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Vorlesung Beyer 18. Jh.
↕ Abkehr vom altrussischen Kultur- und Literaturmodell, welches sich auf die Kirche und ihre Interessen bezog (Heiligenlegenden, Predigtliteratur, Hymnendichtung) auch in Chroniken christliches Weltbild ab Mitte des 17. Jh. barocke Dichtung: erste Hofdichter aber doch religiösen Inhalts Anregungen aus dem Ruthenischen, nicht direkt aus Westeuropa (ukrainisch/weißrussischer Kontext aus polnischem Gebiet) die verspätete Modernisierung wurde zum Abschluss geführt → Emanzipationsprozess gleichzeitig ein spezifisches Verhältnis im neuzeitlichen Sinne → ästhetischer Sinn als Wortkunst Orientierung an westeuropäischen Literaturen → Gattungen und Stile
→ ein neuartiges literarisches System ohne große Unterschiede zu Westeuropa → Synchronisierung der Epochen (mit der Vorromantik Anschluss an Westeuropa) → Literatur der Neuzeit Veränderungen verglichen mit der Einführung des Schrifttums und mit dem Realismus Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (verschiedene Phänomene aus verschiedenen Epochen existieren gleichzeitig) → wirkt bis in die Romantik häufig Mischstile → Ode noch mit barocken Elementen, Erzählung noch teilweise sentimentalistisch Barock übernimmt Funktion der Renaissance, welche es in Russland nicht gab Theorie der verzögerten und beschleunigten Entwicklung (Evolution unter Zeitdruck) diese Vorstellung war unter Kulturschaffenden verbreitet → Russland soll europäisiert werden Europa als Synonym für zivilisatorischen Fortschritt, Russland als tabula rasa Rückständigkeit als Chance für einen schnelleren Lernprozess bei Peter ging es v. a. um Ausbildung, bei Katharina v. a. um kulturelle Umgestaltung durch kulturelle Eigenheiten verlief der Prozess anders als gedacht auch Traditionen erwiesen sich als sehr zählebig → Auswirkung v. a. auf Städte, kaum aufs Land
3 Perioden bis Ende 20er: Literatur in der Zeit der petrinischen Reformen
30er – 50er: im Zeichen des Klassizismus 60er – Ende 90er: Literatur zur Zeit Katharinas II
deutlich erkennbare Aufklärung Klassizismus, Sentimentalismus, Ansätze einer Vorromantik
→ Peter – Zeit der Kulturrevolution Katharina – aufgeklärter Absolutismus
1. Phase typisches Übergangsprofil stark mit Prozessen des 17. Jh. verbunden noch keine umfassende Verweltlichung (обмиршение) (wie von Peter vorgesehen) Verweltlichung zeigt sich in punktuellen Neuerungen, z. B. im Gattungsbereich
Entstehung des weltlichen Schuldramas mit v. a. historischen Stoffen Aufkommen von Komödie und Tragödie weltliches Drama Abenteuer- und Liebesroman → Enttabuisierung des Lachens und der Liebe geistige Kontakte zu Westeuropa ausgebaut Bedeutung der Kirche als Vermittlungskanal wird immer geringer europäisches Interesse an antiker Kultur sehr geschätzt → selbst Bezug gesucht, wird zentrale Komponente in der Kunstauffassung Buchdruck etabliert sich
2. Phase → Machtgerangel der Adelsparteien um das petrinische Erbe zw. 1725 – 61 7 Regierungsumstürze Adel versucht Beschränkungen zurückzunehmen Öffnung nach Westen weiter ausgebaut
vor allem wirtschaftlich, aber auch kulturell, v. a. nach Habsburg, Preußen, Sachsen, Polen
Deutschland als Weltkultur ab 30er stärkere Durchsetzung des französischen Einflusses dazu: Blick Richtung England Antike tritt als Literaturmuster zurück, als ästhetisches Muster, Vorbild nun zeitgenössische ausländische Literaturen
Europäisierung der Literatur Klassizismus etabliert sich, programmatisch untersetzt Ломоносов, Тредяковский, Сумароков als Begründer, jeder sah sich als Vater neuzeitlicher Dichtung
→ Traditionsbruch / -feindlichkeit proklamiert, aber nicht stets durchgesetzt Erneuerer oft noch vom Barock beeinflusst 2. Generation, z. B. Херасков auch schon mit sentimentalistischen Einflüssen
30er/40er: frühe Phase, Stilgemisch mit Barock 50er/60er: relativ reiner Epochenstil 70er/90er: sentimentalistische Ansätze und vorromantische Tendenzen
maßgebliche Literaturkonvention/maßgebliches Paradigma Klassizismus erstreckt sich über den allgemeinen soziokulturellen Wandel hinweg Grundlagen für Modernisierung der Literatur geschaffen
3. Phase verstand sich als Erbin Peters wollte Russland auf eine gänzlich neue Basis stellen orientiert an den Idealen der europäischen Aufklärung (nicht nachholen, sondern zeitgenössisches)
neu: Mäzenatentum durch Adel und Hof staatliche Bildungsinstitute für Künste und Literatur aber: Konflikt der Geförderten mit der Zarin unabhängiges Wirken der Adelskultur
→ Schauspieler, Dichter in Adelshäusern (auch in der Provinz) z. B. масонство = Freimaurertum von Katharina später verfolgt 1792 verboten und zerschlagen
zum Ende weicht Katharina von aufklärerischen Idealen zurück Veränderungen allerdings zu stark, können nicht mehr zurückgedrängt werden
→ gelingt der Anschluss wieder → wird Leitkultur, bis hin zu geistigen Hochschulen → nun auch literarisch-kultureller Journalismus → so von Katharina verstanden Politik stützt sich auf Literatur aber auch Eingrenzung der Selbstverwirklichung Despotie (→ Adel), Allmacht der Monarchin, Bauernsituation eigene Sichtweisen verfolgt
Kampf um Fortschritt, Recht auf Freiheit verklärende Darstellung vom Herrscher Gestaltung staatsbürgerlicher Ideale
Standeskonflikte im sentimentalen Bereich Volksschaffen → vorromantische Züge Poesie des Herzens, patriotische Dichtung erst allmähliche Abgrenzung zum Vorausgehenden, ab 1825 wurde das 18. Jh. als Geschichte betrachtet
Die Zeit Peters I → Adelskämpfe, da es auch eine Partei für Sofija gab dort keine systematische Bildung, beschäftigt sich mit Miltiräspielen pflegte in dieser Zeit Kontakte mit Ausländern (Nemeckaja Sloboda) und beobachtete diese bei Ausüben ihres Handwerks mit 18 Jahren verheiratet, verstieß diese Frau aber später wieder
Peter hält sich aber kaum im Kreml auf, überlässt die Regierung der Mutter und Bojaren 1695 Asov eingenommen (mit seinen Truppen) begibt sich 1697 auf Europareise (ВеликоеПосолство) mit interessierten Adligen
hat europäische Verbündete für Konflikt mit Osmanen gesucht Fachleute sollten angeworben werden (über 1000) Studium der Lebensart (v.a. in Städten), politisches System, technische Leistungen (Militär, Schiffbau), Bergbau musste nach 18 Monaten nach Moskau zurückkehren → neuer Aufstand aber bei Ankunft schon besiegt Strelitzen wurden von Peter hart bestraft (Massenhinrichtung) russische Kleidung durfte teilweise nicht verkauft werden über äußerliches sollte neue Einstellung eingetrieben werden → Bevlkerung war beeindruckt, wie drastisch dies geschah
setzte auf Durchmischung der Kulturen bei den Eliten 1711 Residenz nach Petersburg verlegt sollte eine paradiesische Stadt sein sollte Symbol für den Eintritt in die europäische Geschichte sein Anspruch auf regionale Hegemonie im Ostseeraum
St. Petersburg → 1. Kirchenbau unter Peter Führungsanspruch durch europäische Architektur → wurde aber schon zu Lebzeiten ignoriert und mit Peter assoziiert → Sakralisierung von Herrscher und Reichsidee im Kontext der Säkularisierung → machen ihn zum Antichristen (Dämonisierung) erst am Ende des 18. Jh. wird Peters Wirken national betrachtet → Überwinder roher Sitten, Gesetzesstifter doch weiter ein sakraler Kult → Petrograd nur noch mit Peter verbunden eherner Reiter: Stadt – Peter – Russland als untrennbare Einheit
Mehrheit stand dem negativ gegenüber Erklärungen für Verhalten des Zaren gesucht → Peter sei nicht echter Thronfolger, Sohn des frommen Zaren → entweder Kuckuckskind oder im Ausland ausgeschaltet → Hoffnungen auf Erlöser, der wahre Peter soll kommen und das Volk retten am radikalsten: Peter ist der Antichrist legt Hand an die Kirche lässt Kanonen aus Glocken gießen peitscht alle in die Armee verspottet Traditionen führt Dokumente mit Stempel ein (Antichrist drückt Stempel auf) auch Rekruten gekennzeichnet richtet gottverworfene Lehranstalten ein schafft den alten Kalender ab → astrologischer statt Kirchenkalender
sündige Herkunft (Sohn der 2. Zarengattin) Imperatortitel Zahlwert 666 → maßgeblich von den Altgläubigen ( старообрядчикирасколники) lanciert, entwickelten Endzeitvorstellung in eigener Gegenwart – mit Peter Befürchtungen bewahrheitet
Altgläubigegeduldet, aber ohne Bürgerrechte Moskauer Tradition unbefleckt, durch Jahrhunderte heilig – soll beschützt werden kirchlicher Begriff расколники verweltlicht – alle die an alten Traditionen festhielten waren damit gemeint Altgläubige bilden bis ins 20. Jh. eine Gegenkultur
Freimaurertumмасонство, волные каменщики erst im 18. Jh. aufgekommen Import aus intensivem Austausch mit Westeuropa in 30ern Stadtphase, als fremde Erscheinung ab 60ern russisches Freimaurertum
Radiščev, Novikov verurteilt auch Paul I hält an restriktiver Haltung fest () viele Legenden, vor allem Peter sei auf Reisen eingeführt worden → Gründungslegende
→ Peter sehr verehrt, Hymnen auf ihn geschrieben
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