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Bildliche Darstellung der Frau in der Weimarer Republik. Fakt oder Fiktion?


Bildliche Darstellung der Frau in der Weimarer Republik. Fakt oder Fiktion?


1.Einleitung


Sind unsere Frauen wirklich so, wie sie in den Anzeigen abgebildet sind? Mit wenig Ausnahmen - ich denke hier besonders an Persil und Nivea, die schon seit langem bewußt deutsche Motive für ihre Werbung benutzen – begegnet man überall nur Filmstaren und gepflegten Püppchen mit rasierten Augenbrauen und wohlgeschwungenen Lippen, oft in den kokettesten Stellungen, mit verrenkten Gliedern und bis an die Grenzen des Möglichen entkleidet.

In diesem Frauentyp zeigt sich keine Spur von deutschem Wesen.1

Diese Überlegungwurde kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in der ‚Reklame’ abgedruckt. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser Kommentar durch die nationalsozialistische Ideologie geprägt ist. So fordert der Autor mehr ‚deutsche Motive‘ und spricht vom ‚deutschen Wesen’. Aber die eigentliche Fragestellung, ob Frauen zur Zeit der Weimarer Republik wirklich so sind, wie sie abgebildet werden, kann auch unabhängig von dieser ideologischen Prägung betrachtet werden.

Dem Betrachter wird scheinbar ein Bild präsentiert, welches er nicht in Einklang mit der Realität bringen kann. Nur wenige Ausnahmen, wie z.B. Persil und Nivea, sind anscheinend in der Lage, die Realität wiederzugeben, sofern man dem Autor Glauben schenkt. Doch wie gestalten sich die ‚deutschen Motive’? Entsprechen sie einerseits nur einer Idealgestalt, oder repräsentieren sie wiederum die reale Frau dieser Zeit? Es stellt sich die Frage, ob man in der Reklame wirklich ‚nur Filmstaren und gepflegten Püppchen’ begegnet oder ob es auch Reklame gibt, welche die Wirklichkeit abbildet.

Diese Fragestellung muss nicht nur auf Reklame bezogen betrachtet werden, da vor allem auch die gerade aufblühende Filmlandschaft ist geprägt durch Frauenbilder. Die Fragestellung lässt sich also wie folgt erweitern: Handelt es sich bei den bildlichen Darstellungen der Frau in der Weimarer Republik um eine Illusion, oder wird die Wirklichkeit abgebildet?

Weisser schreibt in seinem 1985 erschienen Buch „Wirksam wirbt das Weib“, dass Frauenbilder in der Werbung eine lange Tradition haben, aber dass sie kaum oder gar nicht beachtet wurden. So gäbe es zwar einige Publikationen zu diesem Thema, doch würden sie sich nur auf die Anzeigen der Nachkriegszeit beschränken. Grund hierfür sei ein bestehende Quellenproblem.2 Er selber aber beschäftig sich in seinem Buch mit Frauenbilder, die den Zeitraum von 1880 – 1930 abdecken.

Er kommt dabei zu der These, dass der Mann zur Zeit der Weimarer Republik zwei Frauentypen vor Augen hatte, „das Bild der biederen, fleißigen Hausfrau und Mutter einerseits und [ .] das Bild der modernen, attraktiven Freundin und Geliebten andererseits.“3 Daher sei es nachvollziehbar, dass eben genau diese Frauenideale in der Werbung wiederzufinden sind.4 Bei den Bildern der Frauen, die in den erhaltenen Reklamen und Filmen zu sehen sind, sollte deshalb auf jeden Fall bedacht werden, dass diese Bilder nicht von Frauen, sondern von Männern entworfen wurden.5 Es ist jedoch in Frage zu stellen, inwieweit die Vorstellung des Mannes vom Wesen der Frau der Realität entspricht.

Weisser geht davon aus, dass die männliche Vorstellung „im Verlauf der Geschichte zu einer landläufigen akzeptierten Vorstellung geworden [ist], die selbst von der Mehrheit der Frauen getragen bzw. geduldet wurde.“6 So weist er auch daraufhin, dass

auch die Textquellen nicht die tatsächliche historische Wirklichkeit wider[geben], sondern sie [ .] den Versuch einer Männerwelt zwischen Bewahrung alter Privilegien und aufklärerischem Gerechtigkeitsgefühl einen Kompromiß zu schaffen, [vermitteln,] der den anwachsenden poltisch-sozialen Druck engagierter Frauen berücksichtigt.“7

In seinem zur gleichen Zeit erschienen Buch „Deutsche Reklame“ aber behauptet er, dass

Werbung für Waren [ .] ein blanker Spiegel [ist], in dem sich die politisch – soziale Situation einer Warengesellschaft klar abzeichnet. Die Analyse der Werbung gibt deshalb komplexe Informationen über die gesellschaftliche Realität.“8

Während er zuerst davon ausgeht, dass nicht die tatsächliche historische Wirklichkeit widergegeben wird, spricht er dann von einem blanken Spiegel, in dem sich die Gesellschaft widerspiegelt. Diese Überlegung ist ein Widerspruch in sich.

Dogerloh geht im Jahre 1993 von einem Wertewandel in den bürgerlichen Schichten der Weimarer Republik aus und sagt, dass

[d]iese Entwicklung [ .] in den Bildmedien der Zwanziger Jahre nicht nur widergespiegelt [wurde], sondern von diesen auch mit ausgeprägt. [Und dass] hierbei genau zu unterscheiden [ist] zwischen Idealbildern und Realität. Das Geflecht von der Zuschreibungen und der von den Frauen selbst entwickelten Entwürfe wirkte sowohl auf den Alltag als auch auf die Fiktion und Phantasien, so daß das Bild einer «neuen Frau» oftmals widersprüchliche Projektionen und Funktionen vereinigte.“9

Weisser und Dogerloh erkennen eine Wechselwirkung zwischen den Bildmedien und der Gesellschaft, nicht nur die Bildmedien werden geprägt, sondern die Bildmedien prägen ebenso die Werte der Gesellschaft.

Allgemeiner formuliert auch Stark 1992 diesen Zusammenhang. Sie sagt, dass „ [d]as Wertesystem [ .] nicht einseitig kausal [bestimmt], über was und wie in den Massenmedien berichtet wird. Umgekehrt beeinflussen auch gerade die Medien mit ihren ‚Themenlisten’ die Wertediskussion.“10

2001 vertritt Heßler denselben Standpunkt, aber betont, dass es natürlich unbestritten ist, „ daß Werbung keine Auskunft über eine – wie auch immer geartete - „Wirklichkeit“, über eine „objektive gesellschaftliche Realität“ geben kann.“11 Heßler sieht die Notwendigkeit, dass „Text und Bild in ihrem spezifischen historischen gesellschaftlich-kulturellen Kontext interpretiert werden [müssen]“12, doch da Werbung eine bestimmte Absicht hat, nämlich ein Produkt an den Mann oder eben die Frau zu bringen, weist sie auch auf die Notwendigkeit hin, „immer die ‚Manipulation’, die bewußt zu Zwecken des Verkaufs in die Werbung eingeflochten wird, [mitzudenken].“13 Aus dieser Überlegung folgert sie, dass „Werbung [keinesfalls] als Spiegel der Gesellschaft verstanden werden [kann], angemessener scheint es, von einem „Zerrspiegel“ der Gesellschaft zu sprechen.“14

Ich möchte im Folgenden zwei Reklameanzeigen analysieren, um diese Standpunkte zu überprüfen. Dabei werde ich mich zum einen auf die Anzeige „Inzwischen wäscht der Protos“ der Siemens AG15 aus dem Jahr 1928 beziehen. Zum anderen werde ich mich mit der Anzeige „Im Wandel der Zeiten“16, die 1930 in „Das Neue Frankfurt“ abgedruckt wurde, beschäftigen.


2. Bildbeschreibung „Inzwischen wäscht der Protos“


Die Anzeige „Inzwischen wäscht der Protos“ stammt aus dem Jahre 1928 und wurde von Julius Kupfer Sachs für die Siemens AG erstellt. Bei der Anzeige handelt es sich um Werbung für den Wäschekocher Protos der Marke Siemens.

In der Anzeige wird eine junge Frau dargestellt, die sich schick angezogen hat, um auszugehen. Im Hinausgehen schließt sie ihren Wäschekocher an, der die Wäsche waschen soll, während sie nicht zu Hause ist. Aus der Bildunterschrift „Und inzwischen wäscht der Protos“ erfährt man, dass der Protos ihr diese neue Unabhängigkeit ermöglicht.

Der Slogan verspricht diese Unabhängigkeit durch die Anschaffung von Elektrogeräten.

Der Hintergrund der Anzeige ist weiß und darauf ist ein rechteckiges, ockerfarbenes und kontrastierendes Element platziert. Das Bildzentrum bildet die junge schlanke Frau, die ein silberschimmerndes Abendkleid mit einem tiefen Rückenausschnitt trägt. Das Kleid umspielt ihre Knie, ist armfrei und schließt mit einem schwarzen Absatz ab.

Auf der linken Schulter ist eine rosafarbene Blume, vermutlich eine Rose, gesteckt und sie trägt eine weiße Perlenkette. Über ihren linken Arm hat sie einen braunen Pelzmantel gelegt. Die Frau trägt ihre dunkelblonden Haare dauergewellt und kurzgeschnitten. Ihr Gesicht ist geschminkt und auffallend sind ihre rotgeschminkten Lippen. Zum Teil überragt sie das kontrastierende ockerfarbene Feld.

So reicht der Mantel bis in den weißen Hintergrund, ihre Haare ragen ein wenig darüber hinaus und auch ihre Beine enden mit den Unterschenkeln in dem weißen Bereich. Ihre Füße werden gar nicht abgebildet. Ihre rechte Hand verlässt den ockerfarbenen Bereich, um den Stecker des Wäschekochers anzustecken.

Der Wäschekocher bildet den Vordergrund. Er hat die Form eines Zylinders und wirkt wie ein überdimensionaler Topf. Die Farbe des Materials ähnelt der des Kleides. Im Deckel spiegelt sich der ockerfarbene Hintergrund wider. Auf der Vorderseite des Wäschekochers ist der Produktname auf einem roten Emblem abgebildet. Der Wäschekocher verdeckt zum Teil die Beine der Frau.

Den Bildabschluss bildet der Slogan „ . und inzwischen wäscht der PROTOS“. Die Schrift des Slogans ist in Frakturschrift geschrieben.




2.1 Interpretation und Vergleich im historischen gesellschaftlich-kulturellen Kontext


Die Werbung vermittelt das Ideal der „Neuen Frau“, welches zu dieser Zeit auf dem Vormarsch war. Die junge Frau ist schlank, gesund und hat eine Kurzhaarfrisur.18 Zudem trägt sie ein modisches Abendkleid.

Mode wurde in der Weimarer Republik zu einem Thema, mit dem sich nicht mehr nur die gehobenen Schichten beschäftigten. Zu dieser Zeit entwickelte sich die Massenkonfektion und Mode richtete sich nicht mehr nach Klassen oder Schichten, sondern passte sich der Tageszeit an.19 In Mode waren nun „weiche, den Körper wie eine zweite Haut umfließende Stoffe [ .][und] kniekurze Kleider von einer kalten Eleganz“.20

Menschen, die in einer Stadt lebten, bot sich eine Vielzahl an Möglichkeiten an, ihre Freizeit zu verbringen. Doch nicht jeder hatte genügend Zeit und Geld dafür. Die junge Frau in der Reklame dagegen ist angezogen, als ob sie plane, den Abend irgendwo in der Stadt zu verbringen. Vielleicht will sie ins Kino, in ein Lokal, ein Café oder ein Tanzlokal; Möglichkeiten, die junge Frauen der zwanziger Jahre hatten.21

Reinhard schreibt, dass „die Frau [ .] zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg fast ausschließlich in zwei Stilisierungen in den Werbemitteln auf[trat]: entweder in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter oder in ihrer Funktion als erotisches, attraktives Objekt der Begierde.“22 In den zwanziger Jahren trat dann ein weiteres Motiv neben die zuvor genannten Stilisierungen: das klischeehaft überzeichnete Bild der ‚emanzipierten Frau’.23 In dieser Werbung findet sich eine Kombination aller drei Stilisierungen wieder.

Zum einen wird die junge Frau hier in einer der traditionellen Stilisierungen dargestellt, sie agiert als Hausfrau, indem sie den Wäschekocher in Betrieb nimmt. Zum anderen aber wird sie dabei erotisiert, denn sie trägt roten Lippenstift, ihr Kleid hat einen tiefen Rückenausschnitt und umspielt ihre Knie. Durch ihren Gesamteindruck verkörpert sie den dominierenden Typus der Weimarer Republik, die Reklame zeichnet eine junge, attraktive, gutsituierte Hausfrau, die selbstbewusst die neuste Mode trägt.24 Zu sehen ist die „Neue Frau“, die sich schick angezogen hat, um einen Abend, möglicherweise ohne männliche Begleitung, außerhalb der eigenen vier Wände zu verbringen.

„[D]ie illustrierte Presse und andere Massenmedien [haben] die Handvoll stereotyper visueller und charakterlicher Profile der Neuen Frau im Gedächtnis verankert.“25 Die vorliegende Reklame ist also nur ein Teil vom großen Ganzen. Lynn Frame schreibt, dass die Gesellschaft Typologien aufstellte, um die drastischen Veränderungen des weiblichen Geschlechts, die sie wahrnahm, erklären zu können.26 Typologien erfüllen vor allem zwei Funktionen: Frauen, die nun diesen Typologien in ihrem Alltag begegneten, sei es im Film, in der Reklame oder Literatur, konnten sich dieser bedienen, um „ihre eigene Stellung – und ihre Möglichkeiten- in der Gesellschaft beurteilen“27 zu können.

Des Weiteren versorgten Typologien Frauen mit Identifikationsmustern und dadurch legten sie ihnen gewisse Restriktionen auf. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass „Typologien also auf zweierlei Art und Weise funktionieren: als Werkzeug der Hermeneutik sowie als Verhaltenslehren.“28

Mit dieser Werbung aber wird auch deutlich, dass die „’Weibliche Natur’ – Ehe und Familie – [ .] weiterhin ezugspunkt für Weiblichkeitsentwürfe [blieb].“29 Denn auch wenn die junge Frau in dieser Reklame die Attribute der „Neuen Frau“ erfüllt, so steht die Hausarbeit weiterhin an erster Stelle. Hier liegt demnach der Fall vor, dass „die traditionelle Frauenrolle mit einem äußerlich „modernen Frauentyp“ verbunden [wurde], der gut gekleidet, auch dem Vergnügen nicht völlig abhold, doch letztlich der eigentlich weiblichen Bestimmung folgend, das traditionelle Rollenmuster [bestätigt].“30 Die Werbung propagiert, dass die Frau nur die Möglichkeit hat, das Haus zu verlassen, weil sie eine Maschine hat, die ihr die Arbeit abnimmt, welche sie sonst an das Zuhause gebunden hätte.

Doch lässt sich die dargestellte Frau in die Realität übertragen? Betrachtet man ihre Kleidung, so wird deutlich, dass es sich hierbei um eine Frau aus der gehobenen Mittelschicht handeln muss. Einen Pelz, Perlenkette und ein Abendkleid hätte sich eine Arbeiterfrau nicht geleistet. Aber auch für den Wäschekocher könnte eine Arbeiterfrau selber gar kein Geld aufbringen.

Demnach bildet die Reklame nur einen geringen Teil der Weimarer Frauen ab. Reinhard weit daraufhin, dass

[i]n den Abbildungen [der] Werbemittel [ .] soziale Differenzierungen seit der Jahrhundertwende [zu erkennen sind]. Zu dieser Zeit zeigte die ganz überwiegende Zahl der Anzeigen und Plakaten Angehörige der Oberschicht.[ .] Diese motivische Konzentrierung auf sozial gehobene Schichten hatte nach dem Wille der Unternehmer eine doppelte Funktion.

Erstens sollte das Verlangen der Oberschichte und oberen Mittelschicht nach sozialer Abgrenzung nach unten direkt angesprochen werden, zweitens sollten die unteren Schichten, in erster Linie das Kleinbürgertum und die Arbeiterschaft, durch die Ausnutzung ihrer Bestrebungen , den oberen Schichten nachzueifern, gewonnen werden.“32

Die Reklame vermittelt den Eindruck, dass die Frau durch die Anschaffung des Wäschekochers Arbeitserleichterung und Zeitersparnisse hat, welche sie mit Freizeitvergnügen füllen kann. Doch auch hier sah die Realität anders aus. „[D]ie Rationalisierung hatte insgesamt nicht zu einer Verringerung der Hausarbeit geführt, sondern zur Mehrbelastung der Hausfrauen.“34 Die Zeit, die die Frauen durch die Anschaffung neuer Geräte sparten, sollten sie in andere Bereiche investieren.

Neben den Haushaltspflichten gab es ja auch noch die Pflichten als Mutter und Ehefrau, die dadurch mehr bedacht werden konnten.35


3. Bildbeschreibung „Im Wandel der Zeiten“


Die Reklame „ Im Wandel der Zeiten“ wurde 1930 in „Das neue Frankfurt“ abgebildet. Hierbei handelt es sich um Reklame für die Keimschen Mineralfarben der Industriewerke Lohwald A.G

Die Reklame geht auf den Wandel der Zeiten im Büro ein. Zum einen sieht man Männer bei der Büroarbeit, so wie es im 19. Jahrhundert üblich war, zum anderen wird der Büroalltag der Weimarer Republik anhand der bildlichen Darstellung einer Frau am Schreibtisch gezeigt. Vom Werbetext erfährt man, dass „ [d]ie Keimschen Mineralfarben [ .] vom Anbeginn ihrer Herstellung der vollkommene Werksstoff für wetterfeste, lichtfeste und waschbare Anstriche [waren].

Die Werbung ist schwarz-weiß gedruckt und das Bildzentrum stellt eine junge Frau dar, die an einer Schreibmaschine sitzt und für einen Mann, der vermutlich ihr Chef ist und hinter ihr steht, etwas abtippt. Die junge Frau trägt einen Bubikopf, ist geschminkt und adrett gekleidet. Ihre Augen blicken auf das Papier, das sie betippt, und sie ist in ihre Arbeit vertieft.

Der Mann steht mit Anzug und Krawatte hinter ihr und diktiert, was die Frau zu tippen hat. Dabei hat er die linke Hand souverän in die Tasche seines Jackettes gesteckt.

Im linken Hintergrund ist bullaugenartig ein Kreis abgebildet, der einen Rückblick in die Vergangenheit enthält. Hier sieht man mehrere Männer, die in einem beleuchteten Raum an Pulten in ihre Arbeit vertieft sind. Sie tragen Arbeitskittel und nutzen traditionelles Arbeitsmaterial, wie Füllfeder und Schere. Scheinbar arbeitet jeder für sich und es findet keine Kommunikation untereinander statt.

Die Reklame spielt mit den merkbaren Veränderungen der Gesellschaft, die häufig negativ konnotiert wurden. Der Werbetext greift den Reklametitel auf und den bildlich dargestellten Wandel. Durch den Inhalt des Textes erklärt sich dann die Reklame. Während alles andere einem Wandel unterliegt, konnte man zumindest auf die Keimschen Mineralfarben bauen.



Mit der Frau im Zentrum des Bildes, geht die Werbung auf den Wandel in den Büros ein. „[I]m Zuge des Angestelltenbooms [griff man] gern auf Frauen zurück, die sich mit weit niedrigeren Gehaltsätzen zufrieden gaben als ihre männliche Kollegen.“36 Und für Frauen gab es ebenso Gründe, den Weg in die außerhäusliche Arbeit zu suchen.

Frauen aus dem Bürgertum waren nach dem Krieg und der Inflation verarmt und waren auf einen Zuverdienst angewiesen. Für Arbeitertöchter war der Angestelltenberuf eine Aufstiegschance.37 Aus diesem Grund kam es zur vermehrten Einstellung von Frauen. Die eigentliche Berufung der Frau wurde weiterhin in der Hausfrauenarbeit und Mütterlichkeit gesehen, doch solange die Stellen nicht mit Männern besetzt werden konnten, griff man auf die Frauen aus der Reserve zu.38 Im Allgemeinen aber wurde „Frauenarbeit […] als lohndrückend und bedrohlich für den Fortbestand der Familie eingeschätzt“.39 Frauen blieben daher auch meist nur in ihrem Beruf, bis sie heirateten und der Lohn des Mannes die Familie versorgen konnte.

Auch in dieser Reklame wird durch die Positionierung der Personen deutlich, dass es eine Hierarchie in den Büros gab. Der Mann steht und ist im Vergleich zur sitzenden Angestellten größer und schaut von oben auf sie herunter. Der Blick über die Schulter wirkt, als ob er sie kontrollieren würde. Die Männer in der Vergangenheit dagegen arbeiten alle selbstständig und keiner scheint über dem anderen zu stehen.

Im Normalfall waren „die unteren Kontoristenkader (Stenotypisten, Kontoristen, Korrespondenztätigkeiten) [ .] für die Frauen reserviert, die höheren, komplexere Qualifikationen erfordernden Positionen bekamen Männer zugewiesen.“41 Zudem hatten die Frauen „kaum Sicherheit oder Aufstiegschancen“.42 Frauen verübten vor allem Arbeit, die ihrer Gesundheit schadeten.

Sie waren oft einer „psychische Belastung [ausgesetzt] durch die Notwendigkeit ständiger äußerster Konzentration bei gleichzeitig extrem stark zerlegten und daher höchst monotonen Tätigkeiten“43. Das traf auf Frauen an der Schreibmaschine ebenso zu wie auf Frauen, die in Fabriken arbeiteten. Man sah es als erwiesen, dass Frauen für die einfachsten und schematischen Arbeiten geeignet waren; das Klavierspielen soll sie z.B. besonders befähigen zur Schreibmaschinenarbeit.44 An der jungen Dame in dieser Reklame werden die „geforderte Berufsattribute [,] Jugendlichkeit und Attraktivität“45 , deutlich.

Bis dahin aber lebten sie ein sehr eingeschränktes Leben mit vielen Pflichten und einer großen Verantwortung für ihre Familie.47 Das Einzige, was ihnen ermöglichte aus der „Monotonie und Perspektivlosigkeit ihres Alltags“48 auszubrechen, war der Konsum von Kleidung und Kosmetikprodukten. Zudem erhofften sie sich, dass sie durch den Nutzen solcher Produkte dem richtigen Mann auffallen würden, der sie dann möglicherweise heiraten würde.

Im Beharren auf Luxus und begrenzten Luxus drückte sich daher nicht alleine die affirmative, herrschaftsstabilisierende Integration, die Unterwerfung der Frauen unter den normativen Warencharakter ihrer Weiblichkeit aus, sondern auch der defensive Versuch, der Erfahrung von Restriktion und Diskriminierung durch Zeichen des Überschusses zu entrinnen.“49

Durch die Anwesenheit des Mannes, der im Hintergrund steht und diktiert, was die Frau zu tippen hat, greift die Reklame auf ein weitere Idee zu, die in dieser Zeit vor allem durch Literatur und die Lichtspielhäuser propagiert wurde. Denn ihre „Vorbilder [ .] trafen die weiblichen Angestellten im Kino.“50

Theoretisch wäre auch ein solches Verhältnis zwischen den beiden dargestellten Personen möglich.

Im Gesamten betrachtet, wird hier ein realer Wandel der damaligen Zeit dargestellt und die dargestellte Szene lässt sich in die Realität übertragen. Es ist unbestritten, dass „im 19. Jahrhundert das Kontor weitgehend Domäne der Männer“52 gewesen ist und in der Weimarer Republik die Zahl der Frauen im Angestelltenberuf zunahm.

„Der Anteil der Angestellten […] wächst um 219 %“ [von 1907 bis 1933, das heißt es hat eine Verschiebung der beschäftigten Frauen stattgefunden, denn] der Anteil der Frauen an allen Berufstätigen [ist] nur von 34% (1907) auf 36% (1933)“53 gestiegen.

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn diese gesellschaftliche Veränderung sich in den Medien niederschlägt. „Plötzlich steht die Berufsfrau im Zentrum des öffentlichen Interesses. Illustrierte, Romane und Film zeigen sie aktiv, selbstbewußt und zielstrebig Männerberufe erobern.“54 Dieser Wandel wird in der Reklame unter zwei Aspekten thematisiert.


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