word image
Lösungen, Klausurtipps, Prüfungsfragen

Angewandte Ethik: Rinofner - Prüfungsfragen

2.553 / ~9 sternsternsternsternstern_0.25 Sylvia L. . 2014
<
>

Angewandte Ethik -Fragenkatalog


Was ist Ethik?

Ethik ist die Theorie der moralischen Praxis; philosophische Wissenschaft der Moral (bzw. des Ethos)


Womit ist sie befasst?

Die Ethik interessiert sich dafür, aufgrund welcher Prinzipien und Kriterien wir Handlungen verschiedenen Typs moralisch beurteilen können.


Diese Urteile beanspruchen, nicht subjektiv und nicht willkürlich zu sein. Der Anspruch auf Objektivität und Verbindlichkeit, den wir mit unseren moralischen Urteilen erheben, wir nicht von der ethischen Theorie erfunden. Er liegt in unserer moralischen Praxis.


Warum brauchen wir eine Ethik?

Wir brauchen eine Ethik, weil

a) das Zusammenleben mit Anderen, wenn es nicht bloß auf physischer Übermacht und Gewalt beruhen soll, einer Regelung bedarf, deren Geltung einsichtsfähig ist.

b) die (soziale) Gestaltung des menschlichen Lebens erfordert, das, was ist (Tatsachen), von dem unterscheiden zu können, was sein soll, aber nicht ist (Ideen, Ideale), d.h. was erstrebenswert bzw. verwirklichungswert ist.


Ist richtiges bzw. gutes Handeln daran gebunden, dass wir ethische Theorie betreiben?

Ethik zielt darauf, die Vernunft der Einzelnen in Anspruch zu nehmen, wenn es um die Frage der Geltung von Regeln geht. Wer aus eigener Vernunftfähigkeit über die Geltung von Regeln mitbestimmt, ist auch für die Praxis verantwortlich, die sich gemäß diesen Regeln einstellt.


Worin unterscheidet sich (wenn überhaupt) ein konventionelles Handeln von einem moralischen Handeln?

Der Unterschied liegt in dem Selbstverständnis des Akteurs bzw. in seiner Bereitschaft und Fähigkeit, sich mittels reflexiver Bezugnahme auf Handlungsgründe in seinem Tun und Lassen zu rechtfertigen.


Warum interessieren sich Ethikerinnen für Konventionen? Was steht aus der Sicht der ethischen Theorie mit Bezug auf Konventionen auf dem Spiel?

Es ist nicht bloß wichtig, dass wir das Richtige tun, sondern, dass wir es aus den richtigen Gründen tun bzw. das Gute um des Gutenwillen zu verwirklichen suchen und nicht deshalb, weil es durch Sitte, Recht, Religion gefordert wird.


Konventionen können dabei auch als Mittel einer Einschränkung des Einzelnen, seiner Rechte oder Möglichkeiten, betrachtet werden.


Was verstehen wir unter „Rechtfertigung“?

Wir wollen uns für etwas Bestimmtes (z.B. eine Notlüge) vor einer bestimmten Instanz (z.B. Freundeskreis, Familie) in bestimmter Hinsicht (im Hinblick auf die moralische Bewertung der fraglichen Handlung) rechtfertigen


Welche Rolle spielt Autorität mit Bezug auf die Frage nach der Rechtfertigung unseres Handelns?


Welche Rolle kann sie spielen, wenn wir Moralität nicht auf eine konventionelle Moral reduzieren?


Welche Merkmale sind konstitutiv für Handlungen? Geben Sie eine kurze Erläuterung der einzelnen Momente.

1. Handlungsträger: Handlungen haben Träger, die die Handlungen ausführen.

2. Absicht und Zielsetzung (Handlungszweck): Man hat die Absicht mit der Durchführung bestimmter Bewegungen oder Tätigkeiten ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ohne Ziel- oder Zwecksetzung gibt es keine Handlung.

3. Wertbezug: Wertbezug des Handelns verfährt nichtwertbegründend sondern wertneutral. Weder bestätigt noch widerlegt sie jene Wertsetzungen, die unserer natürlichen Wahrnehmung von Personen und Handlungen anhängen.

4. Handlungsfolgen: Die Handlungsfolgen unserer Handlungsentscheidungen bzw. unseres Handlungsvollzuges sind schwer feststellbar (komplex)


Worin unterscheiden sich Handlungsursachen von Handlungsgründen?

Während das Haben von Gründen einschließt, dass der, der sie hat dennoch frei darin ist, sie zur Geltung zu bringen, gilt dasselbe nicht für Ursachen. Liegen bestimmte Ursachen vor, so folgt mit Notwendigkeit eine bestimmte Wirkung. Ursachen wirken auch dann, wenn niemand sie kennt; Gründe erklären den Vollzug einer Handlung nur dann, wenn dem Handelnden ihre Rolle im Hinblick auf den Sinn seines Tuns bekannt ist.


Stimmen Sie dieser Unterscheidung zu? (Begründen Sie Ihre positive oder negative Antwort.)

Jede Handlung hat Ursachen. Intentionen bewirken Handlungen nicht in derselben Weise, wie Ursachen bestimmte Wirkungen hervorbringen: kausales „weil“ und intentionales „weil“ sind zu unterscheiden, z.B.:

Der Ast fällt vom Baum, weil er morsch ist (kausal)

Ich schneide mit der Motorsäge den Ast vom Baum, weil ich denke, dass er morsch ist (intentional)


Nennen Sie einige praktisch relevante Aspekte, welche eine normative Bewertung von Handlungen schwierig machen.

- Komplexität der Handlungsfolgenabschätzung (z.B. Ökologie, Technik, etc.)

-Verborgenheit der Intention (ein und dieselbe Zwecksetzung kann auf verschiedene Werte bezogen sein)


Inwiefern sind die Zuschreibung und die Bewertung von Handlungen zu unterscheiden?

Zuschreibung (x ist für y nicht verantwortlich)

Bewertung (x handelt verantwortungslos)


Jede Handlungsbewertung, jedes moralische Urteil über eine Handlung, setzt eine Zuschreibung voraus. Umgekehrt enthalten Zuschreibungen per se keine moralische Bewertung.


Welche Rolle spielt Verantwortung in diesem Zusammenhang?

Die Verantwortungsfähigkeit des Menschen sowohl in moralischem als auch in rechtlichem Sinn gründet in seiner Freiheit (man hätte in einer gegeben Situation auch anders handeln können)


Die, die über mehr relevantes Wissen und/oder über mehr Einflussmöglichkeiten mit Bezug auf die relevanten Sachverhalte verfügen, sind in höherem Maße für eine Handlung verantwortlich.


Neben der allgemeinen Zurechnungsfähigkeit des Handelnden sind die spezielle Sachkompetenz und die Handlungsmacht, über die er verfügt, relevante Faktoren bei der Zuschreibung von Verantwortung.


Geben Sie eine möglichst präzise Bestimmung der Begriffe Determinismus, Handlungsfreiheit und Willensfreiheit.

Determinismus: Alle Ereignisse sind aus vorausliegenden Umständen und Gesetzen erklärbar. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt gilt, dass auf einen Zustand eines deterministischen Systems ein und nur ein anderer Systemzustand folgen kann. Deshalb sind alle Ereignisse faktisch oder im Prinzip voraussagbar. Der Determinismus weist das Prinzip der alternativen Möglichkeit zurück, das wir anerkennen müssen, wenn es Freiheit des Willens geben soll.


Handlungsfreiheit: Die Freiheit zu tun, was man will. Frei ist ein Handeln, dessen Ausführung weder äußeren noch inneren Zwängen unterliegt.

b) unfreiwillig: gegen den Willen des Akteurs, unter Zwangseinwirkung

c) nicht freiwillig: die Zustimmung des Handelnden zur Durchführung der Handlung fehlt, aus welchen Gründen immer


Willensfreiheit: Die Freiheit zu wollen, was man will. Frei ist ein Wille:

a) der wählen kann, was er will (Wahlfreiheit)

b) der nicht automatisch auf Impulse reagiert, der also dem jeweils gegebenen Wollensziel oder Wollensgegenstand nicht folgen muss, sondern sich selbst in seiner gegenständlichen Ausrichtung reflexiv zur Disposition stellen kann.


Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Verantwortungsübernahme bzw. -verweigerung und der sozialen Rolle, die ein Handelnder inne hat bzw. der sozialen Situation, in der er sich zum Zeitpunkt der Handlung befindet (vgl. z. B. das Problem des Non-helping Bystander)? Beschreiben Sie diesen Zusammenhang.


UnterZuschauereffekt(non-helping-bystander effectoderGenovese-Syndrom) versteht man das Phänomen, dass einzelne Augenzeugen eines Unfalls oder kriminellen Übergriffs mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit eingreifen oder Hilfe leisten, wenn weitere Zuschauer (engl.bystander„Dabeistehender“) anwesend sind.


Nach welchen Gesichtspunkten variiert das Ausmaß, in dem ein Akteur für sein Handeln verantwortlich ist?

- Ausmaß von Sachkompetenz und Wissen, das für den fraglichen Bereich relevant ist und dem Handelnden zugeschrieben wird

- Intensität der Beteiligung (Engagement) des Handelnden im Sinne der Urheberschaft (steigende Beteiligung: absichtliches – vorsätzliches Handeln)


Über je mehr Wissen und Kompetenz der Handelnde verfügt, je stärker er an der fraglichen Handlung beteiligt ist und je größer die Streuweite und Nachhaltigkeit bzw. je schwerwiegender die Folgen seines Tuns sind, desto stärker wiegt die Last der Verantwortung.


Macht es nach Ihrer Auffassung Sinn bzw. ist es notwendig und durchführbar, von einem Mehr oder Weniger an Verantwortung zu sprechen?

Ja macht Sinn! Wir verfügen über mehr oder weniger Wissen und Erfahrung in bestimmten Bereichen, deshalb haben die Personen auch mehr oder weniger Verantwortung in diesen Bereichen.


Wodurch zeichnet sich ein Handeln als absichtliches Handeln aus? Nennen Sie ein Beispiel im Kontext angewandter Ethik.

z.B.: Peter hat die Absicht ein Buch zu lesen.


Erläutern Sie die Begriffe der Fahrlässigkeit und der Unterlassung. Nennen Sie jeweils ein Beispiel im Kontext angewandter Ethik.

Fahrlässig ist ein Handeln, das die einer definierten Funktion oder Tätigkeit zugehörigen, für deren sachgemäße Ausübung bzw. Durchführung objektiv unverzichtbaren normativen Vorgaben aufgrund fehlender Sorgfalt nicht erfüllt, sofern diese Nichterfüllung erhebliche Schäden zur Folgen hat. Dabei wird vorausgesetzt, dass die negativen Handlungsfolgen zwar nicht beabsichtigt waren, aber prinzipiell vorhersehbar gewesen wären und eine andere Handlungsweise möglich und in der konkreten Situation zumutbar gewesen wäre.


Unterlassen ist das Nichtausführen einer Handlung, die in einer bestimmten Situation moralisch geboten und für das handelnde Subjekt physisch-real möglich gewesen wäre. Etwas zu unterlassen, ist mithin nicht identisch damit, etwas nicht zu tun. Ein bloßes Nicht-Tun wird zu einer Unterlassung nur unter der Bedingung, dass ein entsprechendes Tun moralisch geboten gewesen wäre.

z.B.:


Zu den Voraussetzungen ethischer Theorie gehört die Klärung des Personenbegriffs sowie des ontologischen und moralischen Status von Personen. Welche Standpunkte werden in diesem Zusammenhang unter den Bezeichnungen „Äquivalenzthese“ bzw. „Nichtäquivalenzthese“ vertreten?


Nicht-Äquivalenzthese: Nicht alle Menschen sind Personen. Personalität ist an die Zuschreibung spezifischer Eigenschaften, wie z.B. Leidensfähigkeit, Reflexivität, Selbstbewusstsein, rationales Handeln, Wahrnehmung und Fähigkeit zur Wahrung eigener Interessen gebunden. Mit Bezug auf diese Eigenschaften ist offenkundig, dass nicht alle menschlichen Lebewesen zu jeder Zeit ihres Lebens sie aufweisen.

Das gilt z.B. nicht für Föten, Demente und Komatöse. Diese sind dem entsprechend nicht als Personen zu betrachten, denen moralische Rechte und Pflichten zuzuschreiben sind.


Nennen und diskutieren Sie mögliche Einwände gegen beide Positionen.

Äquivalenzthese – Kritik von Immanuel Kant: Der Mensch kann immer auch als Mittel zum Zweck gesehen werden. In ihrem Wollen ist die Person autonom, nicht in ihrem Handeln.


Wie begründet Peter Singer sein Votum für die Nichtäquivalenzthese?

Neugeborene z.B. verfügen ebenso wenig über die Fähigkeit, sich selber als zukünftige Personen vorzustellen wie Tiere. Insofern Neugeborene keine Vorstellung von sich haben, können sie auch nicht Interessen vertreten.


Positiv gründet die Gleichstellung in der Leidensfähigkeit. Wenn maximale Vermeidung von Schmerz und Leid das grundlegende Handlungsziel ist, zu dem wir uns bekennen, so gilt, dass wir gleich gute Gründe haben, dieses Handlungsziel mit Bezug auf unter starken Schmerzen leidende Neugeborene wie mit Bezug auf unter starken Schmerzen leidende Tiere erreichen zu wollen.


Unter Speziezismus verstehen wir eine in Anbetracht der ausstattungs- und umweltrelativen Fähigkeiten verschiedener Arten von Lebewesen, ihres unterschiedlichen Entwicklungspotentials und ihrer gemeinsamen Naturzugehörigkeit nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren und rechtsfertigungsbedürftigen Bevorzugung einer Spezies. Speziell ist damit die Bevorzugung der menschlichen Spezies gegenüber tierischen Lebensformen gemeint.


Speziezismus bedeutet, dass wir in Lichte unserer Bedürfnisbefriedigung entscheiden, unberücksichtigt von anderen tierischen oder pflanzlichen Lebensformen.


Es gibt eine starke Tendenz, das Würde-Konzept auf spezifische kognitive Fähigkeiten von Menschen zu beziehen. Versuchen Sie unter Bezugnahme auf Thomas Fuchs‘ Essay „Die Würde des menschlichen Leibes“ (in: W. Härle/B. Vogel (Hg.)(2008) Begründung von Menschenwürde und Menschenrechten, Freiburg, 202-217) folgende Fragen zu beantworten:


b) Inwiefern ist die Bedrohung oder Zerstörung leiblicher Souveränität (z. B. durch Folter oder Vergewaltigung) ein eigentümliches und markantes Phänomen, das im Hinblick auf unser Verständnis von Würde zu berücksichtigen ist? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang die Feststellung: „Würde wäre ohne Leiblichkeit gar nicht möglich.“ (Fuchs 2008, 212)


c) Wenn der leibliche Aspekt der Würde Berücksichtigung findet, stärkt oder schwächt das Ihrer Meinung nach den Einwand des Speziezismus, den manche Kritiker des Würde-Begriffes vorbringen?


Inwiefern kann Mark Rowlands Kritik des Kontraktualismus als eine anti-speziezistisch motivierte Kritik bezeichnet werden?


| | | | |
Tausche dein Hausarbeiten