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Endarbeit
Literaturwissenschaft

Universität, Schule

Pädagogische Hochschule Ludwigsburg - PH

Note, Lehrer, Jahr

1,5, 2017

Autor / Copyright
Jana K. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.08 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 83694









Aufgabe 1)

Setzen Sie den folgenden Text von Nora Bossong, der 2007 unter dem Titel Besuch als Gedicht publiziert wurde, wieder in Versform (ohne den Wortlaut des Textes hierbei zu verändern). Begründen Sie anschließend kurz Ihre jeweiligen Entscheidungen (Umfang der Begründung: zwei Drittel bis eine DIN-A4-Seite).

Der Text „Besuch“ von Nora Bossong geschrieben im Jahr 2007 handelt von einer einsamen alten Damen, die die Welt wie eine Fernsehserie vom Fenster aus beobachtet. Sie bekommt von einer Figur der Fernsehserie Besuch. Es kommt zwischen den Beiden zu einem Dialog über die Vergänglichkeit der Zeit und des Lebens.
Im Folgenden werde ich den Text „Besuch“ von Nora Bossong wieder zurück in eine Versfassung setzen und diesbezüglich meine Entscheidungen begründen.

Besuch (Nora Bossong)

Die alte Frau sitzt tagelang am Fenster,
hält ein Taschentuch zu träg, 2
hinaus in eine weite Welt zu winken,
die sich nicht mehr betritt. 4

Das Draußen ist ein Fernsehbild.
Wie es mir glückt, 6
von dort ihr Zimmer zu betreten,
bleibt ihr ein Rätsel. 8

Sie fragt mich nicht danach, sagt nur:
es gibt so vieles, das ich nicht verstehe, 10
ach Mädchen, weißt,
die Klügste bin ich nicht. 12
Und hinter ihrem Schatten klafft die Wohnung
die zu große Schale einer Muschel, 14
vergraben, in dem Zeitschlick
der nicht mehr zur Stadt gehört. 16

Es begann damit, dass sie verzwergte
Jahr um Jahr, nicht mehr zu finden 18
ihr mondäner Gang, ihr Blinzeln,
als brenne ihr verrauchte Luft eines Kiosks in den Augen. 20

Vielleicht sagt sie und irgendwann
und will ich nicht weg von ihrem Fenster, 22
sie ist so dünn geworden,
dass sie keinen Tag mehr spürt. 24

Ach Mädchen sagt sie,
weißt, wir ham ja Zeit. 26

Zunächst habe ich mir über die Kriterien der Lyrik Gedanken gemacht und die wesentlichen Aspekte herausgenommen. Ausschlaggebend, um ein Gedicht als ein Gedicht zu identifizieren, ist unter anderem die äußere Form. Typische Gedichte sind in Strophen und Verse gegliedert. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, bei denen uns ein Gedicht vorliegt, es aber nicht die klassischen Merkmale der äußeren Gestaltung aufweist. Zu Beginn habe ich dementsprechend den Text von Nora Bossong in Strophen und Verse eingeteilt. Hierbei habe ich auf die inhaltlichen Aussagen Bezug genommen, da es keinerlei Reimschemata oder metrische Strukturen gibt, nach denen man sich richten könnte. Bei jedem neuen thematischen Abschnitt habe ich eine neue Strophe begonnen. Bei der Einteilung der Verse bin ich ebenfalls auf die Thematik eingegangen und habe vermehrt darauf geachtet, die Sätze ordentlich zu trennen, sodass immer ein Sinnabschnitt einem Vers entspricht. Außerdem war es mir wichtig, dass das Gedicht flüssig zu lesen ist. Grundlegend für das Gedicht sind freie Rhythmen und Verse mit unterschiedlicher Länge. Die von mir erstellte Variante des Gedichtes besteht insgesamt aus sieben Strophen, wobei sechs davon mit vier Versen bestückt sind und eine Strophe nur aus 2 Versen besteht.

Die erste Strophe, die aus vier Versen besteht, habe ich so gestaltet, da es hier um die Situationsbeschreibung der alten Dame geht. Man bekommt einen groben Überblick über die Thematik des Gedichtes. Die alte Dame wird hier als eine Person dargestellt, die sehr einsam und träge ist. Sie traut sich nicht mehr, die wahre Welt zu betreten und schaut stattdessen aus dem Fenster, um sie zu beobachten. In der zweiten Strophe wird die Thematik der ersten Strophe im ersten Vers noch genauer definiert, danach tritt das lyrische – Ich aktiv ein. Es kommt aus der Außenwelt, welche mit einem „Fernsehbild“ (V.6) beschrieben wird, zu Besuch. Für die Dame bleibt es ein „Rätsel“ (V. 8), wie der Besuch von der Welt draußen in ihre Räumlichkeiten gelingt. In der dritten Strophe beginnt eine Art Dialog zwischen der alten Dame und dem lyrischen – Ich. Es geht darum, dass die alte Dame viele Dinge nicht versteht und sich dann selbst als „nicht die Klügste“ (V.12) bezeichnet. Möglicherweise spricht sie hier von vergangenen Handlungen oder Dingen, die sie getan oder auch nicht getan hat und nun bereut. Die vierte Strophe bringt ihre Einsamkeit und Abgeschiedenheit von den Menschen und der Welt, außerhalb ihrer Räume zum Ausdruck. Sie lebt in ihrer viel zu großen Wohnung, völlig abgegrenzt in einem Bezirk, „der nicht mehr zur Stadt gehört.“ (V.16). Die fünfte Strophe beschreibt, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass die alte Dame heute so einsam ist. Sie hat sich stark zurückgezogen und mit der Zeit hat sie ihren „mondäne[n] Gang“ (V.19) verloren und ihren attraktiven Körper. Die sechste Strophe bringt zum Ausdruck, dass die alte Dame sich nur unterbewusst darüber im Klaren ist, dass ihre Lebenszeit nicht endlich ist. „Sie ist so dünn geworden, dass sie keinen Tag mehr spürt“ (V.23 + 24). Aber dennoch spricht sie von „vielleicht […] und irgendwann“ (V.21), was verdeutlicht, dass sie eben doch davon ausgeht, sie habe genügend Zeit, Dinge zu erleben. Die letzte Strophe besteht aus lediglich 2 Versen. Diese zwei Verse beinhalten, nach meinem Empfinden, die wichtigste Aussage des ganzen Gedichtes und sollen wie eine Pointe wirken. Hier kann man an zwei verschiedenen Seiten ansetzen und interpretieren. Auf der einen Seite wird zum Ausdruck gebracht, dass die alte Dame sich tatsächlich über ihre eigene Vergänglichkeit nicht bewusst ist. Sie geht davon aus, sie habe noch genug Zeit, um vielleicht versäumte Dinge nachzuholen oder gar neue Erfahrungen noch zu machen. Auf der anderen Seite könnte man die Aussage aber auch so deuten, dass sie sich der Vergänglichkeit der Zeit bewusst ist, sie aber unterschätzt hat. Sie wollte „vielleicht […] und irgendwann“ (V. 21) etwas ausleben. Hier könnte man Bezüge zur Liebe nehmen. Sie wollte „vielleicht [..] und irgendwann“ (V.21) die Liebe genießen, aber hatte die Vergänglichkeit der Zeit und des Lebens nicht im Blick. Des Weiteren kann man den Inhalt und die Form in Beziehung bringen. Zuerst ist die Form, wie auch ihr Leben, eher monoton und eintönig. Es passiert nichts Spannendes. Tag um Tag vergeht mit dem gleichen Ablauf, die Dame sitzt am Fenster und beobachtet, aus ihrer Abgeschiedenheit heraus, die Menschen und die Welt. Genauso ist auch die äußere Form aufgebaut, jede Strophe besteht gleichermaßen aus 4 Versen. Doch mit dem Besuch und der vorgestellten Unterhaltung mit dem lyrischen – Ich wird die alte Dame etwas aktiver. Am Ende des Gedichtes sagt sie: „wir ham ja Zeit“ (V.26). Diese Aussage wirkt fast so, als würde sie versuchen sich selbst davon zu überzeugen, sich wieder in die Welt zu integrieren, soziale Kontakte zu pflegen und wieder ein Teil der Menschen in der Zukunft zu sein. So könnte sie natürlich viele verpasste Dinge nachholen.



Aufgabe 2)

Der Schluss des Textes rekurriert auf den Vers „Wir haben Zeit“ des in der Vorlesung behandelten Gedichts „Ach Liebste, lass uns eilen“ von Martin Opitz an. Führen Sie kurz aus, welche Funktion dem Vers im Rahmen des Gedichts von Opitz zukommt und welche Bedeutung er im Rahmen des Gedichts von Nora Bossong erhalten kann. (Umfang: eine halbe bis zwei Drittel DIN-A4-Seite)

Bei dem Gedicht von Martin Opitz „Ach liebste lass uns eilen“ kommt dem Vers „Wir haben Zeit“ eine andere Bedeutung, im Vergleich zu dem Text „Besuch“ von Nora Bossong, zu.
Bei Opitz soll der Vers „Wir haben Zeit“ nicht ausdrücken, dass die Protagonisten tatsächlich viel Zeit haben und nicht eilen müssen, sondern das Gegenteil. Es soll vermittelt werden, dass die Zeit begrenzt ist und sie sich deshalb beeilen müssen. Es wird ein enormer Zeitdruck übermittelt, eine gewisse Sache in möglichst kurzer Zeit zu erledigen. Es wirkt so, als wäre es dem lyrischen – Ich ein großes Anliegen, diese Sache möglichst schnell zu beenden. Hinsichtlich des Kontextes des Gedichtes wird klar, dass der Mensch der Zeit unterliegt und an diese gebunden ist. Mit der Zeit schwindet die Schönheit und die Jugend. Aufgrund dessen ist es den Protagonisten wichtig, die Zeit zu nutzen. Bei Nora Bossong ist der Vers „Wir haben Zeit“ anders zu deuten. Es gibt meiner Meinung nach zwei Ansätze der Interpretation. Man könnte davon ausgehen, dass die Frau sich ihrer Vergänglichkeit nicht bewusst ist. Sie ist sich nicht im Klaren darüber, dass ihre Zeit begrenzt ist und dass alles, was sie erleben will, zu Lebzeiten tun muss, da das Leben endlich ist. Andererseits könnte man auch interpretieren, dass die Frau sich ihrer Vergänglichkeit bewusst ist, sie allerdings unterschätzt hat. Sie wollte viele Dinge erleben, hat dies aber verpasst zu tun. Nun neigt sich ihre Zeit dem Ende zu und ihr wird immer bewusster, was sie alles versäumt hat, da sie sich ihrer Bestimmung nicht bewusst war. Aufgrund dieser Fehleinschätzung regiert nun die Einsamkeit ihr Leben.
Interessant dabei ist, dass bei beiden Gedichten die Vergänglichkeit eine große Rolle spielt. Hier ist ein barockes Motiv nachzuweisen. Den Gedanken, den man mit „carpe – diem“ umschreibt, ist in beiden Gedichten spürbar. Es geht darum, die Zeit und den Augenblick zu genießen und nichts zu versäumen. Diese Wortfolge soll eine Art Apell sein und dazu auffordern seine verbliebene Zeit sinnvoll zu investieren. Die Zeit ist ein wertvolles Gut, welches man wertschätzen und ausnutzen sollte. Allerdings scheint dieser Gedanke bei Opitz deutlicher formuliert und erkannt, als bei Nora Bossong.





Aufgabe 3)

Lesen Sie das folgende Gedicht mehrmals und legen Sie exemplarisch unter Rekurs auf konkrete Textpassagen kurz dar, welche Wirkung es auf Sie hat (welche Vorstellung oder Imagination, Stimmung oder Gedanken es bei Ihnen wachruft). Begründen Sie ausgehend hiervon anschließend, weshalb Georg Trakl den umarmenden Reim und keinen Paar- oder Kreuzreim gewählt hat. (Umfang: eine halbe DIN – A4 – Seite)



Georg Trakl: Im Winter (1913)

Der Acker leuchtet weiß und kalt.

Der Himmel ist einsam und ungeheuer.

Dohlen kreisen über dem Weiher

Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.

Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.

Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten

Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain.

Und Raben plätschern in blutigen Gossen.

Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.

Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.





Das Gedicht „Im Winter“ von Georg Trakl wirkt auf mich zunächst sehr distanziert. Ich fühle mich nicht direkt angesprochen oder betroffen. Ich denke der Leser bekommt diesen Eindruck aufgrund des beobachtenden lyrischen – Ichs. So wird eine Distanz zwischen dem Leser und der Gedichtsaussage geschaffen. Dennoch bringt es eine düstere Stimmung in mir zum Vorschein. Auffällig ist die Häufung negativ konnotierter Begriffe, die die Kälte oder Leblosigkeit beschreiben. Beispiele lassen sich in Strophe eins, Vers eins und zwei „weiß und kalt“ und „ungeheuer“ oder in Strophe zwei Vers zwei „schwarze Wipfeln“ und Strophe drei Vers eins „verblutet sanft“, finden. Wenn ich dieses Gedicht lese, stelle ich mir zu jeder Strophe ein anderes Bild vor, welches immer im Hintergrund einer weiß bedeckten Winterlandschaft spielt. Bei der ersten Strophe erscheint mir eine mit Schnee bedeckte Waldlandschaft. Dort fliegen Vögel und die Jäger sitzen auf ihren Hochsitzen und warten auf Wild, das sie schießen können. Es geht eher um das stille Beobachten und nicht um eine aktive Handlung, die gerade durchgeführt wird. Bei der zweiten Strophe stelle ich mir ein belebteres Bild vor, es passiert etwas. Das Schweigen ist in die Ferne gerückt und die Bewegung steht im Vordergrund, Flammen dringen aus den Hütten, man hört einen fahrenden Schlitten und der Mond beginnt am Himmel empor zu steigen. Die dritte und letzte Strophe verstärkt das Bild der Bewegung. Wild verblutet, was bedeutet, dass das ganze Blut aus dem leblosen Körper des Tieres austritt. Auch die Beschreibung der Raben, die in blutigen Gossen plätschern, zeigt Dynamik. Das Gefühl der Bewegung wird für mich durch das Versmaß unterstützt. Hier liegt ein Jambus vor. Auf eine unbetonte Silbe folgt eine betonte. Dadurch kommt es für mich zu einem dynamischen Lesen. In diesem Gedicht zeigt sich eine sehr bildhafte Sprache. Eine Metapher findet sich direkt in der ersten Strophe im zweiten Vers „Der Himmel ist einsam und ungeheuer“. Ein weiteres Beispiel zeigt sich in Strophe zwei Vers eins „Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt“. Diese Darstellungen führen dazu, dass man sich selbst Bilder vorstellt, wie das Gedicht in einem Bild zusammengefasst dargestellt werden kann. Die eigene Vorstellung und auch die Interpretation wird durch solche Bilder angeregt. Man ist gewillt, auf einzelne Textpassagen näher einzugehen und zu überlegen, was sie einem sagen wollen. Georg Trakl hat hier als Reimschema einen umarmenden Reim gewählt, welcher auch wieder zu meiner Vorstellung der drei Strophen mit jeweils einem anderen Vorstellungsbild passt. Ein umarmender Reim bildet eine Einheit. Es grenzt die Strophen noch einmal deutlicher voneinander ab. Darüber hinaus trägt er auch zur Erzeugung der düsteren Stimmung bei. Hätte er ein anderes Reimschema, wie einen Paarreim gewählt, fände ich dies nicht passend. Ein Paarreim hat für mich immer etwas mit Harmonie zu tun. Er wird oft bei Gedichten verwendet, die von der Liebe handeln. In diesem Gedicht geht es aber nicht um schöne und freudige Situationsbeschreibungen, sondern eher um eine düstere und bedrohliche Darstellung des Winters, weshalb der umarmende Reim sehr passend ist.




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