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Mitschrift (Lernskript)

Literarische Traditionen II Einheit 6

1.727 / ~3 sternsternsternsternstern_0.25 Julius M. . 2010
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Mitschrift
Deutsch

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

WS 2010/11 Hans-Helmut Hiebel 6. EH

Julius M. ©

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sternsternsternsternstern_0.25
ID# 2802







Literarische Traditionen II

Skriptum zur 6. Einheit

10. November 2010

HS 06.02; Dozent: em. Univ.-Prof. Dr. Hans-Helmut Hiebel

13 Uhr 30   -   15 Uhr 00

 

 

 

Johann Christoph Gottsched

Blatt 6 am blauen Bogen: Gottsched: erster großer Frühaufklärer, zum Teil vom wichtigsten Aufklärer Lessing beschimpft, aber man muss auch Gottscheds Schritte beachten.

Wiedergabe des Titelblattes seiner Poetik: Versuch einer kritischen Dichtkunst für die Deutschen; Dichten soll Nachahmung der Natur sein. An der Schrift kann man sehen, wie lange es dauerte, bis der Buchdruck zu einer einfachen Schrift an - es haftet dem Druck immer noch das alte Medium -die Handschrift- an. 1739 veröffentlicht Gottsched eine Dichtungstheorie, die ihn sehr berühmt macht.

Blatt 7 am blauen Bogen: Titelblatt der zweiten Auflage von „sterbender Cato“: Gottsched verfasste selbst Dramen; ist sehr aktiver Mann, hat auch Rhetorik, Dramen (Reihe: „Die Schaubühne“), moralische Wochenschriften (wichtiges Medium der frühen Aufklärung- es wird über alles mögliche gesprochen und argumentiert- es bildet sich das begründete Argumentieren heraus und man muss empirische Belege für Behauptungen bringen), gründet deutsche Sprachgesellschaft - pflegt deutsche Sprache und drängen das Latein schrittweise zurück. Bis Anfang des 18. JH schreiben Gelehrte noch in Latein (auch Goethes Dissertation ist noch auf Latein. Gottsched bemüht sich auch um eine Theatertruppe. Fahrende Theater werden erst in stehende Theater umgewandelt. Neubersche Theater (von Neuberin). Übersetzt aus dem Griechischen, Lateinischen, Englichen und trägt alle möglichen Theorien für seine Poetik zusammen. Heißt deshalb kritische Dichtkunst, weil kritischen nachgeprüft wird, was vernünftig ist. Man muss kritisch denken- rational argumentieren und empirisch belegen. In der Theorie selber ist das wichtigste Moment der Kampf gegen das gegen das Wunderbare (gegen den Aberglauben- gegen Gespenster, Engel, Teufel, die Naturgesetze überschreitende Gebilde) und er fordert Wahrscheinlichkeit (nach den Naturgesetzen).

Gottsched hat sich auch als Philosoph hervorgetan- popularisiert das Werk des Aufklärers Christian Wolf. Wolf hat drei Bände veröffentlicht, in denen er folgende Prinzipien verteidigt: Rationalität (es muss alles begründet und belegt werden-> Welt wird als eine Uhr gesehen, die Gotte einmal aufgezogen hat und die ablaufen lässt ohne einzugreifen -> Deismus; Gottsched veröffentlicht es unter dem Titel „Gründe für die gesamte Weltweisheit“, kann übernatürliche Wesen aus der Literatur vertreiben).

„Der sterbende Cato“: Es geht um Cato von Utica (Provinz in Nordafrika), Cato war der Herrscher dieser Provinz im Sinne von Republikanismus, Cäesar will sich Utica unterwerfen, seinem Imperium, seiner Tyrannis, Cato weigert sich standhaft. Cato erklärt Cäesar, dass er ihn nur anerkennen würde, wenn er (Cäesar) von Volk und Rat gewählt werde. Volk und Rat sind die Schlüsselwörter. Cäesar bietet ihm sogar weiterhin ein Herrscheramt an, Cato argumentiert wieder, dass er nur das Amt haben kann, wenn Volk und Rat ihn wählen. Farnaces schließt Bund mit Cäesar, wenn er ihm den Kopf Catos bringt, wird er Herrscher über Utica und bekommt Catos Tochter. Cäesar geht darauf nicht ein, und erzählt Cato, was Farnaces vor hat. Cato weigert sich weiterhin. Farnaces wird eigenmächtig, um Arsene (die Tochter) und der Herrschaft über Utica zu bekommen und brennt die ganze Stadt nieder. Cato will sich als Protest gegen die Tyrannis umbringen, als Aufruf an alle Republikaner.

Cato von Utica ist Beispiel der stoischen Standhaftigkeit und der Liebe zur Freiheit.

 

Aristoteles: Man darf in der Traödie nicht zeigen, dass makellose Männer einen Umschwung von Glück ins Unglück erleben. Es ergäbe keine tragische Wirkung. Wichtig für die Wirkung sei phobos und eleos (Furcht und Mitleid). Man darf auch nicht zeigen, wie Schufte einen Schwung vom Unglück ins Glück erleben.

Man dar auch nicht zeigen, wie der ganz Schlechte ins Unglück schlittert, es erregt nicht Furcht und Mitleid.

Was bleibt? Jemand muss wegen eines Fehlers einen Umschwung ins Unglück erleben. Fehler=Hamartia. Hamartia ist der Moment, der die tragische Wirkung erzeugt.

 

Gottsched hat genau diese Überlegungen von Aristoteles aufgegriffen, wenn er davon spricht, dass Cato einen Fahler begeht, unglücklich wird und stirbt.

 

(Man soll später Bezug von Gottsched zu Lessing herstellen)

 

Differenzierungen zur Handlung: Arsene kommt nach Utica und ist auf der Flucht vor Farnacis, der ihr Herz und ihre Thron will. Kommt als Flüchtling zu Cato, der zuerst nicht weiß, dass sie seine Tochter ist. Ist eine Nebenhandlung. Wiedererkennung erfolgt erst später (vgl. Aristoteles). Arsene kommt als Königin eines Landes nach Utica. Als Cato sie erkennt, stellt sich heraus, dass die nicht Arsene heißt sonder Portia. Arsene begegnet in Utica Cäesar und erkennt, dass sie schon einmal mit ihm zu tun hatte. Hatte sich in ihn verbliebt, auch er liebt sie noch. Auch hier Wiedererkennungsszene. Portia steht zwischen Cäesar und Cato (vgl. Schiller „zwischen Sinnlichkeit und Sittlichkeit). Wenn sie sich für Cäesar entscheiden müsste, könnte sie keine Rupublikaner mehr sein. Es kommt zu Entscheidung, in der sie sich für den Vater entscheidet (=Zweite Nebenhandlung).

Figurenzeichnung im Vergleich zu Gottscheds Theorie:

- Ist der Held tatsächlich einer, der tugendhaft ist und an einem Fehler stirbt? Cato begeht erst am Ende einen Fehler, treibt die Liebe zur Reupublik zu hoch, begeht Selbstmord erst am Schluss (=Fehler). Aristoteles fordert jedoch, dass der Fehler schon im Laufe der Handlung passieren muss. Gottsched ist nicht wirklich dem Gedanken des Aritoteles angemessen.

- Stellt Cäesar nicht mehr als reinen Dispoten dar, wie es im Barock der Fall war; wird als großzügig und „kompromissbereit“ geschildert. Wird zwar als Tyrann, aber mit gemischtem, oder „mittlerem“ Charakter dargestellt. Aristoteles beschreibt den mittleren Charakter mit positiven und negativen Charaktereigenschaften. Gottsched hat das beherzigt.

-  Republikanisches Trauerspiel: Gibt es Anfang des 18. JH oft; man nennt sie so, weil sie Stoffe der römischen Republik aufgreifen (oder auch Muster, Personen). Zum anderen wird das getan, weil man im Absolutismus die Republik anstrebt. Man will auch politisch etwas erreichen. Das heißt, dass die Willkürherrschaft der einzelnen Fürsten durch einen republikanischen Gedanken ersetzt werden soll. „Volk und Rat“ bestimmen die Politik und nicht einer allein. Nächster Schritt ist dan hin zur repräsentativen Demokratie. In allen Bereichen ist dieses Phänomen sichtbar: Überall ändern sich die Standpunkt und kommt Aufklärung in das Denken.

 

Vergleich mit dem Barock:

Was ist geändert?

Es gibt keine Bühnenbild mit Himmel und Hölle mehr. Es geht um das Dasein auf der Welt. Es geht um Politik, nicht um Transzendenz. Wie kann man hier gut und vernünftig in der Gesellschaft leben? So schwach das Drama ist, ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg.

Man kann noch immer Modell des Barock durchsehen: Es gibt in Fernaces einen Intriganten, Dispot Cäesar, Märtyrer Cato. Hier fällt das Stück in eine barocke Vorstellung zurück.

Äußere Form: Gottsched schreibt immer noch den Alexandriner und klebt am Barock. In seiner Dichtungstheorie polemisiert er aber gegen das Barock und seinen „Schwulst“.

Wirkliche Prosa wird erst bei Lessing eingeführt. Wenn man die barocke Überladenheit im Vergleich zu Gottsched anschaut, wird auch schon Schritt in Richtung Natürlichkeit gemacht.

Trotzdem noch gealtiger Sprung von Gottsched weiter zur Prosa Lessings und zur Umgangsspreche von Lenz.

 

Gotthold Ephraim Lessing:

Berühmt gemacht haben ihn seine drei anfänglich Dramen: Philotas, Miß Sara Sampson, Emilia Galotti. Lessing hat keine Poetik verfasst sondern verschiedene Literaturbriefe herausgegeben. Lessing spricht von „Furcht und Mitleid“ und nicht mehr von „Mitleid und Schrecken“ -> dahinter verbirgt sich eine neue Idee: Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid. Wenn und eine Figur auf der Bühne an uns selber erinnert, haben wir Angst, dass uns selber so etwas passieren könnte- wir haben also Mitleid mit uns selbst. Wir haben auch Mitleid im wörtlichen Sinn mit dem Mittelcharakter auf der Bühne, der im Grunde gut ist, aber einen Fehler gemacht hat und unser Mitleid erregt. Dazu gehört unbedingt auch die Idee vom mittleren Charakter und der Hamartia. Nur bei einem mittleren Charakter kann es ja Furcht und Mitleid geben.

Die Figuren der Tragödie müssen „von unserem Schrot und Korn sein“, d.h. sie müssen realistisch und mit uns vergleichbar sein, sonst haben wir kein Mitleid.

Mit einer Katharina von Georgien („schönes Ungeheuer“) kann man sich nicht identifizieren. Die Charaktere müssen unserer Welt entnommen sein, sonst kann man aus ihrem Schicksal nichts lernen.

WICHTIG: Lessing stellt nicht Bürger auf die Bühne, Lessing greift nicht den Adel an.

Lessings Stücke können leicht missverstanden werden. Sie sind so gebaut, dass man selber auf den Sinn der Stücke kommen muss. Sind perspektivische (=personale) Dramen. Was der Autor zu den Figuren denkt, muss man selbst herausfinden. Keine Figur ist Sprachrohr des Autors (Ausnahme: Nathan). Aber vor allem frühe Stücke sind sehr missverständlich aufgebaut.

Schein- und Seinebene: Auf den Schein fällt man herein, nur wenn man sich selber Gedanken macht, kann man herusfinden, was der Autor wirklich mitteilen wollte.#

 

zB Philotas: Siebenjähriger Krieg zwischen Österreich und Preußen um Schlesien -> viele Männer ziehen heroisch und freudig in den Krieg, Ernüchterung folgt später. Schreiben zT patriotische Gesänge und ziehen als Patrioten los. Lessing war gegen den Patriotismus. Man hat das Stück aber oft als patriotisches Stück gelesen. Im Mittelpunkt steht ein Jüngling, der einen heroischen Selbstmord begeht.

Wie sieht die Wirklichkeit aus? Es gibt nur einige Idizien: Vater und Sohn Philotas sind Herrscher vom Land, dieses führt Krieg gegen Land B, auch dort König und Sohn. Beide Söhne werden gefangen genommen. Dialoge: Jüngling darf erst sein kurzem in die Schlacht ziehen. Philotas denkt, wenn er sich umbringt, kann sein Vater und sein Reich nicht mehr erpresst werden. Seite 7 lesen am blauen Bogen. Philotas verweigert die Kommunikation. Für einen Aufklärer ist eine Todsünde, wenn nicht begründet wird... Der Vater selber sagt, dass ihm der Sohn wichtiger sei, als der Sieg über den Feind. Das will der Sohn nicht sehen, und bringt seinen Vater um seinen Sohn. Philotas glaubt, dass die Feinde Schufte seien, prüft es aber nicht nach und geht davon aus, dass nur er so heroisch ist. Er kommt nicht auf die Idee, dass der Sohn das anderen Königs gleich denkt. Es wird angedeutet, dass er sich verrechnet.

Heroischer Selbstmord ist unsinnige Tat eines jugendlichen Leichtsinns. Es handelt sich um ein antipatriotisches Stück.

Diese raffinierten Stücke stellen Fallen auf, die auf Vorurteilen beruhen. zB Patriotismus als Vorurteil, die eingesetzt werden und dann unterlaufen werden. man lässt den Leser mit seinen eigenen Vorurteilen in die Falle laufen und vertraut darauf, dass er klug genug ist, den Schein das Ganzen zu verstoßen.

 

Miss Sara Sampson: Scheinebene: Sara und ihr Geliebter seien bürgerlich, fallen der bösen Adeligen zum Opfer; zerstört dieses Bild dann aber langsam. Sara ist Tochter des Sir William Sampson -> gehört dem höchsten Adel an (ist auch einen Lady). Es sind also keine Bürger, die aufgestellt werden um den Adel zurecht zu weisen. Melfond und Sara scheinen sich aufrichtig zu lieben und Märtyrer zu sein, die ins Unglück schlittern.


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