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Rezension
Deutsch

Universität, Schule

Gymnasium Thun

Note, Lehrer, Jahr

4.5, Hilfiker, 2019

Autor / Copyright
Carolin F. ©
Metadaten
Preis 3.00
Format: pdf
Größe: 0.07 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 82326







Schweizer Justizmord
Eveline Hasler schreibt in ihrem historischen Roman "Anna Göldin - Letzte Hexe"über die Vorurteile und Willkür gegenüber einer wehrlosen Magd.

127 Jahre jung ist sie, ein Jahr lang gute Taten vollbringen soll sie, um mit den älteren Hexen an der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg tanzen und feiern zu dürfen. Dazu gehört es, mit ihrem Raben Abraxas über die Stadt zu fliegen und Ausschau zu halten nach Hilflosen.

Kurz, sie soll eine gute Hexe werden. Doch mit dem Leben der kleinen Hexe, geschrieben von Otfried Preussler im Jahre 1957, hat der Roman von Eveline Hasler «Anna Göldin – letzte Hexe» nichts zu tun. Die vermeintliche Hexe in ihrem Roman wird verfolgt, des Kindesmordes und der Hexerei beschuldigt und 1786 als letzte Hexe der Schweiz hingerichtet.

Eveline Hasler rekonstruierte mit echten Dokumenten und Schriften über Anna Göldin das Leben der Magd. Die Geschichte entführt den Lesenden in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Obwohl die Geschichte um Anna Göldin längst verjährt ist, wirkt sie lebendig und fesselnd.

Der Roman beginnt mit einer Szene aus Annas Kindheit, bei der ihr Vater tragischerweise ums Leben kommt. Diese traurige Szene hat sich vor über 200 Jahren ereignet. Die wahrhaftige Anna Göldin wurde am 13. Juni 1782 hingerichtet und der Roman erschien 1982, also genau 200 Jahre später.

Mit diesem Roman schaffte die Kinder- und Jugendbuchautorin in der Erwachsenenliteratur ihren grossen Durchbruch.

Die früheren Werke von Eveline Hasler handeln verwandte Themen ab. In Kinder- und Jugendbüchern schreibt sie über Themen wie Vorurteile gegenüber Ausländern (Komm wieder Peppino – 1967) und Mobbing gegen Andersartige (Denk an den Trick, Nelly – 1980/ Dann kroch Martin durch den Zaun - 1973). 13 Jahre nach dem Erfolg mit «Anna Göldin – Letzte Hexe» erscheint ein Buch über Recht- und Heimatlose.

Eveline Hasler verfasst eine Geschichte über Schweizer Auswanderer, die anstatt im Paradies in Not und Sklaverei landen. Im Buch «Anna Göldin – letzte Hexe» kann man die Geschehnisse weniger auf heute beziehen als in ihrem neusten Werk. Die Art, wie Eveline Hasler die wahre Geschichte unverblümt in Prosa wiedergibt, regt den Lesenden zum Nachdenken an.

Man hinterfragt die Dorfleute und deren Aberglaube, der aus einer arbeitssamen Magd eine gesuchte Hexe machte.

Download Anna Göldin: Letzte Hexe von Eveline Hasler - Buch­re­zen­sion Hausübung Deutsch
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Man könnte den Roman als eine Art Biografie der Anna Göldin betrachten. Um sie erkennbar zu machen, sind im Buch die Originaldokumente und Zitate kursiv gedruckt. Doch diese Schriftdokumente und echten Briefe hat Eveline Hasler so in den Text eingearbeitet, dass es den Leser kaum zu stören vermag.

Im Gegenteil, sie bringen einen die Geschichte näher. Die Schweizer Autorin blieb den geschichtlichen Fakten treu, schmückte sie jedoch so aus, dass sich der Roman trotz der eher altertümlichen und befremdenden Sprache einfach liest.

Anna erhält eine Stelle als Magd bei der angesehenen Familie Tschudi in Glarus nahe dem Berg Glärnisch. Der Herr Doktor und Fünferrichter Tschudi und seine Frau haben zusammen zehn Kinder. Doch nur fünf davon sind lebend zur Welt gekommen. Verrichtet Anna anfangs die zahlreichen Aufgaben einer Magd zur grossen Zufriedenheit ihrer Herren, so fängt sie nach und nach an, auch die Kinder zu hüten.

Besonders das zweitälteste Kind, Anna Migeli oder Anna Maria ,wie sie richtig heisst, ist sehr von ihr angetan.

Die Stelle bei Tschudis ist die neunte für die ledige, 46-jährige kinderlose Anna. Doch jetzt, als Alleinstehende, ist ihr sozialer Stand nur knapp über dem der Bettler. Die Rangordnung der Stände gewichtet stark, wie auch später im Roman noch deutlicher wird. Dass Anna alleine ist, will nicht heissen, dass sie nie einen Liebhaber gehabt hat.

Anna verliert das Kind und muss das Weite suchen, da sie wegen Kindsmordes beschuldigt wird. Das zweite Kind bringt sie auf Wunsch des Kindsvaters weit weg von ihm in Stuttgart zur Welt. Der Kindsvater Melchior ist der Sohn von Zwickis, ihrem damaligen Brotherren. Die Liebe zwischen diesen beiden Ständen, einer Magd und dem Sohn eines Doktors ist nicht möglich gewesen.

Eveline Hasler spielt beim Erzählen dieser Romanze mit den Worten, verleiht ihnen einen romantischen Hauch. Sie macht dies sehr geschickt, indem sie Melchior als wortgewandte Person schildert, der wunderbare Briefe schreibt und diese vorliest.

Ein Jahr lang leistet nun Anna Ihre Arbeit zur Zufriedenheit von Tschudis. Eines Morgens, als sie sich wäscht, steht Herr Tschudi in der Türe und betrachtet sie mit geilen Augen. Als Anna im Kräutergarten arbeitet, geht er zu ihr und flirtet, was seiner Frau missfällt.

Ein solcher Schatten zieht sich auch durchs Buch, denn die Geschichte hat einen düsteren Faden . Sie ist in einer altertümlichen Sprache gehalten, was jedoch die Atmosphäre am besten wiedergibt und die Gedanken des Lesers so durch diese Zeit führt.

Auch im Pfarrhaus wird Anna vom Pfarrer bei der Arbeit mit lüsternen Augen betrachtet, die sexuelle Verwundbarkeit der Bediensteten wird erneut, doch eher dezenter aufgezeigt. Zwar sind die Beschreibungen der Situationen so lebhaft, dass man die Szene vor sich sehen kann.

Doch wieder wird nichts ausgesprochen. Kein Wort über den sexuellen Übergriff, von Missbrauch ist nie die Rede.

Eines Morgens findet Anna Migeli findet einen verbogenen «Guffen» - eine Stecknadel - in ihrer Milch. Dies wiederholt sich mehrmals und auch bei der älteren Schwester Susanne befinden sich einzelne Male Stecknadeln am Boden der Tasse. Das Misstrauen der Frau gegenüber Anna wächst und Eifersucht auf die hübsche Magd kommt hinzu.

Zurück beim Landammann ist dieser von Doktor Tschudi umgestimmt worden und nicht mehr bereit, Anna zu helfen. Er rät ihr, das Land zu verlassen. Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation erregt Mitleid im Leser, doch Eveline Hasler verliert darüber kein Wort. Es scheint, als wolle sie es jedem Leser selbst überlassen, was er mit Anna mitfühlt und was nicht.

Es zeigt sich auch, dass das Rechtssystem zu dieser Zeit auf die Herren und Oberen ausgerichtet war. So entliess Tschudi alle Zwickis, welche Anna wohlgesinnt waren, aus dem evangelischen Kirchenrat. Der heutige Grundsatz «in dubio pro reo» galt nicht und Anna galt als schuldig, da sie das Gegenteil nicht beweisen konnte.

Das zeigt sich in der Gerichtsverhandlung, als Anna zugeben "muss", nie von Herrn Tschudi angefasst worden zu sein, geschweige denn mit ihm geschlafen zu haben.

Als ihr Ruf von Tschudis geschädigt worden war, kann sie sich nicht mehr unter ihrem richtigem Namen für eine Stelle bewerben, sondern tut dies als Maria. Ein weiterer Arbeitgeber bekommt schnell Wind von ihrem richtigen Namen und schöpft sofort Verdacht, dass es sich bei seiner neuen Magd um die gesuchte Hexe handeln könnte.

Schon beim vorgängigen Arbeitgeber, dem Pfarrer, hate sie nicht mehr als eine Nacht bleiben können.

Ein Unbekannter kommt vorbei und warnt Anna, sie solle vor ihrer Festnahme fliehen. Er sei schneller gewesen als der Läufer, der geschickt wurde um Anna zu fangen und nach Glarus ins Rathaus zu bringen. Von diesem Reiter wie auch von den anderen involvierten Personen erfährt man nicht viel mehr.

Im Roman wird von der Handlung im «Jetzt» stets zu früheren Arbeitsstellen gesprungen. Zu Beginn scheint die Arbeit bei Tschudis eine Art Nebenhandlung zu sein, der Hauptteil der Geschichte ihre vorangehenden Arbeitsplätze. Im Verlaufe des Romans wird die Arbeit bei Tschudis zur Hauptgeschichte.

Eveline Hasler arbeitet mit Rückblenden und Sprüngen. Für das Veranschaulichen dieser Sprünge werden teilweise Bilder von passenden Landschaften eingesetzt oder Situationen wie das Schwangerwerden gebraucht. Die Wechsel in die Vergangenheit werden nie offen deklariert.

Wie auch sonst vieles im Buch unausgesprochen bleibt. Eveline Hasler hat den Mut zur Lücke und überlässt vieles der Fantasie und dem Vorstellungsvermögen ihrer Leser. Sie spricht nichts aus, was die Leute in der damaligen Zeit nicht auch gesagt hätten. Dadurch fühlt sich der Leser dem Geschehen abermals näher.


Das Buch ist erstmals 1982 im Benziger Verlag, Zürich erschienen.

Ich habe eine Ausgabe der 2. Auflage von 2014 (dtv Verlag, München) gelesen. Die vielschichtige Geschichte ist in 15 Kapitel aufgeteilt und kostet in der Version des dtv Verlages rund 15 Schweizer Franken.

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