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Seminararbeit / Hausarbeit

Caesarrezeption im Nationalsozialismus

4.097 / ~17 sternsternsternsternstern_0.2 Valentin F. . 2011
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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Universität Basel

Prof Dr Müller

Valentin F. ©
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Seminar für Alte Geschichte der Universität Basel

Freie Proseminararbeit

Caesarrezeptionen im Nationalsozialismus


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Thema und Fragestellung

1.2 Caesarrezeptionen bis zum Nationalsozialismus

2. Caesarrezeptionen im Nationalsozialismus

2.1 Übersicht

2.2 Hans Oppermann

2.3 Quellenanalyse: Cäsars europäische Sendung

2.4 Quellenbewertung1

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

5. Anhang

5.1 Hans Oppermann: Cäsars europäische Sendung.

1. Einleitung

1.1 Thema und Fragestellung

Historikkonzeptionen sind abhängig vom Zeitgeist. Dies lässt sich gerade in der Alten Geschichte aufgrund ihrer langen Tradition gut nachvollziehen. Geschichte dient nicht nur als Forschungsfeld der eigenen Wissenschaft, sondern kann auch als Rechtfertigung von Machtansprüchen, Ideologien, zur Bildung von Identität etc. gebraucht beziehungsweise missbraucht werden.

Ein deutliches und bis anhin nur fragmentarisch aufgearbeitetes Beispiel liefert die Geschichtswissenschaft während des Nationalsozialismus. Bedeutende Beiträge zu diesem Thema sind jüngerem Datums.[1] Die Aufarbeitung der Instrumentalisierung der Geschichtswissenschaften durch die Nationalsozialisten ist also noch nicht abgeschlossen und soll daher in dieser Proseminararbeit weiter vertieft werden.

Die Geschichtswissenschaft sollte neben anderen Wissenschaftszweigen die nationalsozialistische Ideologie auf eine intellektuelle Basis stellen um so die Ideologie wissenschaftlich zu legitimieren. Während des Zweiten Weltkrieges wurden diese Bemühungen intensiviert, Historiker wurden dazu angehalten, auch einen „Kriegseinsatz“[2] zu leisten.

Darunter auch Historiker des Fachbereichs Alte Geschichte, der durch die Bewunderung Adolf Hitlers für Griechenland und Rom einen hohen Stellenwert erhielt. [3] Die militärischen Erfolge des Dritten Reichs, die zu einer Annexion grosser Teile Europas führten, lösten eine Diskussion über Europa aus. [4] Auch Adolf Hitlers Rassentheorie und Germanenkult sollten historisch legitimiert werden.


Die wichtigsten Vertreter der „nationalsozialistischen“ Altertumswissenschaften versuchten ein „neues Bild der Antike“ zu vermitteln. [5] Gefördert wurden diese Anstrengungen von der NS-Hochschulpolitk, die durch eine gezielte Berufungspolitik die Lehrstühle der Alten Geschichte „rassisch“ wie politisch säuberte und neu besetzte. [6]

Hans Oppermann, ein engagierter nationalsozialistischer Althistoriker, befasste sich intensiv mit Gaius Iulius Caesar. Wegen der grossen Beachtung, die Caesar von den nationalsozialistischen Althistorikern erhielt, aber auch um die Thematik abzugrenzen, soll in dieser Proseminararbeit die Rezeption Caesars während des Nationalsozialismus untersucht werden.


Speziell wurde ein Artikel Hans Oppermanns ausgewählt, der intensiv betrachtet und anhand dessen die Caesarrezeption der nationalsozialistischen Althistorikern herausgearbeitet werden soll. Ausgewählt wurde der Artikel Cäsars europäische Sendung[7] aufgrund seines repräsentativen Charakters, der im Kapitel 2.3genauer erläutert wird.

1.2 Caesarrezeptionen bis zum Nationalsozialismus


Caesar polarisierte die Politik Roms, dies schlug sich auch in einer Polarisierung der Wahrnehmung seiner Person nieder. Wie Karl Christ in seinem Buch Caesar. Annäherung an einen Diktator[8] darlegt, gab es zu keiner Zeit und in keiner Epoche ein einheitliches Caesarbild. Dies hängt wohl auch mit den vorhandenen Quellen zusammen, denn zu den wichtigsten zeitgenössischen Quellen zählen Caesars eigene Werke Comentarii de bello gallico und Comentarii de bello civili, sowie die Werke von Cicero und Sallust.

Diese Quellen sind insofern problematisch, als dass sie alle von Politikern mit politischen Intentionen geschrieben wurden. Somit lassen sie relativ grossen Spielraum verschiedener Interpretationen.


Literarisch wurde die Figur Caesars zwar von bedeutenden Autoren wie Dante und Shakespeare aufgearbeitet, lange Zeit jedoch gehörte Caesar nicht zu den dominierenden Persönlichkeiten des europäischen Geschichtsbildes. Popularisiert wurde Caesar erst durch Napoleon I., der in Europa den Anbruch einer neuen caesarischen Ep.....

Karl Christ legt auch dar, dass während der ganzen Zeit des Nationalsozialismus eine Vielzahl unterschiedlicher Geschichtsbilder existierte. Ein einheitliches nationalsozialistisches Caesarbild etablierte sich nie. Dennoch setzten sich einige Wissenschaftler für eine Neubewertung der Caesarrezeption ein, die im Einklang mit der NS-Ideologie stehen sollte.


Einzelnen Wissenschaftlern ist der Einfluss des neuen Zeitgeistes und der opportunen Wertungen schon früh nachzuweisen. Ein Beispiel hierfür ist Hans Oppermann, auf den im nächsten Kapitel näher eingegangen wird. Andere Historiker, wie etwa Otto Seel, der sich einen Namen als Caesarspezialisten gemacht hatte, passten sich im Vokabular und der Adaption der Rassentheorie an die NS-Ideologie an.

Ihr Caesarbild wurde jedoch von traditionellen Werte dominiert. Otto Seels Erlanger Universitätsrede von 1939 kann hier als Beispiel herangezogen werden. [22]


Im Sinne der Rassenlehre wird hier Caesars edle Abstammung aus der „jahrhundertelangen reinlichen Zucht und Formung“ [23]erklärt. Gleichzeitig warnt Seel aber im Zusammenhang mit der propagierten „Rassenverwandtschaft“ der Deutschen und Römer vor dem „frisch-fröhlichen Parallelisieren“ [24]. Er betont deren Unterschiede, denn die beiden Völker seien durch „vielerlei Dringliches und Entscheidendes getrennt“. [25] Die Adaption des NS-Vokabulars in Seels Aufsatz wird am Vergleich Caesars mit einem „Generalstabschef und Stosstruppenführer“ [26]ersichtlich.


Seel übernimmt also die Thematik und das Vokabular der NS-Ideologie. Am Beispiel seiner Kritik der Parallelisierung der Völker zeigt sich aber, dass Seel sich auch kritisch mit dieser auseinandersetzt. In seiner Caesarrezeption folgt er im Grossen und Ganzen den traditionellen Wertungen. Otto Seel erscheint hier also als ein an die NS-Ideologie angepasster Wissenschaftler, der jedoch nicht die Ambitionen hegt, ein „neues Bild der Antike“ zu schaffen, wie dies die radikaleren nationalsozialistischen Althistoriker forderten.


2.2 Hans Oppermann


Im Gegensatz zu anderen Althistorikern, deren Beziehung und Einstellung zum Nationalsozialismus schwierig zu fassen ist, zählt Hans Oppermann zu jenen Vertretern der Althistorik, die sich ganz klar im Sinne des Nationalsozialismus äusserten. Aufgrund seiner Radikalität kann Oppermann sogar als exemplarischer Vertreter der nationalsozialistischen Altertumswissenschaften gesehen werden.[27]


Oppermann studierte klassische Philologie und Alte Geschichte in Bonn. Im Jahre 1926 habilitierte er mit einer Studie zur Biographie Plotins. 1932 wurde er in Heidelberg als Privatdozent angestellt. Seine wissenschaftlichen Publikationen waren bis dahin politisch nicht auffällig. Doch mit der Machtergreifung Hitlers änderte sich der Tonfall seiner Schriften.

Oppermann bezog eindeutig Stellung und trat 1934 der SA bei. [28] Als die Nationalsozialisten im Rahmen der „Neuordnung des deutschen Universitätswesens“ die jüdischen Wissenschaftler entliessen, wurde in Freiburg der Lehrstuhl für Latinistik vakant. [29] Oppermann bekam die Vertretung dieser Stelle zugesprochen, dies nicht unbedingt weil er durch seine fachlichen Qualifikationen bestach, sondern weil Oppermann durch das Kulturministerium gefördert wurde.


1937 trat Oppermann nach der SA auch der NSDAP bei. Besonders engagiert setzte sich Oppermann für den erzieherischen Wert der Antike ein. Dies ist im Kontext zu sehen, dass die nationalsozialistische Bildungspolitik die humanistischen Fächer grundsätzlich in Frage stellte. Der Lateinunterricht bedurfte einer neuen Berechtigung, die Oppermann mit Gegenwartsbezügen und Führerzita.....

Als Beispiele werden von den Perserkriegen Alexanders bis zur osmanischen Belagerung Wiens zahlreiche Schlachten und Kriege dieses „Abwehrkampfes“ aufgezählt. Oppermann stellt nun einen Gegenwartsbezug her:

„Das alles sind nur Mahnmale einer ewigen Auseinandersetzung zwischen Europa und Asien, die in unseren Tagen sich in neuer Form fortsetzt in dem Kriege, den Deutschland für Europa gegen die jüdisch beherrschten Plutokratien führt.“ [35]


Der Zweite Weltkrieg wird also als eine historische Verpflichtung und als ein Abwehrkampf dargestellt. Die Feinde der europäischen Kultur sind zwar nicht (1940 noch nicht) die Asiaten, sondern die „jüdischen Plutokratien“. Nach einer ausführlichen Schilderung der unterschiedlichen Wertesysteme Asiens und Europas findet der Autor wider zurück zu den Römern.

Diesen attestiert er, dass auch ihnen eine entscheidende Rolle im „ewigen Kampf“ zugefallen sei. Als asiatische Antagonisten der Römer erwähnt Oppermann die Etrusker und die Punier. Die militärischen Erfolge der Römer und die folgende Ausdehnung nach Osten hätten zur Folge gehabt, dass die Grenze zwischen Asien und Europa nun mitten durch das römische Reich verlief.

Zwar sei die Bevölkerung noch überwiegend europäisch geprägt gewesen, nach Pompeius Erfolgen verschob sich aber der Bevölkerungsmix zugunsten der Asiaten. Dies hätte die Gefahr einer „völligen völkischen und kulturellen Überfremdung durch den Orient“ [36]geborgen. Caesars Gallienfeldzug konnte nun die „nordisch-indogermanische“ Bevölkerungsdominanz durch die Eingliederung der Gallier ins römische Reich wieder herstellen.


Der Autor geht sogar so weit, dass er Caesar unterstellt, der Bedeutung seines Kampfes (also des „ewigen Kampfes Europas gegen Asien“) bewusst gewesen zu sein. Als Beweis führt er Caesars Darstellung der Truppen Pompeius im bello civili auf. Durch die explizite Nennung der Herkunft der orientalischen Truppen habe Caesar auf die Macht, die hinter Pompeius steht, nämlich den Orient, aufmerksam machen wollen.

Caesar sei sich also seines Kampfes für Europa gegen Asien bewusst gewesen, konstruiert der Auto.....

„Eine Instanz steht höher als die äussere Legalität, das ist das Gesetz in Cäsars Brust, durch das das Schicksal ihn zur Herrschaft beruft.“ [39]


Caesar ist also vom Schicksal auserkoren, die Herrschaft über Rom auszuüben und das „gigantische Werk der Befriedung und Ordnung der Welt“ [40]zu erbringen. Auf den Mord Caesars geht der Autor nicht näher ein. Wichtig ist Oppermann aber, dass die „neue Art der Herrschaft“ sich von Caesars Leib löste und als Idee offenbarte. Dazu:

„Als solche hat sie [die neue Art der Herrschaft] dann gewirkt über die Jahrtausende hin, beginnend mit der Annahme des Cäsarnamens durch den jungen Oktavian, endend erst in unseren Tagen, wo sie durch die neue Form des Führertums abgelöst wird.“ [41]


Das neue an der Herrscheridee Caesars ist nach Meinung des Autors die Alleinherrschaft eines Menschen über Politik und Militär, die ohne eine Vergöttlichung des Herrschers auskommt. Schlusspunkt ist die Feststellung, dass Caesar im „ewigen Ringen zwischen Europa und Asien“ eine entscheidende Rolle gespielt habe.

So stellt Oppermann wieder einen Gegenwartsbezug her, denn wie er früher im Text erwähnte, befinde sich Deutschland auch gerade im Krieg „für Europa“ gegen Asien.


2.4 Quellenbewertung


Was an der Quelle als erstes auffällt, ist das nationalsozialistische Vokabular, dessen sich Oppermann bedient. Sowohl die Rassenlehre als auch antisemitische und antibolschewistische Äusserungen finden Eingang in den Aufsatz. Solch explizite Äusserungen finden sich in seinem 1933 erschienenen Buch Cäsar. Der Schriftsteller und sein Werk [42] noch nicht. [43]


Sofort fällt auch das Aufgreifen der Idee des „ewigen Kampfes“ Europas gegen Asien auf. Diese Theorie ist ein fundamentaler Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung, die schon in Adolf Hitlers Mein Kampf geäussert wurde. Rund um diese Idee des ewigen Kampfes konstruiert Oppermann nun seinen Aufsatz und zieht eine historische Linie vom römischen Re.....

Insgesamt zeichnet sich das Bild, dass der Autor versucht, die römische Geschichte für die historische Fundierung der nationalsozialistischen Weltanschauung zu instrumentalisieren. Der Verdacht, dass den Autor eher eine propagandistische als eine geschichtswissenschaftliche Motivation trieb, stützt sich durch die Tatsache, dass Oppermann in früheren Publikationen [44] mehr um eine wissenschaftliche Sprache und eine sorgfältigere Beweisführung besorgt war.

Wie Jürgen Malitz darlegte, „drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Verschärfung der nationalsozialistischen Innenpolitik und schliesslich die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges in seinen Arbeiten widerspiegelten.“ [45]


3. Fazit


Die Studie von Oppermanns Texten zeigt, dass das Handeln und Wirken Caesars in seinem historischen Kontext neu beurteilt wurde. Während der 30er Jahre ist die Trennung der neoklassizistisch motivierten Suche nach Ideal und Grösse in der Antike und der nationalsozialistisch motivierten Überhöhung des „Führers“ Caesar zwar noch schwierig.

Spätestens aber mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Radikalisierung kann bei Oppermann ein eigenes nationalsozialistisches Caesarbild ausgemacht werden. Die Neubewertung der historischen Figur stand im Einklang mit der NS-Ideologie. So flossen neben der Rassentheorie auch Theorien zum „Führerprinzip“ als auch zum „ewigen Kampf“ zwischen Asien und Europa ein.


Oppermann, der seine Professur eher seiner Gesinnung als seiner Qualifikation zu verdanken hatte, versuchte mit seinem „neuen Bild“ des Altertums die Legitimation des Dritten Reiches und explizit des Krieges historisch zu rechtfertigen. In einer Parallelisierung wird der Zweite Weltkrieg als ein Abwehrkampf gegen die „völkisch minderwertigen“ Asiaten und „jüdischen Plutokratien“ dargestellt.

Auch der alleinige Führungsanspruch Hitlers wird historisch legitimiert. So besteht Caesars Führungsanspruch „kraft seiner Würde und Grösse“, seine Missachtung der „äusseren Legalität“ wird durch „das Gesetz in Caesars Brust“ gerechtfertigt. Diese Attribute sind auch auf Hitler anwendbar. Dessen Art der Herrschaft wird zwar von der Caesars abgegrenzt, aber in eine h.....

         Christ, Karl: Zum Caesarbild in der faschistischen Epoche. Reden zur Ehrenpromotion. Berlin 1993


         Demandt, A.; Goltz, A; Schlange-Schöningen, H. (Hrsg): Theodor Mommsen: Wissenschaft und Politik im 19. Jahrhunder. Berlin 2005. S. 213


         Kornemann, Ernst: Römische Geschichte Band 2. Stuttgart 1942


         Losemann, Volker: Nationalsozialismus und Antike: Studien zur Entwicklung des Faches Alte Geschichte 1933-1945. Hamburg 1977. S. 11ff, S. 86ff.


         Malitz, Jürgen: Römertum im „Dritten Reich“: Hans Oppermann. In: Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption. Festschrift für Karl Christ zum 75. Geburtstag. Kneissl, Peter; Losemann, Volker (Hrsg.). Stuttgart 1998. S. 519 – 543


         Mensching, Ernst: Caesar und die Germanen im 20. Jahrhundert: Bemerkungen zum Nachleben des "Bellum Gallicum" in deutschsprachigen Texten. Göttingen 1980


         Nelis, Jan: Constructing Fascist Identity: Benito Mussolini and the Myth of Romanità. In: Classical World. Volume 100. Number 4. 2007. S. 391-415


         Oppermann, Hans: Cäsar. Der Schriftsteller und sein Werk. Leipzig und Berlin. 1933


         Oppermann, Hans: Cäsars europäische Sendung. In: Die Alten Sprachen. Zeitschrift des Reichssachgebietes Alte Sprachen im NSLB 5, 1940, S.153 - 162


         Seel, Otto: Caesar und seine Gegner: Vortrag. Erlanger Universitäts-Reden 24. Erlangen 1939


         v. Ungern-Sternberg, Jürgen: Imperium Romanum vs. Europa. Gedanken zu einigen Vorträgen deutscher Althistoriker in den Jahren 1939-1942. In: Antike und Altertumswissenschaft in der Zeit von Faschismus und Nationalsozialismus. Kolloquium Universität Zürich, 14.-17. Oktober 1998. Hrsg. von Beat Näf. Mand.....


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