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Seminararbeit / Hausarbeit

Analyse der Kurz­ge­schichte `Die Bestie` von Bertolt Brecht

6.779 Wörter / ~30 Seiten sternsternsternsternstern_0.75 Autorin Constanze Eichendorff im Mai. 2010
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Analyse der Kurzgeschichte   Die Bestie  von Bertolt Brecht
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Seminararbeit
Deutsch

Universität, Schule

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

Autor / Copyright
Constanze Eichendorff ©
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sternsternsternsternstern_0.75
ID# 1344







Analyse der Kurzgeschichte
„Die Bestie“ von Bertolt Brecht

 

Studienarbeit

Karl-Franzens Universität Graz


Inhalt

1.          Die Kurzgeschichte „Die Bestie“ 3

1.1.      Entstehungsgeschichte. 3

1.2.      Einordnung in Brechts Gesamtwerk. 7

2.          Analyse der Kurzgeschichte. 10

3.          Fragen an den Text 16

3.1.      Wie ist das Verhältnis zwischen realer Vorlage und dichterischer Fiktion? 16

3.2.      Warum verzichtet Brecht auf den Akt des Wiedererkennens? 17

3.3.      Wie vermittelt der Autor den Begriff Bestie in seinem Werk und wie wird die Bestie dargestellt? 18

3.4.      Welche Bedeutung hat der Apfel? 22

3.5.      Warum werden die Darstellungen des richtigen Generals nicht filmisch festgehalten? 24

3.6.      Warum wird der General stets als „der Ähnliche“ bezeichnet? 25

3.7.      In wie weit ist der Einfluss von Brechts Theater- und Filmtheorie erkennbar? 26

4.          Bert Brecht – Biografie. 27

5.          Was kritisiert Brecht in seiner Kurzerzählung? 30

5.1.      Kritik am aristotelischen Theater als Verkörperung des Illusionstheaters 30

5.2.      Kritik am Umgang mit der Darstellung der Wirklichkeit 31

5.3.      Kritik an der kollektiven Vorstellung von Bestialität 32

6.          Quellenangaben. 34

 

1.   Die Kurzgeschichte „Die Bestie“

1.1. Entstehungsgeschichte

Brecht interessierte sich schon recht früh für das Medium Film und verfasste auch Drehbücher für einige Stummfilme. Folglich war er mit dem Entstehungsprozess auch vertraut. Es gibt Quellen, die darauf verweisen, dass Brecht engen Kontakt zur sowjetischen Filmindustrie hatte. Am 22. Juni 1928 erschien in der „Frankfurter Zeitung“ folgender Beitrag mit dem Titel „Ein Wiedererkennen“: „Die russische Filmgesellschaft Moszroprom-Ruß-Film drehte vor kurzem den Film „Der weiße Adler“, die die Pogrome in Südrussland vor dem Krieg darstellt und die Haltung der damaligen Polizei brandmarkt. Für die Rolle des berüchtigten Gouverneurs Muratow, der als Urheber dieser Metzeleien gilt, war der Moskauer Schauspieler Kochalow gewonnen worden. Kurz vor der ersten Aufnahme verzichtete jedoch die Filmregie auf seine Mitwirkung, da die Rolle von einem neu entdeckten Darsteller gemimt werden sollte, der dem Gouverneur täuschend ähnlich sah und der für ein geringes Entgelt sich der Gesellschaft verpflichten wollte. In der Uniform eines kaiserlichen Gouverneurs betrat der allen unbekannte Darsteller den Aufnahmeraum und man war gerade dabei die Szene zu drehen, in der Muratow die Deputation der Israeliten empfing, die ihn beschwor, dem weiteren Morden Einhalt zu gebieten. Unter den Komparsen befanden sich zwei jüdische Einwohner der Stadt, die s. Zt. Mitglieder der genannten Deputation gewesen waren. Man hatte die Greise engagiert, um die Aufnahmen noch naturgetreuer und charakteristischer zu gestalten. Plötzlich ertönte ein markerschütternder Schrei. Die beiden Juden hatten in der Person des neuen Schauspielers den wirklichen Muratow erkannt, der aus Not die Rolle seines eigenen „Ich“ übernommen hatte, um auf der Leinwand sein früheres Tun wiederzugeben. Brecht nahm dies zur Vorlage für seine kurze Zeit später verfasste Kurzgeschichte. Anlass dafür war ein Preisausschreiben der „Berliner Illustrirten Zeitung“, an dem Brecht teilnahm. „Die kurze Novelle, die ein Thema in knappster, lebendigster Fassung zusammendrängt und in packender Steigerung ein Geschehnis spannend und bannend darstellt, ist eine Form der erzählenden Prosa, die wie wenig andere typischer Ausdrucke unserer Zeit ist. Fremde Autoren sind in Novellen aus der Großstadt und aus der Weite der Welt mit Konzentration und diesem Tempo vorausgegangen, während die deutsche Kurzgeschichte erst im Begriff ist, sich ihren Platz im Schrifttum zu erwerben.“ Ziel war es, die deutsche Kurzprosa zu fördern und deutsche Autoren und Autorinnen zu motivieren, etwaige Defizite in dieser Gattung, in Bezug auf Thema und formalen Ausführungen, zu überwinden und dadurch neue Impulse für die deutsche Literatur auszusenden. Dabei muss angemerkt werden, dass gerade in dieser Zeit kurze Geschichten oder Fortsetzungsromane in diversen Zeitungen oder Zeitschriften bei der Leserschaft sehr beliebt waren.

Bertold Brecht gewann mit „Die Bestie“ den ersten Preis und wurde dafür mit 3.000 Mark belohnt. Die Publikation in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ am 9. Dezember 1928 wird meist als Erstveröffentlichung zitiert. Erst 1930 veröffentlichte man die Kurzgeschichte im Verlag Felix Bloch unter dem Titel „9 Kurzgeschichten“.

 

1.2. Einordnung in Brechts Gesamtwerk

Prinzipiell ging Bertolt Brecht als Dramatiker und Lyriker in die Literaturgeschichte ein – auch wenn er drei Romane verfasst hat. Allerdings hat Brecht nur den „Dreigroschenroman“ abgeschlossen; „Tuiroman“ und „Die Geschäfte des Julius Cäsar“ sind lediglich fragmentarisch erhalten. Dabei hat Brecht, wie schon erwähnt, bereits in der Schulzeit mit Aufsätzen und Kurzgeschichten die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und gerade in den 1920er Jahren eine ansehnliche Menge an Kurzprosa verfasst, die aber überwiegend nicht in der Brechtforschung behandelt wurde. Die bekannteste Kurzgeschichte trägt den Titel „Kalendergeschichten“ (1949) und ist ein Spätwerk des deutschen Literaten.

Vor 1920 hat Brecht an die siebzehn, meist einseitige, Geschichten unterschiedlicher Genres verfasst. Der Durchbruch gelang ihm allerdings erst mit der Veröffentlichung von „Bargan lässt es sein“ (1921). Daraufhin intensivierte Brecht die Prosaproduktion und eine Vielzahl von Erzählungen wurden publiziert. Viele Geschichten davon erschienen in Zeitungen und Zeitschriften und so wurde Bertolt Brecht mit der Zeit ein Begriff - zunächst in der Berliner und in weiterer Folge auch in der deutschen Literaturszene. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass nicht die Erreichung eines spezifischen Bekanntheitsgrades für die vermehrte Literaturproduktion verantwortlich war, sondern vielmehr der finanzielle Aspekt[1]. 1928 erschien die Kurznovelle „Die Bestie“. Danach verlegte Brecht sein Hauptaugenmerk auf andere Gattungen. 1930 verfasste er noch ein Drehbuch, basierend auf die preisgekrönte Novelle.

Die 1920er Jahre waren für Brecht eine aufregende Zeit in einer noch aufregenderen Stadt: der technische Fortschritt kam im rasanten Tempo auf die Gesellschaft zu – das Radio wurde zum Massenmedium und die Bilder haben nicht nur laufen gelernt, sondern auch „sprechen“. Als Kunstrichtung etablierte sich die „Neue Sachlichkeit“[2]. Dies alles hatte starken Einfluss auf den jungen Brecht und die Erfahrungen, die er damit machte, sowie seine Beobachtungen ließ er in seine Werke einfließen. Gerade der Technikkult, insbesondere der Film interessierte ihn brennend. Bereits in Augsburg veröffentlichte der junge Brecht die ersten Filmkritiken für den „Volkswillen“.[3]

Für Brecht bot die Filmproduktion eine neue Möglichkeit der Kunstproduktion sowie der Miteinbeziehung der Zusehenden. Für ihn hatte der Film den Vorteil,

„... auf die Außenschau angewiesen zu sein,

eine Beobachterperspektive einnehmen zu

müssen und dadurch mit der „Inkubusgewohnheiten“

der bügerlichen Literatur, speziell mit der

Introperspektive und der psychologischen

Motivation des Romans und der zugeordneten

Rezeptionsform der Einfühlung, zu brechen.“[4]

 


 

2.   Analyse der Kurzgeschichte

2.1. Sprache

Brecht verwendet in seiner Kurzgeschichte eine einfache und leicht zu verstehende Sprache – zumindest wird beim ersten Durchlesen der Inhalt sofort verstanden. Allerdings verbirgt sich vieles in dieser Geschichte „zwischen den Zeilen“, so dass ein mehrmaliges Lesen erst die tiefere Bedeutung der Erzählung erfassbar macht. Brecht hat auch in dieser Erzählung nicht auf seine typisch verschachtelten und bisweilen mehrere zeilenlange Satzkonstruktionen verzichtet. Die Novelle ist durchgehend im Präteritum verfasst und weist keinen Tempuswechsel auf.

Das Interessante an Brechts Bestie ist der montagenartige Umgang mit der Sprache. Beim Lesen wird der Fokus der/des RezipientIn immer wieder auf bestimmte Charaktere der Geschichte gelenkt. So entsteht der Eindruck, einen Film zu „lesen“. Einzelne Textpassagen muten wie Filmszenen an, die einfach aneinandergereiht, die Handlung der Erzählung tragen. Diese Montagetechnik erinnert somit eher an einen Film, denn an eine Kurzgeschichte des jungen Brecht. Selten scheint die Erzählung auf eine einzelne Person fokussiert, der Text versucht Konstellationen der Figuren innerhalb unterschiedlicher Situationen darzustellen. Der Wechsel von den Figuren erinnert an die moderne Schnitttechnik mit ihren Stilmitteln, wie Totale, Halbtotale oder Nahaufnahme.

„Der Regiestab stand auf und fing an, auf Kochalow, der zugesehen hatte, einzureden. Alle sprachen gleichzeitig.“

Diese beiden Sätze verlagern die Aufmerksamkeit der Leserinnen auf den Regiestab. (Beim Film würde diese Kameraeinstellung „Totale“ heißen, da eine größere Gruppe bildhaft zu erfassen ist und somit die Kamera aus der Distanz aufnehmen muss.) Deren Reaktion wird genau geschildert und es folgt eine kurze Überleitung – etwa vergleichbar mit einer Überblendung beim Film oder erläuternden Kommentaren aus dem Off:

„Gruppen bildeten sich, das Wesen der Bestie wurde erörtert.“

Als nächstes „schwenkt“ die Erzählung zum laienhaften Hauptdarsteller über:

„Auf dem historischen Stuhl des Generals Muratow, [...], saß vergessen der «Ähnliche», gequält vor sich hinstarrend, trotzdem horchte er. Er verfolgte anscheinend genau die Gespräche. Er bemühte sich, die Situation zu erfassen.“

Nun wird ausführlich auf die Reaktion des Darstellers fokussiert. Im Filmjargon würde man jetzt von einer Nahaufnahme sprechen, da die Haltung und auch das Verhalten genau beschrieben werden. Als nächstes wandert das Hauptaugenmerk auf eine Gruppe, bestehend aus den beiden Juden:

„Auch die Darsteller der jüdischen Deputation

beteiligten sich an der Erörterung.“

Die Kurzweiligkeit dieser „Halbtotalen“ lässt schon vermuten, dass die jüdischen Darsteller weniger zur Wahrheitsgetreue des Films beisteuern dürfen als sie könnten. Dennoch folgt eine längere Sequenz, in denen diese im Mittelpunkt stehen:

„Eine Zeitlang hörte man auf zwei Komparsen, alte jüdischeEinwohner der Stadt, die seinerzeit Mitglieder dergenannten Deputation gewesen waren.

 Man hattedie Greise engagiert, um die Aufnahmenoch naturgetreuer und charakteristischer zu gestalten.“

Beim Lesen dieser Textpassage hat man das Gefühl, dass die Wichtigkeit der beiden Darsteller sich von Wort zu Wort reduziert – ähnlich eines „Rauszoomens“ von einem kleinen Bildteil auf einen größeren Bildausschnitt. Auch die folgenden Zeilen unterstützen diesen Eindruck:

„Sie fanden merkwürdiger Weise, dass das allererste Spiel des «Ähnlichen» nicht schlecht gewesen sei.

Sie könnten nicht sagen, wie es auf andere, Unbeteiligte, wirke, aber auf sie habe seinerzeit gerade das Gewohnheitsmäßige und Bürokratische einen entsetzlichen Eindruck gemacht.“

Langsam entzieht sich der Fokus den beiden Darsteller und die folgenden Sätze sind schon wieder allgemeinerer Natur – beim Film würde der Zoom jetzt wieder in Richtung Totale gehen:

„Diese Haltung hatte der «Ähnliche» ziemlich naturgetreu wiedergegeben. [...] Der Hilfsregisseur lehnte das ab,...“

Im Filmjargon würde diese Dreier-Konstellation als Halbtotale bezeichnet werden. Dem folgt wieder eine „Nahaufnahme“ auf den Hilfsregisseur, der die Kompetenz der jüdischen Berater in Frage stellt und sie auch deren mindere Wichtigkeit für die Filmproduktion spüren lässt:

 

„«Muratow hat immer Äpfel gegessen»,  sagte er schneidend.

«Waren Sie überhaupt dabei?»“

Diese Textpassage ist ein Paradebeispiel für das montageartige Spielen mit der Sprache beziehungsweise mit dem Textaufbau in Brechts Novelle. Sie vermittelt sehr gut das Filmartige in „Die Bestie“.

Mit Sicherheit wurde der Autor durch den damals äußerst populären Stummfilm inspiriert, schließlich war dieser gerade an seinem Zenith angelangt und die Stars und Sternchen der Filmbranche füllten seitenweise das neue Massenmedium Zeitung und so fanden die laufenden Bilder immenses Interesse in der Bevölkerung.[5] In wie weit Brecht nun das Medium Film in den Mittelpunkt seiner Kurzgeschichte stellte beziehungsweise ob er dieses auch kritisieren wollte, wird noch in weiterer Folge erörtert werden.

 

2.2. Aufbau

Die Erzählung ist chronologisch aufgebaut und gibt somit die Geschichte ihrem Verlauf entsprechend wider. Auch ist die klassische Gliederung in Einleitung, Hauptteil und Schluss klar ersichtlich.

Brecht hat sich für das Ende eine Besonderheit aufgehoben und die Variante des offenen Schlusses gewählt. Allerdings ist dieser nicht fragmentarisch, so dass der Leser oder die Leserin in Unwissenheit zurückbleibt, sondern offen in Hinsicht auf die Konsequenzen des Geschehenen. Wobei hierbei angemerkt werden muss, dass der weitere Verlauf des Ganzen für die vom Autor beabsichtigte Aussage unwichtig ist.[6]

Übrig bleibt nur einE RezepientIn, die/der angeregt werden sollte, über die Kernaussagen, die im weitern Verlauf der Arbeit erörtern werden, nachzudenken und sich in hermeneutischer Manier an den Inhalt zu wagen. Brecht wollte die Leserschaft motivieren, sich eine „produktive Haltung“ anzueignen, von ihr sozusagen den Mut zu denken einzufordern, wie auch er als Künstler selbst aufgefordert ist, Mut zu zeigen und zu denken.


“Alles kommt darauf an, dass ein richtiges Denken gelehrt wird, ein Denken, das alle Dinge und Vorgänge nach ihrer vergänglichen und veränderbaren Seite fragt.“
[7]

Die Aufforderung Kunst, nicht nur zum Zwecke des Konsums zu produzieren, sondern als pädagogisches Mittel einzusetzen und von der „Kunstkonsumentenschar“ auch eine kognitive Form von Mitarbeit zu fordern, verstärkt Brecht später mit seinem epischen Theater. Eines der Grundprinzipien dessen ist, das Theater ans sich als paradigmatische Anstalt anzusehen und die Möglichkeit der ZuseherInnen-Erziehung auch ausgeschöpft werden soll.

Aus dieser Perspektive sind auch Ähnlichkeiten mit einem Kant, der ja die Eigenverantwortung des Menschen proklamierte oder aber auch im Sinne der aufklärerischen Erziehungsaufforderung in der Literatur alla „docere et delectare“ – also der Verbindung von Belehrung und Vergnügen im Rahmen der Kunst – erkennbar. Beide Male steht die Ausreizung der Künste in ihren eigenen Leistungsbereichen im Vordergrund. Brecht steht im 20. Jahrhundert allerdings ziemlich alleine mit der Kombination von Erziehung und Unterhaltung im künstlerischen Bereich dar, da diese Tradition von anderen Strömungen unterminiert wurde.

 


 

2.3. Erzähler

Der auktoriale Erzähler schildert seine Eindrücke der Handlung aus einer Außenperspektive, allerdings lässt er den/die RezipientIn im Unklaren, wie viel er wirklich weiß und spielt mit seinem Wissensstand. Als LeserIn ist man unschlüssig, in wie weit man den Ausführungen vertrauen kann, da immer ein Teil der Aussagen interpretierbar bleibt beziehungsweise nicht eindeutig ist. Der Erzähler spielt mit dem Spekulativen – dazu bedient er sich hypothetischer Adverbien, wie zum Beispiel „vielleicht“ oder „anscheinend“, und andeutungsvollen Verben, wie zum Beispiel „scheinen“:

„Die Regieanweisung hat der «Ähnliche» anscheinend vergessen.“

„Die Äpfel schienen Eindruck auf ihn zu machen.“

Des Weiteren steht der Erzähler dem Ganzen distanziert gegenüber und kommentiert das Geschehen aus der Entfernung:

„Der «Ähnliche» stellte sich nicht ungeschickt an. Er machte alles, was man ihm sagte, er machte es nicht einmal schlecht.“

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Erzähler tendenziell allwissend auftritt und sich unterschiedlicher Stilmittel bedient. Er zeigt Tendenzen zur (Selbst-)Ironie und zu Euphemismen, damit spielt er mit den RezipientInnen und möchte sie zum aktiven Lesen anstiften und macht dadurch ein mehrmaliges beziehungsweise ein multiperspektives Lesen der Kurzgeschichte unabdingbar.

 


 

3.   Fragen an den Text

3.1. Wie ist das Verhältnis zwischen realer Vorlage und dichterischer Fiktion?

Brecht fand die Vorlage der Kurzgeschichte in einer Zeitungsnotiz. Allerdings hat er diese nicht eins zu eins übernommen, sondern der realen Geschichte die Pointe entzogen. Zwar wurde auch in der Wirklichkeit ein Film über die Pogrome in Südrussland (Mitte der 1880er bis in die 1890er unter den Zaren Alexander II. und Nikolaus II.) gedreht, doch verzichtete die Regie auf den russische Hauptdarsteller Kochalow noch vor den ersten Aufnahmen, da ein weitaus „ähnlicherer“ Darsteller gefunden worden war, der noch dazu viel weniger Salär verlangte – dies war der echte Gouverneur Muratow. Bei Brecht hingegen wird auf die Mitwirkung des russischen Schauspielers nicht verzichtet. Der „Ähnliche“, wie der echte Gouverneur fortwährend bezeichnet wird, fungiert lediglich als „Vorspieler“ der brutalen Szenerie der Urteilsfestlegung. In wie weit die Situation sich wirklich so abgespielt hat,  ist nicht genau nachvollziehbar, da der Zeitungsbericht sich darüber ausschweigt. Somit kann und muss auch angenommen werden, dass Brecht sich bei russischen Filmproduktionen ausgekannt haben muss[8]. Die detaillierte Beschreibung des Produktionsprozesses ist ein aussagekräftiges Indiz dafür. Weiters waren die jüdischen Berater bei der realen Filmproduktion als Komparsen engagiert und nicht, wie in Brechts Erzählung, bloße Berater. Genau diese sind auch Dreh- und Angelpunkt des Ausgangs des Vorfalls in der Wirklichkeit – laut Zeitungsnotiz waren sie es, die die wahre Identität des „neuen“ Schauspielers an den Tag legten. Bei Brecht hingegen bleibt die Persönlichkeit unerkannt – lediglich die/der RezipientIn hegt den Verdacht, dass der Muratow-Darsteller der echte General sein könnte. Der Ausgang der Kurzgeschichte bestätigt diese Vermutung.

Gerade in den 1920er Jahren kam es zu einer Kehrtwende in der deutschen Filmproduktion. Waren bis dato das Aussehen beziehungsweise die Ähnlichkeit des Schauspielers oder der Schauspielerin mit der darzustellenden Figur wichtig, so trat dies mit Ende der Stummfilmära vermehrt in den Hintergrund und die Popularität der Darsteller zunehmend in den Mittelpunkt – eine neue Ära des Starkultes begann.

 

3.2. Warum verzichtet Brecht auf den Akt des Wiedererkennens?

Im Gegensatz zur Vorlage aus der Zeitung streicht Brecht das Moment des Wiedererkennens des Generals durch die jüdischen Statisten. Nach Aristoteles ist der Akt des Wiedererkennens (Anagnorisis) ein dialektischer Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis[9], doch Brecht verzichtet auf diesen Umbruch. Viel mehr versucht der Autor bei der Leserschaft ein Gefühl der Beklemmung[10] hervorzurufen, um den Effekt der Erzählung beim Lesenden zu steigern. Somit gelangt die/der RezipientIn in die Situation mehr zu wissen als die Beteiligten und zwingt sie somit noch tiefer in die Handlung einzutauchen und darüber hinaus wird ein aktiveres Lesen provoziert.

 


 

3.3. Wie vermittelt der Autor den Begriff Bestie in seinem Werk und wie wird die Bestie dargestellt?

Brecht lässt die Bestie in verschiedenen Darstellungsweisen auftreten. Man kann von drei unterschiedlichen schauspielerischen Variationen sprechen.

Zunächst gibt Muratow den Gouverneur nach seinen eigenen Vorstellungen beziehungsweise seinen eigenen Erinnerungen nach. Das heißt, Muratow wiederholt sein damaliges Handeln nochmals. Hier spricht man von einer authentischen Darstellung des Geschehen, da ja eigentlich alles wahrheitsgetreu geschauspielert wird. Der „Ähnliche“ agiert im Rahmen des eigenen Ermessens und Empfindens. Er schlüpft in die Rolle des Kleinbürgers, der sich keine Schuld aufladen möchte und es auch aus Kurzsichtigkeit heraus nicht kann. Muratow sieht seine Rolle als Scherge für etwas Größeres, eines Systems, dem er nur Folge leisten kann und als kleiner Untergebener – als „Schreibtischtäter“ – nur Befehle ausführt – ohne sich selbst dabei schmutzig zu machen. Insofern sieht er selbst kein Blut an seinen Händen, da er ja nur Befehlsübermittler und kein ausführendes Organ in der Todesmaschinerie der Pogrome war. Seine Darstellung fügt sich der Vorstellung des kleinen Beamten: Muratow spielt ohne große Gesten, ohne direkte Grausamkeit; die Szene könnte sich fast in jedem x-beliebigen Büro abspielen. Seine „Unschuld“ unterstreicht Muratows Frage nach den Hilfsschergen des Generals:

„Jetzt drehte sich der «Ähnliche» fragend nach den Regisseuren um und murmelte: «Wer führt sie ab?»“

Doch dem Regisseur ist diese Darstellung zu harmlos, zu emotionslos, zu wenig brutal und er verlangt mehr. Für ihn muss die Grausamkeit offensichtlicher werden – der abrupte Abbruch der Szenerie ist für ihn unverständlich:

„Der Chef-Regisseur blieb sitzen. «Ja, sind Sie schon fertig?»

«Ja, ich dachte, sie werden jetzt abgeführt»“

Für den Chefregisseur offenbart sich in der Haltung seines Laiendarstellers, dass dieser noch nicht ganz begriffen hat, wen er da eigentlich spielen soll, beziehungsweise wie bestialisch er sich geben muss und versucht Muratow zur erklären, wie eine Bestie für den Film auszusehen hat:

„«So einfach ist das nicht ja nun nicht mit den Bestien. Etwas mehr müssen Sie sich schon anstrengen.» [...] «So benimmt sich keine Bestie», sagte er «So benimmt sich ein kleiner Beamter. Sehen Sie, Sie müssen denken. Ohne Denken geht es nicht Sie müssen sich diesen Bluthund vorstellen. So im kleinen Finger müssen sie ihn haben.»“

Als LeserIn erhält man fast den Eindruck, dass der Regisseur nicht bloße Wirklichkeitsdarstellung einfordert, sondern viel mehr schon Übertreibung verlangt. Die Brutalität des Handelns muss auch in der kleinsten Bewegung spürbar werden. Man kann dem Chef-Regisseur schon fast Wirklichkeitsverweigerung vorwerfen, weil das, was er sehen möchte, ist kein individuelles Verhalten, sondern eine klischeehafte Karikatur des Bösen. Die wahrheitsnahe Darstellung interessiert ihn nicht.

Was folgt, ist die psychologische Interpretation einer Bestie. Muratow wird noch mit Äpfeln versorgt, weil ja der echte General immer Äpfel gegessen hat, und das ganze Spiel beginnt von vorne. Der Regisseur orientiert sich mit seinen Anweisungen an den Publikumserwartungen, die er erfüllt wissen will. Er ermuntert seinen Darsteller zu einer verstärkten Charakterisierung und dieser fügt sich und versucht, die Vorgaben durch kantiges Auftreten und noch mehr Gleichgültigkeit der gesamten Szenerie und noch offensichtlicherer Herabwürdigung der jüdischen Deputation gegenüber Folge zu leisten:

„Schultern zurück, Brust heraus, eckige Kopfbewegungen.“

Muratow versucht dem Militärischen durch seine Körperhaltung Ausdruck zu verleihen.

„Überfliegt von der Tür aus mit einem Geierblick die sich tief verneigenden Juden.

[...] Er sucht die Theaternachrichten unterm Strich. Schlägt mit der Hand leicht den Takt zu einem Schlager. (Eröffnet das Verhör.)“

Der „Ähnliche“ offenbart sein Desinteresse und lässt die Abneigung der Bestie der Deputation gegenüber alleine durch seinen Blick erahnen. Durch diese Gleichgültigkeit wird die herzlose Haltung des Generals spürbar. Die Missbilligung der Juden gegenüber werden noch durch eine abfällige Geste des „Ähnlichen“ unterstrichen:

„Indem er die Juden mit einer gemeinen Bewegungdes Handrückens drei Meter zurückweist.“

Die Szenerie lässt die Leserschaft schon ein wenig erschaudern, weil gerade diese stumpfe Teilnahmslosigkeit am Schicksal der Juden das Grausame erst erlebbar macht – gerade weil das Kollektiv sich von einer Bestie ein solches oder zumindest ähnliches Verhalten erwartet. Für Brecht ist aber die Publikumserwartung beziehungsweise die Erfüllung dieser zu wenig – die Wechselwirkung von Erwartung und Erfüllung ist ein typisches Merkmal des bürgerlichen Theaters – und auch dem Regisseur erscheint diese Darstellung noch nicht glaubhaft genug:

„Sie werden’s nicht begreifen. Was Sie da machen, dasgeht nicht. [...] Das ist ganz gewöhnliches Theater.

Ein Bösewicht der alten Schule. Lieber Mann, das ist nicht,was wir uns heute unter einer Bestie vorstellen. Das ist kein Muratow.“

Der Chef-Regisseur fordert eine Darstellung der Bestie im Gesamten – ein Kombinat aus sozialer und gesellschaftlicher Vorstellung des Grausamen. Durch die schauspielerische Leistung des Laien soll das Publikum mitgerissen und in ihren persönlichen sowie in ihrer kollektiven Vorstellung von dem Bösen bestätigt werden. Diese Übertreibung erinnert an alte Western, in denen oftmals Gänsehaut ohne Blutvergießen forciert wird – als Ergebnis klischeehafter und realitätsferner Typen, die ihrem Handeln durch beiläufige Gesten oder mimische Ausdrücke mehr Tiefe verleihen.

Das interessante an der dritten Darstellungsvariante ist die Versiertheit der Szenerie am Verzehr des Apfels[11]. Selbst Muratow erkennt die Bedeutung des Apfels, zumindest für den Regisseur, und baut das Verlangte in die Szene ein, in dem er einen Vorschlag bringt:

„«Ich glaube, ich weiß, was Ihnen vorschwebt. Es soll eine Bestie sein.

Sehen Sie, das können wir doch mit den Äpfeln machen. Nehmen Sie einfach an, ich nehme

einen Apfel und halte ihn dem Juden vor die Nase. «Friß!» sage ich.

Und während er – paß auf», wandte er sich an den Darsteller des Führers der Deputation, «während du den Apfel frisst, bedenke, er bleibt dir in deiner Todesangst selbstverständlich in der Kehle stecken, aber du musst den Apfel ja fressen, wenn ich, der Gouverneur, ihn dir gebe, übrigens ganz freundlich, von mir ist es ja eine freundliche Geste gegen dich, nicht wahr», wandte er sich wieder an den Chef-Regisseur, «könnte ich ja dabei dann ganz nebenbei das Todesurteil unterzeichnen. Und er, der den Apfel ißt, sieht es.»“

Als Reaktion auf Muratows Ausführungen ist nur pures Entsetzen des Filmteams zu vernehmen. Er hat mit seinem Vorschlag die Vorstellungen des Grausamen jedes Teammitglieds übertroffen. Die Geste, die dem „Ähnlichen“ vorschwebt, übersteigt die Grenze des Erfassbaren und verleiht der Szenerie ein Unmenge an unmenschlicher Offenbarung; während der Endpunkt für die betroffenen Juden durch das Todesurteil gesetzt wird, entgegnet der Gouverneur der Deputation mit „Freundlichkeit“. Damit hat niemand gerechnet – auch die/der LeserIn nicht - das Bestialische wird gerade in Kleinigkeiten beängstigend evident – eine simple Handlung, die der Bestie ein fast schon perverses Profil verleiht.

Gerade das Aufzeigen von Unmenschlichem im Kleinen ist eine Spezialität von Brecht. Er lässt seine Leserschaft am Prozess der „Bestien-Werdung“ teilhaben und übertrifft die kühnsten Erwartungen der RezipientInnen.

Ein wichtiges Detail, das sehr schnell überlesen werden kann, ist das Faktum, dass während der Darstellungen von Muratow eigentlich keine filmische Aktivität stattgefunden hat. Näheres wird im Folgenden erklärt.

3.4. Welche Bedeutung hat der Apfel?

Die Darstellung der Bestie in der dritten Variante beinhaltet einen sehr hohen Grad von inhumaner Grausamkeit – umgesetzt und verbildlicht in Form der Apfelschenkung. Einerseits begegnet der Gouverneur der Deputation mit totaler Ablehnung – schon erkennbar an Blick und Körperhaltung, andererseits überreicht er ein Geschenk – den Apfel. Die Weitergabe des Obstes wäre im normalen Fall ein Akt der Freundschaft beziehungsweise ein Bekundung von Sympathie oder eine gütige Geste. Doch da dies im Angesicht der Todesurteilsunterzeichnung geschieht, ist es ein Sinnbild von Erniedrigung für die jüdische Deputation. Der Gouverneur bringt damit seine eindeutige Überlegenheit zum Ausdruck und zeigt seine „freundliche Seite“ und erwartet sich daraus resultierende Dankbarkeit. Damit stellt sich die Bestie in ein gutes Licht – obgleich der todesbringenden Handlung.[12]

Des Weiteren muss angemerkt werden, dass der Gouverneur in Wirklichkeit keine Äpfel gegessen hat – zumindest nicht dauernd, so wie es vom Hilfsregisseur erörtert wird:

„Muratow hat immer Äpfel gegessen,

[...] waren Sie denn überhaupt dabei?“

Dieser Satz beinhaltet viel. Einerseits grenzt es schon fast an Ironie, dass der Hilfsregisseur den echten General fragt, ob dieser überhaupt dabei war und ihn, die realen Bestie, besserwisserisch belehrt. Andererseits wird mit dieser Äußerung offensichtlich, dass eigentlich kein Interesse an der naturgetreuen Nachstellung des damaligen Geschehnissen besteht. Es soll lediglich eine Geschichte nacherzählt werden – mit allen Mitteln, die der Film möglich macht und dem Einsatz von offensiven Gesten, die das Bestienhafte für die Zuseherin und den Zuseher erfassbar macht.


 

3.5. Warum werden die Darstellungen des richtigen Generals nicht filmisch festgehalten?

Die Tatsache, dass Muratows Darstellungen nicht auf Film gebannt werden, unterstreicht die oben genannte These: nicht „wie-es-war“ ist wichtig, sondern „wie-stellt-man-sich-das-vor“ tritt in den Vordergrund. Es wird offensichtlich, dass es doch einen Unterschied zwischen theaterhafter Darstellung, wie es der echte General macht, und filmischer Produktion, aufgezeichnet mit dem Profischauspieler Kochalow, gibt. Zumindest für Brecht. Denn mit dem eigentlichen Triumph des echten Schauspielers, der sich von den Fähigkeiten des Laien motiviert zeigt, wieder am Film mitzuarbeiten und dass schlussendlich auch mit Leib und Seele macht, verdeutlicht Brecht seine persönliche Auffassung von Film und Kunst.

„Kochalow hatte scharf zugehört, an der von dem Ähnlichen vorgeschlagenen Apfelszene hatte sich seine schauspielerische Phantasie entzündet und, in dem er den «Ähnlichen» mit einer brutalen Armbewegung einfach wegschob...“

Dieser Absatz markiert den aufkeimenden Sieg der bloßen filmischen Reproduktion gegenüber einer naturgetreuen Abbildung. Für Brecht ist klar, dass das Medium Film nicht Garant für eine reale Wiedergabe oder gar ein wirklichkeitsgetreues Abbild sein kann, da den Produzierenden  immer genügend Manipulationsfreiheit eingeräumt werden kann.

Die endgültige Überlegenheit des in den 1920er-Jahren aufkommenden Starkinos beweist die Reaktion der gesamten Filmmannschaft auf die Darstellung des Kochalow:

„Das ganze Atelier brach, als Kochalow schweißtriefend das Todesurteil unterzeichnet hatte, in Händeklatschen aus.“

Der Schauspieler hatte sich aller Klischees bedient und die wirklichkeitsfernen Erwartungen des Regisseurs nicht nur erfüllt, sondern übertroffen und somit die historisch motivierte Darstellungsweise des echten Gourverneurs in den Schatten gestellt. Die Übertreibung und Überzeichnung der Reproduktion der Bestie hatte schlussendlich überhaupt nichts mit der Vergangenheit zu tun.

Eine Moral dieser Geschichte besagt eben einer der letzten Sätze, der nicht ganz ohne Ironie zu lesen ist:

„Es hatte sich gezeigt, dass bloße Ähnlichkeit mit einem Bluthund natürlich nichts besagt und dass Kunst dazugehört, um den Eindruck wirklicher Bestialität zu vermitteln.“

Brecht unterstreicht zum Schluss die Herrschaft des konventionellen Kunstklischees im Film und verleiht dadurch der Erzählung auch einen Funken von Medienkritik.[13]

 

3.6. Warum wird der General stets als „der Ähnliche“ bezeichnet?

In der Erzählung selbst kommt erst am Schluss ans Licht, dass „der Ähnliche“ in Wirklichkeit der General war, der ja im Film dargestellt wird. Aber die Leserschaft erahnt es schon früher. Um diese Ahnung aufrecht zu erhalten, wird der echte Muratow als „der Ähnliche“ bezeichnet. Außerdem wird er ja gerade wegen seines Aussehens und der auffallenden Ähnlichkeit in Typus und Auftreten für den Film genommen.

Ganze 21 Mal kommt der Wortstamm „Ähnlich-“ in der gesamten Erzählung vor. Brecht bedient sich hierbei dem Mittel der Wiederholung[14], mit dem er die Vermutung der ZuschauerInnen, dass es sich doch um den alten Gouverneur handelt, immer wieder belebt. Brecht hatte seit seinem frühesten Schaffen ein breites Repertoire von Stilmitteln aufgebaut. Eines davon ist das Prinzip der Wiederholung.

3.7. In wie weit ist der Einfluss von Brechts Theater- und Filmtheorie erkennbar?

Beim genauen Studieren der Kurzgeschichte wird erkennbar, dass Brecht seine Sichtweise über Theater und Film durchscheinen lässt. Das Konzept der Darstellung steht ja im Diskurs und er ist durchaus erkennbar, dass Brecht das traditionelle bürgerliche Theater in Frage stellt, da der Aspekt der „Publikumserziehung“ beim Inszenieren des Filmes komplett abgelehnt wird – stattdessen wird die durchdringende Angepasstheit an die Publikumserwartung verlangt und in weiterer Folge auch erfüllt.

Gerade das montageartige Schreiben ist typisch für Brecht. Nicht nur in der Erzählung „Die Bestie“, sondern auch in seinen weiteren Dramen, wie etwa „Der kaukasische Kreidekreis“, verwendet er immer wieder das Mittel der Montage. Und er tut dies bewusst, um die/den Rezipienten aktiv und das Interesse an der Geschichte aufrecht zu halten:

„Da das Publikum nicht eingeladen werde, sich in die Fabel wie in Fluß zu werfen, um sich hierhin und dorthin unbestimmt treiben zu lassen, müssen die einzelnen Geschehnisse so verknüpft sein, daß die Knoten auffällig werden.

Die Geschehnisse dürfen sich nicht unmerklich folgen, sondern man muß mit dem Urteil dazwischenkommen können.

[...] Die Teile der Fabel sind also sorgfältig gegeneinander zu setzen, indem ihnen ihre eigene Struktur, eines Stückchens im Stück, gegeben wird.“[15]

Somit wird das filmische Mittel der Montage für Brecht zu einem fundierenden Element der antiaristotelischen, funktionalen epischen Dramaturgie, das er auch in „Die Bestie“ verwendet. Durch die abwechslungsreiche Inszenierung in schriftlicher Form ist der Grundstein für Brechts spätere Prinzipien des epischen Theaters gelegt.

 

4.   Bert Brecht – Biografie

Eugen Berthold Friedrich Brecht[16] wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg, Bayern, in die mittlere Bürgerschicht geboren. Sein Vater, Berthold Friedrich Brecht, war zunächst Angestellter und ab 1914 Direktor einer Papierfabrik. Brechts Mutter Sophie stammte aus dem damaligen Königreich Württemberg. Brecht besuchte zunächst die Volksschule und wechselte 1908 in das Peutinger-Realgymnasium in Augsburg, wo er 1918 das Abitur ablegte. Religion spielte in jener Zeit eine große Rolle für Brecht, war doch das Gymnasium ein protestantisches. Der Religionsunterricht musste ihn damals ziemlich beeindruckt haben, da er bereits 1913 sein erstes Drama mit dem Titel „Die Bibel“ verfasste.[17] Doch nicht nur die Religion hatte einen starken Einfluss auf den jungen Brecht. Kurze Zeit später begann die Kriegspropaganda die deutsche Bevölkerung für den Ersten Weltkrieg zu begeistern und der junge Bertolt verfasste alsbald Aufsätze gegen die Kriegstreiber. Dies brachte ihm fast einen Schulverweis ein – aber Brecht hatte Glück, die Stellung seines Vaters sowie die Sympathie seines Religionslehrers retteten ihn davor.

Nach dem Abitur inskripierte Brecht an der Ludwigs-Maximillians-Universität in München und begann Medizin, Naturwissenschaften und Literatur zu studieren. Doch der Erste Weltkrieg veranlasste Brecht zu einer Unterbrechung seines Studiums und er ließ sich als Sanitätssoldat nach Augsburg versetzen. Den Weg zurück an die Universität fand Brecht nicht und so wurde er 1921 endgültig exmatrikuliert. Dem folgte noch ein kurzes Studienintermezzo an der Philosophischen Fakultät in Berlin, das allerdings 1922 ein Ende fand. Brecht pendelte bereits ab 1920 zwischen Augsburg und Berlin, doch der endgültige Umzug in die Großstadt erfolgte erst 1924. Davor versuchte er immer wieder mittels Veröffentlichung diverser Kurzgeschichten und Erzählungen in der dortigen Kunst- und Kulturszene Fuß zu fassen. Zeitgleich begann Brecht sich auch für Politik zu interessieren – Marx und Engels, die Väter der marxistischen Philosophie, zogen ihn in ihren Bann, wenngleich auch erwähnt werden muss, dass Brecht niemals der deutschen kommunistischen Partei beitrat.[18]

Ab 1926 arbeitete er an der Konzeptionisierung „seines“ epischen Theaters, mit dem er in der deutschen Literaturszene schlussendlich groß wurde und 1928 folgte die Uraufführung seines bekanntesten Werkes, allerdings in der überarbeiteten Form von Kurt Weill, der „Dreigroschenoper“[19].

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten flüchtete Brecht ins Ausland. Im Februar 1933 verließ er Deutschland in Richtung Dänemark, wo er schließlich die folgenden fünf Jahre lebte. Für die NS-Obrigen entsprachen die Werke Brechts nicht den „arischen“ Maßstäben und im Mai 1933 wurden viele seiner Bücher verbrannt. 1935 folgte schlussendlich auch die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft.[20]

Nach fünfjährigem dänischen Exil  übersiedelte Brecht 1939 nach Schweden und bereits ein Jahr später folgte ein Umzug nach Finnland. Über die UdSSR gelangte Brecht 1941 nach Kalifornien und versuchte in Hollywood Kontakte zu knüpfen und seiner Leidenschaft, dem Film, Genüge zu tun. Es entstanden in der Zeit einige Drehbücher, die teilweise auch verfilmt wurden.

Aufgrund seiner Hinwendung zum Marxismus in den 1920er Jahren geriet Brecht 1947 in den Verdacht, Mitglied einer kommunistischen Partei zu sein und er musste abermals flüchten – diesmal verschlug es ihn in die Schweiz. Ab 1949 lebte Brecht wieder auf  deutschem Boden, allerdings in der DDR, wo er sein berühmtes Brecht-Ensemble aufbaute, mit dem er schlussendlich auch die Form des epischen Theaters etablierte. Er starb am 14. August 1956 in Berlin.

In Österreich wurde die Aufführung von Brecht-Stücken bis 1963 boykottiert. Federführend dabei waren Friedrich Torberg und Hans Weigel.

 


5.   Was kritisiert Brecht in seiner Kurzerzählung?

5.1. Kritik am aristotelischen Theater als Verkörperung des Illusionstheaters

Brecht beschreibt die Arbeitsabläufe der Filmproduktion überaus detailliert und man weiß auch (nach Dyck), dass bei der Meschrabprom-Russ-Filmgesellschaft so gearbeitet wurde. Als Vorlage diente die Praxis des Theaterregisseurs Stanislaswski – auch er besetzte viele Rollen mit Laien, da sie einem bestimmten Typus entsprachen und ihre schauspielerische Leistung fußte auf sehr genauen Regieanweisungen. Dies deutet daraufhin, dass sich Brecht bereits um 1928 mit der Konzeption seines epischen Theaters auseinandersetzte und er die Grundsätze der aristotelischen Dramentheorie in Frage stellte. Für ihn fehlte einfach der paradigmatische Anspruch. In wie weit Brecht damit auch den russischen Film (Vgl. Dyck) selbst ins Kreuzfeuer der Kritik rücken wollte ist ungewiss, da er in späteren Jahren seine anfängliche negative Beurteilung wieder revidierte.


 

5.2. Kritik am Umgang mit der Darstellung der Wirklichkeit

Für Brecht war klar, dass die Unerzählbarkeit des Faktischen im aristotelischen Sinn ein Problem darstellt. Als Antwort auf diese Darstellungsproblematik – des inhaltsleeren Blicks von außen -  hält er in späterer Folge sein Konzept des epischen Theaters entgegen. In dieser Kurzgeschichte hingegen bedient er sich der Möglichkeit des „inszenierenden Erzählens“.

Einerseits transportiert Brecht seine Kritik über die Aussage des Regisseurs, der die Darstellung der Bestie als unglaubwürdig einstuft:

„So benimmt sich keine Bestie. [...]

So benimmt sich ein kleiner Beamter.“

Dem Regisseur ist das Verhalten des „Ähnlichen“ eindeutig zu wenig brutal – eigentlich zu einfach und zu harmlos. Er verlangt dem Darsteller mehr Brutalität und Bestialität ab – und das in einer einfachen Szene des Büroalltags. Auch wird die Beurteilung der bei der damals Deputation dabei Gewesenen ignoriert – da dies nicht der Vorstellung des Spielleiters entspricht.

Andererseits deutet auch die mehrfache Verwendung des Begriffs „der Ähnliche“ darauf hin, dass für die Brecht die „Nichtgleichheit“ zwischen wirklich Geschehenem und Gespielten einfach existent ist. Er verweist mit dem Terminus auf das Faktum, das nur die reine ästhetische Reproduktion möglich ist. Brecht formuliert seine Ansichten darüber später wie folgt:

„Es ist also tatsächlich ‚etwas aufzubauen’, etwas ‚Künstliches’, ‚Gestelltes’. Es ist also tatsächlich Kunst nötig. Aber der alte Begriff der Kunst, vom Erlebnis her, fällt eben aus. Denn auch wer von der Realität nur das von ihr Erlebbare gibt, gibt sie selbst nicht wieder.“[21]


 

5.3. Kritik an der kollektiven Vorstellung von Bestialität

Brecht versteht es, die Grausamkeiten im Kleinen zu offenbaren. Während das Produktionsteam mit der einfachen Darstellung des Gouverneurs unzufrieden ist, jagt den Juden die Art und Weise des Spielens von Muratow einen kalten Schauer über den Rücken. Dem Rezipienten wird dargelegt, dass gerade das „Gewohnheitsmäßige“ und „Bürokratische“ die Groteske an der Gesamtsituation subtil widerspiegelt. Dem Filmemacher hingegen ist die Spielart zu wenig grausam, da sie der kollektiven Vorstellung von solch einer menschenverachtenden Handlung einfach  nicht entspricht – es mangelt ihr an Brutalität. Er geht sogar noch weiter und spricht den damaligen jüdischen Opfern die Urteilsfähigkeit ab – für ihn steht nicht die Abbildung der Realität im Vordergrund, sondern viel mehr ist er auf der Suche nach Charakteristischem und auch Typischen für die menschliche Grausamkeit. Er bedient sich der kollektiven Vorstellungskraft und will mit der Darstellung die Anforderungen des Publikums erfüllen – die Wahrheit rückt somit wieder in den Hintergrund.

Diese Arroganz ist für Brecht symptomatisch und Anlass weiterer Kritik am Umgang mit der Wirklichkeitsdarstellung. Er möchte mit dem Aufzeigen subtiler Grausamkeit – verstärkt durch die Hervorhebung der Alltäglichkeit der Urteilsfestlegung sowie mit der Beiläufigkeit des Apfelessens – der Wirklichkeit näher kommen. Im Text verweist „der Ähnliche“ ja in der Diskussion mit dem Regisseur darauf, dass für die Exekution des Urteils Schergen vorhanden sind, die sich der realen Brutalität hingeben und für die Ausführung sorgen. Die Bestie, wie sie im Film dargestellt werden soll, ist ein künstliches, nein besser, ein gekünsteltes Bild der realen Vorkommnisse, da die authentische Reproduktion, also das simple Vorführen „wie es wirklich war“, in ihrer Einfachheit und Alltäglichkeit zu wenig Emotionen beim Publikum hervorrufen würde. Brecht verlangt von den Zuschauenden mehr ab – er will, dass das Gezeigte hinterfragt wird und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Der Schluss der Kurzgeschichte muss aus einem rein ironischen Kontext herausgelöst und in Zusammenhang mit den Termini „Darstellung – Wirkung – Publikumserwartungen“ gesetzt werden:

„Es hatte sich eben wieder einmal gezeigt, dass bloße Ähnlichkeit mit einem Bluthund natürlich nichts besagt und dass Kunst dazu gehört, um den Eindruck wirklicher Bestialität zu vermitteln.“

Der Versuch der Reproduktion der Realität ist bei diesem Film gescheitert, da das, was die ZuschauerInnen beeindruckt, erfunden sein und die Wirklichkeit verleugnet werden muss.


6.   Quellenangaben

6.1. Bücher

Boie-Grotz Kirsten, Brecht, der unbekannte Erzähler: die Prosa 1913 – 1934. Stuttgart: Klett-Cotta 1978.

Brüggemann Heinz, Literarische Technik und soziale Revolution. Versuche über das Verhältnis von Kunstproduktion, Marxismus und literarische Tradition in den theoretischen Schriften Bertolt Brechts. Berlin: Rowohlt 1973.

Buck Theo / Durzak Manfred / Steinbach Dietrich (Hgg.), Zu Bertolt Brechtz: Parabel und episches Theater. Stuttgart: Klett 1983. (= Literaturwissenschaft – Gesellschaftswissenschaft. Bd. 41: LGW-Interpretationen).

Durzak Manfred, Die Kunst der Kurzgeschichte: zur Theorie und Geschichte der deutschen Kurzgeschichte. 2. verb. Auflage. München: Wilhelm Fink 1994. (=UTB 1519).

Dyck Joachim / Gossler Heinrich / Herrmann Hans-Peter u.a., Brechtdiskussion. Kronberg/Taunus: Scriptor 1974.

Fuhrmann Manfred, Poetik. Stuttgart: Reclam 1982. (= Reclam 7828).

Gersch Wolfgang, Film bei Brecht. Bertolt Brechts praktische und theoretische Auseinandersetzung mit dem Film. München: Carl Hanser 1975.

Grimm Reinhold, Bertolt Brecht. Die Struktur seines Werkes. Nürnberg: Hans Carl 1959.

Hauptmann Elisabeth, Brecht. Gesammelte Werke in 20 Bänden. Werksausgabe. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1967.

Hildesheim Jürgen, Bertolt Brechts Augsburger Geschichten. Augsburg: Verlagsgemeinschaft Augsburg 2004.

Joost Jörg-Wilhelm / Müller Klaus-Detlef / Voges Michael, Brecht Bertolt: Epoche – Werke – Wirkung.  München: Beck 1985. (= Beck’sche Elementarbücher).

Knopf Jan, Brecht-Handbuch. Prosa, Filme, Drehbücher. Bd. 3. Stuttgart: Metzler 2002.

Knopf Jan, Brecht-Handbuch. Schriften, Journale, Briefe. Bd. 4. Stuttgart: Metzler 2002.

Knopf Jan, Brecht-Handbuch. Eine Ästhetik der Widersprüche. Lyrik, Prosa, Schriften. Stuttgart: Metzler 1984.

Mayer Hans, Anmerkungen zu Brecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1965. (= edition suhrkamp 143).

Mayer Hans, Brecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

Müller Klaus-Detlef, Brecht-Kommentar zur erzählenden Prosa. München: Winkler 1980.


 

 

6.2. Beiträge aus Zeitschriften und Sammelbänden

Morley Michael, The truth in masquerade: structure and meaning in Brecht’s Die Bestie. In: MLN (=Modern Language Notes) 90. Baltimore: The Johns Hopkins Univeristy Press 1975. S. 687 – 695.

Lindner Burkhard, Die Entdeckung der Geste. Brecht und die Medien. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband. 3. Auflage. München: Richard Boorberg 2006. S. 21 – 32.

Witte Karsten, Brecht und der Film. Das zu Sehende jedermann sichtbar machen. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband. 3. Auflage. München: Richard Boorberg 2006. S. 62 – 83.

 



[1] Jan Knopf spricht in dem Zusammenhang sogar von „Auftragswerken“, die, ähnlich der mittelalterlichen Literaturproduktion, der Ausrichtung auf eine bestimmte Leserschaft unterliegen und nach Fertigstellung sofort publiziert wurden.

[2] Unter der Begrifflichkeit „Neue Sachlichkeit“, der die Prosa Brechts untergeordnet werden kann, versammeln sich Schlüsselbegriffe wie „Nützlichkeit“ oder „Verwendbarkeit“, die in Kunst hinterfragt beziehungsweise dargelegt werden. Tatsachen sollen als solche wiedergegeben werden und die Form der Prosa ergibt sich aus den stofflichen Gegebenheiten; oftmals kippt die Literatur ins Reportagenartige und der Erzähler wandelt sich zum bloßen Berichterstatter. Inhaltlich werden Themen wie die USA, Sport (in der Hinsicht vor allem der damals äußerst populäre Boxsport), Technik oder die Härte der Geschäftswelt behandelt. Die „Neue Sachlichkeit“ richtet sich gegen die bürgerliche Mystifikation von Kunst und Kultur und erhebt Anspruch auf eine allgemein zugängliche „Kunst“.

[3] Vgl. Karten Witte, Brecht und der Film. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband. Bertold Brecht. 3. Auflage. München: Richard Boorberg 2006. S. 64.

[4] Jürgen-Wilhelm Joost / Klaus-Detlef Müller / Michael Voges (Hgg.), Brecht, Bertolt: Epoche – Werk – Wirkung. München: Beck 1985, S. 176.

[5] Vgl. Dyck, Filmästhetik. S. 218f.

[6] Vgl. Manfred Durzak, Die Kunst der Kurzgeschichte: zur Theorie und Geschichte der deutschen Kurzgeschichte. 2. verb. Auflage. München Fink 2004. S. 48f.

[7] Hagemann, Brecht, Bd. 8. S. 237.

[8] Diese These wird vor allem von Dyck in diversen Aufsätzen vertreten.

[9] Manfred Fuhrmann, Poetik. Stuttgart: Reclam, 1982. S. 35.

[10] Lindner, S. 24.

[11] Im Laufe der Figurenkonzeption zwischen Regisseur und Hauptdarsteller wird vermehrt auf den Akt des Apfelessens Wert gelegt, da Muratow angeblich immer Äpfel gegessen hat.

[12]Dieses Spielchen wurde im Übrigen auch in späterer Folge in der NS-Zeit praktiziert: vielen wurde damals erzählt, dass alles nur zu ihrem Vorteil sei (man denke nur an die Ghettogründung – diese waren ja als Schutzzonen für die jüdische Bevölkerung verkauft worden oder aber auch an die falschen Märchen, die den jüdischen Massen beim Abtransport in diverse Lager erzählt wurden – zum Beispiel, dass sie ja nur in ein Arbeitslager überstellt werden sollten und in weiterer Folge nach ihrer Ankunft in die Duschräume verfrachtet wurden, um ihre Hygiene zu gewährleisten – allerdings ist heute allgemein bekannt, dass in diesen Räumlichkeiten Millionen von Menschen ihren Tod durch einströmendes Gas fanden). Auch in der heutigen Zeit werden solche Praktiken noch angewandt. Ein Beispiel dafür ist der Mädchenhandel: vielen von ihnen wird vorgegaukelt, dass ihnen die Möglichkeit geboten wird, in westlichen Industrienationen zu arbeiten, allerdings landen die meisten von ihnen in diversen Etablissement und Unterhaltungsbetrieben im Prostitutionsmilieu.

[13] Vgl. Lindner, S. 24.

[14] Reinhold Grimm, Bertolt Brecht. Die Struktur seines Werkes. Nürnberg: Hand Carl, 1959. S. 21f.

[15] Wolfgang Gersch, Film bei Brecht. Bertolt Brechts praktische und theoretische Auseinandersetzung mit dem Film. München: Carl Hanser 1975. S. 166f.

[16] Erst später entschloss sich Brecht auf seinen Taufnamen Eugen zu verzichten und wählte Berthold beziehungsweise Bertolt als Rufnamen aus. Heute wird Berthold Brecht auch oft als Bert Brecht zitiert.

[17] Vgl. Jürgen Hildesheim, Bertolt Brechts Augsburger Geschichten. Augsburg: Verlagsgemeinschaft Augsburg, 2004, S. 66.

[18] Auffallend dabei ist, dass Brecht sich zwar politisch engagiert und interessiert zeigte, aber es gibt keine kritischen Aufzeichnungen über den damals bereits langsam aufkeimenden Nationalsozialismus.

[19] Als Vorlage für die „Dreigroschenoper“ diente der einzig vollendete Roman Brechts, der „Dreigroschenroman“.

[20] Später nahm Bertolt Brecht die österreichische Staatsbürgerschaft an.

[21] Müller, S. 89.


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