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Interpretation

Analyse von Novalis: Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren

1.528 Wörter / ~6 Seiten sternsternsternsternstern_0.75 Autor Hermann Ta. im Dez. 2016
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Literaturanalysen zur Epoche Romantik: Die Abitur & Hausaufgabenhilfe: Interpretationen zu Joseph v. Eichendorff, Clemens Brentano, Heinrich Heine, ... Heinrich von Kleist (Textanalysen, Band 5)
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Universität Zürich - UZH

Note, Lehrer, Jahr

2016

Autor / Copyright
Hermann Ta. ©
Metadaten
Preis 3.20
Format: pdf
Größe: 0.10 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.75
ID# 61358







Analyse von Novalis: Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
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Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren

Eine Analyse zu Novalis' Gedicht

Basismodul 150: Einführung in die Literaturwissenschaft

Schriftliche Übung 1 (HS 2016)

Deutsche Sprach- und Literat.....[Volltext lesen]


Einleitung

Im Rahmen des Basismoduls 150.1, Einführung in die Literaturwissenschaft, wird in dieser Arbeit Novalis‘ Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“[1] analysiert. Es wird zunächst auf die formale Struktur des Textes eingegangen – das Augenmerk liegt dabei auf der Bestimmung der Versstruktur und der Verwendung von rhetorischen Figuren und Tropen.

Es wird insbesondere auf die Leitthematik des Textes geachtet; der Wandel einer von Rationalität unterworfenen und von Vernunft geprägten Welt zu einer Welt, in der Leidenschaft und Gefühl regiert, wird beschrieben. Auffälligkeiten der formalen Gesichtspunkte werden jeweils mit für die Leitthematik relevanten inhaltlichen Aspekten erklärt.

Das Gedicht wird Zeile für Zeile analysiert; es werden die inhaltlichen Gesichtspunkte untersucht, um diese dann in Verbindung mit dem Leitmotiv zu setzen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, anhand des Gedichtes aufzuzeigen, dass Rationalität und Vernunft im Gegensatz zu Leidenschaft und Emotion stehen.

Bezieht man die Literaturepochen mit ein, so stellt das Werk im weiteren Sinne die Befreiung der Welt von den aufklärerischen Wertvorstellungen durch die Romantik dar.

Formale Analyse und Interpretation

Der Text bedient sich eines vierhebigen alternierend jambischen Versmasses, mit Ausnahme der Zeilen 6, 11 und 12, wo mittels einer zusätzlichen Senkung ein metrischer Bruch geschaffen wird. Das Gedicht besteht nur aus einer einzelnen Strophe, welche einen geschlossenen Gedankengang repräsentiert.

Das Reimschema ist stets ein Paarreim, wobei der Reim bei „küssen“ (Zeile 3) und „wissen“ (Zeile 4) unrein ist. Das gesamte Gedicht weist eine weibliche Kadenz auf, mit Ausnahme der letzten beiden Verse, welche eine männliche Kadenz aufweisen.
Der Text weist eine konditionale Satzstruktur auf.

Die ersten zehn Verse beschreiben eine Reihe von Bedingungen, unter denen die in den letzten beiden Versen beschriebe Folge eintritt („Dann fliegt vor Einem geheimen Wort“ / „Das ganze verkehrte Wesen fort“). Der Abgrenzung dieser zwei Verszeilen dient auch die vom Rest des Textes abweichende Kadenz.

Der Titel ist identisch mit der ersten Zeile des Gedichts

Der Konflikt zwischen Rationalem und Irrationalem zieht sich durch das ganze Gedicht. So wird zunächst in der ersten Zeile die Rationalität mittels der Synekdoche „Zahlen und Figuren“ dargestellt. Die „Zahlen“ sind Teil des mathematischen Systems, die „Figuren“ als Abbildung der Realität  sind Teil der Geometrie.

Zusammen bilden sie einen Teil der gesamten, rationalen Wissenschaft und repräsentieren diese. Schon in der nächsten Zeile wird gesagt, dass diese Rationalität metaphorisch als „Schlüssel“, also als Hilfsmittel der Menschen („Kreaturen“) verwendet wird, um Aufschluss über ebendiese „Kreaturen“ der Welt zu geben.

Der Text setzt voraus, dass man sich von der Verwendung der Rationalität als Erklärung des Lebens abwenden soll, damit die Folgerungen später im Text überhaupt geschehen können. In der dritten Zeile tauchen Ausdrücke der Leidenschaft und Emotionen wie „singen“ und „küssen“, als Opposition zur Vernunft auf.

Menschen, die ebensolche Emotionen ausleben, sollen dies laut Text so tun, dass sie das durch „wissen“ dargestellte rationale Denken und Handeln der „Tiefgelehrten“ verdrängen. Die Gegensätzlichkeit und der Kontrast zwischen „wissen“ und „küssen“ werden indes auch auf lautlicher Ebene verdeutlicht, nämlich mittels des unreinen Reims der Vokale ü und i.

In den Zeilen 5 und 6 findet eine erste Folge der vorangegangenen Bedingungen statt. Wenn die vorherigen Bedingungen, dass die Vernunft den Emotionen weicht, erfüllt sind, so begibt sich die zunächst durch Regeln eingesperrte „Welt“ zurück ins „freie Leben“.

Laut Zeile 6 wird sich „die Welt“ ausserdem „in die Welt […] zurückbegeben“; dies ist so zu verstehen, dass sich die Welt, die durch vernunftbasierte Regeln und Werte eingeschränkt wurde, zu einer freien Welt wandelt. Dieser Wandel wird sowohl durch die Tatsache, dass er sich in der Mitte des Gedichtes befindet, als auch durch den dort zu findenden metrischen Bruch bekräftigt.

Da der Wandel der „Welt“ eine Folge der vorangehenden Bedingungen ist, wird mit dem metrischen Bruch bewusst eine Ähnlichkeit zu den letzten beiden Zeilen, die ebenfalls eine aus erfüllten Bedingungen resultierende Folge formulieren, aufgezeigt. Die Zeilen 5 und 6 stellen zwar eine Folgerung dar, doch sind sie trotzdem Teil der Bedingungsreihe für die in den Zeilen 11 und 12 beschriebene Folge.

Das ist der Grund für ihre weibliche Kadenz, die sie mit den restlichen acht Verszeilen der Bedingungsreihe verbindet. Die Tatsache, dass das Wort „zurückbegeben“ (Zeile 6) verwendet wird, deutet darauf hin, dass die Welt zuvor schon einmal frei war, doch ab einem gewissen Zeitpunkt die Vernunft Einzug hielt und die Emotion und Leidenschaft verdrängte.

Diese Begebenheit weist grosse Ähnlichkeit mit der in der Epoche der Aufklärung auf; zu dieser Zeit wurde ebendiese Philosophie der vorherrschenden Vernunft zur Erklärung der Welt eingeführt und vertreten. Die Romantik wehrte sich gegen diese Philosophie der Vernunft.

Während sich also in den Zeilen 5 und 6 die Welt von einer rationalen zu einer irrationalen gewandelt hat, so befindet man sich ab diesem Punkt im Gedicht in ebendieser irrationalen Welt. Durch diese Irrationalität können sich ab Zeile 7 „Licht und Schatten“ zu „echter Klarheit“ vereinen.

Während eine solche Vereinigung in der Welt der Vernunft niemals funktionieren würde, so ist dies in einer Welt, die keinerlei Logik folgt, durchaus möglich. Die emotionale Welt hebt also die Grenzen zwischen Gegensätzen auf. Die Gegensätzlichkeit und die scheinbare Unmöglichkeit der Vereinigung werden durch die Antithese von „Licht und Schatten“ verdeutlicht.

Die Verwendung des Wortes "wieder" in Zeile 7 und 8 weist erneut darauf hin, dass der vom Gedicht angestrebte vernunftlose Zustand der Welt kein neuer ist, sondern dass zu einem alten, freien Zustand zurückgefunden werden will. Dass man in einer Welt frei von Vernunft in „Märchen und Gedichten“ (Zeile 9) für sich selbst eine Wahrheit erkennt, und nicht etwa nur die in von Logik durchzogenen Sach- und Lehrbüchern beschriebenen Fakten als Wahrheit sieht, wird mittels der Alliteration des Konsonanten w bei den „wahren Weltgeschichten“ (Zeile 10) verdeutlicht.

Somit wird gezeigt, dass sich das Verständnis von Wahrheit bei einem von Vernunft geprägten Verstand von einem irrationalen unterscheidet.

In den Zeile 11 und 12 werden dann endlich die Folgen geschildert, die eintreten, wenn die zuvor erwähnten Bedingungen (Zeilen 1-10) erfüllt sind. Wie schon erwähnt, weisen diese beiden Verszeilen als einzige eine männliche Kadenz auf, welche sie von dem Rest des Gedichtes abgrenzt.

Durch den metrischen Bruch, der sowohl in diesen beiden Zeilen, als auch in der Zeile 6 vorkommt, wird signalisiert, dass es sich bei jenen Ereignissen jeweils um eine Folgewirkung handelt, resultierend aus den zuvor erwähnten Voraussetzungen. Die Rede ist von „Einem geheimen Wort“, welches das „verkehrte“, rationale „Wesen“ des Menschen verdrängt.

Das „geheime Wort“ meint das Wort des Dichters. Gemeint ist kein einzelnes Wort, denn das „Wort“ steht als Synekdoche für die ganze Dichtung und Poetik. Der unbestimmte Artikel „Einem“ wird grossgeschrieben; dies zeigt, dass eben nur dieses eine Wort – also nur die Dichtung – das vernunftbelastete Wesen des Menschen, das durch Regeln und Rationalität „verkehrt“ wurde, wieder zum Guten wenden kann.

Das „Wort“ ist „geheim“, da es für die „Tiefgelehrten“ (Zeile 4) unverständlich ist. Sie können die „Zahlen und Figuren“ (Zeile 1), also ihr rationales Denken, nicht als „Schlüssel“ (Zeile 2) verwenden, um das Wort des Dichters zu verstehen. Nur diejenigen, die sich nicht von der Vernunft kontrollieren lassen, und stattdessen ihre Leidenschaft und Emotionen einsetzen, sind in der Lage, den Dichter zu verstehen.

„Das […] verkehrte Wesen“ (Zeile 12) des rationalen Denkens wird als ein einziges Wesen beschrieben. Das heisst die Menschen verfügen über keinerlei Individualität, da dies sonst zu mehreren unterschiedlichen Wesen führen würde. Ähnlich verhält es sich in der Zeit der Aufklärung, in der dieses rationale Denken und diese Vereinheitlichung der Menschen durch Unterdrückung der Individualität postuliert wurden.

Als Gegenpol will der Text als Vertretung des romantischen Standpunktes eben diese Vereinheitlichung aufheben und Individualität schaffen.

Fazit

Die Gegensätzlichkeit von Rationalität und Irrationalität zieht sich durch das ganze Gedicht. Schon zu Beginn des Textes ist die Rationalität als „Zahlen und Figuren“ (Zeile 1) vorhanden. Im weiteren Verlauf taucht sie erneut auf und wird als „wissen“ (Zeile 4) bezeichnet.

Die Irrationalität wird als Leidenschaft, ausgedrückt durch „singen“ und „küssen“ (Zeile 3), erwähnt. Das rationale Denken soll verschwinden und die Leidenschaft soll das Wissen der Gelehrten verdrängen. Die Tatsache, dass der Titel dem ersten Vers entspricht, verleiht der Forderung nach Irrationalität mehr Druck.

Wenn diese Verdrängung der Vernunft eintrifft, so wandelt sich die Welt zurück zu ihrer alten Form („zurückbegeben“, Zeile 6). Dies zeigt erstmals, dass die Befreiung, beziehungsweise  Loslösung von der Vernunft keinen neuen Zustand der Welt erreicht, sondern zu einem alten Zustand zurückfindet.

So besteht eine Parallele zum Konflikt zwischen Aufklärung und Romantik. Während erst durch die Epoche der Aufklärung die Vernunft angestrebt wurde, so sah sich die Romantik verpflichtet, diesem neuen Zustand ein Ende zu bereiten und die Welt zurück zu ihrem alten, vernunftlosen, emotionsvollen Zustand zu führen.

Wenn dann der Wandel von Rationalität zu Irrationalität vollbracht ist, so ist die Welt wieder frei; auch die Dichtung (das „Wort“, Zeile 11) erhält mehr Freiheiten. So ist es beispielsweise in der vernunftorientierten Welt nicht möglich, Gegensätze zu vereinen, doch in der freien Welt kann die Dichtung „Licht und Schatten“ (Zeile 7) zu „echter[r] Klarheit“ (Zeile 8) vereinen.

Nur durch die Dichtung kann das vernunftgesteuerte, emotionslose „verkehrte Wesen“ (Zeile 12) des Menschen wieder von den aufklärerischen Werten befreit werden.

Bibliographie

Novalis: Novalis Werke, hg. v. Gerhard Schulz. München 31987, S. 85.



[1] Novalis Werke, 1987, S. 85. Zitate nach dieser Ausgabe künftig mit Versangabe im laufenden Text.


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