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Seminararbeit
Religionswissenschaft­en

Universität, Schule

Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Note, Lehrer, Jahr

3,7, Bruns, 2014

Autor / Copyright
Andreas B. ©
Metadaten
Preis 5.00
Format: pdf
Größe: 2.01 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 41461







Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften

Institut Katholische Theologie

Lehrstuhls für Kirchengeschichte und Patrologie

Prof. Dr. Peter Bruns

Kirchengeschichte: Kaiser, Könige und Konzilien – Die Rolle der weltlich-politischen Mächte auf den Synoden in Antike und Mittelalter


KArl der große

und die Verschränkung weltliche und kirchlicher Macht im 8. Jahrhundert

am Beispiel der

die libri carolini

und

die Frankfurter Synode von 794


vorgelegt von

am 1.5.2014


Luitpoldstraße 25 Lehramt Gymnasium

96052 Bamberg 9. Semester

1581074

Modulzuordnung:

Kirchengeschichte Vertiefungsmodul LAMOD-23-03-005a

Inhalt




A. Einleitung


Diese Hausarbeit entstand im Rahmen des kirchengeschichtlichen Seminars „Kaiser, Könige und Konzilien – Die Rolle der weltlich-politischen Mächte auf den Synoden in Antike und Mittelalter“. Von diesem Titel lässt sich die grundlegende Stoßrichtung dieser Arbeit ableiten. Synodale Beschlüsse sollen nicht dogmengeschichtlich analysiert, sondern vor dem Hintergrund einer zuvor stattgefunden Verschränkung kirchlicher und weltlicher Macht im 8. Jahrhundert gedeutet werden.

So soll nach einem kurzen Blick auf die Biographie Karls des Großen bis zu seiner Kaiserkrönung im Jahre 800 n. Chr. die Hintergründe der Entstehung der libri carolini und die Frankfurter Synode von 794näher beleuchtet werden. Von Nöten ist dabei einen kurzen historischen Überblick durch die westliche wie östliche geschichtliche Entwicklung zu geben. Die Vita Karls soll nur an den Stellen beleuchtet werden, die für das spätere kirchenpolitische Handeln von Relevanz sind.

Darüber hinaus wird kurz die Entwicklung des byzantinischen Bilderstreits skizziert, insofern dieser Auswirkungen auf den lateinischen Westen hatte und zum Verständnis beiträgt. Insbesondere kommt hier das 7. Ökumenische Konzil von Nicäa aus dem Jahre 787 n. Chr. zur Sprache, das ohne fränkische Beteiligung stattfand1. Damit einhergehend wird der Blick nach Westen gewandt um die Stellung Karls des Großen zur Bilderfrage auszuleuchten.

Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund Karls kirchenpolitischer Ambitionen geschehen und die fränkisch-theologischen Abhandlungen auch machtpolitisch verstanden werden. Denn das Konzil scheint eine merkwürdige Zwischenstellung einzunehmen: „in ihm kommt einerseits die fränkische Reichskirche zu Wort, in der Karl als König von Gottes Gnaden unbestritten dem Episkopat richtungsweisend vorangeht, andererseits greift es in seinen Bestimmungen entschieden über den Bereich der Reichskirche hinaus, indem es, wiederum im Sinne Karls, sowohl gegenüber dem Papst wie gegenüber Byzanz unverkennbar universalistische Tendenzen verficht.“2 In diesen Kontext ist auch das Frankfurter Konzil von 794 n. Chr.

Zu setzen, in dessen Konzilsakten der Bilderstreit ebenfalls seinen Widerhall fand3 und im Zusammenhang steht mit der Expansions- und Legitimationsbemühungen eines neu entstehenden Großreiches. Eine Synode die auch als Gegenentwurf zum 7. Ökumenischen Konzil von Nicäa 787 zu verstehen ist. Die auf dem Konzil in Frankfurt getroffenen Entscheidungen waren maßgeblich für die weitere soziopolitische Entwicklung des fränkischen Reiches4.

Im Bilderstreit vollzog sich eine vehemente Überlagerung theologischer Streitpunkte durch politische Interessen. Weitere Punkte der Tagesordnung waren der spanische Adoptianismus, die freiwillige Abdankung des schon abgesetzten Herzogs Tassilo von Baiern, die Münz- und Maßreform, kanonische Fragen, das Klosterwesen, sowie die religiöse Erziehung des Volkes5. Schon diese Themenkomplexe lassen die tiefe Verschränkung weltlicher und kirchlich Interessen dieser Zeit erahnen.

In dem Versuch sich auch zu theologischen Themen wie des Bilderstreits zu positionieren, wird deutlich, dass Karl seinen Herrschaftsanspruch zu festigen versuchte. Und dies nicht nur tat, indem er an den Sitzungen der Synode über den Bischöfen, Priestern und Diakonen thronte und sich von oben herab beteiligte6. Dieser Anspruch führte natürlich zu einen (mehr oder weniger) offenen Streit zwischen Rom und Byzanz, wobei dieser Konflikt schon zuvor schwelte und der Papst die erstarkte Macht des Kaisers einerseits zu legitimieren und andererseits dessen Durchsetzungsvermögen zu schwächen versuchte.

Das Konzil von Nicäa im Jahre 787 bildet dabei den Auslöser für eine folgenreiche Entwicklung, bei denen machtpolitische Kräfte ihre Arme weit hinein in synodalen Beschlüssen ausstreckten. Die zunehmende Verschränkung kirchlicher und politischer Macht im 8. Jahrhundert der machtpolitische Einfluss auf das Frankfurter Konzil, sowie die vorrangehende kirchenpolitische-theologische Streitschrift libri carolini aus der Feder des Theodulf von Orlean sollen zum Schwerpunkt dieser Arbeit werden.


B. Hauptteil

1. Karl der Große


In einem ersten Schritt soll versucht werden einen kurzen Abriss zu geben, wie sich Strukturen in einem westlichen fränkischen Reich herausbilden, die zu einer zunehmenden Verschränkung weltlicher und kirchlicher Macht und Instanzen führten. Anschließend wird kurz skizziert, in welche Zeit Karl der Große hineingeboren wurde, wie diese ihn beeinflussen musste und er sich zu ihr positionieren sollte.


1.1 Die unbekannte Kindheit Karls und die Wurzeln seiner Herrschaft


Im Gegensatz zu den Herrscherjahren ist über Karls Kindheit nur sehr wenig bekannt. Es lässt sich wenn nur aufgrund seines Umfeldes Rückschlüsse auf die ihn prägenden Momente in seinem jungen Leben ziehen. In den bevorzugten ländlichen Herrschaftssitzen seiner karolingischen Eltern, des Hausmeiers Pippins III. dem Jüngeren und Bertrada7, den sogenannten Pfalzen gab es stets eine Pfalzkapelle, in der die Königsfamilie täglich zur Messe ging und betete8.

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Geboren wurde Karl mit zunehmender Wahrscheinlichkeit im Jahre 7489, genauer am 2. April 748. Der junge Karl kam somit in einer rituellen Weise schon früh in den Kontakt mit den kirchlichen Gepflogenheiten. Doch grundlegend muss festgehalten werden, dass sich wesentliche Momente seiner frühen Biographie jeglichem Zugang verwehren und wenn nur ein zeittypisches, kein individuelles Bild eines Thronnachfolgers gezeichnet werden kann.

Die Adelsgesellschaft, in die Karl hineinwuchs, war durch Ungleichheit geprägt, deren Wahrung zwar «Gerechtigkeit» hieß, deren Wirklichkeit aber «Konkurrenz» und «Konflikt» beherrschten“10. Die Zeit des Aufstiegs der Karolinger war geprägt von Gewalt, Verfolgung und Tod. Familiäre Zwietracht und familiäre Kämpfe, die nicht selten zum Tod führten, nahmen ihren Anfang nicht schon mit Karls Großvater.

Er wurde in kirchlichen Kreisen des 9. Jahrhundert als Schädiger des Kirchenguts (zu Unrecht) verdammt und setzte sich nur im Kampf und Krieg gegen seine Halbbrüder durch11. Innerfamiliäre und innerfränkische Konflikte bestimmten das gesamte 8. Jahrhundert und fanden somit auch Eingang in die zwar noch dürftige Geschichtsschreibung, doch auf alle Fälle dürfte eine mündliche Überlieferung von klein an Eingang in das Bewusstsein Karls des Großen gefunden haben12.

Auch hierauf könnte sein späterer unbedingter Geltungsanspruch gründen und teilweise erklärt werden. Der Großvaters und Namensvetters Karls legte einen Grundstein auf den der spätere fränkische Kaiser bei seinen Expansionsbemühungen und auch –erfolgen zurückgreifen konnte. Dieser säkularisierte zwar einen nicht unbeträchtlichen Teil kirchlicher Güter, doch teilte er als Ausgleich daraufhin den Zehnt (bzw. auch Neunten) der Kirche zu, was als Grundvoraussetzung gelten kann, dass Karl der Große Bischöfen und Klöstern militärische Aufgaben zuweisen könnte13.

Zur Zeit Karls des Großen wurde der Kirchenzehnt dann im Kapitular von Heristal 779 Reichsgesetz, um die fränkische Kirche mit Mitteln zu versorgen14.

Als Karls Vater Pippin das jahrhundertelang regierende Königshaus der Merowinger ausschaltete und 750/51 sich der Königwürde bemächtigte, war dies ein politischer Umsturz größten Ausmaßes15. Um ein späteres Kennzeichen der Herrschaft Karl des Großen zu verstehen, muss etwa sechs Jahre vor Karls Geburt das sogenannte »Concilium Germanicum« Erwähnung finden. Diese fränkische Synode trat unter dem Vorsitz des apostolischen Legaten für Germanien Bonifatius zusammen, der 719 v. Chr. von Papst Gregor II (715 – 731) beauftragt wurde in den rechtsrheinischen Gebieten für die Durchsetzung römischer Standards zu sorgen.

Die kirchenhoheitliche Herrschaftsauffassung der Karolinger wird in der Vorrede zu den als Kapitular publizierten Kanones deutlich16:



Karlmann spricht hier davon, dass er die Bischöfe seines Reiches zum Konzil verein habe, damit die lex Dei und kirchliche Ordnung wiederhergestellt würde, um das christliche Volk zu Seelenheil gelangen zu lassen.17

Die Kombination mit dem Bischofseid des Bonifatius aus dem Jahre 722 vor Chr. lässt deutlich erkennen, welch enge Verschränkung zwischen fränkischem Klerus und Rom angedacht war und das 8. Jahrhundert hindurch geprägt hatte18:

Besonders sind hier die Ausschnitte: „Ich, Bonifatius, durch Gottes Gnade Bischof, verspreche euch, dem seligen Apostelfürsten Petrus und deinem Stellvertreter…, stets die Einheit der Kirche zu beachten … und, falls jemand gegen diese Einheit der gemeinsamen und allgemeinen Kirche etwas unternimmt, dies nicht hinzunehmen“19 Damit war die Ausrichtung der fränkischen Kirche an den Vorgaben, Richtlinien und Gesetzen der römischen Kirche zum grundlegenden Auftrag Bonifatius geworden.

Heidnische Bräuche und Gepflogenheiten waren in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts im fränkischen Klerus noch weit verbreitet. Zahlreiche Erlasse und Regelungen wurden den Missständen entgegengestellt, doch eine ungemeine Aufwertung der Verpflichtung zur Einhaltung eben dieser erfuhren sie durch das Germanische Konzil, dessen Beschlüsse als Erlass und Befehl des Hausmeiers Karlmann verkündet wurden20.

Dieses Instrument zur Verklammerung von Herrscher und Kirche, dessen sich auch die Frankfurter Synode von 794 bedienen sollte, begegnet uns im Frankenreich hier zum ersten Mal und erreicht damit eine neue Stufe. Der Wirkung bonifatianischer Reformen konnte sich auch Pippin nicht entziehen und so setzte auch er nach dem Tod Bonifatius dessen Linie fort und nutze römische Normen zur inneren Festigung seines Reiches21.


Dass die im 7. und 8. Jahrhundert verkümmerte Bildung neu belebt werden musste erfasste Karl wohl schon frühzeitig und beschrieb diese auch später als die Königaufgabe schlechthin22:

Da uns die göttliche Milde unablässig in Krieg und Frieden schützt, … deshalb wollen wir, da wir Sorge tragen, den Stand unserer Kirchen ständig verbessern, die durch die Nachlässigkeit unserer Vorfahren nahezu vergessene Aufgabe der Wissenschaft (litterarumofficina) mit wachem Eifer erneuern (reparare) und – so viele wir können – durch unser Beispiel zu eindringlichen Studien der freien Künste anhalten“23 Sein Bildungsprogramm erwuchs allerdings nicht aus reinem Selbstzweck, sondern entsprang dem Legitimationsbedürfnis seiner Herrschaft.

Die stärkende und legitimierende Macht Sankt Peters erfuhr er schon in jungen Jahren und blieb ihr Zeit seines Lebens verpflichtet24. 753/754 betrat zum ersten Mal in der Geschichte ein römischer Papst den Boden des Frankreichs. Denn als Papst Stephan II. (752-757) sich vom Langobardenkönig bedroht fühlte, sah er sich genötigt, die Reise über die Alpen anzutreten und Pippin um Hilfe zu bitten25.

Doch der eigentlich prägende Moment für den sechs Jahre alten Karl war wohl, als er dem Papst entgegeneilte, bzw. im Gefolge einer Gesandtschaft eben diesem entgegengeschickt wurde, und zur Pfalz geleite. Als dann sein Vater beim Zusammentreffen vom eigenen Pferd stieg und das päpstliche Pferd als vice stratoris am Zügel26 führte. Trotz dieser großen Ehrbezeugung seitens Pippins war der Bittsteller Papst Stephan.

Dieses erste persönliche Zusammentreffen spielte sich direkt vor den Augen des jungen Karls ab und war sicherlich ein eindrücklicher Augenblick im Leben des heranwachsenden Karl. Aus der hervorgehenden Restitution päpstlichen Besitzungen und der neuartigen Kooperation mit dem Papsttum zog gewiss auch Karl - der Herrscher - seine Vorteile. Eine innere Festigung des Reiches durch Erlass eindeutiger (römischer) Riten, Texte und Normen zählte ebenso dazu, wie die erhaltende päpstliche Königsweihe /-salbung aus Dei gratia und Würde eines Patricius Romanorum (ursprünglich der Bevollmächtigte des Kaisers von Konstantinopel und Vertreter der kaiserlichen Gewalt in ganz Italien)27.

Auch ist beachtenswert, dass Karl in der Tradition eines „rex et sacerdos“ stehend verstanden werden kann. Diese besondere Legitimation und Autorität politischer Herrschaft innerhalb eines Sakralkönigtums.28

In der Anrede eines Briefes des Papstes Hadrian I. (772 – 795) wird das Selbstverständnis der römisch-fränkischen Beziehung ebenfalls kurz vor dem 7. ökumenischem Konzil in Nicäa deutlich, als Hadrian I. Karl mit „Sohn und geistlichen Gevatter/Mitvater“29 anspricht30:

So sind seine pietas und sein nie vernachlässigter Gottesdienst auch immer vor dem Hintergrund machtpolitischen Interesses zu sehen. Nach Einhardus hörte Karl gerne auch die Werke des heiligen Augustinus, besonders seine Schrift »De Civitate Dei«:

Delectabatur et libris sancti Augustini, praecipueque his qui de civitate Die praetitulati sunt.“31

Aufgrund der Voreingenommenheit des Autors ist der Quellenwert der Vita mitunter nicht unproblematisch. Doch ist zu vermuten, dass Karl in dieser theologischen Verschränkung von Staat und Kirche ein Programm für den Umbau seines Reiches fand. Mit dieser Verchristlichung des Staatswesens verfolgte Karl und seine Berater das Ziel, die Grundlagen und die gesamte Legitimation der staatlichen Ordnung aus den christlichen Normen und Vorgaben heraus zu entwickeln und zu gestalten32.

Im Südwesten des fränkischen Herrschaftsgebietes, südlich der Pyrenäen, war als Schutzwall gegen die Araber die „Spanische Mark“ errichtet worden. Im Südosten hatte Karl nach Siegen über die asiatischen Awaren die „Pannonische Mark“ zwischen Raab und Donau geschaffen, der sich südwestlich die bis nach Dalmatien reichende „Mark Friaul“ anschloss. Elbe und Saale bildeten die Ostgrenze des Reiches gegenüber den Slavenvölkern.

Hier wurde als östliches Vorfeld die „Sorbische Mark“ eingerichtet. Gegen die Wikingerraubzüge in den Küstengebieten an Nord- und Ostsee entstand an der Eidergrenze die „Dänische Mark“. Eine ähnliche Schutzfunktion übernahm im Nordwesten die „Bretonische Mark“34. Um das Riesenreich überhaupt einigermaßen verwalten zu können, wurden die schon aus der merowingischen Zeit stammenden Grafschaften auch auf die nichtfränkischen Gebiete ausgedehnt.

Um dieses enorme Reichsgebiet zu regieren bedarf es nicht nur einem starken Willen, sondern auch innerer Strukturen und Einheit. Um diese zu verwirklichen und zu implementieren fand er in der christlichen Lehre ein optimales Gerüst. Doch gerade wenn eben jene christliche Normen und Vorgaben angreifbar werden, besteht die Gefahr auch einen Legitimationsverlust des eigenen Herrschertums zu erleiden.

In diese äußeren Rahmenbedingungen entwickelte sich der Streit um die Verehrungswürdigkeit heiliger Bilder.


Abbildung 1 Fränkisches Reich zur Zeit Karls des Großen (um 810) aus: (Weinfurter, 2013), 354f.


1.3 Die Formkräfte des karolingischen Königtums - Karl des Großen


Die schon in 1.2 kurz angeschnittene innere Festigung durch die tiefgreifende Bildungsreform soll nun näher ausgeführt werden, denn sie trägt zum Verständnis späterer theologischer Schriften, wie der libri carolini und der Synode von Frankfurt 794 ungemein bei.

Im Frühjahr des Jahres 787 nutze Karl die Gelegenheit der Bekanntmachung eines neuen Homiliars, „um damit auch eine allgemein Aufforderung zur Beschäftigung mit den Wissenschaften zu verbinden.“35 Mit Gottes Hilfe habe er die Bücher der Alten und Neuen Testaments, die durch das Unwissen der Schreiber ganze verderbt gewesen seien, exakt nach der Richtschnur korrigieren lassen (Z .28-30).

Das Widerherstellen (reparere) einer litterarumofficina (Z. 27) innerhalb einer umfassenden Bildungsreform wurde in dem Epistola generalis zum ersten Mal angekündigt36:

Mit einer weiteren Verlautbarung, verfasst von Alkuin von York, einem des bedeutendsten Hofgelehrten Karls, kritisierte er das allgemeine Unwissen. Irrtümer des Wortes seien gefährlich, noch gefährlicher die des Denkens und so müssen Studien der Wissenschaft betrieben werden um die Heilige Schrift in allen Anspielungen und ihren tieferen Sinngehalt erfassen zu können37.

Zweitens müsse aufgrund der Notwendigkeit der korrekten Liturgie eben jene Bildungsreform initiiert werden. Dabei wird in der Vorrede Admonitio generalis deutlich wie die kanonischen Satzungen und väterlichen Überlieferungen genauestens beachtet werden müssten. Er nehme sich hierbei ein Beispiel an König Josias, der sein Reich durch „durch Bereisen, Berichtigen und Belehren zur Verehrung des wahren Gottes“ zurückgeführt habe und berichtige Fehler, schneide Überflüssiges weg und setzt Rechtes durch39:


Die wirksame Gottesverehrung, so der Kern dieser Idee, war nur möglich durch die Eindeutigkeit des geschriebenen und gesprochenen Wortes.“40 Worte und Texte erlangten einen einzigartigen Stellenwert und standen im Dienst der göttlichen Wahrheit und der Gottesverehrung41. Diese Auffassung muss besonders im Hinterkopf bewahrt werden, wenn der Bilderstreit zum Zankapfel zwischen Karl dem Großen und Papst Hadrian I. wird.


1.4 Papst Hadrian I. und Karl der Große – Kontrahenten oder ideale Partner


Um dieses Ringen um Deutungshoheit auch päpstlicherseits zu verstehen, muss bis Mitte des 8. Jahrhundert, genauer 752 v. Chr. zurückgegangen werden. Mit Papst Stephan II. (752-757) fand ein grundlegender Umschwung in der Ausrichtung des Papsttums statt. Die zuvor unter der Oberherrschaft römischer Kaiser stehenden Päpste kehrten sich zusehends von Byzanz ab.42 Mit Stephan II. beginnend saß nun der römische Adel auf dem Stuhl Petris und die Päpste stammten nicht mehr aus dem byzantinischen Süditalien.

Eine Hinwendung gar zum Frankenreich fand durch die Angleichung des Münzgewichts an den im Langobardenreich von Karl eingeführten Silberdenar statt45. Erwähnenswert ist hierbei auch, dass die Entstehungszeit der bekanntlich gefälschten Schriftstücke zur Constitutum Constantini vermutlich unter Hadrian I. oder gar schon unter Stephan II verfasst wurden46. In diesem Zusammenhang ist verständlicher Weise auch die Pippinische Schenkung als „päpstliche Wunschphantasie“ aus dem Jahre 775 zu deuten.47 Hierbei ist sich die Literatur allerdings nicht einig und es besteht noch kein allgemeiner Konsens bzgl. des exakten Abfassungszeitpunkts48.

Doch eine Datierung in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich und unterstreicht damit den bewusst initiierten Ablösungsprozess von Byzanz. Besonders bemerkenswert ist, dass eben jenes Denken der Konstantinischen Schenkung in einem Brief Hadrians I an Karl den Großen von 778 deutlich zu finden ist49:


Wie zu Zeiten des heiligen römischen Papstes Silvester vom allerfrömmsten großen Kaiser Konstantin seligen Angedenkens durch seine Großzügigkeit die heilige, katholische und apostolische römische Kirche erhöht und emporgehoben worden ist und er die Gewalt (potestas) in diesen westlichen Gebieten des Abendlandes übertragen hat, so möge auch unseren und euren so glücklichen Zeiten die heilige Kirche Gottes, das heißt, des Apostels Petrus, emporsprießen und jubeln und immer mehr erhöht werden.“50 Dabei zeigt dieser Ausschnitt allerdings nur, dass in der Zeit Hadrians die Behauptung der Existenz einer Konstantinischen Schenkung kursierte51, nicht allerdings, dass schon eine (gefälschte) Urkunde gab.


Der Fürst der Apostel selbst, euer Gönner, der heilige Petrus, zu dessen Liebe ihr dies alles tut, wird euch schützen und in jeder Hinsicht das Reich zum Erfolg führen.“53 Diese Heilsversicherung Hadrians I. an Karl aus den Jahren (781-783) lässt deutlich werden, dass sich der Papst nicht als untergeordneter „zu-Beschützender“ versteht, sondern als derjenige aus dessen Autorität und Legitimität die Macht und der Erfolg des fränkischen Reiches entspringt.

Damit wird eben jenes Konfliktpotential deutlich, dass auch sich in der Auseinandersetzung des Bilderstreites findet. Wenn denn die göttliche Ordnung sowohl die Regeln und Ordnung in Kirche wie Reich bestimmt, birgt der Kampf um die höchste Autorität kirchliche Wahrheiten ein enormes Konfliktpotential.


2. Die Auseinandersetzung um die Stellung des Bildes im Glauben der Christenheit zur Zeit Karls des Großen


2.1 Die Ausgangssituation vor dem Konzil von Nicäa im Osten


Der byzantinische Bilderstreit, die Auseinandersetzung um die Frage, ob den Heiligenbildern entsprechende Verehrung gebühre oder ob sie als Götzenbilder zerstört werden müssten, ist in den Jahren 726 bis 843 im Reich von Konstantinopel mit äußerster Heftigkeit geführt worden und hat nach dem Westen wie nach dem Osten weit über dieses hinaus gewirkt, so dass manche Forscher geneigt waren, im Rahmen der Periodisierung der byzantinischen Geschichte geradezu von einer Epoche des Bilderstreits zu sprechen54.

Doch musste er selbst noch mit ansehen, wie sein Werk durch die arabische Invasion, die Byzanz weite Gebiete entriss, wieder zerstört wurde. Bald war im Osten nur noch, bei wechselnden Grenzlinien, Kleinasien übriggeblieben. Auf dem Balkan waren Slawen, Awaren und Bulgaren eingeströmt, und die bulgarische Herrschaft, die sich hier formierte, wurde zur ärgsten Bedrohung des Reiches.

In Italien fielen von Norden die Langobarden, von Süden die Araber ein. Einfälle in Kleinasien und Flottenunternehmungen brachten die Araber bis vor die Mauern Konstantinopels (674-678, 717-718), von der anderen Seite erschienen die Bulgaren (713, 813). Dem zentralisierten Staatswesen von Byzanz entsprach auch die einheitliche Rechtsprechung. 726, im gleichen Jahr, als der Bildersturm begann, brachte Leo III. die „Ekloge“, eine revidierte Ausgabe der wichtigsten Privat- und Staatsrechtsbestimmungen, heraus.

Im Wechsel der Kaiser wurde eine gewisse Kontinuität durch Dynastienbildung angestrebt, vor allem in Form des Mitkaisertums. Für den Verlauf des Bilderstreits war es nicht ohne Belang, dass jetzt die Kaiserin staatsrechtlich eine Aufwertung erfuhr.56


Trotz der kurz angedeuteten zahlreichen äußeren Bedrohungen des byzantinischen Reiches war der Ikonoklasmus allerdings „nicht die Krisenerscheinung eines zerrütteten Reiches, sondern bildete einen wesentlichen Orientierungspunkt für seine erfolgreiche Umgestaltung in einer von arabischer und bulgarischer Expansion gekennzeichneten Epoche“57. Kaiser Leon III. (717-741) als glühender Kämpfer und Verteidiger des christlichen Glaubens suchte nach neuen Wegen zur Legitimierung und Zentrierung der Staatsgewalt58.

Er setzte sich an die Spitze der ikonoklastischen Erneuerungsbewegung und versuchte die Kräfte des Reichs unter seiner militärischen und religiösen Führung zu bündeln.59 Die Verschränkung auch im Osten von politischer und kirchlicher Macht verdeutlicht 754 das Konzil von Hiereia. Kaiser Konstantin V. berief ein von den Teilnehmern als ökumenisch bezeichnetes Konzil in den vorstädtischen Palast von Hiereia ein60, zu dem keine päpstlichen Vertreter geladen waren.

Mit ihren gefassten Beschlüsse, auch bezüglich der kaiserlichen ikonoklastischen Theologie, sahen sich nun Kaiser und Reich geeint durch eine Reformtheologie, an deren Umsetzung das weltliche Oberhaupt des Reichs wesentlich mitgewirkt hatte61. Auch Konstantins antimonastische Klosterpolitik, ein rigoroses Vorgehen gegen die Hochburgen der Bilderverehrung, reiht sich nahtlos in das Bild seiner Reformen auf den Gebieten der Verwaltung, des Militärs, der Bevölkerungspolitik, der Finanz- und Wirtschaftspolitik, ein, die allesamt eine Zentrierung der Reichsherrschaft bezweckten62.

Das Zeitalter des ikonoklastischen Konsenses erreichte mit dem Antritt der Regentschaft Eirenes im Jahr 780 ein rasches Ende. Der Wechsel in der Kirchenpolitik gründete vermutlich in innenpolitischen Schwierigkeiten und Eirene wollte damit offenbar nach Westen hin Sicherheit aufbauen64. Zu diesem Zweck trat in Nicäa 787 ein Konzil zusammen um die Kirche im Dienste einer neuen Orthodoxie zu einen65.

Die Großzahl der Bischöfe stimmten einer nüchterner, zweifellos gemäßigt zu charakterisieren Ablehnung einer wesenhaften Verbindung zwischen Ikone und Dargestelltem zu. „Wer das Bild verehre, verehre in ihm die Person des Dargestellten. Den Bildern solle daher προσκύνησις, aber keine wahre λατρεια zu Teil werden. Im Gegensatz zu fränkischen Theologen, nahmen Gesandte Hadrians am Konzil teil und erhielt dadurch die Zustimmung des Papstes, der die Konzilsakten an den Frankenkönig weiterleitete.

Die Hoffnungen, die Eirene mit der Lösung der Kirchenfrage sowie der Aussöhnung mit dem Papsttum verbunden haben mag, erfüllten sich jedoch nicht, da sich Karl der Große vehement gegen die Beschlüsse bzgl. des Bildes des Konzils aussprach.

Wie in den vorrausgegangen Ausführungen deutlich geworden ist, steckte das Moment der römisch-päpstlichen Autorität zu tief in der karolingischen Geschichte, schon im Aufstieg des Geschlechts zur Herrschaft und erst recht im Herrschaftsprogramm von Karl selbst. Diese ausführliche Darstellung war notwendig, um nun in prägnanter Weise das Opus Caroli regis contra synodum (libri carolini) und die Frankfurter Synode von 794 als Ringen um die Macht weltlicher und kirchlicher Instanzen zu verstehen.

Dabei soll nicht die dogmengeschichtlichen Errungenschaften dieser Zeit im Vordergrund stehen, sondern alleine zur Sprache kommen, wenn sie einem tieferen Verständnis des Bilderstreits als Frage nach der Deutungshoheit im mittelalterlich-west-christlichen Ordnungsgefüge zuträglich sind. Dass dieses Ringen auch immer in Abhängigkeit zu Byzanz gesehen werden muss, ist besonders deutlich an dem „doppelten Spiel“ Hadrian zu erkennen, der versuchte im Vorfeld von Nicäa II. mit einem Brief an Byzanz und die Kaiserin Eirene eine Restauration päpstlicher Macht in Italien herzustellen und drohte dabei mit den militärischen Erfolgen und Stärke seines geistlichen Gevatters Karl66:

Der Brief hatte nicht nur das Ziel die römische Auffassung in der Bilderfrage durchzusetzen und den Vorrang Roms möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen, sondern auch eine qualitativ neue Bindung der Byzantiner an Rom anzubahnen68. Auch direkte Kontakte zwischen dem fränkischen Reich und Byzanz gab es (mit Schwankungen) ab 755 n. Chr. wieder. Doch allerdings fand eine Unterbrechung für ein ganzes Jahrzehnt ab 787 statt69.

Damit sollte die Bedeutung des byzantinischen Bilderstreits für die Entwicklung im Abendland nicht unterschätzt werden. So ist er doch unter anderem Ausgangspunkt für eine Polarität zwischen dem neuen Herrscher im Westen und dem Papst, die sich in den nachfolgenden Jahrhunderten immer wieder zeigte und mit der libri carolini und der Frankfurter Synode von 794 erstmals zum Vorschein trat70.


3.1 Die Stellung Karls des Großen zur Bilderfrage - theologische oder politische Reaktionen?


Nach dem Affront gegen die fränkische Theologie und damit auch Karl von 787, beauftragte Karl der Große 791 den Hofgelehrten Theodulf von Orléans das Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) zu verfassen71. In diesem Werk fand sich eine ausführliche Widerlegung der nicäaischen Kanones, die später als die libri carolini bekannt wurden. Innerhalb vermutlich ca. drei Jahre schuf Theodulf von 790/91 bis 793 (teils ironische) Worte, die Nicäa II luftige Arroganz und Missachtung wahrer Lehre vorwarfen.72 792 übermittelte man ein eigenständigen „Vorwerk“ Theodulfs: „Capitulare contra synodum“ an Hadrian I73.


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