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Seminararbeit / Hausarbeit

Gewalt in Subkulturen - Hardcorekonzerte

937 / ~3 sternsternsternsternstern_0.5 Karina F. . 2011
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Seminararbeit
Soziologie

Universität Kassel

2009 schäfer

Karina F. ©
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ID# 4690







Die Inszenierung von Gewalt in Subkulturen am Beispiel der Interaktionsform auf Hardcorekonzerten


Gewalt ist in unserer Gesellschaft unter anderem ein Mittel, um Macht auf andere auszuüben und böswillig zu verletzen. Im Folgenden möchte ich Gewalt als eine Form der Interaktionsform beleuchten, die sich deutlich von der Gewalt abgrenzt, die uns bekannt ist.

Dazu ist es wichtig, von der Gesamtgesellschaft Abstand zu nehmen und den Begriff der Gewalt in einem anderen Kontext zu sehen, nämlich in einer anderen Kultur, einer Subkultur.

Der Begriff Subkultur setzt sich aus dem lateinischen „sub“ und dem Wort „Kultur“ zusammen. „Sub“ bedeutet „niedriger, unter“, lässt also auf eine Unterabteilung der Kultur schließen und „Kultur“ beinhaltet alles nicht-biologische in der Gesellschaft, die Summe aller Normen, Bräuche und Institutionen einer Gesellschaft, sowie das Resultat des Sozialisationsprozesses.

Eine Subkultur ist also ein Teil einer Gesellschaft, der sich in Normen, Bräuchen und Institutionen von der Gesamtgesellschaft unterscheidet und ein System von Werten und Verhalten, das innerhalb einer Gesellschaft ein Eigendasein führt.

1947 brachte Milton Gordon den Begriff der „Subkultur“ das erstmals in wissenschaftlicher Diskussion ein, in der er sich auf ethnische Gruppierungen bezog.

Schwendter unterscheidet zwei Typen von Subkultur. Die „Teilkulturen“, die innerhalb der dominanten Mittelschicht-Kultur wirken und die „Gegenkulturen“, die in der Opposition zum herrschenden System wirken. Die Gegenkulturen wiederum unterteilt er in zwei Typen, die progressiven und regressiven Subkulturen.

In progressiven Subkulturen dienen Normen und Institutionen dazu, den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft aufzuheben und in einen neuen, von der Subkultur gewünschten Zustand zu versetzen. Ihr Ziel ist es, das gesamtgesellschaftliche Wertesystem umzugestalten. Dies äußern sie oft feindlich. Zudem stammen die Mitglieder meist aus dem Proletariat.

In regressive Subkulturen dienen Normen und Werte dazu, den vergangenen Stand der Gesellschaft wiederherzustellen. Die Mitglieder neigen dazu, Feindseligkeiten auf Ersatzobjekte zu übertragen und entstammen oft dem Kleinbürgertum.

Progressive Subkulturen unterteilt er in rationalistische und emotionelle. In rationalistischen Subkulturen wird viel Wert auf Analysen gelegt (z.B. Studenten- oder Intellektuellengruppen). Emotionelle legen eher Wert auf individuelle Freiheit und die Entwicklung individueller Bedürfnisse.

Zudem gibt es freiwillige und unfreiwillige Subkulturen. Die unfreiwilligen sind Gruppen wie zum Beispiel Obdachlose oder Gefängnisinsassen.

Goffman macht allerdings keinen Unterschied zwischen Stigmatisierten, die aufgrund bewußter Abweichung von der Kultur (der Gegenkultur) das Stigma auf sich genommen haben und Stigmatisierten, die ihr Stigma von vorneherein haben, da ihre Normen von denen der Gesamtgesellschaft abweichen.

Das bedeutet, dass für viele Anhänger einer Subkultur die Normen und Werte der Hauptkultur im Alltag gelten. Daher wird der Begriff heute eher durch den der „Szene“ ersetzt.

Um aus diesen jedoch manchmal ausbrechen zu können, schließen sich Menschen einer Szene an, in der andere Normen gelten. Sowie auch in der Hardcoreszene, die sich Anfang der 80er Jahre aus der Punkbewegung entwickelte.

Hardcorekonzerte wirken auf den ersten Blick extrem gewaltätig, wenn man von den Normen der Gesamtgesellschaft ausgeht. Die meisten Menschen im Publikum entblößen Oberkörper, um ihre Kraft und Männlichkeit zu untertreichen.

Der erste Titel, meist ein bekanntes Stück, um die Interaktion einzuleiten, wird gespielt und man kann die ersten Gewaltanzeichen beobachten, die sich durch gezielte Schläge und Tritte äußern. Bei der beobachteten Gewalt geht es jedoch nicht darum, jemanden böswillig zu verletzten, obwohl eine Absicht vorliegt.

Körperliche Verletzungen sind bis zu einem gewissen Grad selbstverständlich. Sie sind bewusst akzeptierte Effekte sozialen Handelns.

Diese Gewalt unterliegt aber bestimmten, subkulturellen Normen. Sie beginnt mit der Musik, wird von ihr koordiniert und endet mit ihr. Die Provokation und der Bruch mit den Alltagsnormen sind bewußt und als Abgrenzung zur Hauptkultur zu verstehen.

Die Abweichungen der subkulturellen Normen werden vom Publikum und der Band durch notwendige Gewalt sanktioniert.

Zu diesen Abweichungen zählen gezielte Schläge mit der Faust, gezielte Tritte und „feet-first-diving“. Die subkulturellen Gebote beinhalten das Auffangen der „Diver“ und den Gefallenen aufzuhelfen.

Die Sanktionierung ist Sache jedes Einzelnen, hat also nichts mit einer Machtmonopolisierung durch die Konzentration von Sanktionsgewalt zu tun.

Dabei ist die Freude Einzelner an die Freude Anderer gebunden und es entsteht eine „demokratische“ Struktur als charakteristische Eigenschaft des geselligen Spiels (Simmel).

Anders als bei anderen Konzerten existiert keine Trennlinie zwischen der Band und dem Publikum, die durch Security hergestellt wird. Die inszenierte Gewalt entsteht also nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne. Diese Gewalt und die dadurch entstehende Intensität führen dazu, dass Gewalt als Interaktionsform zur Vergemeinschaftung führen kann und stärkt sie durch die Abgrenzung von der Hauptkultur.

Wechselwirkende Bedingungen sind wichtig für die Verschmelzung bei Konzerten. Durch die Aufhebung der Trennlinie zwischen Band und Publikum, die ursprünglich unterschiedliche Positionen haben, wird das „Wir-Gefühl“ gestärkt und lässt Einzelne eine Gruppenzugehörigkeit erleben.

Die Inszenierung der Gewalt ist nur dann möglich, wenn eine Eskalation durch die subkulturellen Normen verhindert wird. Somit verhindert Gewalt als Sanktionsmacht Destruktion und ist dadurch sozial produktiv.

Die inszenierte und normierte Gewaltinteraktion, die in einem besonderen Rahmen mit dem koordinierenden und intensivierenden Faktor Musik bis hin zur völligen Verausgabung gesteigert wird, führt über ein stärkeres Zusammenrücken der Beteiligten zu einer Steigerung des subkulturellen Gemeinschaftsgefühls.



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