„Neue Sachlichkeit"
Alfred Döblin, "Berlin Alexanderplatz" (1929),
Aufgaben:
- Eröffnen Sie Ihre Aufzeichnungen
mit einer Einleitung und einer kurzen Inhaltsangabe (ca. 3-4 Sätze.)
- Analysieren Sie den
Textausschnitt im Hinblick darauf, wie die Hauptfigur die ersten Stunden in
Freiheit erlebt!
- Weisen Sie erzähltechnische und
sprachliche Besonderheiten des Textes nach.
- Prüfen Sie, inwiefern dieser
Ausschnitt literarischen Tendenzen der "Neuen Sachlichkeit" entspricht!
1) Der Romanauszug „ Berlin
Alexanderplatz“, 1929 von Alfred Döblin verfasst, erzählt von der mentalen
Verfassung des Franz Biberkopf, als dieser nach 4 jähriger Haft aus dem
Gefängnis entlassen wird. Franz verlässt die Haftanstalt nur widerwillig, er
hat Angst vor den Menschen und dem Leben in der Stadt. Bei seiner Ankunft, wird
er von den Eindrücken und Erneuerungen in der schnellen, lauten und vollen
Stadt überflutet. Er schwankt im inneren Monolog zwischen Angst und
Aggressivität, solange bis er den einzelnen Mensch nicht mehr als diesen sieht,
sondern als Fassade der Stadt.
2) Ein Grund für die
Entpersonifizierug der Menschen, ist die Tatsache, dass Franz Biberkopf in den
Jahren seiner Haft nur mit bekannten und in der Anzahl überblickenden
Menschenmassen konfrontiert wurde. Er fühlt sich von den Fremden Menschen und
deren Hektik überfordert. „Gewimmel.Gewimmel.Wie sich das bewegte“(Z.39). Schon
vor der Entlassung, hat Franz bedenken über das Leben außerhalb der
Haftanstalt. Für ihn ist der geregelte Alltag im Gefängnis eine Art Sicherheit
gewesen, deren Verlust er als „Der schreckliche Augenblick (…)“ (Z.9)
empfindet.
Eigentlich würde er lieber, in der für
ihn sicheren Haftanstalt, bleiben. Er hat Angst und zögert in die „
Elektrische“ zu steigen „(...) und ging nicht.(...), er ging nicht“(Z.5-8). Unter
anderem, weil er die erzwungene Nähe in der „Elektrischen“ als unerträglich
empfindet, für ihn ist es ein „(...)Schmerz(...), der Kopf will platzen“
(Z.21-24).
Diese schmerzliche Angst bleibt auch
noch nach dem Verlassen der „Elektrischen“ und teilt sich auf, in verzweifelter
aggressiver Selbstermahnung „Haltung, ausgehungertes Schwein (...)“ (Z.37) und
überforderter Wahrnehmung. Grund für seine Überforderung sind die ihm Neuen und
Unbekannten vielen Veränderungen in der Stadt, wie die „Schuhgeschäfte,
Hutgeschäfte, Glühlampen, Destillen“ (Z.41-42).
Anhand dieses Romanauszuges kann man
sehen, das Franz Biberkopf die Zeit in der Haftanstalt für sich nicht mehr als
eigentliche Strafe empfunden hat, sondern für ihn mit der erlangten Freiheit
„Die Strafe beginnt“ (Z.18).
3) Diese empfundene Strafe bei der
eigenen Entlassung, unterstreicht der auktoriale Erzähler durch die relativ
vielen inneren Monologe, die teilweise beim erzählen eingeschoben sind „(...)
(schrecklich, Franze, warum schrecklich?), (...)“ (Z.10). Die Erlebnisse werden
vom Er-Erzähler sachlich erzählt, wobei der ständige Wechsel zwischen
Außen-und Innensicht die emotionale Verfassung von Franz ausführlich wiedergeben.
Der Leser bekommt die Emotionen Angst und Aggressivität deutlich vermittelt,
besonders durch den kurzen Teil, in dem der auktoriale Erzähler zum Ich
-Erzähler wird „(…), reiß dich zusammen, kriegst meine Faust zu riechen.“
(Z.37-38) und „Mein Brägen (...)“ (Z.40-41). Die einfache Umgangssprache, sowie
die vielen parataktischen Sätze, verdeutlichen diese angespannte Atmosphäre
dann noch einmal. „
Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den Fuß.“ (Z.19).
Die eigentliche Dramatik
der beschriebenen Situation wird auch durch vereinzelte Ellipsen herausgehoben
„Los.“ (Z.21) „Nichts.“ (Z.37) „Gewimmel, welch Gewimmel.“ (Z.39).
Insgesamt geben die
verwendeten sprachlichen Besonderheiten eine angespannte und sich im
Widerspruch stehende Atmosphäre wieder. Dieses widersprüchliche empfindet der
Leser besonders zu Anfang des Textauszuges, wo der auktoriale Erzähler von der
Außensicht her den wieder freien Franz „(...), er war frei.“ (Z.5)
beschreibt,also eine eigentlich erfreuende Tatsache, während wir durch die
erzählte Innensicht bzw. inneren Monologe erfahren, das Franz nur widerwillig
die Haftanstalt verlässt „Widerwillen, warum Widerwillen“ (Z.13).
4) Dieser Widerspruch
zwischen freudigem Ereignis und empfundenen Widerwillen, könnte man auch als kritische
Sichtweise auf die Wirklichkeit interpretieren, welches ein typisches Merkmal
der Neuen Sachlichkeit ist. Die Stadt Berlin, in diesem Fall der Alexander
Platz, ist ebenfalls ein Merkmal, was die Neue Sachlichkeit beschreibt. Dabei
ist die in dem Romanauszug beschriebene Atmosphäre, eines hektischen und sich
ständig veränderndes Berlins, das ausschlaggebende Merkmal für die Neuen
Sachlichkeit.