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Seminararbeit
Deutsch

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

2, Weidacher, 2014

Beate B. ©
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ID# 68189







Karl-Franzens-Universität Graz

Institut für Germanistik

Textlinguistik


Beschwerdebrief ans Clearasil-Team

Eine Textanalyse


Inhalt


1.Einleitung 1

2.Textdefinitionen 1

3.Textsorte 2

3.1.Textinterne Klassifikationskriterien 3

3.2.Textexterne Klassifikationskriterien 3

3.3.Funktion des Textes 4

4.Stil und Sprache 5

5.Kohäsion 6

6.Kohärenz 7

7.Zusammenfassung 8

8.Literaturverzeichnis 9

9.Beispieltext 10


  1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit soll ein frei erfundener Beschwerdebrief, der ans Clearasil-Team geschickt wurde, aus dem Buch „Ihr Schokohase hatte keine Eier“ des Berliner Werbetexters Tobias Geigenmüller textlinguistisch analysiert und kommentiert werden. Tobias Geigenmüller hat ein Experiment gemacht, in dem mehrere witzige Beschwerden an Firmen oder Persönlichkeiten, wie Coca-Cola, McDonalds oder Angela Merkel, abgeschickt wurden.

Diese Briefe mitsamt den echten und ernsthaften Antworten hat Geigenmüller in seinem Buch „Ihr Schokohase hatte keine Eier“ veröffentlicht.

Im Vordergrund dieser Arbeit stehen die Analyse der Textfunktion und des sprachlichen Stils des Textes. Außerdem werden Textsorte, Kohäsion und Kohärenz untersucht. Unter anderem ist es das Ziel der Arbeit, die Frage nach der Zuordnung des Beispieltextes zu einer Textsorte zu klären.

  1. Textdefinitionen

Die Definition von Texten wird in der Textlinguistik kontrovers diskutiert. Janich (vgl. 2008, 18) weist ausdrücklich darauf hin, dass Textgrenzen nicht immer scharf gezogen sind. Ein vollständiger Text ergebe sich ihres Erachtens nach aus dem Textsortenwissen der jeweiligen Person (vgl. ebda.). Entgegen Janichs Auffassung definieren Linke/Nussbaumer/Portmann (2004, 275) einen Text als „eine komplex strukturierte, thematisch wie konzeptuell zusammenhängende sprachliche Einheit, mit der ein Sprecher eine sprachliche Handlung mit erkennbarem kommunikativem Sinn vollzieht“.

Andere TextlinguistInnen setzen die Akzente etwas anders. So ist für Adamzik ein Text eine individuelle und einzigartige Erscheinung der parole. Jeder Text teilt mit anderen gemeinsame Merkmale, wodurch man sie klassifizieren kann (vgl. Adamzik, in: Janich 2008, 145).

Brinker (vgl. 2005, 17f.) sieht den Satz als wichtigste Struktureinheit des Textes an. Damit verneint er aber nicht, dass nicht auch kleinere sprachliche Gebilde unter ganz bestimmten situativen Bedingungen als Texte im kommunikativen Sinn fungieren können. „Ein Text bezeichnet für ihn eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine kommunikative Funktion signalisiert“ (ebda.).

Es gibt somit verschiedene Textdefinitionen, eine allgemein akzeptierte Begriffsbestimmung liegt bis jetzt jedoch noch nicht vor. Grundsätzlich orientieren sich die meisten AutorInnen an Beaugrande/Dressler (Beaugrande/Dressler 1981, 3), die den Begriff Text folgendermaßen definieren:


Wir definieren einen Text als eine kommunikative Okkurrenz […], die sieben Kriterien
der Textualität erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt.

  1. Textsorte

Jeder Text ist eine individuelle, einzigartige Erscheinung. Dennoch teilen sie alle gemeinsame Merkmale. Dementsprechend lassen sich Texte zu Gruppen mit gemeinsamen Merkmalen zusammenfassen. Solche Gruppen werden Textsorten genannt (vgl. Adamzik, in: Janich 2008, 145). Brinker (2005, 144) definiert den Begriff Textsorte wie folgt:

Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben.

Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 278) vertreten die Ansicht, dass in der deutschen Sprache eine Vielzahl an vorwissenschaftlichen Textsortenbezeichnungen existiert, mit deren Hilfe man im Einzelfall in der Alltagssprache relativ problemlos Texte einer Textsorte zuordnen kann. Jedoch wird es problematisch, sobald man nach einem Bestimmungsmechanismus für Textsorten fragt, der auch linguistisch begründbar ist (vgl. ebda.).

Laut Duden (vgl. 2004, 845) entstehen Textsorten als sprachliche Muster in immer wieder gleichartigen Situationen. Hier geht es um neue oder neuartige Situationen, die es vorher nicht gegeben hat oder die vorher nicht gesellschaftlich anerkannt waren. In solchen Situationen wird man sich an übergeordneten Funktionen orientieren. So entsteht das Bedürfnis nach einer Mitteilungsform, was letztlich zur Entstehung von Textsorten führt.

Sie sind somit etwas Sekundäres, das Primäre ist das Bedürfnis, das seinen Ausdruck sucht (vgl. ebda.).

Bei der Bestimmung der Textsorte muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass es in der textlinguistischen Forschung bisher nicht gelungen ist, eine einheitliche „gültige“ Textsortenklassifikation zu erstellen. Es besteht kein textlinguistischer Konsens darüber, nach welchen Verfahren die Klassifikation eines Textes zu einer Textsorte genau erfolgen müsste (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, 278).

Um den vorliegenden Beispieltext einer Textsorte zuzuordnen, wird die Textsortenklassifikation nach Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 278) herangezogen. Ihre Klassifikationskriterien werden in textinterne und textexterne Kriterien unterteilt.


    1. Textinterne Klassifikationskriterien

Textinterne Kriterien sind jene, die am Text selbst festgemacht werden können. Ein Beispiel dafür ist das Kriterium des Themas (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, 279): Das Thema des vorliegenden Textes ist die Beschwerde von Luis Caulmann über ein Kosmetikprodukt. Tobias Geigenmüller verwendet diesen Namen als Decknamen. Das Thema des Textes zeigt, dass sich der Text der Textsorte Beschwerdebrief zuordnen lässt.

Eine Besonderheit dieses Textes ist die Tatsache, dass die Beschwerde nicht beleidigend gemeint ist, sondern mit humorvollen Stilmitteln verfasst wurde. Unter einem Beschwerdebrief versteht man eine artikulierte Unzufriedenheit eines Kunden/einer Kundin mit einem Produkt, welche in Form eines Briefes zum Ausdruck gebracht wird.


    1. Textexterne Klassifikationskriterien

Abgesehen von den textinternen Klassifikationskriterien gibt es nach Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 280) auch textexterne Kriterien wie zum Beispiel das Trägermedium. Das Trägermedium des vorliegenden Beispieltextes ist das Buch „Ihr Schokohase hatte keine Eier", in dem knapp 100 dieser Beschwerden von Tobias Geigenmüller zusammengestellt wurden. Das Buch richtet sich aufgrund der großen Menge an Briefen an eine breit gefächerte Zielgruppe.

Die Textfunktion ist das wichtigste textexterne Klassifikationskriterium. Aus diesem Grund ist ihr im Folgenden ein eigenes Unterkapitel gewidmet.

    1. Funktion des Textes

Brinker/Cölfen/Pappert definieren Textfunktion als die Kommunikationsabsicht des Produzenten/der Produzentin, der/die  den RezipientInnen Anweisungen gibt, wie sie den Text insgesamt auffassen sollen. Dabei werden der intentionale und der konventionelle Aspekt sprachlicher Handlungen miteinander verknüpft – ähnlich wie der illokutive Akt in der Sprechakttheorie.

Der Ausgangspunkt der meisten Klassifikationsversuche von Textfunktionen stützt sich teilweise auf das Organon-Modell von Karl Bühler, in welchem Ausdrucksfunktion, Appellfunktion und Darstellungsfunktion voneinander unterschieden werden, und teilweise auf die Klassifikation von John Searle, der Representative, Direktive, Kommissive, Expressive und Deklarative bestimmt.

Klaus Brinker  orientiert sich an Searles Illokutionsklassen und kommt zu folgenden textuellen Grundfunktionen: Informationsfunktion, Appellfunktion, Obligationsfunktion, Kontaktfunktion und Deklarationsfunktion (vgl. Brinker 2005, 109). Die meisten Texte weisen zumindest eine dieser Funktionen auf, jedoch ist es sehr häufig, dass „man mehrere Ziele gleichzeitig bzw. nebeneinander anstrebt“ (Adamzik 2001, 280).

Diese sind aber als Nebenfunktion zu bestimmen, denn die Hauptfunktion des Textes ist die Unterhaltung, da der Text frei erfunden ist und seine LeserInnen zum Schmunzeln bringen soll. In der folgenden Passage wird die Unterhaltungs- sowie die Informationsfunktion gezeigt. Diese werden im Beispieltext durch die Frage „Und nun frage ich Sie: Wie kann trotz meiner gewissenhaften Clearasil-Plege ein derartiger Hyper-Mega-Monster-Godzilla-Pickel in meinem Gesicht gedeihen?“ deutlich.

Die Appellfunktion, worunter zu verstehen ist, dass der Autor die Meinung und das Verhalten der LeserInnen beeinflussen möchte, zeigt sich im letzten Satz: „Dafür verlange ich eine Wiedergutmachung von Ihnen“. Zusätzlich zur Unterhaltungs- und Appellfunktion übt der Text eine Informationsfunktion aus: „Ich nehme Waschgel und Gesichtswasser. So langsam bekomme ich den Eindruck, ich könnte mir genauso gut Schuhcreme ins Gesicht schmieren.“ Mithilfe dieser Sätze will der Autor informieren, dass das Clearasil-Produkt nicht effektiv ist.

  1. Stil und Sprache

Janich (vgl. 2008, 28) geht davon aus, dass der Stil stets an einen Text gebunden ist, was bedeutet, dass Stil ohne Textzusammenhang nicht existiert. Ebenso benötigt ein Text einen einheitlichen Stil. Diese Wechselwirkung wurde schon immer von der Stilistik erkannt, beispielsweise bei den Stilfiguren. 

Heinemann und Viehweger (vgl. 1991, 225) weisen ausdrücklich darauf hin, dass zwei Hauptaufgaben des Schreibers/der Schreiberin zur Verfügung stehen. Einerseits muss eine direkte Ausformulierung des Textes vorgenommen werden, gleichzeitig steuert man das RezipientInnenverhalten durch lexikalisch-grammatische Signale teilweise mit. Der/die Schreibende kann mit seiner individuellen Formulierung auch eigene Einstellungen zu bestimmten Sachverhalten präsentieren.

Nach Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 348) bedeutet der Begriff Stil, dass SprecherInnen verschiedene Möglichkeiten zur Durchführung einer sprachlichen Handlung zur Verfügung stehen. „Diese Auswahl kann mehr oder weniger unbewusst erfolgen [ .] kann aber auch bewusst sein und in diesem Fall z.B. auch Konventionen durchbrechen.“ (Ebda.)

Im vorliegenden Text hat der Autor versucht, auf die LeserInnen jünger zu wirken, was sich an der Wortwahl erkennen lässt. Er verwendet hierfür Jugendsprache und setzt Anglizismen, wie zum Beispiel „swag“, oder auch typische Phrasen bzw. Wörter, die vorwiegend Jugendliche verwenden, wie „meine superheiße Freundin“ oder „krass schwer zu übersehen“, ein. In nahezu jedem Satz gibt es einen kleinen Witz, der den Adressaten/die Adressatin zum Schmunzeln bringen soll.

  1. Kohäsion

Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 245) gehen davon aus, dass zwischen den einzelnen Sätzen eines Textes Beziehungen bestehen. Diese Bezüge werden häufig durch sprachliche Elemente hergestellt, die untereinander in syntaktischem Zusammenhang stehen. Solche sprachlich manifestierten Textbezüge werden Kohäsion genannt; die Mittel, die dazu eingesetzt werden, bezeichnet man als Kohäsionsmittel (vgl. ebda., 278).

Janich präsentiert folgende Merkmale der Kohäsion nach Beaugrande/Dressler, die dem „transphrastischen“ Ansatz entsprechen: Tempus, Aspekt, Junktion, Satzperspektive, Pronominalisierung, Rekurrenz und Parallelismen (vgl. Janich 2008, 21). Dagegen bezeichnen Linke/Nussbaumer/Portmann (vgl. 2004, 245) folgende sprachliche Formen als Kohäsionsmittel: Rekurrenz, Substitution, Pro-Formen, Textdeixis (aber auch (Vor-)Wissensdeixis), (Situations-)Deixis, Ellipse, Tempus und Konnektive (Konjunktionen und Pronominaladverbien).

DUDEN (2004) Linke/Nussb./P. Beaugr./Dressler Brinker

Artikel + + +

Chiasmus + +

Ellipse + + +

implizite Wiederaufnahme + +

Intonation + +

Junktion + + + +

Parallelismus + +

partielle Rekurrenz + + +

Pro-Formen + + + +

Rekurrenz + + + +

Substitution + + + +

Tempus + + + +

Thema/Rhema + + +

Im vorliegenden Beispieltext lassen sich einige Kohäsionsmittel finden. Am häufigsten anzufinden ist die Rekurrenz, worunter die Wiederaufnahme eines bereits eingeführten Textelements – entweder mit dem gleichen Lexem oder einem Lexem desselben Lexemverbandes (partielle Rekurrenz) – verstanden wird (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, 245). Im vorliegenden Beispieltext finden sich häufige Wiederaufnahmen des Lexems Pickel oder von Begriffen aus dem Lexemverband picklig.

Für die Beschreibung der Größe des Pickels benutzt der Autor folgende Synonyme wie „dermaßen groß“, „gigantisch“ oder „Hyper-Mega-Monster-Godzilla-Pickel“.

Für einen kohäsiven Text sprechen auch Pro-Formen (meine Arme, Ihre Firma, Ihr Produkt), bestimmte und unbestimmte Artikel (der Pickel, ins Gesicht, einen Pickel), wobei ein unbestimmter Artikel etwas beschreibt, das im Text noch nicht bekannt ist, während mit einem bestimmten Artikel gezeigt wird, dass ein Gegenstand bereits bekannt ist (vgl. ebda., 247). Insgesamt kann der ausgewählte Abschnitt als kohäsiv bezeichnet werden.

  1. Kohärenz

Um aus einer bloßen Aneinanderreihung von Sätzen einen Text zu machen, braucht man nicht nur Kohäsion, sondern auch Kohärenz:

Neben der gegebenen konkreten Textoberfläche muss auch allgemeines Wissen von und über Texte und allgemeines außersprachliches Wissen berücksichtigt werden (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, 255). Es gibt mehrere linguistische Konzepte der Textkohärenz. Eines der Konzepte, welches sich auf den Beispieltext anwenden lässt, ist das Isotopiekonzept. Beim Isotopiekonzept handelt es sich um „einen Versuch, Textverknüpfung ganz unter semantischem Gesichtspunkt anzugehen“ (vgl. ebda., 260).

Wortbedeutungen verbinden sich auf der Grundlage semantischer Übereinstimmung über die Satzgrenzen hinweg zu Komplexen. Diese Komplexe werden Isotopieebenen genannt (vgl. ebda.). Im Wortfeld „groß“ wird eine kohärente Textstruktur mittels der Phrasen „krass schwer zu übersehen“, „Vermutlich könnte ihn selbst Stevie Wonder klar erkennen“, „dermaßen groß“, „der Pickel hat eher mich“, „gigantisch“ und „Hyper-Mega-Monster-Godzilla“ hergestellt.


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