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Seminararbeit
Biowissenschaften

Otto-Schott-Gymnasium Jena

14 P., Katrin Wessollek, 2017

Beate W. ©
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ID# 70951







  1. Antibiotika und ihre Bedeutung in unserer heutigen Zeit

Als Sir Alexander Fleming 1928 dem Penicillin auf die Spur kam, wurde schnell klar, welchen beträchtlichen Schritt nach vorne diese für die Gesellschaft bringen kann. Die Entdeckung des ersten Antibiotikums war zufälliger Art. Der Mikrobiologe forschte an den Krankheitserregern Staphylokokken, die unter anderem für Lungenentzündungen verantwortlich sind.

Eine seiner herangezüchteten Kulturen war von einem Schimmelpilz, dem Penicillium, befallen worden. Bevor er die Bakterienkultur jedoch entsorgte, fiel ihm Unglaubliches auf. Dort, wo der Pilz seine Sporen ausgebreitet hatte, ließen sich die Staphylokokken nicht nieder, und solche, welche bereits dort saßen, gingen ein. Dies veranlasste ihn, weitere Versuche durchzuführen.

Neben der tödlichen Wirkung des Schimmelpilzes gegenüber Bakterien war für Fleming besonders interessant, dass die Substanz offenbar keine weißen Blutkörperchen angreift und somit für Tiere und Menschen ungiftig ist. Er fand heraus, dass die antibiotisch wirkende Substanz des Penicilliums ein Stoffwechselprodukt ist, und nannte diesen Wirkstoff Penicillin. Er schaffte es nicht, ein nutzbares Produkt herauszufiltern.

Doch fanden die zwei Wissenschaftler Ernst Boris Chain und Walter Florey 11 Jahre später heraus, wie man den Wirkstoff in eine nutzbare Form extrahieren und reinigen kann, und brachten damit sich und Fleming den Nobelpreis für Medizin ein. Die Erfolgsgeschichte der Antibiotika war geboren.1

Unsere heute gebrauchten antibiotisch wirksamen Stoffe sind zumeist natürlichen Ursprungs, sie entspringen dem Stoffwechsel spezieller Bakterien und Pilze. Laut der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina stammen mehr als zwei Drittel unserer antibiotischen Medizin aus Naturstoffen.2 Es gibt auch teilweise und vollständig künstlich hergestellte antibiotische Substanzen, die in der Medizin angewandt werden.

Jedoch stellt die Umwelt eine solch umfassende Ressource an diesen Wirkstoffen bereit, dass Wissenschaftler dieser Forschungsgruppe mindestens Strukturen der natürlich vorkommenden Wirkstoffe in der Chemotherapie zum Vorbild nehmen, meist aber direkt auf diese zugreifen und ein Extrakt suchen. Antibiotika wirken also hemmend oder, was vor allem in der Medizin gewünscht ist, abtötend.

Dazu greifen sie in Funktionen und Prozesse eines Pathogens ein. Häufig beeinflussen sie die Zellwandsynthese, Proteinbiosynthese, RNA-Replikation, RNA-Synthese oder Membranintegrität (siehe Abbildung 25). Ansatz dafür sind Strukturen oder Mechanismen des Pathogens, die in tierischen Zellen nicht bestehen. Besonders die Prokaryoten Bakterien weisen einen sehr spezifischen, zu Eukaryotenzellen differenzierten Aufbau der Zellen auf.

So besteht die Zellwand der Bakterien aus Murein, ein Peptidzucker, der ausschließlich in diesen Lebewesen vorkommt. Außerdem besitzen sie andersartige Ribosomen, die 70s-Ribosomen, und auch andere Enzyme für Zellvorgänge. Deswegen ist ein wichtiges Merkmal der Antibiotika dieses, dass sie gegenüber dem Menschen nicht toxisch wirken, denn sie greifen anders strukturierte „Bauteile“ und Funktionen an.

Das Wirkungsspektrum, sprich die Anzahl an verschiedenen Bakterien, gegen die das Antibiotikum wirkt, variiert je nach Substanz. Ist das Wirkungsspektrum sehr klein, nennt man diese Antibiotika wirkungsspezifisch, ist das Spektrum sehr groß, bezeichnet man diese Art der Antibiotika als Breitband-Antibiotika.3

Die größte Gruppe unserer Antibiotika stellt die Gruppe der β-Lactame dar, zu der auch das Penicillin gehört. Die Vertreter haben den namengebenden β-Lactam-Ring gemeinsam (siehe Abbildung 26). Werden sie den Prokaryoten zugeführt, stören sie durch dieses chemische Merkmal die Zellwandsynthese und zerstören somit die Zelle. Dabei binden sie irreversibel an bestimmte Enzyme des Bakteriums, die Penicillin-Binde-Proteine, kurz PBP, welche für die Bildung von Peptidbindungen als Bestandteil des Zellwandsstoffes Murein zuständig sind.

So sind diese Proteine gehemmt und die Mureinbiosynthese kann nicht stattfinden, sodass Läsionen in der Zellwand entstehen. Die Folgen für die Zelle sind tödlich. Denn die osmotische Teilchenkonzentration in dem Cytoplasma ist sehr hoch und wenn sich Teile der Zellwand auflösen oder gar die ganze Zellwand zerbricht, kann ungehindert Wasser von Außen einfließen, das Bakterium dehnt sich aus, bis schließlich das nicht-elastische Plasmalemma reißt.4

Antibiotika im heutigen Sinne sind Arzneimittel für die Bekämpfung von bakteriellen Infektionen sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Es heißt außerdem, mit der Entdeckung des ersten Antibiotikums sei der Grundpfeiler unserer modernen Medizin gelegt worden. Viele moderne medizinische Eingriffe wie Chemotherapien, Organtransplantationen und Gelenkoperationen wären ohne diese Grundlage gar nicht möglich. In vielen Fällen sind die Arzneimittel lebensrettend.5 Gerade auch bakterielle Infektionen, die durch alltägliche Ereignisse wie das sich Schneiden am Finger oder Unachtsamkeiten in kälteren Jahreszeiten, bei denen die Menschen vor einem Jahrhundert noch längere Zeit um ihr Wohl bangen mussten, können mit den geeigneten Antibiotika heute beinahe im Handumdrehen behandelt werden.

Der erste Mann, der mit Penicillin behandelt wurde, war ein Polizist aus London. Er hatte sich beim Rasieren im Gesicht verletzt und wegen dieser Wunde eine Blutvergiftung zugezogen. Nach 5 Tagen kontinuierlichen Verabreichens von Penicillin war das Fieber verschwunden, ein Zeichen dafür, dass die Behandlung anschlug. Der Patient verstarb leider später aufgrund des aufgebrauchten Vorrates des Wirkstoffes6, doch zeigt dieses Beispiel, aufgrund welcher simplen Sachen wir Menschen uns Krankheitserreger einfangen können und welch eine wohltuende Sicherheit es gibt, in Besitz von wirksamen Medikamenten zu sein.

Diese Bedeutung wird uns in der aktuellen Problemstellung besonders bewusst. Ich persönlich habe das Gefühl, beinahe jede Krankheit sei zu besiegen. Und das auch dank der Entdeckung und Entwicklung der Antibiotika.

Jedoch könnte sich diese Art von Luxus mit den gegenwärtigen Geschehnissen bald verabschieden. Mit der Entstehung der vermehrten Resistenzen wird sich die Gesellschaft bewusst, welche Erfolge die antibiotischen Medikamente ihr in dem sozialen Gebiet eingebracht haben und wie wichtig es für unsere und zukünftige Generationen ist, diese für uns zu bewahren. Dem entgegen steht die Bedeutung der Antibiotika in der Pharmaindustrie.

Aus meinem Interview mit Herrn Professor Doktor Boland ist hervorgegangen, dass die Erforschung und Entwicklung von Antibiotika einen relativ mittelmäßigen, wenn nicht sogar kleinen Stellenwert einnimmt. Dies hat betriebswirtschaftliche Gründe wie, dass die großen „Boxer“, wie Herr Professor Doktor Boland sie bezeichnet, mehr Gewinn bringen (siehe Anhang S.82).

Sicherer ist es, bereits bekannte Wirkstoffe abzuwandeln. Dabei besteht jedoch das Problem, dass diese Antibiotika immer noch zur selben Klasse gehören und somit keine große Bereicherung darstellen.

Die Industrie hat sich weitestgehend aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen, wegen der abschreckenden Ertragsaussichten und der hohen regulatorischen Hürden.8

  1. Antibiotikaresistenzen

Die Präsenz dieser Problemstellung überschlägt sich beinahe in unserer heutigen Gesellschaft in Europa, sieht man die Flut an Diskussionen, Artikeln und Interviews, die sich im Internet und den Zeitungen manifestieren. Dabei ist den Wissenschaftlern das Phänomen der Resistenzbildungen seit vielen Jahren bekannt. Erst mit den gehäuften Erkrankungsfällen unserer Region wurde das Thema der globalen Ausbreitung der Antibiotika-resistenten Mikroben groß und mit Appell an die Öffentlichkeit getragen.9 Schlagzeilen machen die Resistenzen vor allem immer wieder mit Zahlen zu den Opfern dieser Entwicklung.

Weltweit soll sie neueren Angaben zufolge jährlich über 700.000 Menschenleben kosten10, Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation von vor über fünf Jahren sprechen noch von rund 25.000 Patienten pro Jahr, dort schon wurde das globale Auftreten der Infektionen durch Antibiotika-resistente Bakterien zu den größten Gefahren für die menschliche Gesundheit gezählt.11 Man spricht bereits von der Gefahr des Rückfalls in die sogenannte präantibiotische Ära.12

In diesem Kapitel soll es darum gehen, ein Verständnis für die Faktoren der Geschehnisse und die essentielle Bekämpfung der Lage des medizinischen Sektors unserer Gesellschaft zu schaffen, um die Basis zum Begründen verschiedener wissenschaftlicher Vorschläge und letztlich auch unserer Idee aufzuzeigen.

    1. Ursachen

Antibiotikaresistenzen liegen aufgrund von Stoffwechselmerkmalen einzelner Bakterienstämme einer Gattung vor. Die Gene hierfür findet man auf den Chromosomen oder auch den Plasmiden.13Plasmide sind die ringförmigen DNA-Stücke außerhalb des Bakterien-Chromosoms, welche die tierische Zelle nicht besitzt. Tatsächlich ist die Lage der Resistenz-spezifischen Gene in engster Nachbarschaft zu den Bereichen der Gene, die für antibiotische Stoffproduktion verantwortlich sind (siehe Abbildung 27). Solche Gene eines Bakteriums können also genauso gut und häufig zwischen Artgenossen, aber auch über die Artgrenzen hinaus übertragen werden wie die der antibiotischen Wirkstoffe.14 Gerade auch Bakterien, die Antibiotika herstellen, müssen einen solchen Schutzmechanismus entwickeln, um nicht selber getötet zu werden.

Dabei erwerben diese von Beginn an ausgestatteten Arten sehr leicht wieder neue Resistenzgene. Die Erreger entwickeln somit Mehrfachresistenzen. Gehäuft tritt diese gefahrenbehaftete Eigenschaft beispielsweise bei den Pseudomonaden oder Staphylokokken auf. Gefährlich deshalb, da diese Mikroben schwierig zu behandeln sind. Sie sind unempfindlich gegen eine ganze Klasse von antibiotischen Medikamenten und manchmal sogar gegenüber mehreren Klassen dieser Wirkstoffe, was dann Kreuzresistenz genannt wird.17 Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die speziellen Stoffwechseleigenschaften durch Mutationen geformt werden.

Die Antibiotika bewirken dann einen Selektionsdruck, der das Vermehren resistenter Stämme begünstigt.18 Herr Professor Doktor Boland hat dieses Phänomen folgendermaßen erläutert:

Und jetzt beginnt natürlich ein massiver Ausleseprozess, weil die Medizin ein Antibiotikum einsetzt. Das wird [ .] dazu führen, dass 99 % der ganzen Bakterien absterben. Aber es gibt eben immer 1 oder 0,1 oder 0,5% von solchen Bakterien, die schon ein etwas anderes Genom haben und damit etwas andere Produkte machen und etwas anders empfindlich sind [ .] und die liest man damit aus“ (siehe Anhang S.80)

Meist verändern die Bakterien hierzu direkt Gene der Stellen, an denen die Antibiotika angreifen. Die Folge ist, dass Antibiotika nicht mehr in der Lage sind, an ihr Zielmolekül anzudocken.19 Dafür gibt es zwei Grundprinzipien, denen die Bakterien folgen. Zum einen besteht der Ansatz bei den antibiotisch wirksamen Molekülen, diese chemisch zu verändern, so zum Beispiel durch die Spaltung einer Bindung im Molekül oder auch das Anhängen einer chemischen Gruppe.

Durch β-Lactam-Antibiotika wird die Zellwandsynthese gehemmt, die Festigkeit der Bakterienzellhüllen folglich stark reduziert und die Zellen platzen. Das zuständige Gen der Lactamase wird bla-Gen genannt. Wenn die Bakterien in Besitz dieses bla-Gen sind und es expremieren, so inaktiviert die gebildete Lactamase das β-Lactam-Antibiotikum. Dafür spaltet sie den Lactamring, indem ein Wassermolekül in das Penicillinmolekül eingespeist wird.

Diese Hydrolyse verursacht den Bruch der Bindung zwischen dem O-Atom und dem N-Atom. Das Resultat ist Penicillinsäure, ein nicht antimikrobiell wirkender Stoff (siehe Abbildung 28).23

Resistenzbildungen gegen Antibiotika sind ein natürliches biologisches Phänomen, jedoch sind sie nicht unabhängig von Einflüssen unserer gesellschaftlichen Entwicklung. 24 Fleming hatte damals einen dieser Faktoren erläutert, indem er ein hypothetisches Beispiel darlegte:

Mr. X hat eine Halsentzündung. Er kauft Penicillin und nimmt es ein. Jedoch in Mengen, die nicht ausreichen, um die Streptokokken abzutöten, aber sehr wohl genügen, um sie resistent zu machen. Dann steckt Mr. X seine Frau an. Mrs. X bekommt eine Lungenentzündung und wird mit Penicillin behandelt. Weil die Streptokokken nun resistent gegenüber dem Penicillin sind, schlägt die Behandlung fehl. Mrs. X stirbt.”25

Jeder fühlt sich heute dazu gedrängt, bei Krankheit so schnell wie möglich gesund zu werden, um sich wieder voller Energie seiner Arbeit zuwenden zu können. Dabei wird häufig der Arzt aufgesucht und darum gebeten, ein Antibiotikum zu verschreiben. Einige Ärzte gehen dieser Bitte nach, auch wenn die Notwendigkeit eines Antibiotikums nicht gegeben oder gar sinnlos ist.

Denn bei viralen Infekten, die wir meist als Erkältungen erleben, sind Antibiotika wirkungslos. Schätzungsweise werden allein in der Humanmedizin 20 bis 50 % der Antibiotika unnötig eingesetzt.26 In Abbildung 29 ist die Abhängigkeit der Resistenzentwicklungen von dem dem Antibiotika-Verbrauch am Beispiel des Penicillin-resistenten S. Pneumoniae-Keims in Form eines Diagramms dargestellt.

An den steilen Kurven ist deutlich zu erkennen, dass sich die gemessenen Parameter zueinander proportional verhalten. Beispielsweise in Spanien liegt der Antibiotika-Verbrauch pro 1.000 Einwohner pro Tag bei etwas mehr als 30 Tagesdosen und der Anteil resistenter Keime dieses Typus bei 50 %. Im Gegensatz dazu steht der Anteil an diesen resistenten Krankheitserregern in Deutschland mit circa 15 Tagesdosen pro 1.000 Einwohner pro Tag bei nur etwa 7 %. In der Europäischen Union insgesamt ist der ambulante Gebrauch von Antibiotika seit 1997 angestiegen.

Zusätzlich zu dem vermehrten Konsum an Antibiotika in der Humanmedizin kommt der hohe Einsatz der Medikamente in der Tierhaltung. Besonders bei der Schweinezucht werden Tornagen der hochwirksamen Medikamente ins Futter gegeben. Über die Exkremente gelangen diese ins Grundwasser und großräumig erhalten Bakterien die Möglichkeit, Resistenzen aufzubauen. Nicht nur zur Prophylaxe werden den Tieren Medikamente verabreicht, sondern die Medikamente als solche fungieren auch als Turbomedikamente, um die Tiere schneller Fleisch ansetzen zu lassen (siehe Anhang S.81).

Diese Maststrategie ist seit 2006 innerhalb der EU verboten, doch da Prophylaxe nicht rechtlich reguliert ist, kann das Verabreichen der Antibiotika leicht von Betrieben gerechtfertigt werden. Laut mehrerer Nachweise ist die Übertragung von Resistenzen gegenüber Antibiotika von Schweinen auf Menschen sowohl mittels direkten Kontakts als auch über Lebensmittel möglich.

Hinzu kommt, dass momentan keine Klassen für Menschen allein reserviert sind, nicht einmal Neuentwicklungen. Durch die kürzere klinische Phase in der Veterinärmedizin können die Wirkstoffe bei Tieren sogar eher angewandt werden, so dass die Möglichkeit weitgehender Resistenzen bereits vor der Anwendung in der Humanmedizin besteht.28 Der hohe Konsum an Antibiotika stellt also eine Hauptursache für die Ausbreitung Antibiotika-resistenter Krankheitserreger dar.

So wie wir Menschen immer mobiler werden, so werden es die Krankheitserreger mit uns. Durch die Infrastruktur und die Vernetzung der verschiedenen geographischen Gebiete wird die Ausbreitung der Antibiotika-resistenten Keime immens gefördert und schwer kontrollierbar.

    1. Stand der Dinge

Im vergangenen Jahrzehnt wurde vielfach eine wachsende Unempfindlichkeit signifikanter mehrfachresistenter Erreger in Europa dokumentiert (siehe Abbildung 30). Dabei ist der Entwicklungsstand stark abhängig von Erregertyp und Ort. Obwohl das Problem schon länger bekannt ist, sind Analysen des Ausmaßes für verschiedene Sektoren der Gesellschaft eher spärlich und lückenhaft verfügbar.

Daten zu verschiedenen Regionen liegen vor, jedoch ergibt sich kein klares Bild, auch da einige Institutionen ihre Daten nicht veröffentlichen. Experten schätzen das wissenschaftliche Grundwissen über die pathogenen Keime in jedem Fall als verbesserungswürdig ein. Vor allem die so bezeichneten ESKAPE-Erreger – Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und die Enterobacter-Spezies mit Escherichia coli und Staphylococcus epidermidis – gilt es näher zu erforschen.30

In Deutschland gab es im Jahr 2011 etwa 4.000 Tuberkulose-Erkrankungen, darunter über 100 Todesfälle. Vier Antibiotika werden als Erstwahl gegen diesen Krankheitserreger eingesetzt: Rifampicin, Ethambutol, Streptomycin und Isoniazid. Im Jahr 2010 waren 12,6 Prozent der Erreger zumindest gegen eines dieser Medikamente resistent. Eine Multiresistenz gegenüber mindestens zwei der Wirkstoffe lag in 1,7 Prozent der Fälle vor.

Offizielle Angaben zu dem sogenannten „ausgedehnt resistenten Tuberkulose-Erreger“ gibt es nicht. Dieser Anteil soll laut der Weltgesundheitsorganisation weltweit stark variieren.32 Deutschland bietet gerade gute Voraussetzungen dafür, der Ausbreitung dieses Keimes und dessen Resistenzen Herr zu werden. Erkrankungs- und Resistenzraten sind in Deutschland aufgrund der konsequent gesetzlich geregelten Diagnostik und Therapiekontrolle relativ gering.

Allerdings wurden in den vergangen Jahrzehnten keine neuen Antituberkulotika entwickelt, so dass Mediziner auch hier in absehbarer Zukunft auf Zweitwahl-Antibiotika zurückgreifen müssen. Diese sind weitaus weniger wirksam, erfordern längere Therapiezeiten und besitzen deutlich mehr Nebenwirkungen.33

Mehrere Antibiotika und Antibiotika-Klassen sind dieser Zeit geläufigen Bakterienstämmen gegenüber wirkungslos. Damit ist der Bedarf an Alternativen groß. Die Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente allerdings stagniert. In der „goldenen Ära“ von 1940 bis 1970 noch kamen kontinuierlich neue Wirkstoffe mit neuen Mechanismen auf den Markt, die Komplikationen mit aufkommenden Resistenzen beherrschbar werden ließen.38 Dieser Tage jedoch besteht das bereits angesprochene Problem der Diskrepanz zwischen der Intention der Industrie und der Medizin.39 Auch Erfahrungen spielen dabei eine Rolle.

Den Weg in die tatsächliche Anwendung hat seit 1978 keine einzige neu entdeckte Antibiotika-Klasse gefunden. Zwar sind seit 2010 zwei dieser Substanzen in der klinischen Prüfung in Europa und den Vereinigten Staaten, jedoch befindet sich keine von ihnen in der späten klinischen Prüfungsphase. Überhaupt befindet sich die Mehrzahl der neuen Antibiotika in der frühen Phase der Entwicklung.40 Die Anzahl Zulassungen der letzten Jahrzehnte zeigt die Problematik des Antibiotika-Mangels deutlich.

Alle anderen Antibiotika – mit Ausnahme der Carbapeneme – die zwischen 1960 und 2000 zugelassen wurden, sind Derivate bereits existierender Verbindungen, die in der „goldenen Ära“ der Antibiotika entwickelt wurden.41

    1. Strategien und Maßnahmen zum Umgang

Forschungen beschäftigen sich auf nationaler und internationaler Ebene mit der Entwicklung der Resistenzen und zugleich den fehlenden Innovationen. Diese werden durch Initiativen gestützt. In Deutschland kommen Förderungen beispielsweise überwiegend vom Bund und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Parallel dazu wird besonders in Deutschland versucht, auf lokaler, regionaler sowie nationaler Ebene ein Netzwerk zu etablieren, um Modellprojekte bearbeiten zu können.

In Jena wurde zusätzlich das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum im Universitätsklinikum gegründet, welches speziell die Infektionskrankheit Sepsis und deren Akutbehandlung im Mittelpunkt stehen hat.42 Auf internationaler Ebene wurden Initiativen zum Beispiel von den Vereinigten Staaten und auch der Weltgesundheitsorganisation gestartet.43 Trotz vieler bestehender Forschungsstrukturen raten Wissenschaftler, eine noch stärkere Förderung als bisher anzugehen, besonders in Hinblick der mittelfristigen und langfristigen Strukturen über nationale Grenzen hinaus.44 Ihre Vorschläge zur Verbesserung der derzeitigen Lage bewegen sich im Bereich der Grundlagen- und Wirkstoffforschung, aber auch Politik und Wirtschaft.

Ein Schwerpunkt liegt in der Genomforschung. Dabei geht es darum, Genome von Mikroorganismen zu entschlüsseln, zu analysieren und insbesonders auf die Veränderungen der Genome in den pathogenen Mikroorganismen einzugehen. Dadurch bekommen Wissenschaftler einen strukurellen und funktionellen Einblick und können geeignete Substanzen zur Behandlung der Krankheitserreger identifizieren.46 Ein weiterer Vorschlag, der bereits im vollen Gange, jedoch ausbaufähig ist, besteht darin, bereits vorhandene Antibiotika chemisch zu synthetisieren oder weiterzuentwickeln, indem beispielsweise verschiedene chemische Gruppen an das Grundgerüst der antibiotisch wirksamen Gruppe angehängt werden.47

Neben den Derivaten soll aber auch die Möglichkeit wahrgenommen werden, Naturstoffforschung zu betreiben. Denn in der Natur sind noch viele Wirkstoffkandidaten zu erwarten. Hoffnungsvolle Quellen sind seit neuestem bakterielle Symbionten von Pilzen oder Insekten. Vielversprechend wären auch genauere Untersuchungen der Naturstoffe aus tropischen Pflanzen.48 Andere antibiotische Agenzien sollten auch unter die Lupe genommen werden.


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