2.Klausur
Deutsch 11.1 (HA)
Rahmenthema
2 - Die Leiden des jungen Werther
Nachname,
Vorname:
Arbeitsauftrag:
Analysieren
Sie die Textstelle aus dem Roman „Dies ist kein Liebeslied“ von
Karen Duve in Bezug auf die Rezeption des „Werther“-Romans durch
die Ich-Erzählerin.
In
der Woche darauf fing ich in der Schule einen Brief an: „Lieber
Peter“, schrieb ich, „es ist kurz vor zehn. Wir müssen in einer
dreistündigen Deutscharbeit ,Die Leiden des jungen Werther‘
interpretieren. Die ersten beiden Stunden sind schon rum. Und wenn es
noch des Beweises bedürfte, was es gewiss nicht tut, wenn es also
noch des Beweises bedürfte, dass dieses Buch nicht für meine
Mitschüler geschrieben wurde, so ist es hiermit erbracht. Sie haben
sich über ihre Hefte gebeugt und ohne zu fühlen, ohne zu zaudern,
losgelegt. Neben mir malt Doris ihre kreisrunden Kinderbuchstaben ins
Heft, Volker Meyer isst einen Apfel, und beide sind so himmelweit von
Liebe und Leid entfernt, dass Doris bestimmt eine Eins und Volker
eine Drei bekommen wird. Vermutlich schreiben sie, dass der Autor
Gesellschaftskritik übt, das ist ja immer schon die halbe Miete.
Aber Goethe übt gar keine Gesellschaftskritik. Goethe findet sich
selbst klasse, das ist das Problem. Ständig ist sein Werther von
sich selbst gerührt, wie intensiv er doch fühlt, und wie edel er
handelt, und wie gut er doch mit Kindern umgehen kann, und wie gütig
und selbstverständlich er mit Leuten spricht, die unter seinem Stand
sind. Na, vielleicht lässt sich daraus eine Gesellschaftskritik
drechseln. Auf seine Empfindsamkeit tut Werther sich am meisten
zugute. Jedesmal, wenn er gerade wieder so wunderbar tief empfindet
oder bewiesen hat, was für ein herzensguter und sensibler Mensch
ist, muss er das brühwarm seinem allerliebsten Freund Wilhelm
schreiben. Diesen Freund nennt er in den Briefen ,Schatz‘, und
einmal schreibt er was von ,liebelispelnden Lippen‘. Grundgütiger!
Beimer wird natürlich alles auf die Zeit schieben. Damals hätte man
sich eben so ausgedrückt. Aber ich finde, dass Goethe sehr wohl die
Verantwortung für sein empfindsames Gewinsel trägt. Ist eine Zeit
widerwärtig, so muss man sich eben gegen sie stellen. Die
ekelhafteste Stelle ist, wie das verhinderte Liebespaar in der
Terrassentür steht, zuschaut, wie ,der herrliche Regen‘ auf das
Land ,säuselt‘, und sie dann bloß ,Klopstock‘ sagt und er
sofort weiß, was sie meint. Was für ein zickiger, eingebildeter
Sack, dieser Werther! Und dennoch- als er anfing von seiner Liebe und
seinem Unglück zu sprechen, da war mir, als sähe ich mein eigenes
Herz. Es spricht so klar und wahr und traurig. Ich verstehe
vollkommen, was Goethe meint. Ich weiß jetzt auch, was ich schreiben
müsste, damit Beimer es gut findet. Bloß sind diese beiden Dinge
nicht miteinander vereinbar. Statt dessen also schreibe ich dir jetzt
diesen Brief. Er ist ganz ohne Hoffnung, denn was könnte ich schon
für Argumente nennen, die deine Gefühle für mich änderten. So
etwas hat noch kein Argument vermocht. Es ist in der Welt nichts
Lächerlicheres erfunden worden als meine Liebe zu dir, und doch
kommen mir oft darüber die Tränen…“
An
dieser Stelle brach ich den Brief ab und zerriss ihn unter der
Tischplatte in kleine Fetzen. Ich konnte nichts daran ändern, dass
ich wie ein Idiot fühlte, aber deswegen brauchte ich mich ja nicht
auch noch wie einer aufzuführen. Mein Ohr tat weh. Die
Sicherheitsnadel hatte ich inzwischen herausgenommen und durch einen
normalen Ohrring mit einer Schraubenmutter als Hänger ersetzt, aber
mein Ohrläppchen war immer noch nicht ganz abgeschwollen. Ich kühlte
es mit den Fingerspitzen. Seit ich täglich eine Packung Zigaretten
rauchte, hatte ich stets angenehm kalte Hände. Am Ende der Stunde
schrieb ich meinen Namen rechts oben auf ein leeres Blatt und gab es
ab. Ich hatte aber nicht viel Hoffnung, dass Beimer begreifen würde,
dass ein leeres Blatt dem Thema angemessener war als jede noch so
ausgefeilte Interpretation.
Viel
Erfolg!
Auswertungsbogen: J.W. von Goethe „Die Leiden des jungen
Werther“
Erläuterung
der Zeichen: ++ = Anforderungen in besonderem Maße erfüllt; + =
Anforderungen erfüllt; o = Anforderungen im Wesentlichen/ mit
leichten Einschränkungen erfüllt; - = Anforderungen teilweise
erfüllt; - - = Anforderungen nicht bzw. kaum erfüllt
Bewertungsaspekte
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++
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+
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o
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–
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– –
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Sie nennen in der
Einleitung Autor, Titel, Erscheinungsjahr und Gattung und ordnen
den Brief in den Romanzusammenhang ein.
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Sie
fassen den Brief knapp zusammen.
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Sie
geben die Intention des Textes wieder.
Werthers
Empörung über die Abholzung der Nussbäume im Pfarrhof, die er
zu „dem wenigen“ zählt, was „auf Erden […] noch etwas
wert ist“
Kritik
an der Seelenlosigkeit der Verantwortlichen, insb. das
Nützlichkeitsdenken der Pfarrfrau (implizit auch die
aufklärerische Theologie)
indirekte
Kritik an den ökonomischen Interessen der Herrschenden
(Schulze/Pfarrer, Kammer/Fürst)
Kritik
an der resignativen Passivität der Dorfbewohner
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Sie
erkennen, dass die Kritik auch mit Rachegefühlen und
Schadenfreude verbunden ist.
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Sie
erkennen die Widerspieglung von Werthers innerer Verfassung.
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Sie
erkennen, dass sich bereits in diesem Brief sein Tod andeutet/
Funktion einer indirekten Vorausdeutung (auf seinen gewaltsamen
Tod).
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Sie
erkennen die Grundbegriffe der Erzähltechnik (personaler
Erzähler, Ich-Form) und damit verbunden den subjektiven Stil des
Briefes.
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Sie
erkennen
Ausrufesätze,
die den Sachverhalt mit innerer Anteilnahme zum Ausdruck bringen
Verwendung
des Personalpronomens „ich“ als Ausdruck der Subjektivität
Ellipsen
Interjektionen
Wiederholungen
und Häufungen, die die zunehmende Intensität des Gefühls
ausdrücken
Hypotaxen
als
Mittel der „natürlichen“, scheinbar alltagssprachlichen
Gefühlsäußerungen.
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Sie
ordnen den Brief begründet der Epoche „Sturm und Drang“ zu.
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Sie
fassen Ihre Analyse in einem Fazit zusammen.
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Allgemeine Bewertungen
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++
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+
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o
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–
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– –
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Sie belegen Ihre Aussagen
treffend am Text.
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Ihre Ausarbeitung ist
übersichtlich/ aspektorientiert und sinngerecht durch Absätze
gegliedert.
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Sie zeigen Sicherheit in
der Verwendung von Fachtermini und Methoden.
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Ihr Text wirkt insgesamt
sprachlich überzeugend und in der Darstellungsform angemessen.
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Weitere
Bewertungsaspekte
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Fehler
im sprachlichen Bereich:
Aufgrund
der zahlreichen Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit
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Es
gibt Fehlerschwerpunkte in folgenden Bereichen:
Rechtschreibung
Grammatik
Zeichensetzung
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Die
Arbeit zeigt Unsicherheiten, Schwächen oder Mängel im
Ausdrucksvermögen.
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Note:
1
Karen Duve, Dies ist kein Liebeslied. Roman. Frankfurt am Main:
copyright Eichborn AG, Frankfurt am Main, 2002, S. 162-164