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Mitschrift
Slavistik

Universität Leipzig

2009

Nathalie H. ©
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ID# 58729







Vorlesung Beyer 18. Jh.


  • neue Seiten aufgeschlagen: verspätete Prozesse des 17. Jh. vollenden sich und führen zu Säkularisierung

Abkehr vom altrussischen Kultur- und Literaturmodell, welches sich auf die Kirche und ihre Interessen bezog (Heiligenlegenden, Predigtliteratur, Hymnendichtung)

    • auch in Chroniken christliches Weltbild

    • ab Mitte des 17. Jh. barocke Dichtung: erste Hofdichter aber doch religiösen Inhalts

    • Anregungen aus dem Ruthenischen, nicht direkt aus Westeuropa (ukrainisch/weißrussischer Kontext aus polnischem Gebiet)

    • die verspätete Modernisierung wurde zum Abschluss geführt → Emanzipationsprozess

    • gleichzeitig ein spezifisches Verhältnis im neuzeitlichen Sinne → ästhetischer Sinn als Wortkunst

    • Orientierung an westeuropäischen Literaturen → Gattungen und Stile

ein neuartiges literarisches System ohne große Unterschiede zu Westeuropa

→ Synchronisierung der Epochen (mit der Vorromantik Anschluss an Westeuropa)

    • Übersetzungen, Bildungssprachen lieferten vor allem einen Beitrag → Modernisierung = Europäisierung

Literatur der Neuzeit

  • Veränderungen verglichen mit der Einführung des Schrifttums und mit dem Realismus

  • Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (verschiedene Phänomene aus verschiedenen Epochen existieren gleichzeitig) → wirkt bis in die Romantik

  • häufig Mischstile → Ode noch mit barocken Elementen, Erzählung noch teilweise sentimentalistisch

  • Barock übernimmt Funktion der Renaissance, welche es in Russland nicht gab

  • Theorie der verzögerten und beschleunigten Entwicklung (Evolution unter Zeitdruck)

    • diese Vorstellung war unter Kulturschaffenden verbreitet → Russland soll europäisiert werden

    • Europa als Synonym für zivilisatorischen Fortschritt, Russland als tabula rasa

    • Rückständigkeit als Chance für einen schnelleren Lernprozess

    • bei Peter ging es v. a. um Ausbildung, bei Katharina v. a. um kulturelle Umgestaltung

    • durch kulturelle Eigenheiten verlief der Prozess anders als gedacht

    • auch Traditionen erwiesen sich als sehr zählebig → Auswirkung v. a. auf Städte, kaum aufs Land


3 Perioden

  1. bis Ende 20er: Literatur in der Zeit der petrinischen Reformen

    • vom Barock zum Klassizismus – Vorklassizismus = предклассицизм

    • keine homogene Epoche

  1. 30er – 50er: im Zeichen des Klassizismus

  2. 60er – Ende 90er: Literatur zur Zeit Katharinas II

    • deutlich erkennbare Aufklärung

    • Klassizismus, Sentimentalismus, Ansätze einer Vorromantik


  • Monarchen als Epoche begründet durch Reform- und Kulturprogramme mit erheblicher Auswirkung

Peter – Zeit der Kulturrevolution

Katharina – aufgeklärter Absolutismus


1. Phase

  • typisches Übergangsprofil

  • stark mit Prozessen des 17. Jh. verbunden

  • noch keine umfassende Verweltlichung (обмиршение) (wie von Peter vorgesehen)

  • Verweltlichung zeigt sich in punktuellen Neuerungen, z. B. im Gattungsbereich

    • Ode für weltliches Herrscherlob

  • Entstehung des weltlichen Schuldramas mit v. a. historischen Stoffen

  • Aufkommen von Komödie und Tragödie

  • weltliches Drama

  • Abenteuer- und Liebesroman → Enttabuisierung des Lachens und der Liebe

    • geistige Kontakte zu Westeuropa ausgebaut

    • Bedeutung der Kirche als Vermittlungskanal wird immer geringer

    • europäisches Interesse an antiker Kultur sehr geschätzt → selbst Bezug gesucht, wird zentrale Komponente in der Kunstauffassung

    • Buchdruck etabliert sich

      • v. a. Sach- und Fachbücher


    2. Phase

    • keine geschlossene gesellschaftliche Orientierung

    Machtgerangel der Adelsparteien um das petrinische Erbe

    • zw. 1725 – 61 7 Regierungsumstürze

    • Adel versucht Beschränkungen zurückzunehmen

    • Öffnung nach Westen weiter ausgebaut

      • vor allem wirtschaftlich, aber auch kulturell, v. a. nach Habsburg, Preußen, Sachsen, Polen

    • Großmachtstellung gefestigt und ausgebaut

      • vor allem mit diplomatischen Mitteln

    • Träger geistiger Erneuerungen wechselt

      • zentrale Bedeutung des Hofes als Kulturmäzen gebrochen durch häufige Regierungswechsel – keine Konstanz

    • Schaffung weltlicher Akademie der Wissenschaften

    • Unigründung Moskau

    • разночинцы (Beamte) kommen als Kulturträger hinzu

      • nichtadlig, aus der Provinz

      • machen Grundstock der Intelligencija aus

    • Сухопутныйшляхетныйкадетскийкорпус als Ausbildungsstätte des Adels

    • kulturelle Umorientierung in Bezug auf Leitkultur

      • Deutschland als Weltkultur

      • ab 30er stärkere Durchsetzung des französischen Einflusses

      • dazu: Blick Richtung England

      • Antike tritt als Literaturmuster zurück, als ästhetisches Muster, Vorbild nun zeitgenössische ausländische Literaturen

    • Europäisierung der Literatur

    • Klassizismus etabliert sich, programmatisch untersetzt

    • Ломоносов, Тредяковский, Сумароков als Begründer, jeder sah sich als Vater neuzeitlicher Dichtung

      • Erneuerungs-, Begründerbewusstsein der Autoren

    • deutliche Abgrenzung gegenüber dem Alten → alles vor Peter

    Traditionsbruch / -feindlichkeit proklamiert, aber nicht stets durchgesetzt

      • Kontinuität des Alten doch sehr stark → wirkt sich stark aus

    • Erneuerer oft noch vom Barock beeinflusst

    • 2. Generation, z. B. Херасков auch schon mit sentimentalistischen Einflüssen

    1. 30er/40er: frühe Phase, Stilgemisch mit Barock

    2. 50er/60er: relativ reiner Epochenstil

    3. 70er/90er: sentimentalistische Ansätze und vorromantische Tendenzen

      • maßgebliche Literaturkonvention/maßgebliches Paradigma

      • Klassizismus erstreckt sich über den allgemeinen soziokulturellen Wandel hinweg

      • Grundlagen für Modernisierung der Literatur geschaffen


    3. Phase

    • ab 1762 Katharina II

      • verstand sich als Erbin Peters

      • wollte Russland auf eine gänzlich neue Basis stellen

      • orientiert an den Idealen der europäischen Aufklärung (nicht nachholen, sondern zeitgenössisches)

    • entwickelt ein systematisches Kulturprogramm

      • Kulturpolitik soll Russland in die geistige Welt Europas einordnen

    • neu: Mäzenatentum durch Adel und Hof

    • staatliche Bildungsinstitute für Künste und Literatur

    • aber: Konflikt der Geförderten mit der Zarin

    • unabhängiges Wirken der Adelskultur

    Schauspieler, Dichter in Adelshäusern (auch in der Provinz)

    • Adel beginnt sich zu organisieren

      • z. B. масонство = Freimaurertum

      • von Katharina später verfolgt

      • 1792 verboten und zerschlagen

    • zum Ende weicht Katharina von aufklärerischen Idealen zurück

    • Veränderungen allerdings zu stark, können nicht mehr zurückgedrängt werden

    • Zentren: Moskau, Petersburg

    gelingt der Anschluss wieder

    • Orientierung nun an französischer Aufklärung

    wird Leitkultur, bis hin zu geistigen Hochschulen

    • eigene Übersetzungsgesellschaft Katharinas zur Verbreitung der Aufklärung

    • zielgerichteter Aufbau von Druck- und Verlagswesen

      • ab 1773 auch private Druckereien zugelassen

    nun auch literarisch-kultureller Journalismus

    • Ausdifferenzierung der Theaterkultur

    • Literatur entwickelte sich zur gesellschaftlichen Macht

    so von Katharina verstanden

      • Politik stützt sich auf Literatur

      • aber auch Eingrenzung der Selbstverwirklichung

      • Despotie (→ Adel), Allmacht der Monarchin, Bauernsituation

      • eigene Sichtweisen verfolgt

    • Klassizismus in allen Gattungen

      • Kampf um Fortschritt, Recht auf Freiheit

      • verklärende Darstellung vom Herrscher

      • Gestaltung staatsbürgerlicher Ideale

    • Ruf nach Wahrheitsgehalt und Natürlichkeit

      • Hinwendung zur emotionalen Welt des natürlichen Menschen und zur sozialen Wirklichkeit

    • Standeskonflikte im sentimentalen Bereich

    • Volksschaffen → vorromantische Züge

    • Poesie des Herzens, patriotische Dichtung

    • erst allmähliche Abgrenzung zum Vorausgehenden, ab 1825 wurde das 18. Jh. als Geschichte betrachtet


    Die Zeit Peters I

    • schon von Zeitgenossen als unheimlich wichtig angesehen

    • geboren 1672 als 14. Kind des Zaren Aleksej

      • durch schottische Mutter schon viel europäisches im Hause, damals als Kuriositäten bezeichnet

    Adelskämpfe, da es auch eine Partei für Sofija gab

    • Sofija übernahm Regentschaft, schob Peter mit seiner Mutter nach Preobraženskoe bei Moskau ab und lebte dort ungezwungen

      • dort keine systematische Bildung, beschäftigt sich mit Miltiräspielen

      • pflegte in dieser Zeit Kontakte mit Ausländern (Nemeckaja Sloboda) und beobachtete diese bei Ausüben ihres Handwerks

      • mit 18 Jahren verheiratet, verstieß diese Frau aber später wieder

    • 1689 neuer Strelitzenaufstand

      • Sofija geht ins Kloster, Peter wird Zar

    • Peter hält sich aber kaum im Kreml auf, überlässt die Regierung der Mutter und Bojaren

    • 1695 Asov eingenommen (mit seinen Truppen)

    • begibt sich 1697 auf Europareise (ВеликоеПосолство) mit interessierten Adligen

  • hat europäische Verbündete für Konflikt mit Osmanen gesucht

  • Fachleute sollten angeworben werden (über 1000)

  • Studium der Lebensart (v.a. in Städten), politisches System, technische Leistungen (Militär, Schiffbau), Bergbau

  • musste nach 18 Monaten nach Moskau zurückkehren → neuer Aufstand

  • aber bei Ankunft schon besiegt

  • Strelitzen wurden von Peter hart bestraft (Massenhinrichtung)

    • nach Rückkehr sofortige Reformen: neue Kleider- und Bartordnung als erster Schritt zur Europäisierung

      • russische Kleidung durfte teilweise nicht verkauft werden

      • über äußerliches sollte neue Einstellung eingetrieben werden → Bevlkerung war beeindruckt, wie drastisch dies geschah

    • Propagandakampagne

  • setzte auf Durchmischung der Kulturen bei den Eliten

  • 1711 Residenz nach Petersburg verlegt

      • sollte eine paradiesische Stadt sein

      • sollte Symbol für den Eintritt in die europäische Geschichte sein

      • Anspruch auf regionale Hegemonie im Ostseeraum

    • Militär/Technik zielt ausschließlich auf militärische Zwänge → Krieg als Katalysator für Reformen


    St. Petersburg

    • mit Peter-Pauls-Kathedrale wurde das Petrinische Barock eröffnet (wurde zur Grabeskirche)

    1. Kirchenbau unter Peter

    • Petersburg wurde als Schritt weg von der barbarischen Vergangenheit begriffen

      • der barbarischen Natur entrissen

    • translatio imperii → Übertragung der Hauptstadt

    • Kontinuität der Reichsidee und neues Imperium

  • Führungsanspruch durch europäische Architektur

      • unter Christen durch Sakralbauten

    • nach dem Schutzpatron Simon Petrus benannt

    wurde aber schon zu Lebzeiten ignoriert und mit Peter assoziiert

    Sakralisierung von Herrscher und Reichsidee im Kontext der Säkularisierung

    • nach Schweden-Sieg Zusatz великий als домашнеебожество (hausgemachte Gottheit) bezeichnet

    • gegen Gottheit Peters gab es eine Gegenbewegung

    machen ihn zum Antichristen (Dämonisierung)

    • erst am Ende des 18. Jh. wird Peters Wirken national betrachtet → Überwinder roher Sitten, Gesetzesstifter

    • doch weiter ein sakraler Kult → Petrograd nur noch mit Peter verbunden

    • eherner Reiter: Stadt – Peter – Russland als untrennbare Einheit



  • Mehrheit stand dem negativ gegenüber

  • Erklärungen für Verhalten des Zaren gesucht

    Peter sei nicht echter Thronfolger, Sohn des frommen Zaren

    entweder Kuckuckskind oder im Ausland ausgeschaltet

      • ein Deutscher sei geschickt

    Hoffnungen auf Erlöser, der wahre Peter soll kommen und das Volk retten

    • Gerüchte bis in Bojarenkreise

      • am radikalsten: Peter ist der Antichrist

      • legt Hand an die Kirche

      • lässt Kanonen aus Glocken gießen

      • peitscht alle in die Armee

      • verspottet Traditionen

      • führt Dokumente mit Stempel ein (Antichrist drückt Stempel auf)

      • auch Rekruten gekennzeichnet

      • richtet gottverworfene Lehranstalten ein

      • schafft den alten Kalender ab → astrologischer statt Kirchenkalender

      • sündige Herkunft (Sohn der 2. Zarengattin)

      • Imperatortitel Zahlwert 666 → maßgeblich von den Altgläubigen ( старообрядчикирасколники) lanciert, entwickelten Endzeitvorstellung in eigener Gegenwart – mit Peter Befürchtungen bewahrheitet


    Altgläubige

    • Festhalten an alten Traditionen hat später auch eine soziale Komponente

      • besonders als Protest auf dem Lande

    • tödliche Verfolgung ebbte unter Peter ab

      • doch: hohe Steuern

    • geduldet, aber ohne Bürgerrechte

    • Moskauer Tradition unbefleckt, durch Jahrhunderte heilig – soll beschützt werden

    • kirchlicher Begriff расколники verweltlicht – alle die an alten Traditionen festhielten waren damit gemeint

    • Altgläubige bilden bis ins 20. Jh. eine Gegenkultur

      • auch mit eigenen Schriften

      • 1905 als erste Kirche legalisiert

    • Katharina wird die weibliche Verkörperung des Antichristen

    • vor allem passiver Widerstand


    Freimaurertum

    • масонство, волные каменщики

    • erst im 18. Jh. aufgekommen

    • Import aus intensivem Austausch mit Westeuropa

    • in 30ern Stadtphase, als fremde Erscheinung

    • ab 60ern russisches Freimaurertum

      • vor allem philanthropische Tätigkeit

      • Bildung

    • geduldet, aber nicht offiziell anerkannt

    • ab 80ern eigene Landessysteme

      • vor allem розенкрейцеры

    • Radiščev, Novikov verurteilt

    • auch Paul I hält an restriktiver Haltung fest ()

    • viele Legenden, vor allem Peter sei auf Reisen eingeführt worden → Gründungslegende

    Peter sehr verehrt, Hymnen auf ihn geschrieben


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