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Zusammenfassung
Deutsch

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

Prof. Hofmeister, 2009

Berfin F. ©

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ID# 20700







Exzerpt: AUF DER SUCHE NACH EINER VERLORENEN ZEIT

von Cay Rademacher

 

 

Bis zum 20. Jahrhundert: mühseliges Puzzlespiel, einfachste Fakten über das Mittelalter zu finden, denn überlieferte Geschichte stammte allein aus schriftlichen Quellen – also Geschichte der Herrscher: Urkunden, Namen von Fürsten, Kathedralen usw. - Aber keine „Geschichte von unten“ - von den Beherrschten, die 99% der Bevölkerung ausmachten, aber nicht schreiben konnten („schweigende Mehrheit“).

Ab 20. Jahrhundert aber: Forscher rekonstruierten Bauernhäuser anhand von Fundamentresten, analysierten Volksmärchen auf das Alltagsleben von einst hin oder wühlten sich, auf der Suche nach jahrhundertealten Relikten, durch meterdicke Kot-Ablagerungen in mittelalterlichen Latrinen. Außerdem fahndeten sie nach Juden, Ketzern, Henkern, Verfemten und Bettlern, die schon damals gern in Vergessenheit gedrängt worden waren.

→ PARADIGMENWECHSEL: Mittelalter wird anders bewertet: Nicht mehr als Niedergang/Verfall (vor Allem im Vergleich zur Antike), engl. Dark Ages – unwissend, abergläubisch, blutrünstig, barbarisch. Sondern: Mittelalter als GRÜNDUNG. Mittelalter ist das Jahrtausend, in dem das moderne Europa, in dem die westliche Zivilisation vorbereitet worden ist. Der moderne Staat  mit seinem geschlossenen Territorium  und seiner zentralen Verwaltung; Berufsheere und Volksmilizen; naturwissenschaftlich-kritisches Denken neben religiöser Mystik; geniale Ingenieurleistungen und effiziente, doch ökologisch schonende Landwirtschaft; die Emanzipation von Frauen und Bauern. Mechanische Uhren, Brillen, Kompasse und hochseegehende Segelschiffe. Frauen gründen eigene Zünfte. Händler und Missionare gelangen nach China.

Dieses geistig, politisch, militärisch und wirtschaftlich ungemein erfolgreiche Europa formte sich im Mittelalter.

 

ORTE UND REISEN: Seeweg von Hamburg nach Antwerpen, London, Lissabon nach Bergen, Gotland, gar nach Nowgorod. Straßen entlang des Rheins: von Straßburg über Mainz nach Köln oder Flandern, das durch Tuchhandel reich geworden war. Pilgerwege nach Canterburry, Santiago de Compostela, Rom. Paris war Weltstadt: Hier bemühten sich Polen, Engländer, Spanier, den Magistergrad an der berühmten Theologenfakultät zu erwerben. Baumeister aus Deutschland, Schweden, Ungarn studierten die Kunst der Kathedralenbauer. Derweil verfeinerten lombardische Bankiers ihr Kreditwesen, erfanden den Scheck und die bargeldlose Überweisung. Kaufleute taten sich in Florenz und Venedig zusammen, um Frachtschiffe zu chartern und die geschäftlichen Risiken zu minimieren. Die ersten Versicherungen entstanden. An den Universitäten von Oxford und Paris dachten Forscher über die Gesetze der Optik und den Geheimnissen von Leben und Tod nach. Sie begannen das kirchliche Tabu zu brechen und sezierten Leichen.

 

HEUTE: Mittelalter wird zum Pop-Event. Mittelalter-märkte, Minnesänger, Schmiede, Handwerker. Machen Hildegard von Bingen zu einer Popkomponistin, Kräuterbuchautorin, Malerin und Mystikerin. Mittelalter heute aber auch als negatives Modell: die Inquisition von damals, die all jene vernichtete, die an der kirchlichen Lehre zu zweifeln wagten, hat seine modernen Parallelen.

 

Persönlicher Kommentar: Man bedenke zum Beispiel die heutige Situation in Südafrika: Viele Menschen werden durch Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert, dies kann auch zu infizierten Neugeborenen führen. Außerdem leiden die Menschen unter Hungersnöten, welche durch eine geringere Kinderanzahl reduziert werden könnten. Da viele der südafrikanischen Familien dem christlichen Glauben angehören, der das Verwenden von Verhütungsmittel (wie Kondomen) weitgehendst verbietet, wird der Situation keine Abhilfe geschaffen.

Die Triebhaftigkeit des Menschen ist häufig nicht zu stoppen, die negativen Konsequenzen daraus allerdings im heutigen Zeitalter sehr wohl. Der Gedanke scheint mir unglaublich, dass die Institution Kirche mit ihrem absolut veralteten Gedankengut bis heute dermaßen viel Einfluss hat.


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