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Seminararbeit
Projektmanagement

Nürnberg

2011

Vanessa . ©
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ID# 6689







Hausarbeit zum Workshop Innovatonsmanagement

Beschreibung eines Innovationsprozesses am Beispiel von Stuttgart 21



Inhaltsverzeichnis

1Ausgangslage – Stuttgart 21 auf einen Blick1

2Beschreibung von vier Rollen und Haltungen bei Stuttgart 212

3Aktivitäten Der Initiatoren6

4Persönliche Verbesserungsvorschläge7

1         Ausgangslage – Stuttgart 21 auf einen Blick

Stuttgart 21 ist ein Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens von Stuttgart. Im Mittelpunkt des Projekts steht der Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen unterirdischenDurchgangsbahnhof. Die Zulaufstrecken sollen in Tunnel verlegt und die frei werdenden Gleisflächen der Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt werden.

Die Deutsche Bahn gilt als Vorhabenträger und Bauherr des Projekts. An der Finanzierung beteiligen sich die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart, die Landeshauptstadt Stuttgart, die Flughafen Stuttgart GmbH sowie die Europäische Union.

Der geplante Tiefbahnhof geht maßgeblich auf einen Vorschlag des Verkehrswissenschaftlers Gerhard Heimerl von 1988 zurück und beschäftigt die Stadt Stuttgart und ihre BürgerInnen bereits seit Mitte der 90er Jahre. Seit dem Jahr 2010 kennt Stuttgart 21 jedoch die ganze Welt. Das Bahnprojekt schaffte es auf die Titelseiten nationaler und internationaler Zeitungen.

Die Bauarbeiten begannen am 2. Februar 2010 und wurden am 29. März 2011 vorläufig unterbrochen. Die Inbetriebnahme ist für Dezember 2019 geplant. Die geplanten Projektkosten betragen rund 4,1 Milliarden Euro (Stand: Dezember 2009).

Das Projekt ist seit Jahren umstritten. Am Protest gegen Stuttgart 21 beteiligten sich zehntausende Menschen. Die Bürger fühlen sich von der Landespolitik überfahren und fordern mit Nachdruck Mitsprache an einem der größten Verkehrsprojekte Europas. Der Widerstand hat die Kraft, die politischen Machtverhältnisse in Baden-Württemberg zu verändern und bereits eine bundesweite Debatte über mehr direkte Demokratie ausgelöst.

Weiter ist es ein Innovationsprozess, der eine Stadt derart polarisiert, wie kaum ein anderes Projekt.


2         Beschreibung von vier Rollen und Haltungen bei Stuttgart 21

Die Stadt avancierte in den vergangenen zwölf Monaten zum Zentrum des bürgerlichen Widerstands. Stuttgart 21 ist nicht mehr nur der Name eines Bahnprojekts. Der Begriff wird inzwischen als Synonym für das Aufbegehren der BürgerInnen gegen politische Prestigeobjekte verwendet.

In den folgenden Ausführungen sollen vier Rollen und Haltungen beschrieben werden, die meiner Meinung nach in der Öffentlichkeit beziehungsweise bei den Stuttgarter BürgerInnen zu beobachten sind. Oberflächlich betrachtet lassen sich die BürgerInnen zu drei unterschiedliche Gruppen zuordnen: Die ProjektbefürworterInnen, die ProjektgegnerInnen sowie die „Ambivalenten“.

Schaut man sich die Gruppe der ProjektgegnerInnen jedoch etwas genauer an, so stellt man fest, dass sich hier deutlich zwei ganz unterschiedliche Haltungen manifestiert haben: Zum einen sind das die aktiven GegenspielerInnen (1), zum anderen aber auch die passiven MitläuferInnen (2), die in dieser Gruppe stark vertreten sind.

Stärkster aktiver Gegenspieler ist das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, zu dessen Partner vor allem die Bürgerinitiative Leben in Stuttgart, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen zählen. Dieses Aktionsbündnis ist für die Organisation der Protestveranstaltungen verantwortlich und hat das Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 entwickelt.

Die Initiative Parkschützer setzt sich primär gegen das im Zuge des Projekts vorgesehene Fällen von Bäumen im Schlossgarten ein. Weiter gründeten Stuttgarter Prominente (z.B. Walter Sittler) den Stuttgarter Appell, eine private Initiative, die sich für ein sofortiges Moratorium und einen Volksentscheid ausspricht.

Die DemonstrantInnen werden sowohl von den VeranstalterInnen als auch von den Medien als sehr heterogen eingeschätzt, so dass wohl BürgerInnen aller Schichten und Angehörige aller Milieus an den Demonstrationen beteiligt wären. Vor allem soll laut Protestforscher Dieter Rucht jedoch die bürgerliche Mittelschicht überdurchschnittlich vertreten sein.

Insgesamt kritisieren ProjektgegnerInnen im Besonderen den Eingriff in den benachbarten Stuttgarter Schlossgarten mit seinem alten Baumbestand, den Einsatz großer finanzieller Mittel, deren Verwendung für andere Verkehrsprojekte nach Ansicht der ProjektgegnerInnen sinnvoller sei, die vermutete Interessenverflechtung von Bau- und Immobilienwirtschaft sowie der Politik im Rahmen des Projektes.

Neben direkt projektbezogenen Gründen motiviert viele protestierende BürgerInnen aber auch das Gefühl, von Politik und Deutscher Bahn übergangen worden zu sein. Nach Ansicht der GegnerInnen fehlt dem Projekt die demokratische Legitimation, da die Kostenprognose nach der Entwurfsplanung um etwa eine Milliarde Euro angehoben wurde, die Zustimmung aller demokratisch gewählten Gremien jedoch zuvor erfolgte.

So kündigten die aktiven GegenspielerInnen des Projekts Stuttgart 21 bereits vor den Bauarbeiten am Nordausgang des Stuttgarter Hauptbahnhofs und am Schlossgarten an, bei einem Abriss auf die Straße zu gehen sowie sich bei Bedarf an die Bäume zu ketten, um die Bauarbeiten zu verhindern bzw. zu stoppen. Genau diese Situation ist eingetreten: Neben der wöchentlichen Montagsdemonstration und dem täglichen Schwabenstreich um 19 Uhr gab es zahlreiche Demonstrationen (meist Freitag oder Samstag), deren Initiator das oben beschriebene Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 war.

Eskaliert ist die Situation jedoch bei der Demonstration am 30. September 2010, als die PolizeibeamtInnen brutal gegen die DemonstrantInnen vorgingen. Meiner Meinung nach war dieses brutale Vorgehen nicht notwendig, resultierte aber sicherlich aus dem Verhalten einiger ProjektgegnerInnen gegenüber der Polizei Wochen zuvor: Die BeamtInnen mussten bei der Bewachung des Bauzauns einige Wochen Sonder- und Doppelschichten schieben, sowie ständige Demütigungen und Beschimpfungen durch einige GegnerInnen ertragen.

So kann es durchaus sein, dass das Vorgehen der Polizei bei dieser Demonstration ein Ventil für die BeamtInnen war, ihrem Ärger Luft zu machen. Ob dies eine derartige Brutalität rechtfertig ist meiner Meinung nach jedoch zweifelhaft.

Viele aktive GegnerInnen sprechen sogar von einem gesellschaftlichen Problem im Schlossgarten: Etwas entfernt von den Tipis stehen zehn kleinere Zelte unter Bäumen, in der Mitte ein altes Ölfass, aus dem dünner Rauch aufsteigt, um dieses herum Parkbänke, leere Bierflaschen und Dosen. Es ist eine Subkultur von Leuten entstanden, die sich aus der Gesellschaft ausgegliedert fühlen oder es auch sind und daher Anschluss bei den aktiven ProjektgegnerInnen suchen.

Mit dem Protest gegen den Tiefbahnhof hat dies nur noch sekundär zutun. So äußerten einige AktivistInnen bei der Polizeistation am Stuttgarter Hauptbahnhof bereits den Wunsch, diese MitläuferInnen zu vertreiben, um dem Ansehen der Stuttgart-21-Gegner in der Bürgerschaft durch die Verhältnisse im Park nicht zu schaden.

Stärkster und größter Motor des Projekts ist das Bündnis Wir sind Stuttgart 21. Dieses bündelt die Informationen über die Vielzahl von Initiativen für Stuttgart 21 sowie deren Aktivitäten und dient den BefürworterInnen von Stuttgart 21 als zentrales Informationsmedium.

Mit Aktionen wie „Laufen für Stuttgart“ demonstrieren seit Mitte September auch BefürworterInnen des Projekts und gaben den GegnerInnen damit eine Antwort auf deren Montagsdemonstrationen und täglich stattfindenden Schwabenstreich. Initiator der Läufe und somit auch Motor von Stuttgart 21 ist die sitibi KOMMUNIKATION GmbH. So trafen sich die BefürworterInnen jeweils donnerstags zum gemeinsamen Laufen, Fahrradfahren oder Inlineskaten durch den Schlosspark.

Zu beobachten ist, dass die Position der Motoren sich stärkte, seit die GegnerInnen auf die Barrikaden gingen: So wurden seitens der BefürworterInnen des Projekts Buttons und (umstrittene) T-Shirts mit unterschiedlichen pro Stuttgart 21 Logos entworfen. Weiter deklarierten die BefürworterInnen öffentlich, dass die Proteste der GegnerInnen dem Image der Stadt schaden und durch den verstärkten Polizeieinsatz sowie den Baustopp unnötig Geld verschwendet werden würde.

Meiner Beobachtung nach polarisierte dies beinahe die gesamte Stuttgarter Bürgerschaft. Personen, die sich zuvor keinerlei Gedanken zum Projekt gemacht haben, waren nun doch für das Bauprojekt oder eben zumindest gegen die ständigen Proteste der GegnerInnen. Als Resultat bleibt demnach festzuhalten, dass sich die BefürworterInnen die zahlreichen und gut besuchten Proteste der GegnerInnen zu ihrem Nutzen machten, um BürgerInnen, die noch keinerlei eigenen Standpunkt zu Stuttgart 21 hatten, auf ihre Seite zu ziehen.

Insgesamt ist dieser Personenkreis sehr versteckt und somit in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Die versteckt Ambivalenten äußern ihre zwiespältige Meinung daher nur auf spezielle Nachfrage, beispielsweise in Diskussionen mit FreundInnen, Familie und Bekannten. Nach meiner Erfahrung teilen sie jedoch meist dieselbe ambivalente Meinung. So halten sie zwar die Modernisierung des Bahnhofs für notwendig und den Wegfall von Grünfläche für nicht weiter dramatisch, sind jedoch mit der nicht vorhandenen Transparenz der Deutschen Bahn sowie der Politik gegenüber der Stuttgarter Bürgerschaft und den viel zu hohen und unkalkulierbaren Kosten des Projekts nicht einverstanden.


3         Aktivitäten der Initiatoren

Um den Nutzen von Stuttgart 21 in der Öffentlichkeit positiv zu verstärken und möglichen Protesten vorab mit Argumenten entgegen treten zu können, startete die Deutsche Bahn eine Werbekampagne, in welcher sie ihre Visionen mit Stuttgart 21 formulierte: So wurden in der gesamten Stuttgarter Innenstadt und Umgebung riesigen Plakate der Deutschen Bahn verteilt, welche mit Werbesprüchen pro Stuttgart 21 beschrieben sind.

Insgesamt existieren 21 verschiedene Versionen dieser Plakate, mit je einem guten Grund für Stuttgart 21. GegnerInnen machten es sich jedoch zur Aufgabe, diese Plakate so umzuändern, dass die Werbesprüche der Deutschen Bahn als leere Worte entlarvt wurden.

Unterstützt wurden die beiden Parteien jeweils von einer Reihe von Fachleuten (beispielsweise GeologInnen, EisenbahnbetrieblerInnen, IngenieurInnen, ArchitektInnen), die von den SchlichtungsteilnehmerInnen zur Untermauerung ihrer Argumente aufgerufen werden konnten.

4         Persönliche Verbesserungsvorschläge

Aus dem vorangegangenen Kapitel wird bereits deutlich, dass relativ wenige Aktivitäten seitens des Initiators unternommen wurden. Unter Beachtung des Aspekts, dass Stuttgart 21 ein Milliardenprojekt darstellt und Auswirkungen auf eine hohe Zahl von Menschen haben wird, scheint die Anzahl der unternommen Aktivitäten der Deutschen Bahn sowie der ehemaligen Landesregierung noch weniger ausreichend zu sein.

Da das Projekt bereits seit langer Zeit geplant wurde, hätten die betroffenen BürgerInnen von Anfang an in den Planungsprozess mit einbezogen werden müssen. Stattdessen wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit Entscheidungen getroffen, deren Fachlichkeit meist nicht überprüft worden ist. Viele BürgerInnen von Stuttgart fühlten sich daher nicht respektiert und ernst genommen.

Hätte sich die Deutsche Bahn sowie die ehemalige Landesregierung einer echten Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten unterzogen, anstatt mit leeren Parolen um sich zu werfen, die bei genauerer Betrachtung unprofessionell und oberflächlich wirken, wäre der Protest sicherlich nicht auf diese Weise eskaliert. Das Verschleiern von Tatsachen und Fakten hatte zur Folge, dass die Initiatoren von Stuttgart 21 an Authentizität verloren, welche jedoch gerade im Konfliktfall eine große Bedeutung für das Gelingen eines Innovationsprozesses hat.

Der anfänglich für das Projekt Stuttgart - Augsburg zuständige Planer Ernst Krittian kritisierte beispielsweise, dass Kritik am Konzept Stuttgart 21 prinzipiell nicht geduldet worden sei. Nachdem er das Projekt kritisiert habe, sei ihm die Zuständigkeit entzogen worden. So sind viele Stuttgarter BürgerInnen der Meinung, dass eine Stuttgarter Connectiondas Projekt durchgedrückt habe und der politische Beschluss nach Gutsherrenmaniergefallen sei.

Ein weiterer Verbesserungsvorschlag wäre, die Ziele und Wege, die dem Projekt zu Grunde liegen, permanent zu überprüfen und bei Bedarf neu anzupassen. Für die Initiatoren von Stuttgart 21 gibt es jedoch nur ein Ziel: Den bereits geplanten Umbau des Hauptbahnhofs und dessen Umgebung genau so umzusetzen, wie der Architektenentwurf es vorgibt.


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