Eberhard Karls
Universität Tübingen
Methodisch-didaktische Konzeption zu
Peter Hacks‘: „Der Bär auf dem Försterball“
Inhalt
1 .Einleitung
2. Gegenstandsanalyse
2.1,Textanalyse
2.2Interpretation
3. Didaktische Analyse
4. Lernziel und Kompetenzbereiche
5. Methodische Überlegungen
6. Arbeitsanweisungen und erwartete Ergebnisse
7. Anhang
7.1 Text: Der Bär auf dem Försterball
7.2. Skizze einer möglichen Darstellung eines
Mentalen Modelles zum Text
7.3. Literaturverzeichnis
7.4. Eigenständigkeitserklärung:
1.
Einleitung
In dieser Arbeit geht es um eine methodisch-didaktische
Konzeption zur Erzählung „Der Bär auf dem Försterball“ von Peter Hacks. Dazu
wird zunächst der Text analysiert und interpretiert (Gegenstandsanalyse), um
ihn dann einer didaktischen Analyse zu unterziehen. Diese entsteht auf Basis der
fünf didaktischen Leitfragen nach Klafki. Anschließend werden mögliche
Lernziele für den Unterricht und die dabei abgedeckten Kompetenzen nach dem
Bildungsplan (Klassenstufe 8/9) aufgezeigt. Es folgen methodische Überlegungen
und schließlich konkrete Arbeitsanweisungen sowie deren erwartete Ergebnisse.
2.
Gegenstandsanalyse
2.1 Textanalyse
Schon die Überschrift
„Der Bär auf dem Försterball“ passt nicht in das Wirklichkeitsempfinden des
Lesers. Er vermutet, dass es sich um keinen Sachtext handeln wird, sondern wohl
eher um einen fiktiven Text, in welchem geschildert wird, wie ein Bär einen
Ball besucht. Dabei handelt es sich nicht um irgendeinen Ball, sondern
ausgerechnet um einen Försterball und es stellt sich die Frage, ob ein Bär sich
nicht lieber hüten sollte, den Ball der Förster zu besuchen. Durch dieses
kontrastierende Paar Bär – Förster liefert der Titel des Textes schon eine
gewisse Spannung.
Der Anfang der
Erzählung „ Der Bär schwankte durch den Wald, es war übrigens Winter“ verweist
nun nochmal auf den fiktionalen Charakter des Textes: Der Gebrauch des
bestimmten Artikels erinnert an die Gattung des Märchens oder der Fabel, wo
Tiere spezielle Typen und Eigenschaften verkörpern. Ein zweiter Aspekt, der in
diesem ersten Satz auffällt, ist die Vermenschlichung des Bären durch das Verb
„schwanken“, welches normalerweise nicht unbedingt für die Beschreibung von
Tierbewegungen gebraucht wird. Auch hier könnte man vom Text als Fabel
ausgehen.
Der zweite Teil des
Satzes „es war übrigens Winter“ erscheint hier völlig unvermittelt als eine Art
Nachschub – als hätte der Erzähler zuerst vergessen, dass er die Jahreszeit, in
der die Geschichte stattfindet, erwähnen wollte; dies wäre für eine Fabel aber
untypisch.
Im Folgenden wird die
Verfassung des Bären beschrieben: „Er war von der besten Laune. Er hatte schon
ein paar Kübel Bärenschnaps getrunken“. Auch hier wird der Bär vermenschlicht.
Einmal durch das Wort „Laune“ und zum Andern durch den Alkoholkonsum, durch den
diese Laune hervorgerufen wird. Dass der Bär ein paar Kübel (also Unmengen an)
‚Bären‘-Schnaps getrunken hat zeigt aber zugleich auch sein tierisches Wesen.
Es folgt die Beschreibung der Zutaten eines solchen Bärenschnapses. Dieser wird
aus „Honig, Wodka und vielen schwierigen Gewürzen“ gemischt. Honig ist dem
Klischee nach die Hauptnahrung von Bären, Wodka ein Getränk für ‚richtige
Männer‘ – der Bär wird dadurch nicht nur vermenschlicht, sondern auch als
‚ganzer Kerl‘ inszeniert.
Die „schwierigen
Gewürze“ klingen für den normalen Sprachgebrauch seltsam, aber es ist dennoch
ersichtlich, was damit gemeint ist. Später kommt wieder ein ungewohnter
Wortzusammenhang: „knarrender Schnee“.
Nun wird die
Verkleidung des Bären (im Text altmodisch „Maske“ genannt) beschrieben. Diese
ist „sehr komisch“: „er trug einen grünen Rock, fabelhafte Stiefel und eine
Flinte auf der Schulter. Auch die Formulierung „Rock“ ist altmodisch.
„Ihr merkt schon, er
ging als Förster“: An dieser Stelle spricht der Erzähler die Leser oder Zuhörer
(Kinder?) direkt an, wie im ersten Satz durch „übrigens“ schon angeklungen,
kommt der Erzähler hier nun deutlich zum Vorschein. Nachdem beschrieben wird,
wie dem Bären „einer entgegen“ kommt, der ähnlich gekleidet ist, schließt der
Erzähler mit dem Parallelismus „Ihr merkt schon, das war der Förster“. Hier
werden also die beiden Gegenspielervorgestellt. Möchte man den Text einteilen,
so könnte man hier das Ende einer Einleitung festsetzen. Die Handlung der
Geschichte setzt im nächsten Satz mit einem Dialog ein: „Gute Nacht, Herr
Kollege, auch zum Försterball?“. Zwei Dinge fallen auf; einmal, dass der
Förster den Bären nicht als solchen erkennt, sondern auf seine Verkleidung
hereinfällt und zum Andern, dass er ihn mit einer Abschiedsformel begrüßt
(wieder eine ungewohnte Formel). Die Frage, ob der Bär auch zum Försterball
möchte, kann der Leser mit ‚nein‘ beantworten, da er ja weiß, dass der Bär auf
dem Weg zum Maskenball ist.
„Brumm, sagte der Bär,
sein Baß war so tief wie die Schlucht, in die die Omnibusse fallen“. Wieder
wird menschliches mit tierischem vermischt, indem der Laut des Bären mit dem
Verb ‚sagen‘ verbunden wird. Was der Bär nun mit seinem Brummen meint, bleibt
dabei unbestimmt. Der zweite Teil des Satzes kommt unerwartet. Der Förster hat
schon eine „tiefe Baßstimme“, aber der Bär übertrifft diese noch. Die Omnibusse
wollen nicht so recht in den Satz passen und auch nicht zur vermuteten Gattung
Fabel oder Märchen. Der bestimmte Artikel wirkt, als ob bekannt sei, dass in
die besagte Schlucht immer Omnibusse fallen.
Allein durch diese
tiefe Stimme ist der Förster nun verleitet, zu glauben, dass der Bär der
Oberförster ist und entschuldigt sich für seinen vermeintlichen Irrtum. Der Bär
entgegnet nun ganz menschlich ein „macht nichts“ und nimmt so die Rolle an, die
ihm zugeschrieben wurde.
Entgegen des
eigentlichen Vorhabens, zum Maskenball zu gehen, begleitet der Bär den Förster
schwankend zum Försterball im „Krug zum zwölften Ende“ – ein Name, den der
Leser nicht unbedingt für ein Gasthaus erwarten würde (eher noch den Begriff
‚Zwölfender‘ = Hirschgeweih).
Die Förster, die sich
dort befinden werden als Gruppe mit klischeehaften Verhalten und Aussehen
eingeführt („Geweihe, die sie vorzeigten“, „Hörner, die sie Bliesen“, „lange
Bärte und geschwungene Schnurrbärte“). Insgesamt wirken sie recht komisch, wenn
nicht sogar lächerlich, vor allem im Vergleich zum Bären: „Die meisten Haare im
Gesicht hatte der Bär“ (wieder wird menschliches und tierisches vermischt).
Die Förster hauen dem
Bären ausgelassen („juhu“) auf den Rücken und dieser tut es ihnen gleich, wobei
er sie mit seiner Kraft natürlich bei weitem übertrifft („wie ein ganzer
Steinschlag“). Dadurch sehen die Förster wie der erste ihren vermeintlichen
Irrtum und bitten wieder um Vergebung, da sie ja nicht wussten, dass er der
Oberförster sei. An dieser Stelle festigt der Bär seine Rolle, indem er
entgegnet „Weitermachen“. Die Förster „tanz[]en und tr[i]nken und lach[t]en“
und singen von ihrem „Dorst im grünen Forst“. Der Leser sieht eine stark
alkoholisierte Männerrunde vor sich, die nicht wirklich ernst genommen werden
kann.
Und wieder spricht der
Erzähler den Leser direkt an: „Ich weiß nicht, ob ihr […]“. Wieder klingt es
zunächst so, als bestünde das fiktive Publikum oder die Leserschar aus Kindern,
allerdings steht dazu die indirekte Frage nach der Erfahrung mit Alkohol im
Gegensatz.
Die Spannung der der
Erzählung wird dadurch gesteigert, dass der Bär selbst zur Bärenjagd aufruft.
Er geht so in seiner Rolle als Oberförster auf, dass er sogar gegen seine
eigenen Interessen verstößt. In ihrem Rausch verhalten sich die Förster
unverhältnismäßig und sinnlos: „Sie stapften durchs Gehölz. Sie schossen mit
ihren Flinten in die Luft“ und rufen Jägerrufe „Hussa und Hallihallo und
Halali“, die durch die mittlere unpassende Begrüßungsformel ins Lächerliche gezogen
werden, wozu auch der Erzähler mit seinem Kommentar „wovon das eine so viel
bedeutet wie das andere, nämlich gar nichts“ und „aber so ist das Jägerleben“
beiträgt. Hier werden nun tatsächlich Förster und Jäger synonym verwendet.
Im Verlauf der Jagd
kommt der Bär wieder zu tierischem Verhalten mit menschlichen Attributen, indem
er „im Vorübergehen eine Handvoll trockener Hagebuttenvom Strauch“ reißt und
„frisst“. Die Förster bemerken dies und schöpfen aber keinen Verdacht. Sie tun
es ihm sogar gleich und begeben sich somit auf die Ebene eines Tieres.
Die Spannung der
Geschichte wird weiter gesteigert, als der Bär die Förster zu seiner eigenen
Behausung bringt, um dort nach dem Bären zu suchen. Natürlich finden sie ihn
nicht, denn „der Bär ist ausgegangen“ (Tier – Mensch), wie der ‚Oberförster‘
„schnüffelnd“ feststellt.
Nach dieser
Enttäuschung kehren die Förster zum „Krug zum zwölften Ende“ zurück, wo es
wieder zu einer „Um Vergebung“-Szene kommt als der Bär die Förster in den
Massen, die er trinken kann, übertrifft. Diesmal schließen die Förster: „Sie
sind ein großartiger Oberförster“.
Im Folgenden Löst der
Bär beinahe die Katastrophe aus, indem er noch waghalsiger wird: „Der Bär
steckt nicht im Walde, und er steckt nicht in seinem Loch; es bleibt nur eins,
er steckt unter uns und hat sich als Förster verkleidet“. Entgegen der
Erwartung, dass die Förster nun vielleicht auf ihren Irrtum kommen,
verdächtigen sie ausgerechnet einen jungen Förster, „der einen verhältnismäßig
kleinen Bart“ hat und der „Schwächste und Schüchternste“ von allen ist. Die
absurde Verdächtigung wird mit der Formulierung „so beschlossen sie, dieser sei
der Bär“ auf die Spitze getrieben. Erst als sie drohen, den jungen Förster zu
erschießen, greift der Bär ein: „Man muß untersuchen, ob er einen Schwanz hat
und Krallen an den Tatzen“. Die Förster erkennen, dass dies beim Verdächtigten
zwar nicht der Fall ist und sehen, dass der Bär all diese Merkmale hat aber
sprechen ihn dennoch mit „ Herr Oberförster“ an („aber, potz Wetter, Sie selbst
haben einen Schwanz und Krallen an den Tatzen, Herr Oberförster“ – an dieser
Stelle steht mit „Potz Wetter“ wieder eine ungewohnte Formulierung).
Bevor die Situation
tatsächlich eskalieren kann, betritt die Frau des Bären den Raum und bringt
damit eine überraschende Wendung, da es nun offen bleibt, ob die Förster den
Bären nun als solchen erkannt haben, oder nicht.
Auch die Bärin wird
vermenschlicht (als typische Ehefrau) dargestellt indem sie ausruft: „Pfui
Teufel“ und „in was für einer Gesellschaft du dich rumtreibst“. Der eben noch
in der Rolle des Anführers stehende Bär muss sich nun seiner Frau fügen, die
ihn nach Hause bringt. Der Bär bedauert ihr Kommen: „Schade, daß du so früh
kamst […] eben hatten wir ihn gefunden, den Bären“. Diese Stelle ist
interessant, da der Bär durch das Pronomen „wir“ seine Zugehörigkeit zu den
Förstern ausdrückt und vom Bären, also sich selbst, in der dritten Person
spricht.
Mit der Äußerung „Na,
macht nichts. Andermal ist auch ein Tag“, die an den ersten Satz des Bären
erinnert, wird der Rahmen geschlossen. Die zuletzt gebrauchte Redewendung,
lässt anklingen, dass es sich bei den geschehenen Ereignissen nicht um etwas Einmaliges
handelt, sondern, dass sich die ganze Geschichte noch wiederholen könnte.
Eine Moral wird nicht
formuliert.
Durch eine genaue und
aufmerksame Lektüre des Textes können Leerstellen, Widersprüche und Brüche
herausgearbeitet und kommentiert werden. Natürlich bietet die Textanalyse an
sich noch keine vollständige Interpretation, weshalb im Folgenden untersucht
werden soll, wie die Erzählung verstanden werden kann.
2.2 Interpretation
Dass es sich bei dem
Text nicht um eine einfache Tiergeschichte handelt, ist durch die Analyse klar
geworden.
Motive, die der Text
liefert sind Kleider- und Standesattribute, Macht und Unterordnung, Rolle und
Status, Rang und Gehorsam.
Der Bär übernimmt die
Rolle des Oberförsters und geht auch in dieser auf (ob er seine wirkliche dabei
Identität vergisst, muss offen bleiben). Doch nicht nur der Bär spielt eine
Rolle. Die Förster werden dargestellt als „Männergesellschaft, deren Verhalten
dermaßen geistlos ist, daß ein Tier ohne weiteres zu ihrem Führer werden kann,
ja sogar dazu prädestiniert ist, weil es den Charakter dieser Männer am besten
verkörpert.“
Denn worin auch immer der Bär die Förster übertrifft – weswegen sie ihn ja für
den Oberförster halten – so tut er es aus seinem Wesen als Bär heraus;
natürlich brummt er tiefer, haut er fester, hat mehr Haare und trinkt auch mehr
als seine menschlichen Gegenspieler.
Die Förster halten den
Bären nicht nur wegen seiner Kleidung für einen von ihnen, sondern auch und
viel mehr noch wegen seiner Eigenschaften, die ihrem idealen Försterbild (und
wohl auch Männerbild) entsprechen. Die Grenze zwischen Mensch und Tier
verschwimmen im Laufe der Geschichte immer mehr. Der Bär kann so deshalb zur unangefochtenen
Autorität werden.
Die Frage, warum der
Bär sich ausgerechnet als Förster verkleidet hat, muss vermutlich offen
bleiben. Warum er die Förster zu seinem Bau führt allerdings, erklärt sich zum
einen mit der Rolle des Bären, dem vom Alkohol verursachten Tatendrang, sowie
seiner natürlichen Rolle als mächtigstes Jagdtier, das dem Oberförster
zugeordnet ist.
Dem Hinweis des Bären,
dass der Bär sich als Förster verkleidet haben müsste, folgen die
autoritär-gebundenen Förster sofort und finden sogleich den Verdächtigen, der
ihnen ihren Vorstellungen nach am wenigsten gleicht: Der junge und schwache,
am wenigsten männliche Förster. Dem Totschlag entgeht dieser schließlich nur
deshalb, weil der Bär in seiner Konsequenz den Bären finden zu wollen, die
Förster davon abhält, indem er ihnen weitere Hinweise gibt. Die Förster
gehorchen dem Bären wegen seiner Rolle. Als Oberförster ist er Vorgesetzter und
sie selbst Untergebene. Dem entsprechend handeln am Ende der Erzählung auch
der Bär und seine Frau, die als dea ex machina die Situation auflöst, in den
typischen Rollen: Die Frau als durchsetzungsstarke ‚Bestimmerin‘, die ihren
Mann, den Pantoffelhelden, nach Hause holt.
Dass der Bär zu seiner
Frau sagt, dass sie den Bären doch gerade gefunden haben, kann als
Identitätsverlust durch die Annahme einer anderen Identität durch die Rolle als
Oberförster gesehen werden oder aber auch gar ganz ironisch, wenn man davon
ausgeht, dass der Bär weiß, was er tut.
„Der Bär auf dem
Försterball“ ist eine performative Erzählung mit parabolischem Charakter. Der Leser
wird durch ein Paradox, das den Text vorantreibt, provoziert. Dies kann bei
unterschiedlichen Lesern unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Jeder Leser wird
deshalb (Je nach Alter, Erfahrungen, Interesse, Stimmung etc.) anders auf die
Geschichte reagieren. Doch ergeben sich die Wirkungen nicht nur aus den
situativen Gegebenheiten, sondern hängen auch vom Text selbst ab. Die
Wirkungsweise In Hacks‘ Erzählung resultiert vor allem aus dem Kontrast
zwischen der „plakativen Einfachheit der Erzählgestaltung auf sprachlicher und
narrativer Ebene und den immer weiter radikalisierten Paradox der
Nicht-Entlarvung des Bären, das sowohl die narrative Spannung als auch die
Enttäuschung nach der ersten Lektüre produziert.“
3.
Didaktische
Analyse
In diesem Teil soll
versucht werden, eine didaktische Analyse des Textes nach den Leitfragen von
Wolfgang Klafki
durchzuführen.
Exemplarische Bedeutung des
Inhaltes:
„I. Welchen größeren
bzw. allgemeinen Sinn- und Sachzusammenhang vertritt und erschließt dieser
Inhalt? Welches Urphänomen oder Grundprinzip, welches Gesetz, Kriterium,
Problem, welche Methode, Technik oder Haltung lässt sich in der Auseinandersetzung
mit ihm ‚exemplarisch‘ erfassen?“
Indem „Der Bär auf dem
Försterball“ keine einmalige Situation oder ein einmaliges Handeln von Figuren
darstellt, sondern – wie die Interpretation gezeigt hat – Typen und
Rollenmuster darstellt und das Erstarren darin lächerlich macht, wird der Text
interessant. Und eben genau dies herauszuarbeiten, was dieses Interessante,
zunächst Versteckte ist, ist Aufgabe des Unterrichts.
Gegenwartsbedeutung:
„II. Welche Bedeutung
hat der betreffende Inhalt bzw. die an diesem Thema zu gewinnende Erfahrung,
Erkenntnis, Fähigkeit oder Fertigkeit bereits im geistigen Leben der Kinder
meiner Klasse, welche Bedeutung sollte er – vom pädagogischen Gesichtspunkt aus
gesehen – darin haben?“
Rollen- und
Identitätsfragen tauchen in jedem zwischenmenschlichen Handeln auf. Im Text
finden sich einige Punkte, die auch auf Alltagserfahrungen übertragbar sind,
z.B. dass es auch im ‚echten Leben‘ Rollenzuschreibungen gibt, diese einen in
seinem Handeln beeinflussen oder die eigene Identität vergessen lassen können.
Auch Herden- oder Schwarmverhalten, bzw. Gruppenzwang können am Text
exemplifiziert werden.
Zukunftsbedeutung:
„III. Worin liegt die
Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder?“
Die Schüler werden in
ihrem Leben immer wieder auf Situationen stoßen, in denen sie oder andere in
bestimmten Rollen handeln werden. Ebenso werden sie vermutlich Erfahrungen mit
Gruppenzwang machen, wo eine gewisse Anpassung gefordert sein wird usw.
Die Schüler können sich
schon vorweg mit diesen Themen auseinandersetzen und zeitgleich schon gemachte
Erfahrungen in dieser Richtung aufarbeiten.
Struktur des Inhalts:
„IV. Welches ist die
Struktur des (durch die Fragen I. II, III in die spezifisch pädagogische Sicht
gerückten) Inhaltes?“
Soll der Text als
Beispiel innerhalb eines Unterrichtsinhaltes „Gattungen von Texten“,
„Interpretation von Texten“, „Rollen und Identität“ oder ähnlichem verwendet
werden, so muss nicht der Text, sondern eben diese Inhalte einer didaktischen
Analyse unterzogen werden. Sieht man den Text an sich jedoch als
Unterrichtsinhalt, so ist es schwierig diese Frage zu beantworten, da je nach
Altersstufe, verschiedene Aspekte deutlicher als andere aus dem Text
hervortreten.
Zugänglichkeit:
„V. Welches sind die
besonderen Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche, Personen, Ereignisse,
Formelemente, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhaltes den Kindern
dieser Bildungsstufe, dieser Klasse interessant, fragwürdig, zugänglich,
begreiflich, ‚anschaulich’ werden kann?“
Auch bei dieser Frage
ist es natürlich nötig zu wissen, in welcher Klassenstufe ein solcher Text für
die Schüler interessant und überhaupt zugänglich ist. Der Text sollte die
Schüler nicht kognitiv überfordern, das Thema nicht fremd und abstrakt sein.
Intentionen und Strukturen der Interaktion müssen aufgrund der sozialkognitiven
Entwicklung der Schüler nachvollziehbar sein. Poetische Mittel und ästhetische
Struktur müssen zugänglich sein und die Sprache darf die Schüler nicht
überfordern.
Warum der Bär handelt,
wie er handelt, oder die Förster handeln, wie sie handeln, usw. diese Fragen
stellt der Text selbst und sollten nicht vorweggenommen werden. Die Schüler
sollten selbst in der Lage sein diese Fragen zu erkennen und Lösungen zu
finden. Je nach Niveau werden diese unterschiedlich aussehen und lassen sich
auf andere Texte oder reale Situationen übertragen.
4.
Lernziel
und Kompetenzbereiche
Was sollen die Schüler
lernen, wenn man mit ihnen Hacks‘ Erzählung im Unterricht behandelt? Welche
Kompetenzbereiche nach dem Bildungsplan tauchen dabei auf?
Die Schüler entwickeln
ein Mentales Modell des Textes, indem sie den Textinhalt zusammenfassen, das
Verhalten der auftretenden Figuren beschreiben und im Blick auf Rolle und
Identität deuten, sowie den Zusammenhang von Macht und Gehorsam und bestimmten
Rollenvorstellungen erklären.
Im Bildungsplan werden
für die 8./9. Klasse u.a. folgende Kompetenzen angesetzt, die anhand des
ausgewählten Textes eingeübt und vertieft werden können.
Interpretieren:
Die Schülerinnen und
Schüler können
-
Ihr Textverständnis ausdrücken, indem
sie den Inhalt von Texten […] schriftlich zusammenfassen;
-
Personen, auch literarische Figuren,
charakterisieren;
-
Handlungs- und produktionsorientiert mit
Texten umgehen
Umgang mit
literarischen […] Texten:
Die Schülerinnen und
Schüler können
-
Inhalt und Aussage eines Textes
erfassen. Sie erkennen Grundmuster von Verhalten und Erfahrung und setzen sich
mit den dabei aufgeworfenen Problemen und Wertevorstellungen auseinander
-
Zusammenhänge zwischen Inhalt, Sprache
und Form eines Textes herstellen;
-
Verschiedene Textarten an grundlegenden
Gattungsmerkmalen und Gestaltungsmitteln erkennen und unterscheiden
5.
Methodische
Überlegungen
Nun stellt sich die
Frage, wie die Lernziele und Kompetenzen erreicht werden können.
A Die Überschrift
des Textes wird gezeigt (àInteresse
wecken). Welche Erwartungen kommen auf, was für ein Text erwartet die Schüler?
B Erstlektüre (Vorlesen
(lassen) oder /dann Schüler selbst still lesen lassen).
Leseeindrücke sammeln (Was
ist das besondere an dem Text? Wo irritiert er? Welche Reaktion ruft er hervor?
Wurden die Erwartungen erfüllt?…): Den Schülern wird die Möglichkeit gegeben,
sich zum Text zu äußern. Verständnisfragen können geklärt werden.
C Fragen zur
äußeren Form, dem Inhalt und den Charakteren fordern ein erneutes
(abschnittsweises), genaues Lesen des Textes. Dies kann in Einzel-, Partner-
oder Gruppenarbeit stattfinden; je nach Klasse wird eine Sozialform
vorteilhafter sein als eine andere. Partner- und Gruppenarbeiten ermöglichen
einen frühen Austausch der Schüler, der sehr fruchtbar sein kann. Um die
Sozialformen zu kombinieren und ein kooperatives Lernen zu ermöglichen, könnte
die Methode des Think-Pair-Share eingesetzt werden. Auch ein literarisches
Unterrichtsgespräch wäre bei entsprechender Stundenlänge (90min) denkbar.
6.
Arbeitsanweisungen
und erwartete Ergebnisse
Bei der Erstellung von Arbeitsaufträgen
sollten nach Lösener (2010)
folgende Fragen beachtet werden:
1. Welche
Aufgabe ermöglicht den Schülern, die Alterität des Textes zu erfahren?
2. Welche
Gestaltungsräume eröffnet die Aufgabe und inwiefern können die Schüler ihre
Texterfahrungen individuell artikulieren?
3. Inwiefern
motiviert sie die Schüler?
4. Vor
welche Schwierigkeiten stellt sie die Schüler?
5. Welche
Lesekompetenzen (Informationsentnahme bzw. –verknüpfungen, Imagination und
Distanzierung, Applikation, parabolisches Verstehen, Verstehen ungewohnter
sprachlicher Gestaltungen etc.) werden durch die Aufgabenstellung a)
vorausgesetzt, b) gefördert und/oder c) evaluiert?
Erster Arbeitsauftrag:
Markiert in Einzelarbeit Textstellen,
die euch im Bezug auf Sprache und Stil auffallen. Tauscht euch mit eurem
Nebensitzer über eure Ergebnisse aus und überlegt euch, welche Gattung der Text
haben könnte. Begründet eure Wahl.
Fragen zu Sprache, Stil
und Gattung helfen den Schüler den Text einzuordnen, was eine weitere
Beschäftigung mit ihm erleichtert.
Erwartetes Ergebnis: Ungewohnte
Formulierungen fallen auf, werden genannt und die Wirkung besprochen. Die Schüler
kommen zunächst auf die Gattung Fabel und zählen Merkmale auf. Punkte, die
nicht für eine Fabel sprechen, werden im Unterrichtsgespräch deutlich (v.a.
fehlende Moral). Die Schüler umschreiben den parabolischen Charakter der
Erzählung (der Begriff der Parabel ist womöglich noch nicht bekannt, aber die
Schüler merken, dass er Text, ähnlich einer Fabel, etwas unter der Oberfläche
vermittelt). Evtl. kommen schon Beispiele in puncto Gruppenzwang, Anführer-Sein
und ähnlichem aus der Lebenswelt der Schüler. Ist dies der Fall kann direkt zu
den Motiven im Text übergeleitet werden, ansonsten kann die Frage nach diesen
extra gestellt werden, etwa: Könnt ihr bestimmte Motive im Text ausfindig
machen? An welchen Stellen treten sie auf? Die Schüler sollten in der Lage
sein, Textstellen, die Kleider- und Standesattribute, Macht und Unterordnung,
Rolle und Status, Rang und Gehorsam betreffen zu finden. Spätestens jetzt wird
der Lebensbezug des Textes klar. Die Schüler gebrauchen verschiedene
Lesekompetenzen (s.o.), die Alterität des Textes wird erfahrbar, die Schüler
können ihre Texterfahrungen artikulieren und werden durch ihre Lebenswelt
betreffende Themen motiviert. Während des Unterrichtsgesprächs wird ein
Mentales Modell vom Text entwickelt und graphisch festgehalten.
Zweiter Arbeitsauftrag/ Hausaufgabe:
Der Bär erzählt seiner erzürnten und
gleichzeitig erstaunten Frau am nächsten Morgen ausgenüchtert von seinem
Erlebnis. Verfasse einen Dialog.
Erwartetes Ergebnis: Die
Rollenzuschreibung der Förster an den Bären wird reflektiert. Die Förster werden
als Typus mit bestimmten Attributen dargestellt. Ob der Bär seine wirkliche
Identität verloren hat, wird thematisiert. Sprache und Stil der Erzählung
werden eingehalten.
Bei dieser Aufgabe
können die Schüler zeigen, ob sie die Grundmuster des Textes verstanden haben
und selbst umsetzen können. Durch die vorhergegangene genaue Beschäftigung mit
den im Text enthaltenen Motiven, sollte die Kreativ-Aufgabe auch von Schülern
angemessen bewältigt werden können, die sonst eher Schwierigkeiten mit dieser Art
von Arbeitsauftrag haben.
Die Kompetenzen im
Umgang mit literarischen Texten werden gefördert und durch die Besprechung der
Aufgaben evaluiert.
7.
Anhang
7.1 Text: Der Bär auf dem Försterball
Der Bär
schwankte durch den Wald, es war übrigens Winter, er ging zum Maskenfest. Er
war von der besten Laune. Er hatte schon ein paar Kübel Bärenschnaps getrunken,
- den mischt man aus Honig, Wodka und vielen schwierigen Gewürzen. Des Bären
Maske war sehr komisch. Er trug einen grünen Rock, fabelhafte Stiefel und eine
Flinte auf der Schulter, ihr merkt schon, er ging als Förster. Da kam ihm, quer
über den knarrenden Schnee, einer entgegen: auch im grünen Rock, auch mit
fabelhaften Stiefeln und auch die Flinte geschultert. Ihr merkt schon, das war
der Förster. Der Förster sagte mit einer tiefen Bassstimme: "Gute Nacht,
Herr Kollege, auch zum Försterball?"
"Brumm",
sagte der Bär, und sein Bass war so tief wie die Schlucht am Weg, in die die
Omnibusse fallen. "Um Vergebung", sagte der Förster erschrocken,
"ich wusste ja nicht, dass Sie der Oberförster sind." "Macht
nichts", sagte der Bär leutselig. Er fasste den Förster unterm Arm, um
sich an ihm festzuhalten, und so schwankten sie beide in den Krug zum zwölften
Ende, wo der Försterball stattfand. Die Förster waren alle versammelt. Manche
Förster hatten Geweihe, die sie vorzeigten, und manche Hörner, auf denen sie
bliesen. Sie hatten alle lange Bärte und geschwungene Schnurrbärte, aber die
meisten Haare im Gesicht hatte der Bär.
"Juhu",
riefen die Förster und hieben den Bären kräftig auf den Rücken.
"Stimmung", erwiderte der Bär und hieb die Förster auf den Rücken,
und es war wie ein ganzer Steinschlag.
"Um
Vergebung", sagten die Förster erschrocken, "wir wussten ja nicht,
dass Sie der Oberförster sind."
"Weitermachen"
sagte der Bär. Und sie tanzten und tranken und lachten; sie sangen, sie hätten
so viel Dorst im grünen Forst. Ich weiß nicht, ob ihr es schon erlebt habt, in
welchen Zustand man gerät, wenn man so viel tanzt und trinkt, lacht und singt.
Die Förster gerieten in einen Tatendrang und der Bär mit ihnen; der Bär sagte:
"Wir wollen jetzt ausgehen, den Bären schießen."
Da streiften
sich die Förster ihre Pelzhandschuhe über und schnallten sich ihre Lederriemen
fest um den Bauch, so strömten sie in die kalte Nacht. Sie stapften durchs
Gehölz. Sie schossen mit ihren Flinten in die Luft. Sie riefen Hussa und
Hallihallo und Halali, wovon das eine soviel bedeutet wie das andere, nämlich
gar nichts, aber so ist das Jägerleben. Da Bär riss im Vorübergehen eine
Handvoll trockener Hagebutten vom Strauch und fraß sie. Die Förster riefen:
"Seht den Oberförster, den Schelm", und fraßen auch Hagebutten und
wollten sich ausschütten vor Spaß. Nach einer Weile jedoch merkten sie, dass
sie den Bären nicht fanden.
"Warum
finden wir ihn nicht?" sagte der Bär, "er sitzt in seinem Loch, ihr
Schafsköpfe." He ging zum Bärenloch, die Förster hintendrein. Er zog den
Hausschlüssel aus dem Fell" schloss den Deckel auf und stieg hinunter, die
Förster hinterdrein.
"Der Bär
ist ausgegangen", sagte der Bär schnüffelnd, "aber es kann noch nicht
lange her sein, es riecht stark nach ihm." Dann torkelte er zurück in den
Krug zum zwölften Ende und die Förster hintendrein. Sie tranken gewaltig nach
der Anstrengung, aber die Menge. die der Bär trank, war wie ein Schmelzwasser,
das die Brücken fortreißt.
"Um
Vergebung", sagten die Förster erschrocken. "Sie sind ein großartiger
Oberförster." Der Bär sagte: "Der Bär steckt nicht im Walde, und der
Bär steckt nicht in seinem Loch; es bleibt nur eins, er steckt unter uns und
hat sich als Förster verkleidet."
"Das muß es
sein", riefen die Förster, und sie blickten einander misstrauisch und
scheel an. Es war aber ein ganz junger Förster dabei, der einen verhältnismäßig
kleinen Bart hatte und nur wenige Geweihe und überhaupt der Schwächste und
Schüchternste war von allen. So beschlossen sie, dieser sei der Bär. Sie
krochen mühsam auf die Bänke, stützten ihre Bärte auf die Tische und langten
mit den Händen an der Wand empor.
"Was sucht
ihr denn?" rief der junge Förster.
"Unsere Flinten"
sagten sie, "sie hängen leider an den Haken."
"Wozu die
Flinten?" rief der junge Förster.
"Wir wollen
dich doch schießen", antworteten sie, "du bist doch der Bär."
"Ihr
versteht überhaupt nichts von Bären", sagte der Bär. "Man muss
untersuchen, ob er einen Schwanz hat und Krallen an den Tatzen", sagte der
Bär.
"Die hat er
nicht", sagten die Förster, "aber, Potz Wetter! Sie selbst haben
einen Schwanz und Krallen an den Tatzen, Herr Oberförster. "
Die Frau des
Bären kam zur Tür herein und war zornig. "Pfui Teufel", rief sie,
"in was für Gesellschaft du dich herumtreibst."
Sie biß den
Bären in den Nacken, damit er nüchterner würde, und ging mit ihm weg.
"Schade, dass du so früh kamst" sagte der Bär im Walde zu ihr,
"eben hatten wir ihn gefunden, den Bären. Na, macht nichts. Andermal ist
auch ein Tag."
7.2 Skizze einer möglichen Darstellung eines Mentalen
Modelles zum Text
Ort und Zeit:
Abend: Wald àKrug zum zwölften Ende àNacht: Wald, Höhle des Bären àKrug zum zwölften Ende
Die Förster
·
Betrunken
·
Gekleidet wie ein Förster
·
Tiefe „Bassstimme“
·
Stereotyp: Gesammelte Geweihe, Bärte,…
·
Auf dem Weg zum Försterball
|
|
Der Bär
· Betrunken
· Als
Förster verkleidet
· Tiefste
„Bassstimme“
· Kraft
· Haarig
· Trinkvermögen
·
Ursprünglich auf dem Weg zum Maskenball
|
|
7.2 Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Hacks,
Peter: Der Bär auf dem Försterball. Zürich 2006.
Bildungsplan
2004. Allgemein bildendes Gymnasium. Bildungsstandards für Deutsch.
Onlinequelle:
(27.12.2013)
Sekundärliteratur:
Esslinger-Hinz,
Illona et al. (Hrsg.): Guter Unterricht als
Planungsaufgabe. Ein Studien- und Arbeitsbuch zur Grundlegung unterrichtlicher
Basiskompetenzen. Kempten 2007.
Fritzsche, Joachim:
Zur Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts. Bd. 3: Umgang mit Literatur.
Stuttgart 1994.
Lösener, Hans:
Poetisches Verstehen bei der Unterrichtsvorbereitung. Überlegungen zur
literaturunterrichtlichen Sachanalyse. In: Winkler,
Iris et al. (Hrsg.): poetisches Verstehen: Literaturdidaktische
Positionen – empirische Forschung – Projekte aus dem Deutschunterricht.
Hohengehren. 2010. S.82-97. Onlinequelle:
(27.12.2013)
7.3 Eigenständigkeitserklärung:
Hiermit bestätige ich, dass ich die
vorliegende Arbeit selbstständig und nur mithilfe der angegebenen Quellen
erstellt habe.
Datum, Unterschrift