<
>
Download

Aufsatz
Geschichte / Historik

Kantonsschule Zug - KSZ

Note: 4.75, Jahr 2011

Norbert G. ©
2.50

0.33 Mb
sternsternsternsternstern
ID# 31871







Bildinterpretation

Sind Fotographien von bürgerlichen Familien von den gesellschaftlichen Normen und Verhaltensregeln beeinflusst?


Wenn heutzutage das alljährliche Familienfoto ruft, stellen sich alle nebeneinander auf und warten auf das erlösende Verschlussgeräusch der Kamera, nicht zuletzt, um die mühselige Prozedur hinter sich zu haben. Manchmal ist das Gegenlicht zu stark, dann hat jemand wieder die Augen geschlossen, hat einen komischen Gesichtsausdruck oder schaut gerade weg.

Und dann kann das ganze nochmals von vorne beginnen. Für die einen ist das spassig, für die anderen eher eine Qual.

Ich habe dieses Bild gewählt, weil mich Fotographien sehr faszinieren. Jede Fotographie hat ihre eigene Geschichte zu erzählen, jede Fotographie gewährt einen (wenn auch kleinen) Einblick in das Leben anderer Leute. Denn überall finden sich interessante Kleinigkeiten, die sehr viel über das Verhalten von Menschen verraten.


Warum zum Beispiel lacht niemand wirklich auf diesem Foto rechts? Warum steht der Mann ganz hinten und die Frauen um ihn herum? Warum tragen die Mädchen alle weisse (bzw. helle) Kleidung? Warum tragen alle so schöne Kleidung, oder warum tragen sie ihre normale Kleidung nicht? Weshalb schauen nur zwei von fünf Anwesenden in die Kamera?

Anhand dieser Details will ich herausfinden, ob man die gesellschaftlichen Normen der Bürgerlichen in den Fotographien sehen kann.


Somit lautet meine Fragestellung:


Sind Fotographien von bürgerlichen Familien von den gesellschaftlichen Normen und Verhaltensregeln beeinflusst?


Was mir als erstes auffällt, ist die Inszenierung. Zuhinterst findet man den falschen Hintergrund, davor der Stuhl als einziges Möbelstück und das Kissen direkt daneben. Was mir direkt darauf auffällt, ist die Anordnung der Anwesenden.

Der Mann steht ganz hinten, mit einer Hand vor der Brust. Die Frau, wahrscheinlich die Mutter, sitzt auf dem einzigen Stuhl. Eins der Mädchen steht neben der Mutter und vor dem Vater, rechts im Bild. Das Mädchen links im Bild steht neben dem Vater hinter der Mutter. Das dritte und wahrscheinlich jüngste Mädchen sitzt auf dem Kissen neben der Mutter vor dem anderen Mädchen.

Diese Anordnung wirft Fragen auf. Warum steht der Mann ganz hinten, und warum sitzt er nicht auf dem Stuhl?

Die Antwort auf die erste Frage ist eigentlich recht einfach. Indem der Mann - als Oberhaupt der Familie – unauffällig ganz hinten steht und sich alle vor ihm versammeln, zeigt er praktisch, dass er alles unter Kontrolle hat.

Seine Position sagt schon fast aus: „Seht her, ich habe eine wunderbare Familie in wunderbarer Kleidung!“. Das erklärt dann auch teilweise, warum der Mann nicht sitzt. Indem er sich vermeintlich unauffällig in den Hintergrund versetzt, wird seine Körpergrösse durch die Körpergrösse der Kinder und der sitzenden Haltung der Frau mehr zur Geltung gebracht, wodurch er wiederrum als grösster der Familie und somit auch als Oberhaupt heraussticht.


Wie bereits geschrieben, bringt die sitzende Haltung der Frau die Körpergrösse des Mannes mehr zur Geltung. Doch ist das wirklich der Grund, weshalb die Frau sitzt? Wenn man die Beinlänge der Frau anschaut, und sich vorstellt, wie sie neben dem Mann steht, kommt man etwa auf die gleiche Körpergrösse.

Frauen wurden damals Eigenschaften wie Passivität, Emotion, Nähe zur Natur und Schwäche zugeschrieben[1]. Dann passt es natürlich wunderbar, wenn bei einer Inszenierten Fotographie die schwache, passive Frau auf dem Stuhl sitzt.

Dies zeigt für mich eigentlich perfekt, dass die Hierarchie innerhalb der Gesellschaft auch auf das Familienleben übergreift und diese Dinge im Alltag dann auftauchen.


Das Mädchen ganz links steht als einziges hinter der Mutter fast auf gleicher Höhe wie der Vater.  Vom Aussehen her schätze ich sie auf die Älteste der Töchter. Ich denke, dass sie gerade wegen ihrem Alter genau dort steht.

Das Mädchen rechts im Bild scheint die zweitälteste zu sein. Ich denke, dass auch hier das Alter den Platz auf dem Bild bestimmt hat, ebenso wie bei der jüngsten, die auf dem Kissen sitzt. Was jedoch das Dreieck um die Mutter betrifft, welches die Töchter erzeugen, ist die Erklärung ein wenig weiter zu suchen.


Dies zeigt sich für mich unter anderem auch daran, dass die jüngste Tochter die Hand der Mutter hält. Ein anderes Anzeichen dafür ist die Haltung der zweitjüngsten, die sich am Stuhl der Mutter abstützt, doch dies kann auch einen anderen Grund haben, auf den ich später eingehe.


Eine Frage, die ich mir zu Beginn auch gestellt habe, ist die nach der weissen bzw. hellen Kleidung. Eine Erklärung wäre, dass durch die Dreiecksstellung der Mädchen der Kontrast zwischen dunkel und hell gut zur Geltung kommt, also dass die Wahl der Kleidungsfarben allein der Ästhetik dient.  Doch Weiss wird oft mit Unschuld, Reinheit und Jungfräulichkeit in Verbindung gebracht[3].

Um es auf die Mädchen zu übertragen: Durch die weisse Kleidung wirken sie unschuldig und zeigen damit ihre Jungfräulichkeit, was erklären würde warum die Mutter nichts Helles/Weisses trägt.


Die Erklärung ist so interessant wie simpel. Damals war ein Fototermin etwas Besonderes. Nur die wenigsten, reichsten Familien hatten einen eigenen Fotoapparat zuhause, also kam der Fotograph vorbei. Abgesehen davon, dass das ganze eine Kostspielige Sache war, hatten die Fotoapparate von damals sehr lange Belichtungszeiten.

Da musste man mehrere Minuten (einige reden sogar von über einer Stunde) ruhig in einer Position verharren. Dabei ein Lächeln zu halten gestaltet sich als eher schwer[4]. Ausserdem erklärt dies auch, warum sich die zweitälteste Tochter auf dem Stuhl abstützt. Auch erklärt dies, warum die Mutter irgendwohin schaut und ein bisschen demotiviert aussieht.

Da etwas Besonderes war, wenn der Fotograph kam, zeigten sich alle Ernst, da war ein Lachen eher fehl am Platz.


Und doch, zeigt nicht gerade die Tatsache, dass nur zwei von fünf in die Kamera schauen, dass die beste Disziplin nicht sehr viel bringt, wenn man eine sehr lange Zeit still da stehen muss? Die beste Erklärung für dieses Phänomen ist meiner Meinung nach wirklich die, dass es einfach eine sehr lange Prozedur war, bis man ein Foto hatte.

Und wenn man diese dann wiederholen musste, weil irgendwas nicht passte, konnte man schnell ungeduldig und somit undiszipliniert werden.



Die letzte Frage, die ich jetzt noch stelle, ist die eigentliche Fragestellung. Sind Fotographien der bürgerlichen Familien von den Verhaltensregeln und Normen innerhalb der Gesellschaft beeinflusst? Wie bereits im vorhergehenden Teil beschrieben, war solch ein Anlass eine Inszenierung und man zeigte sich von der besten, „bürgerlichsten“ Seite.


Quellen


-         

o   Zuletzt angeschaut am 24.06.2011


-          ß#Die_Symbolik_der_Farbe_Wei.C3.9F

o   Zuletzt angeschaut am 24.06.2011


-          Powerpoint-Präsentationen (PPP) von Philippe Weber

o   Zuletzt angeschaut am 24.06.2011




[1] Vgl. Bürgerliche Geschlechterrollen

[2] Siehe Verweis 1

[3] ß#Die_Symbolik_der_Farbe_Wei.C3.9F, zuletzt angeschaut am 24.06.2011

[4]Antwort vom12.11.2010 von „OnkelBerni“ auf


| | | | |
Tausche dein Hausarbeiten