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Seminararbeit
Politik

Technische Universität Chemnitz

2011, Schale

Joana S. ©
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ID# 14265







Absenkung des Wahlalters – Ein Instrument zur Wahrung der Interessen von jungen Heranwachsenden in der Politik


Technische Universität

Philosophische Fakultät

Institut für Politikwissenschaft

Übung: Einführung in die politikwissenschaftlichen Methoden und Arbeitstechniken

Dr. Schale


Inhaltsverzeichnis


1Einleitung

1.1Problemstellung

1.2Inhaltlicher Überblick

2Darstellung der Ausgangssituation

3Varianten der Partizipation Jugendlicher

3.1Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre

3.2Wahlrecht von Geburt an

3.3Stellvertreterwahlrecht

4Kontroverse Betrachtung der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre

4.1Politische Reife

4.2Wählen von extremen Parteien

4.3Verantwortungsbewusstsein

4.4Beeinflussung durch Eltern

4.5Beeinflussung durch Medien

4.6Generationenvertrag

4.7Fehlender Erfahrungsschatz

4.8Ziehung der Altersgrenze

5Zusammenfassung und Fazit


1Einleitung

1.1Problemstellung


Die Debatte zur „Absenkung des Wahlalters“ entflammt regelmäßig in der Zeit des Wahlkampfes auf ein Neues. Dabei sind die Meinungen breit gestreut, wo die einen ein Wahlrecht von Geburt an fordern, lehnen die anderen eine Absenkung des Wahlalters strikt ab.

Was auf kommunaler Ebene in sechs der sechzehn Bundesländer, wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt schon umgesetzt wurde, ist auf Bundesebene derzeit noch nicht in Sicht. In Bremen ist man bereits ab dem Beginn des 17. Lebensjahres sowohl zur Kommunal- als auch zur Bürgerschaftswahl berechtigt.

Schlagwörter die dabei in der politischen Diskussion immer wieder fallen, sind:

Wahlrecht ohne Altersgrenze, Stellvertreterwahlrecht oder Familienwahlrecht.

Dabei ist der Grundkonsens aller befürwortenden Interessenverbände und Parteien, dass der Ausschluss von Kindern und Jugendlichen von der Wahl zu einer fehlenden Partizipation der nachfolgenden Generationen an wichtigen politischen Entscheidungsprozessen führt.

Demokratie lebt von der Beteiligung ihrer Bürger und das Wahlrecht ist dabei sicherlich das elementarste Gestaltungselement.

Ab wann jedoch ist ein Mensch in der Lage, dieses Wahlrecht auf der eigenen Meinung basierend, sinnvoll einzusetzen? Oder sollten die Stimmen von Kindern und Jugendlichen in Vertretung abgegeben werden?

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der angesprochenen Problematik, den unterschiedlichen Auffassungen und Standpunkten der einzelnen Interessenverbände und vergleicht diese miteinander.


1.1Inhaltlicher Überblick


Im ersten Teil der Ausarbeitung werden die derzeitigen Bestimmungen und Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland betrachtet, welche das Wahlrecht betreffen. Zudem wird die Partizipation Jugendlicher an staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland dargestellt.

Das darauffolgende Kapitel erläutert kurz die Varianten, die von den Verbänden und Parteien gefordert werden, und welche Überlegungen hinter den verschiedenen Forderungen zur Änderung der Wahlgesetze bezüglich des Wahlalters stehen. Außerdem wird der Schluss gezogen, warum man sich im weiteren Verlauf der Arbeit auf die Debatte zur Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre begrenzt.

Um einen darauf folgenden Vergleich der differenten Haltungen überhaupt zu ermöglichen, werden im zentralen dritten Kapitel die befürwortenden als auch die konträren Gesichtspunkte der Thematik untersucht.


Im abschließenden Kapitel werde ich, die vorher erläuterten Aspekte und Sichtweisen zusammenzufassen und daraus ein Fazit zu ziehen.


1Darstellung der Ausgangssituation


Demokratie kann ohne die Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht funktionieren, dabei sind Wahlen die wohl wichtigste Möglichkeit Einfluss auf die Politik zu nehmen, sei es bei Gemeinde- oder Stadtratswahlen, bei Landtagswahlen, der Wahl zum Europaparlament oder der Wahl zum Deutschen Bundestag. Ein Grundsatz dabei ist die Gleichheit Aller, wie man es auch im Grundgesetz festgeschrieben hat.

„(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“[1]

Die Tatsache, dass 16,5% der Bundesbürger allein durch ihr Alter von den Bundestagswahlen ausgeschlossen sind, wirft die Frage auf, in wie fern die Interessen der nicht wahlberechtigten Bürger in der Politik tatsächlich und in angemessenem Umfang Berücksichtigung finden.
Dass jedoch Partizipation von Kindern und Jugendlichen auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen wichtig und gewünscht ist, darüber scheinen sich alle Parteien, Verbände, Vereine und Organisationen einig zu sein.
Die Begründung der Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand  und dem hohen Anspruch der umfassenden Beteiligung aller entscheidungsfähigen Altersschichten, finden die Interessenvertreter oft in der "Politikverdrossenheit" der Jugendlichen.

Empirische Analysen, wie die Shell-Jugendstudie, widerlegen diese These und dokumentieren ein Engagement der Jugendlichen bezüglich Themen wie der eigenen Lebenssituation und Zukunftsperspektiven, allerdings auch die Tendenz zum Misstrauen gegenüber Politikern und Parteien.

Die Bereitschaft an Wahlen teilzunehmen liegt laut dem DJI-Jugendsurvey 2003 bei 16 bis 29-Jährigen bei 94%. In dieser Studie wird ebenfalls festgestellt, dass 55% dieser Altersgruppe Mitglied in mindestens einem traditionellen Verband oder einer Organisation sind, davon jedoch nur 2% in politischen Parteien.

Ansätze und Maßnahmen, die zum Ziel haben, das Verhältnis Jugendlicher zur Politik, ihren Akteuren und Institutionen zu verbessern, müssen hier ansetzen. Der weiteren Entfremdung muss entgegengewirkt werden, junge Generationen müssen sich wieder mit dem politischen System identifizieren können, denn nur so kann die demokratische Kultur Deutschlands auch in Zukunft gewahrt bleiben.


1Varianten der Partizipation Jugendlicher


In der Jugendforschung werden häufig 3 Modelle der Partizipation Jugendlicher diskutiert. Zum einen existieren Modelle mit advokativer Einflussnahme, welche auf die Interessenvertretung junger Bevölkerungsteile durch Kinder- und Jugendbeauftragte abzielen.

Außerdem werden Modelle mit konsultativer Einflussnahme, die eine Beteiligung von jungen Menschen vor allem in Form von Kinder-und Jugendbeiräten vorsehen, betrachtet. In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit der dritten Gruppe solcher Modelle, welche sich auf die direkte Einflussnahme beziehen. Ziel dieser Modelle ist es, ein klares Signal an die Generationen zu geben, die noch ohne ein Recht auf direkten Einfluss auf Politik und Gesellschaft sind.

Hier sind ebenfalls 3 verschiedene Varianten im Gespräch, welche ich in den folgenden Abschnitten kurz erläutern werde.


1.1Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre


Entwicklungspsychologische Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche ab einem Alter von ungefähr 14 Jahren sozial und moralisch urteilsfähig werden. Feststellbar ist diese Selbstständigkeit in der Nutzung der Medien, des Freizeit- und Konsumverhaltens als auch der Bildungs- und Berufswahl, welche in diesem Lebensabschnitt Selbstverantwortlichkeit und Eigenständigkeit von den Jugendlichen abfordern.

Gesetzlich gesehen sind junge Menschen mit 16 Jahren beschränkt ehemündig, voll testierfähig und dürfen unter anderem den Segelflugschein machen. Geht es jedoch um politische Selbstbestimmung und das Recht an einer Wahl teilzunehmen, wird ihnen diese Eigenständigkeit nur in wenigen Ländern und auch nur auf kommunaler Ebene zugesprochen.



Kinder und Jugendliche gehören laut des Artikels 20 des Grundgesetzes ebenso zum Volk der Bundesrepublik Deutschland wie erwachsene Bürger. Ab der Geburt kommt allen Deutschen der volle Gehalt der Grundrechte zu, wenn man diesen Sachverhalt juristisch konsequent betrachtet. Daher sehen es Befürworter dieses Modells nicht ein, warum gerade der Teil der Bevölkerung, der von den zukunftsweisenden Entscheidungen des Bundestages betroffen ist, sich nicht bei der Wahl der Volksvertretung äußern darf.


1.1Stellvertreterwahlrecht


Auch dieses Modell verweist auf die Stimmen der unter 18-Jährigen, die innerhalb politischer Entscheidungen keine Rolle spielen. Da aber erst mit dem 19. Lebensjahr die volle Geschäftsfähigkeit erreicht wird, somit erst ab diesem Lebensjahr die volle Verantwortung des eigenen Handelns übernommen wird, soll der gesetzliche Vormund das Wahlrecht bis zu diesem Tag übernehmen.

Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich mich nur noch auf die Absenkung des Wahlrechtes auf 16 Jahre beziehen, da dieses Modell schon auf kommunaler Ebene Anwendung findet. Die Umsetzbarkeit ist also schon erwiesen, die beiden anderen Modelle weisen aus meiner Sicht zu große Lücken in der Umsetzbarkeit auf.

Im Bezug auf das Elternwahlrecht ist zum Beispiel kaum zu klären, welcher Elternteil die zusätzlichen Stimmen abgeben darf, oder ob die Wahl auch wirklich nach dem Willen oder zumindest im Sinne der unmündigen Bürger getroffen wird. Das Wahlrecht ohne jegliche Altersgrenze erscheint mir praktisch einfach nicht umsetzbar. Es ist unbestreitbar, dass besonders in den frühen Lebensphasen der Wahlgang durch einen Vormund übernommen werden muss und ab welchem Alter dies nicht mehr notwendig ist, kann mit heutigem Forschungsstand nicht endgültig festgelegt werden.


4. Kontroverse Diskussion der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre


Obwohl der Vorschlag das Wahlrecht auf 16 Jahre zu senken schon in einigen Bundesländern auf kommunaler Ebene praktisch umgesetzt wurde, wird er in den übrigen Ländern und auf Landes- als auch Bundesebene noch heiß diskutiert.

Aktuell werden die Wahlalter-Senkungen bei Kommunal- und Landtagswahlen am kommenden Donnerstag (31. März 2011) in einer Experten-Anhörung im Innenausschuss des Brandenburger Landtags erörtert. Die im Folgenden erörterten Argumente werden sicherlich auch bei dieser Diskussion eingebracht und analysiert werden.


4.1. Politische „Reife“


In der Alterspanne zwischen 12 und 14 Jahren zeichnet sich in der Regel ein intellektueller Entwicklungsschub bei Jugendlichen ab, der abstraktes, hypothetisches und logisches Denken fördert, gleichzeitig steigert sich in dieser Phase die Urteilsfähigkeit in sozialen, ethischen und politischen Belangen.


4.2. Wählen von „extremen“ Parteien

Gegen das Herabsenken des Wahlalters spricht das Argument, dass gerade innerhalb der Jungwähler die Stammwähler extremer Parteien zu finden seien. Wenn man die Beweggründe für extreme Wahlentscheidungen analysiert, so lässt sich recht deutlich ablesen, dass nicht der Altersfaktor und die damit verbundene Rebellion oder Unreife ursächlich sind.

Extreme Parteien, wie zum Beispiel die NPD, beziehen ihre Stimmen nicht ausschließlich aus jüngeren Wählern, starke Zustimmung finden sie besonders bei Personen mit niedrigem Bildungsstand und daraus resultierenden geringen beruflichen Perspektiven. Beibehalten des Wahlalters wird den Zulauf extremistischer Parteien also nicht stoppen, hier können nur grundsätzliche Veränderungen in der Bildungs- als auch Arbeitspolitik Abhilfe schaffen.



Viele ältere Menschen verurteilen verstärkt ihre Nachkommen zu einer reinen „Spaß-Generation“, die sich allein auf die Befriedigung eigener kurzfristiger Wünsche konzentriert, ohne Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu zeigen.

Insgesamt kann man jedoch eine Entwicklung aller Bevölkerungsgruppen in Richtung einer Individualisierung feststellen. Jeder Bürger besitzt im Bezug auf die Wahl seines Freundeskreises, seiner Lebensführung, seines Berufes oder auch seiner religiösen Zugehörigkeit sehr hohe Freiheitsgrade. Diese haben in den vergangen Jahrhunderten, aber auch in den letzten Jahrzehnten, sowohl qualitativ als auch quantitativ zugenommen und führen durch alle Altersgruppen hinweg zu einem starken Wunsch nach Selbstverwirklichung.


1.1Beeinflussung durch Eltern


Entgegen dieser beschriebenen Entwicklung zur Individualisierung verbleiben die meisten Jugendlichen heute länger unter dem elterlichen Dach und sind auch nach ihrem Auszug oftmals noch sehr lange finanziell von diesen abhängig.

Diese Abhängigkeit wird als Einwand gegen die Herabsetzung des Wahlalters verwendet, da durch sie der politische Einfluss der Eltern auf ihre Kinder sehr stark ist. Diesem Standpunkt kann man entgegenhalten, dass sich das Verhältnis innerhalb der Familien in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat. Verständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz haben sich durch die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche auch zwischen Eltern und Kindern durchgesetzt. Außerdem müsste im Umkehrschluss des Einwandes der finanziellen Abhängigkeit des Großteils der Jugendlichen, das Wahlalter sogar auf über 25 Jahre festgelegt werden, denn die endgültige Unabhängigkeit erreichen viele junge Erwachsene heute erst in der zweiten Hälfte des dritten Lebensjahrzehntes.



Im Zeitalter von sozialen Netzwerken, Videoplattformen und Online-Datenbanken, ist es praktisch jederzeit und überall möglich sich über bestimmte Sachverhalte zu informieren und den eigenen Standpunkt in aller Welt zu verbreiten.

Diese Informationsflut zu bewältigen und nicht leichtgläubiges Opfer populistischer Medienkampagnen zu werden, ist eine Herausforderung, die sich allen Bürgern mit Internetzugang stellt. Inwieweit Jugendliche diesen Anforderungen gerecht werden können, lässt sich nur schwer beurteilen. Einerseits besitzen sie wie schon erläutert die kognitiven Fähigkeiten, die zur eigenverantwortlichen Urteilsbildung notwendig sind, andererseits fehlt es ihnen an Lebenserfahrung, um die Intentionen und Hintergründe der verschiedenen Akteure zu erkennen.

1.1Generationenvertrag


Die demografische Entwicklung der Bundesrepublik ist seit längerem besorgniserregend. Die Versorgung immer mehr älterer Menschen lastet auf den Schultern der schrumpfenden arbeitenden Bevölkerung. Tiefgreifende und zukunftsweisende Gesetzesänderungen wären nötig, um kommende Generationen vor diesen viel zu starken finanziellen Belastungen zu bewahren.

Die Entscheidungen darüber jedoch verlagern sich auf ältere Menschen, davon ausgeschlossen werden die Teile der Bevölkerung die den größten Teil ihres Lebens noch mit dieser Entwicklung zu kämpfen haben werden. Die Befürworter des Jugendwahlrechts sehen hierin eine große Gefahr, denn welche Bindung werden zukünftige Generationen an einen Vertrag haben, der zum einen ohne ihre Zustimmung und zum anderen wissentlich zu ihren Ungunsten geschlossen wurde.



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