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Seminararbeit
Geschichte / Historik

Universität Bielefeld

3, Suter, 2014

Dominique A. ©
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ID# 53699







Hausarbeit im Hauptmodul Vormoderne: Aufklärung im 18 Jahrhundert

Philipp Albert Stapfer, StapferEnquête 1799, Lehrer Umfragen zur Zeit der Helvetischen Republik.

Unter der Leitfrage: Inwiefern lässt sich der „Ist-Zustand“ der Schulen anhand einer ausgewählten Anzahl von Umfragen der Stapfer-Enquête bemessen und welchen Einfluss hatte die Schule für die Gesellschaft und Aufklärung?


Inhalt




Einleitung

Auch heute ist die Alphabetisierung in vielen Ländern nicht erreicht. Das in Europa so viele Menschen Lesen, Schreiben und Rechnen können, ist der Verdienst der Kirchen und der von ihnen gegründeten Schulen. Doch wie genau erfolgte die Alphabetisierung in den Schulen und was wurde wie gelehrt? Genau an solchen Fragen soll die vorliegende Arbeit anknüpfen.

Daher beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Thema der Alphabetisierung in der Schweiz. Im Vordergrund stehen Schulwesen und Schulpraktiken von 1700 bis 1800. Die Grundlage dieser Arbeit bietet die standardisierte Lehrerumfrage der Stapfer-Enquête, die auf den Bildungs- und Erziehungsminister Philipp Albert Stapfer 1 zurück geht. Die ausgefüllten Fragebögen, die ca. 50 Fragen umfassen, ermöglicht es die Schulsituation bis 1799 in den Schulen der Schweiz zu erfassen.

Insgesamt wurden von den 2900 Umfragen 2400 ausgefüllt und überliefert. Das Besonderes ist, dass mit dieser Umfrage erstmalig Lehrer und einige Lehrerinnen zu den Schulen befragt wurden und nicht die Pfarrer.

Da der Umfang der Fragebögen zu groß ist, beschränkt sich diese Arbeit auf einer ausgewählten Anzahl von neun Fragebögen. Die Inhalte der Umfragen wurden mit dem Werk2 von Alfred Messerli ergänzt.


Die Leitfrage der Interpretation ist: Inwiefern lässt sich der „Ist-Zustand“ der Schulen anhand einer ausgewählten Anzahl von Umfragen der Stapfer-Enquête bemessen und welchen Einfluss hatte die Schule für die Gesellschaft und Aufklärung? Die Beantwortung der Leitfrage ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird der historische Kontext beleuchtet. Dieser umfasst die Informationen zum Verfasser der Umfragen, zu dessen Absicht und den gesetzlichen Grundlagen.

Im zweiten Teil soll die Aussagekraft der Stapfer-Enquête ermittelt werden. Dabei werden die Quellen mit Blick auf die Fragestellung qualitativ und quantitativ ausgewertet. Im nächsten Schritt wird der Fragekatalog der Pfarrerumfrage zum Schulwesen herangezogen und mit dem der Lehrerumfrage verglichen. Ziel dieses Schrittes ist es, die Qualität der Lehrerfragen zu ermitteln.

Anschließend soll untersucht werden, inwiefern sich Stapfers Pläne realisieren ließen. Im dritten Teil dieser Arbeit geht es um die Bedeutung des Lesens und Schreibens im Kontext zur Aufklärung. Beleuchtet wird der Stellenwert der Alphabetisierung und des Schulwesens. Zum Schluss folgt ein abschließendes Fazit, welches die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfasst und eine Schlussfolgerung darlegt.

Im Anhang ist ein Register beigefügt, das diverse Begriffsklärungen zu den von mir kenntlich gemachten Begriffen darstellt, ohne dabei von den eigentlichen Inhalten dieser Arbeit abzuweichen.


Im Vorfeld zu klären ist die Bedeutung der Begriffe Lesen und Schreiben. Die Begriffe sind fast jedem geläufig, sie bedeuteten aber nicht immer das, was heute darunter zu verstehen ist. Das Problem, das sich aus der Thematik der Alphabetisierung ergibt, ist der Anachronismus.3 Gefährlich ist das, weil wir als Leser unsere Vorstellungen vom Lesen und Schreiben auf die der damaligen Zeit übertragen.

Wir vergessen dabei den ständigen Wandel der Strukturen und geben den vorherrschenden Begrifflichkeiten eine andere Wertigkeit. Im Folgenden möchte ich ein „radikales“ Beispiel anführen, welches sicherlich nicht immer zutreffend ist, allerdings Rückschlüsse auf die Vorstellung einiger schließen lässt.

„Ein Bauer sähe, daß alle Leute, wenn sie lesen wollten, eine Brille brauchten; er gieng also

in die Stadt zu einem Brillenverkäufer, und forderte eine gute Brille, man gab ihm eine. Der

Bauer nahm das Buch zur Hand, und sagte, indem er die Brille aufsetzte, sie sey nichts

nutze. Der Brillenhändler setzte ihm noch eine andere auf, der Bauer konnte aber nicht lesen.

Eben sogiengs mit mehreren. Endlich sagte der Brillenhändler: Freund, ihr möget wohl

gar nicht lesen können? Ey! wenn ich das könnte, versetzte der Bauer, so würd' ich keine

Brille verlangen.“4

Deutlich wird an diesem Beispiel, dass für einige der Wunsch des Lesens von falschen Voraussetzungen ausging, nämlich vom Tragen eines Gegenstandes. Nicht jeder verstand, wovon das Lesen abhängig war. Es fällt auf das bei den einfachsten Begriffen, wie Lesen und Schreiben vielfach andere Verständnismöglichkeiten vorherrschen können. Tatsache ist, dass das Lesen und Schreiben damals zwei verschiedene kulturelle Praktiken waren, die nicht immer gleichzeitig erlernt werden mussten.

Das Interesse an diesem Thema ist mit meinem Berufswunsch zu begründen. Als angehende Lehrerin ist es sicher aufschlussreich, den Rückbezug zu dem damaligen Verständnis von Schule zu haben. Die Aufgaben des Lehrers und die Intention des Schulwesens zu erforschen ist somit eines der Felder, die von besonderem Interesse sind. Darüber hinaus ist es spannend zu erfassen, wie sich die Alphabetisierung entwickelt hat und wovon sie abhängig war.

Die Tatsache, dass es auch heute noch Analphabeten gibt, verdeutlicht, die Aktualität der Thematik, der Alphabetisierung. Die Wahl des Landes fiel auf die Schweiz, weil diese einen verhältnismäßig Großteil an Literatur zur Alphabetisierung hat.

Historischer Kontext

Wer war entwarf Stapfe und welche Absicht verfolgte er mit seinen Umfragen?

Die Umfragen der Stapfer-Enquête gehen auf Philipp Albert Stapfer zurück, der am 23.09.1766 in Bern geboren wurde.5Er war Sohn eines Pfarrers und erhielt eine verhältnismäßig gute schulische Bildung. Er besuchte acht Jahre lang die Literaturschule und ging dann auf eine Akademie. Dort wurde er besonders gut in Theologie und alten klassischen Sprachen ausgebildet.

Stapfer zeichnete sich im Laufe seiner schulischen Laufbahn besonders durch seine guten sprachlichen Leistungen aus. Außerdem hatte er ein großes Interesse an der Philosophie. Er erweiterte seine schulische Laufbahn durch das auswärtige Studium in Göttingen. Dort wurde er stark von den Werten der Französischen Revolution beeinflusst. 1791 ging Stapfer nach London und Paris, um sich philosophisches, philologisches und historisch-geographisches Fachwissen anzueignen.

In Bern hielt man in zwischen für einen Jakobiner.

Nach der Beendigung des Studiums kehrte Stapfer nach Bern zurück. Ein Schreiben, das seine wissenschaftliche Neigung bestätigte, entlastet ihn vor dem Vorwurf, Jakobiner zu sein und sorgte für seine Sicherheit. Nach seiner Rückkehr wurde Stapfer in dem hohen Schuldienst eingesetzt, wo er seinen Onkel vertrat. Zeitgleich unterrichtete er 1797 Sprache und Philosophie am politischen Institut in Bern.

Er hoffte auf ein „goldenes Zeitalter der vollendeten Vernunfttätigkeit und der reinsten Moral“, ganz nach Kants Vorstellungen.6

Ebenso wollte er die Volksbildung voranbringen und hoffte, dass die Bildung stückweise zur Volksaufklärung beitrage.

Noch zu Beginn der Helvetischen Republik wurde Stapfer durch das Direktorium zum Erziehungs- und Bildungsminister bestimmt. Während seiner Amtszeit erließ er einen vorläufigen Gesetzesentwurf für die Schulen. Er wollte, dass die Bildung für alle zugänglich wird.

Im Großen und Ganzen war Stapfer Anhänger der Helvetischen Republik und gehörte zu den Kreisen der Unitarier. Diese sahen die einzige Möglichkeit darin, die Freiheitsrechte und nationale Unabhängigkeit in einem zentralistischen und einheitlichen Staat zu behalten, der politisch- und institutionell zu demokratisieren und zu erneuern versucht.7

Was waren die Entstehungsgründe und Absichten der Stapfer Umfragen?

Das genaue Ziel dieser Umfrage kann nur vermutet werden. Doch ist anzunehmen, dass der Bildungsminister Stapfer den derzeitigen Stand der Schulen erfassen wollte.8 Darüber hinaus lässt Stapfers Zugehörigkeit zu dem Unitarieren darauf schließen, dass er Träger der Aufklärung war. Er sah in der Bildung die Möglichkeit das Volk aufzuklären und die Mündigkeit zu fördern.

Vermutlich waren Stapfers Bemühungen das Bildungswesen zu reformieren deshalb auch so groß gewesen. Die Mündigkeit, die sich Stapfer wünschte, zeigt sich in den offenen Antwortmöglichkeiten der Fragebögen. Auch die Tatsache, dass er die Lehrer befragte, verdeutlicht dass Stapfer einer neuen Gruppe die Möglichkeit zur Meinungsäußerung geben wollte. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass er selber Lehrer war.

Möglicherweise versuchte Stapfer sich mit der Befragung ein Bild über die Fähigkeiten der Lehrer zu machen. Dieses lässt sich insbesondere an dem dritten Befragungsteil belegen. In diesen sollen die Lehrer ihre persönlichen Verhältnisse offen legen und ihre beruflichen Qualifikationen benennen. Ferner können auch die Schriftbilder und Schreibfähigkeiten der Lehrer als Auswertungskriterien herangezogen worden sein. Über die Unterschrift, die Stapfer am Ende seines Fragebogens einforderte, konnten die Fragebögen den Lehrern zugeordnet werden.

Vielleicht war das auch der Grund, wieso viele Lehrer sich enthielten oder nur kurz auf die Fragen antworteten. Möglicherweise hatten einige Lehrer auch einfach kein Interesse daran etwas an der Schulsituation zu ändern. Inwiefern Stapfer diese Bögen genau auswertete, ist leider ungewiss.

Stapfers vorläufiger Gesetzesentwurf ist in vier Teile untergliedert. Der erste Teil stellt die Notwendigkeit einer Bildungspolitik für Staat und Gesellschaft da. Der zweite Teil benennt die Funktion und Aufgaben der Erziehungsräte. Die Einführung eines Mindestlohn von 800 Franken und eines Pensionierungsgelds. Zudem erhob man den Status der Lehrenden, damit diese mehr Anerkennung fanden.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit dem Unterricht, dessen anzuwenden Methoden und Gegenstände. In dem letzten Teil des Gesetzesentwurfs werden die finanziellen Bedingungen für die Durchsetzung der Reform vorgestellt. Neben diesen sollen halbjährliche Kontrollbesuche von Pfarren durchgeführt werden. Mit Hilfe solcher Besuche soll die Kommunikation mit den Lehrern ermöglicht werden.

Die Besuche dienen dazu, den Zustand an den Schulen zu messen und Lehrern die Möglichkeit zu geben Probleme zu schildern. Was die Gestaltung des Schulwesens anbelangt, so ist Stapfer der Überzeugung, dass das Schulwesen für alle zugänglich sein sollte, um nach Möglichkeit eine allgemeine Volksbildung zu erreichen. Zu diesem Zweck arbeitet er drei Stufen aus: Zum einen das Durchsetzten einer Bürgerschule, die allen Bürgern offen steht und in der wesentliche Kulturtechniken vermittelt werden.

Dann eine anschließende Berufsbildung in Gymnasien und technischen Schulen und die oberste Stufe ist die Zentralschule, die eine wissenschaftliche Akademie bilden soll. Außerdem sollen bei der Planung neben den Unterrichtsfächern wie Lesen, Schreiben und teilweise Rechnen, Französisch, Kunst und Musik unterrichtet werden.

Quellen und dessen Aussagekraft

Quantitativ und qualitativ Auswertung der Stapfer-Enquête

Bei der Umfrage der Stapfer-Enquête handelt es sich um eine teils quantitative, teils qualitative Erhebung, mit geleiteten Fragen und offenen Antwortmöglichkeiten. Die Umfrage umfasst 50 Fragen und dient zur allgemeinen Erfassung der Schulsituation in der Schweiz. Gerichtet sind die Bögen an die Lehrer der verschiedenen Schulorte innerhalb der unterschiedlichen Kantone.10

Die Fragebögen sind nicht anonymisiert, sie fordern eine Unterschrift, was wiederum darauf zurückschließen lässt, dass Stapfer mit den Fragebögen möglicherweise auch die Lehrerqualifikationen genauer zuordnen wollte.

Die von mir gewählten Fragebögen wurden aufgrund der Inhaltsfülle gewählt, sie betreffen die Schulorte: Balterswil, Frauenfeld, Herblingen, Pfäffikon, Reichenburg, St. Gallenkappel, Rüeterswil, Gebertingen, Walde und Wollerau. Aus Frauenfeld wurde drei Schulen ausgewählt.

Auf einige Fragebögen werden mehrere Schulen angeführt, die sich aber im gleichen Kanton befinden. Hier müssen sich wohl mehrere Lehrer zusammengeschlossen haben, um den Fragebogen zu ergänzen. Insgesamt sind auf den neun Fragebögen dreizehn Schulen aufgeführt. In den Angaben zur Konfession werden hauptsächlich katholische und gemischte Konfessionen angeben. Wobei bei den gemischten Konfessionen nicht deutlich gemacht wird, was und wer genau darunter zu verstehen ist.

Es sind zwölf niedrigere Schulen und ein Gymnasium, welches sich in Frauenfeld befindet. Einige wenige Schulen aus der Stichprobe geben bereits im Vorspann der Befragungen an, dass sie eine Knabenschule sind. Dieses ist nicht untypisch, da viele Eltern und auch Pfarrer es nicht befürworteten, dass Mädchen die Schulen besuchten.12 Grund dafür ist es, dass der Frau gewisse Pflichten, wie die Erledigung des Haushalts und die Erziehung der Kinder zugeteilt wurden und diese Priorität hatten.

„Was aber das Schreiben belangt/ ist dasselb den Weibern zu lernen gar nicht rathsamb/ seytemalsie dadurch die Gelegenhait erlangen/ Bulenbrieffel zuschreiben und zu beantworten. Dann ob schon etliche Weibspersonen die kunst deß schreibens nutzlig vnd wol brauchen/so wirdt sie doch von den meisten der massen mißbraucht/ daß es besser were/ es würde insgemein auffgehebt.“14

Deutlich wird hier, dass Frauen das Schrieben lernen abgeraten wird, obwohl es sich als nützlich erweisen kann. Die Gefahr des Missbrauches war für viele einfach zu hoch, als das man sich dieser stellen wollte. Außerdem fällt auf, dass man allen Frauen unsittliches verhalten unterstellt. Über einen Pfarrer aus dem Kanton Zürich wird wie folgt berichtet:

„Er möchte den Mädchen auf der Landschaft das Schreiben „schenken" (erlassen). Da sie später keinen Gebrauch davon „zu machen Anlaß haben", werde „die Kunst wieder verlernt". Schreiben lernen sollen nur diejenigen Mädchen, die „wegen besondrer Lage, vorzüglicher Anlage oder Neigung das männliche Talent eigens zu besitzen wünschen oder bedürfen".“15


Aber nicht jeder war gegen die Alphabetisierung der Frau. Der Pfarrer und Erzieher Jakob Herr ist beispielsweise der Ansicht, dass die Alphabetisierung der Frau Vorteile habe. Er führt an, dass Frauen ihren Männern im Schriftverkehr und beim Rechnen helfen könnten.16

Im ersten Teil des Fragebogens wird nach den Lokalverhältnissen der Schule gefragt. Zentrale Fragen sind in diesem Teil, wo die Schule ist und wie weit die Entfernung zu den benachbarten Schulen ist, die sich im Umkreis von einer Stunde befinden. Es fällt auf, dass sich der Großteil der Schulen in den Dörfern und nicht in den Städten befindet. Allerdings scheint dieses nur an der Auswahl zu liegen.

In der Regel sind die Schulen in der Stadt häufig sogar besser zu erreichen und ausgestattet gewesen, als die Landschulen.17 Wohingegen sich die Schule auf dem Land häufig in sehr ungünstigen Lagen wie in Hügelzonen und Bergzonen befanden und schlecht eingerichtet waren.18

Die Entfernung zur Schule ist deshalb so wichtig, weil die Kinder den Weg zur Schule zu Fuß bewältigen mussten und die Schülerzahl davon bestimmt wurde. Je weiter und abgelegener die Schule war, desto weniger andrang gab es. Ebenso konnte über die Entfernung zur Schule ermittelt werden, ob die Schüler das Recht darauf hatten, auf eine näher gelegene Schule zu gehen.

Auffällig ist in den Fragebögen auch, dass einige Lehrer keine eindeutigen Angaben zum Ort machen. Sie schreiben, dass die Umgebung der Schule weder als Dorf noch als Fleck zu definieren ist. Andere wiederum lassen die Frage aus, oder notieren „keine“.20 In solchen Fällen ist anzunehmen, dass die Lehrer selber nicht so genau wissen, wie der Ort zu definieren ist.

Zu betonen ist hier, dass nicht jeder Lehrer eine so ausgesprochen gute Bildung wie Herr Stapfer erhalten hat. Auch die Tatsache, dass sich der Großteil der Schulen im Dorf befindet, stellt keine Regelmäßigkeit dar.

Im zweiten Teil der Umfrage werden explizit Fragen zum Unterricht gestellt: Was gelehrt wird, ob die Schule nur im Winter statt findet, wie lang der tägliche Unterricht andauert, ob Bücher eingeführt sind und die Kinder in Klassen eingeteilt werden. Formal fällt auf, dass dieser Teil im Verhältnis zu den anderen Teilen kurz gehalten wird. Fragen, die didaktische Begründung der Unterrichtsinhalte und Unterrichtsmethoden hinterfragen bleiben aus.

Das führt dazu, dass viele Probleme kaum erwähnt wurden. So zum Beispiel bleibt unerwähnt, dass einige Schüler die Schule verließen ohne Lesen und Schreiben gelernt zu haben. Grund war, dass diese nicht regelmäßig am Unterricht teilnahmen, weil sie zu Hause aushelfen mussten oder die Wetterbedingungen für sie ungeeignet waren und sie keine passende Kleidung hatten.

Genauso bleibt aus, dass es vielfach Leistungsschwankungen zwischen die einzelnen Kinder gab. Messerli stellt hierbei heraus, dass einige das Alphabet kannten und andere wiederum nicht. Diese läge vor allem daran, dass nicht alle Eltern der Schule einen hohen Stellenwert beimaßen.

Nicht immer sahen die Eltern die Nützlichkeit der Alphabetisierung. Doch gab es auch Eltern, die ihre Kinder zur Schule schickten, weil sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen die Vorteile des Lesens und Schreibens erkannten. Oft reichte es, wenn einer der Familienangehörigen zur Schule ging und die anderen Geschwister dann unterrichtete.21 Insgesamt herrschten früher ganz andere Verhältnisse und Bedingungen.

Doch was wird eigentlich an den Schulen überwiegend gelehrt? Grundlage vieler Schulen bildete der Katechismus. Anhand dessen wurde das Lesen und Schreiben geübt. Viele Schulen unterteilen das Lesen von gedruckten und geschriebenen Texten. Mit dem Lesen von gedruckten Texten sollte im Idealfall angefangen werden. Doch war das Einhaltung dieser Reihenfolge nicht immer möglich.

Der Grund war, dass die Kinder selber für ihren Lesestoff aufkommen mussten und zu Hause nichts anderes als Briefe zur Verfügung hatten. Was wiederum dazu führte, dass viele schlecht lesbare Briefe lasen, die didaktisch nicht gut aufbereitet waren. Auch bestand die Gefahr, dass die Kinder die Rechtschreibfehler der Verfasser übernahmen. Die Unterschiede in den einzelnen Klassen konnten groß werden.

Und dadurch, dass es keine einheitlichen Vorgaben zu den Lernstoffen gab, kam es auch innerhalb der Schulen in der Schweiz zu starken Qualitätsunterschieden. Hervorzuheben ist das Gymnasium in Frauenfeld. Dieses verweist auf einen Plan, nach dem folgende Fächer unterrichtet werden sollten: „Religion, Griechisch, Lateinisch, Französisch, allgemeine und vaterländische Geschichte, Erdbeschreibung, Naturgeschichte, Geometrie und Arithmetik […].“23Von diesen Fächern werden laut des Lehrers nur Religion, wenig Latein, sehr gut aber Französisch, Geschichte, Naturlehre und Naturgeschichte, Geographie, Arithmetik und Geometrie gelehrt.

Fragebogen: Gymnasium in Frauenfeld (Frage 5):


„[…] Freilich erlaubt die Manigfaltigkeit der Materien sowohl, als die Verschiedenheit und zum Theil Unfähigkeit der Schüler, indem sie nicht vorbereitet genug zur Schule kommen, weder Vollständigkeit, noch hinlängliche Gründlichkeit des Unterrichts: man muß daher nur beym Allgemeinen und für jeden Menschen von einiger Erziehung Unentbehrlichen stehen bleiben.

Zu einnerzwekmäsigen Behandlung der Naturlehre und Naturgeschichte, fehlen die nöthigen Hülfsquellen gänzlich,und ich kan meinen Schülern die Kräfte und Eigenschaften der Körper nur beschreiben, anstatt durch Exprimentesie ihnen sinlich darzustellen. Diese beydenWißenschaften verdienten gewiß auch in unserm Kanton vorzügliche Aufmerksamkeit, da bey unserm Volke noch mancherlei Aberglauben herrscht, der nur durch eine beßere Kentniß der Natur ausgerottet werden kan, und zwekmäsig behandelte Naturgeschichte zu mancher Verbeßerung in der Landökonomie ||[Seite 2] führen oder für Vorschläge darzu empfänglich machen würde, da sie auch in unserm Kanton wegen der nicht ungemeinen Fruchtbarkeit des Landes mit Nuzen wichtig verbessert werden könte.“


Er bedauert diesen Zustand und fordert eine Veränderung. Auch ist er der Meinung, dass die Kinder über die „Naturlehrer“ in ihrer Religiosität geschult werden können und von ihrem Aberglauben ablassen.24 Beiläufig erwähnt er den ökonomischen und alltäglichen Nutzen für die Lebenspraxis. Im Vergleich zu den anderen Beiträgen überschreitet der Lehrer die Ebene des Deskriptiven und bringt neue Anregungen, die begründet sind.

Außerdem verweist er auf fehlende Unterrichtsmaterialien, was wiederum dazu führt, dass der Unterrichtsqualität stark gemindert wird. Die Vielfalt der Fächer und die Wortwahl des Lehrers machen erkennbar, dass er eine verhältnismäßig gute Bildung hat. Ein weiterer Lehrer, der seine Meinung mit einbringt, ist der aus dem Schulort Balterswil. Dieser erwähnt, dass er aus der Zeitung entnehmen konnte, dass von den Kindern gefordert wird, dass sie den Katechismus noch vor der Schule gelehrt haben sollten.

Er teilt diese Ansicht nicht und macht darauf aufmerksam, welche Folgen so eine Entscheidung für den der Pfarrer haben könnte. Darüber hinaus stellt er heraus, dass für ihn nur den Pfarrer den Katechismus lehren kann. Erkennbar ist hier, dass der Lehrer eine gewisse Notwendigkeit darin sieht, die Pfarrer an der Schule zu behalten, was wiederum den kirchlichen Einfluss der Schulen verdeutlicht.


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