Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz (1929)
Der im Jahr 1929 erschienene Roman ,,Berlin
Alexanderplatz“ von Alfred Döblin spiegelt die Merkmale der neuen Sachlichkeit
wider.
Der Großstadtroman handelt von Franz Biberkopf, einer
Person die sich in die Gesellschaft der so genannten ,Goldenen 20er Jahre´
eingliedern muss und mit diesem Gesellschaftsumbruch konfrontiert wird.
Der Transportarbeiter Franz Biberkopf wird nach 4
Jahren Haft entlassen.
Er steht vor dem Gefängnistor, lässt sich Zeit und
bewegt sich nicht vom Gefängnis weg.
Für Franz ist die Entlassung eine Strafe.
Mit Überwindung steigt er in die Bahn und blickt
zurück auf das Gefängnis, während seine Umgebung immer lebhafter wird.
Franz verlässt die Bahn wieder und registriert das
Getümmel auf den Straßen.
Er fühlt sich nicht wohl und versucht sich selbst zu
beruhigen.
Am liebsten möchte Franz wieder zurück, doch er weiß,
dass dies nicht möglich ist, und somit läuft er weiter, bis er in ein Haus
flüchtet.
Er sucht Ruhe vor dem Lärm der Großstadt, verlässt das
Haus jedoch wieder, als er einen Mann bemerkt, der mit ihm eine Konversation
beginnen möchte.
Kurz darauf rettet er sich wieder in einen anderen
Hausflur und möchte sich diesem Geschehen entziehen.
Der Protagonist Franz Biberkopf, der aus dem Gefängnis
entlassen wird, fürchtet sich vor der Freiheit.
Schon entlassen, verharrt er vor dem Gefängnistor und
entfernt sich nicht von diesem.
Er beschreibt diese Situation als einen
,,schrecklichen Augenblick“ (Z. 9) und er fühlt sich ausgesetzt.
Franz bezeichnet die wiedergewonnene Freiheit als eine
,,Strafe“ (Z. 18), was annehmen lässt, dass er sich vor einem Neuanfang
fürchtet.
In dem Romanauszug wird deutlich, dass er alleine in
der Freiheit sehr nervös ist.
,,Er schüttelte sich, schluckte“ (Z. 19)
Nachdem er sich überwinden konnte mit der Bahn in die
Stadt zu fahren, blickt er voller Sehnsucht auf die Mauern des Gefängnisses
zurück, bis diese nicht mehr zu sehen sind.
Der Protagonist wird in der Bahn sofort mit
Menschenmengen, dem ungewohnten Ausmaß an Medien und den neuen Uniformen der
Polizei konfrontiert.
Er versucht sich mental auf diese beängstigende
Umgebung einzustimmen: ,, In ihm schrie es entsetzt: Achtung, Achtung, es geht
los.“ (Z. 23-24).
Doch die Reaktion seines Körpers weißt wieder auf eine
enorme Nervosität und Aufregung hin, da z.B. ,,seine Nasenspitze vereiste“ (Z.
24)
Nachdem Franz Biberkopf wieder ,,unbeachtet“ (Z. 26)
aus der Bahn aussteigt, werden ihm noch weitere Veränderungen bewusst.
So z.B. die Hektik und Schnelligkeit der Großstadt
,,Gewimmel, welch Gewimmel. Wie sich das bewegte.“ (Z. 27),
die Vielzahl an Geschäften ,, Was war das alles,
Schuhgeschäfte, Hutgeschäfte, Glühlampen, Destillen“ (Z. 28-29)
und die Anonymität der Gesellschaft ,,Man mischt sich
unter die anderen, da vergeht alles, dann merkst du nichts, [..]“ (Z.32).
Überfordert von den Veränderungen, droht der
Protagonist sich selbst mit Schlägen zu bestrafen, wenn er nicht die ,,Haltung“
(Z. 26) bewahrt.
Diese Zunahme von Angst und Aggressivität wird durch
sprachliche Gestaltungsmittel, z.B. Beschimpfungen und vulgäre Sprache, und
durch innere Monologe in der 2. Person, untermalt.
,,Haltung, ausgehungertes Schwein, reiß dich zusammen,
kriegst meine Faust zu riechen.“ (Z. 26-27)
Mit der Einsicht, dass er nicht zurück in sein
gewohntes Umfeld kann und sich orientierungslos fühlt, flüchtet er in eine
schmale, dunkle Seitenstraße und gleich darauf in einen Hausflur.
Durch die schnellen Ortswechsel ab Zeile 40 wird
deutlich, dass er auf der Flucht vor dem Großstadtleben und dem Großstadtlärm
ist.
Er wirkt gehetzt und wird von dem Verkehr, dem Lärm,
den Schaufenstern und den Menschenmassen hin und her getrieben (Zeile 56-58).
Durch einen parataktischen Satzbau und elliptische
Sätze werden die schnellen Bewegungen der Stadt und sein gehetzt sein
sprachlich unterstützt.
Da sein Leben im Gefängnis wahrscheinlich ruhig und
strukturiert war und jeder sich kannte, trifft er in der Freiheit auf das
genaue Gegenteil.
Die Großstadt ist hektisch, laut, anonym und
entfremdet.
Die Anonymität und Entfremdung wird durch
unpersönliche Pronomen wie ,,man“, ,,es“ und ,,das“ verdeutlicht und sprachlich
unterstützt.
Das Erzählverhalten wechselt stetig von auktorial in
personal.
Durch die chaotische Mischung von der erlebten Rede,
dem inneren Monolog und dem zusätzlichen Einschub von wörtlicher Rede, breitet
sich ein Bild des Chaos aus.
Die erzählerischen Gestaltungsmittel nehmen Bezug auf
das chaotische Großstadtleben und die Orientierungslosigkeit des Protagonisten.
Dieser Romanauszug steht für den rasanten Wandel einer
Stadt, die sich nach und nach entmenschlicht.
Es werden sich noch weitere Menschen gefühlt haben wie
der Protagonist dieses Romans: Orientierungslos, entfremdet und anonym.
Diese ,neue` Stadt wird als eine Bedrohung aufgefasst
und Franz versucht, mit zunehmender Aggressivität vor ihr zu flüchten.