahrhundert kam es zu Massenproduktion von gedruckten Lesestoffen. Grund dafür war nicht nur die Nachfrage, die zweifellos auch ein Grund darstellt, sondern auch die Erfindung von Maschinen, die hohe Auflagen erlaubten.[15] Diese Entwicklung setzte sich auch ins 20. Jahrhundert hinein fort.

Auch heutzutage liest man, was aber nicht heißt, dass man so liest, wie man das früher gemacht hat. Die modernen Menschen geraten täglich in einen totalen Informationsüberflut. Dieser kommt nicht ausschließlich durch Lesestoffe zustande. Viel mehr ist die heutige Informationsgesellschaft mit zahlreichen Medien wie Internet, Radio oder Fernsehen konfrontiert, was der Stellenwert des Geschriebenen in einer völlig neuen Dimension entfaltet.

Als wichtigste Prosaform der Trivialliteratur hat sich der Roman etabliert. Im Bezug auf den Trivialroman schreibt Marion Beaujean:

„Stellt man ihn nämlich in den größeren Zusammenhang des literarischen Lebens, so wird er zum Spiegel des herrschenden Geschmacks- und Bildungsniveaus.“[16]



-  „im sprachlich-stilistischen Bereich: Primitivität, Banalität oder Preziosität im Wortwahl und Satzbau; Häufung von Adjektiven, Superlativen und Diminutiven; stereotype Wendungen, Klischees;

-  in der Darstellung der Personen und ihrer Beziehungen: Typisierung, Zeichnung „flacher“ Charaktere, Schwarz-Weiß-Malerei, konstante Rollenverteilung;

-  im Handlungsbereich: Austauschbarkeit oder Funktionslosigkeit von Handlungselementen, Verwendung von Handlungsschablonen (z.B. happy-end), Kumulation dramatischer Momente;

-  bezogen auf vermutete Wesenszüge oder Intentionen des Autors: Naivität oder Verlogenheit, Berechnung auf Erwartungen („Tagträume“) des Lesers und deren Bestätigung, Nachahmung historischer Vorbilder, bloße Unterhaltungsabsicht und deshalb Reduktion des Intereses auf das Stoffliche oder Dominanz einer „ungestalteten“, d.h. nicht integrierten Weltanschauung, Darstellung einer Scheinproblematik, Verharmlosung von Krankheit, Tod, menschlichem Leid, sozialen Konflikten, Harmonisierung und Idealisierung, Vermittlung einer („konservativen“, systemkonformen) Ideologie;

Außerdem wird der Trivialliteratur einen problematischen Umgang mit der Wirklichkeit vorgeworfen.[18]Als Grundlage der späteren Analyse werden nur diejenige Kritikpunkte einbezogen, die den Text an sich betreffen. Solche Merkmale, die die Absicht des Autors oder die Rezeptionsweise des Lesers angehen, werden ausgeschlossen, da sie nicht objektiv zu ermitteln sind.

C.2 Die Figur Rinaldo Rinaldini im Kontext der Trivialliteratur


Mit seinem Räuberroman Rinaldo Rinaldini der Räuberhauptmann erreichte Christian August Vulpius seinen größten literarischen Erfolg. Grund dafür war, neben der immer größer werdenden Leselust des Publikums und immer rascher wachsendem Büchermarkt, zweifellos seine Hauptfigur Der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini.

Was die Äußerlichkeit von Rinaldini angeht, lässt sich aufgrund der Beschreibungen im Roman nicht viel sagen. Wie er in Wirklichkeit aussieht, kann der Leser nur raten, der Autor bleibt in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend.

Dadurch erreicht Vulpius ein höheres Identifikationspotenzial seines Helden, das dem Leser mehr Freiraum zum Mitdenken und Mitfühlen verschafft.[19] Die einzigen Stellen, an denen gesagt wird, wie der Räuberhauptmann eventuell aussehen könnte, sind die spekulativen Erzählungen, die in der Bevölkerung vom Mund zu Mund weitergegeben werden. Spekulativ sind diese, weil sie nur Vermutungen sind, von Menschen geäußert, die Rinaldo Rinaldini nie gesehen haben.

So tritt er mal als Pilger (4. Buch), mal als Baron (7. Buch), mal als Pater (11. Buch) auf. Dank seiner Veränderungskunst entgeht er selbst die größte Gefahr. Auffallend ist, dass seine Glaubwürdigkeit nie in Frage gestellt wird. Jede einzelne Rolle, die er annimmt, wird von den handelnden Personen bedingungslos akzeptiert. Somit bleibt sein Geheimnis stets verborgen. Bemerkenswert ist außerdem die Tatsache, dass er auf jede Situation vorbereitet ist und stets diejenigen Utensilien dabei hat, die er braucht.

So steht ihm in der richtigen Zeit am richtigen Ort immer das richtige Kleidungsstück zur Verfügung. Hier könnte man einen Beweis für den problematischen Umgang der Trivialliteratur mit der Wirklichkeit sehen. In der Realität ist so eine „Ausstattung“ des Helden aus rein logistischen Gründen unmöglich. Dazu kommt noch, dass die Anschaffungsgeschichte seiner Verkleidungsmittel stets unerklärt, fast mysteriös bleibt.

Sie werden als Gegebenheit angesehen.

Seine Anpassungsfähigkeit reicht nicht nur im Bereich der äußerlichen Veränderung aus. So unterschiedlich seine Bekleidung ist, so schnell ändert er die Art und Weise seines Benehmen. In adligen Kreisen verhält er sich anders als unter Bauern.

Seine inneren Qualitäten liegen nicht auf der kognitiven, sondern auf der emotionalen und pragmatischen Ebene. Die Lösung seiner Probleme erfordert weiniger Intelligenz, viel mehr geht es dabei um Entschlussfreudigkeit und Mut.

Zu den Fertigkeiten und Tugenden, die seine Person kennzeichnen, gehören nicht vornehmlich die der Arbeit, sondern die des Kampfes[20]. Rinaldini zeichnet sich durch eine ausgeprägte Affinität dem Tod gegenüber, den er oft als die einzige Rettung seiner Seele betrachtet. Oft beklagt er sein eigenes Schicksal und wünscht sich, sein altes Leben zurück zu haben.

Die Gefahrsituationen, in die er gerät, überwindet er nicht nur durch seine Tapferkeit und Entschlossenheit. Hier spielen andere, mysteriöse Kräfte eine entscheidende Rolle: der Geheimbund, dessen Anführer der Alte von Fronteja ist und dessen Ziel die Befreiung Korsikas ist.

Es stellt sich heraus, dass er nur eine Maschine in den Händen dieses Geheimbundes ist und für große Taten bestimmt ist. „Im vorliegenden Fall bot diese Konstruktion Möglichkeiten, den Romanhelden seiner einfachen, bäuerlichen Herkunft zu entledigen und ihn überraschend – als ihr potentielles Werkzeug – in brisante politische Bewegungen einzubringen“.[21] In diesem Schicksal verwickelt, wird der „einfache“ Räuberhauptmann zum „außergewöhnlichen“ Helfer von Korsika.

Als Gegenleistung dafür erwartet das geheime Bündnis seine Aufopferungsbereitschaft. Rinaldini währt sich mit allen Kräften dagegen und versucht mehrmals vergebens ein neues Leben als anständiger Mann zu beginnen. Dieser Wunsch bleibt im Laufe des ganzen Romans die Bewegkraft für Rinaldinis Taten.

Auch wenn er oft der Meinung ist, er hätte sein altes Handwerk für immer verlassen, bleibt er für alle Räuber, die er in seinem Leben begegnet, der Hauptmann. Selbst solche, die ein anständiges Leben führen, kehren unter Anführung von Rinaldini zu der Räuberei zurück (Cinthio im 6. Buch).

Auch andere, feindliche Räuberbanden und deren Anführer fürchten den Rinaldini und erklären sich bereit, sich ihm anzuschließen und mit ihm an der Spitze ihre räuberische Geschäfte weiter zu machen (Die schwarzen Richter im Verborgenen im 8. Buch). Diese Führerfunktion übernimmt er sowohl für Menschen, mit denen er längst bekannt ist als auch für solche, die ihn noch nie begegnet sind.

Dieser blinde Glaube an die Person Rinaldini hebt erneut die Frage danach hervor, inwieweit der Wirklichkeitsanspruch der Figur berechtigt ist und wie sich diese im Kontext des ganzen Romans als glaubwürdig entfaltet. Seine Autorität demonstriert der Räuberhauptmann nicht ausschließlich innerhalb seines gesellschaftlichen Milieus. Oft kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Rinaldini und Angehörige des Bürgertums oder des Adels, bei denen selbst Baronen und Prinzen seine Autorität zur Kenntnis nehmen und sich bereit erklären, diese zu akzeptieren (der Prinz im 2. Buch).

Typisch für die Handlungsabfolge des Romans ist ihre Unmotiviertheit. Die Ereignisse sind meist nur einanander gereiht, funktionslos und untereinander austauschbar. So bleibt zum Beispiel das Treffen zwischen Rinaldo und den Greis gleich am Anfang des Romans völlig unmotiviert und für die spätere Handlungsentwicklung vollkommen bedeutungslos.

Im ganzen Roman finden sich mehrere Beispiel dafür, dass bestimmte Ereignisse einfach passieren, ihre Bedeutung für das Ganze bleibt ungewiss. Nicht nur die Ereignisse, sonder auch die Auswahl der handelnden Personen bleibt meist unmotiviert. Diese könnten nur als Spielfiguren eines großen Spieles betrachtet werden, die nur dafür da sind, um die Ereignisse voran zu treiben.

Beispiel hierfür sind die zahlreichen Liebschaften von Rinaldini: Margalisa, Olimpia, Aurelia, Rosalie usw. Ihm fehlt es nicht an Objekten der Begierde, die meisten Beziehungen bleiben aber ohne Zukunft. Die einzige Frau, die einigermaßen sein Leben mitbestimmen darf, und Mutter seines einzigen Sohnes ist, ist Dianora. Das Schicksal trennt ihn mehrmals von ihr, um beide Liebenden später wieder zu vereinen.


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