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Literaturanalysen zur Epoche Exilliteratur: Die Abitur & Hausaufgabenhilfe: Interpretationen zu Bertolt Brecht, Rose Ausländer, Else Lasker-Schüler, ... Domin, Heinrich Heine (Textanalysen, Band 3)
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Hamburg

Note, Lehrer, Jahr

14 Punkte 2013

Autor / Copyright
Erika K. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.13 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 31419







Gedichtvergleich
„Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“ von Max Herrmann-Neiße
„Ich liege wo am Wegrand“ von Else Lasker-Schüler

 

Die Gedichte „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“ und „Ich liege wo am Wegrand“ wurden beide zu Beginn des Nationalsozialismus im Exil verfasst. In beiden Gedichten verarbeiten die Schriftsteller ihre gegenwärtige Lebenssituation außerhalb Deutschlands. In dem Gedicht „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“ von Max Herrmann-Neiße aus dem Jahre 1933 beschreibt das lyrische Ich in wehmütig trauriger Weise den Verlust seiner Heimat, der einen gleichzeitigen Verlust seiner Lyrik bedeutet.

Das Gedicht besteht aus 4 Strophen mit jeweils vier Versen. Es liegt ein durchgehender Kreuzreim vor und das Metrum ist ein Jambus. Die Verse haben abwechselnd jeweils zehn oder elf Silben. Durch diese Regelmäßigkeit bekommt das Gedicht etwas Harmonisches und wird sofort eindeutig als Gedicht erkannt, was den Titel, in dem sich das lyrische Ich als Dichter bekennt, unterstreicht.

Der Titel „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“ bildet gleichzeitig den ersten und fünfzehnten Vers des Gedichtes. Diese Wiederholung macht den Verlust, unter dem das lyrische Ich leidet, noch deutlicher.

Zusätzlich gibt es die Alliteration „deutscher Dichter“, die einen melodischen Klang in die Zeile bringt. Das passt besonders zur ersten Strophe, in der das lyrische Ich seine Dichtung als mit „Melodie“ (Zeile 2) versehenes „Lied“ (Zeile 3) bezeichnet.

Die Personifikation seiner Heimat, die ihm die „Treue nicht gehalten“ (Zeile 5) hat und „sich ganz den bösen Trieben [hingab]“ (Zeile 6), zeigt, wie wichtig ihm diese ist.

Durch die Alliteration „fremde Ferne“ in Zeile 9 wird die große Distanz zur Heimat des lyrischen Ichs unterstrichen und bildet damit einen großen Gegensatz zu dem Wort „nah“. Die Diskrepanz der Sehnsucht nach seiner Heimat und der Tatsache, dass er fern von ihr leben muss, wird dadurch besonders betont.

Die Beispiele „Abendgiebel“ und „Schwalbenflüge“ malen dem Leser konkrete Bilder seiner Heimat, die ihm zu Herzen gehen.

Die ersten drei Strophen des Gedichtes handeln überwiegend von der Vergangenheit des lyrischen Ichs und seiner Heimat. In der vierten Strophe kommt es auf seine gegenwärtige Situation zu sprechen. Seine Dichtung wird im Exil nicht gelesen, was ihm wichtig ist, kann er nicht versprachlichen.

Er benutzt die Metapher „Spuk“ (Zeile), um zu verdeutlichen, dass sowohl sein Leben, als auch seine Dichtung etwas Unwirkliches bekommen hat.

Max Herrmann-Neiße floh nach dem Reichstagsbrand aus Deutschland über die Schweiz, die Niederlande und Frankreich nach England, wo er sich 1933 niederließ. Hier entstand sein Gedicht, in dem die Schrecken des Nationalsozialismus angedeutet werden („Die Heimat hat mir ihre Treue nicht gehalten, Sie gab sich ganz den bösen Trieben hin“ (Zeile 4 f.)) und die Schwierigkeit beschrieben wird, im Exil zu leben.

 

Im Gedicht „Ich liege wo am Wegrand“ von Else Lasker-Schüler aus dem Jahre 1935 beschreibt diese ein dunkle, aussichtslose Situation, in der sich das lyrische Ich befindet. Hinweise auf eine schöne Vergangenheit lassen die gegenwärtige Situation umso trister erscheinen.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen. Die ersten drei Strophen bestehen aus jeweils drei Versen, die letzte aus nur zwei. Das Gedicht hat ein unregelmäßiges Reimschema. Allerdings treten nur zwei gleiche Reimendungen durch das ganze Gedicht hindurch auf. Die einzige Ausnahme bildet Zeile 8. Das Metrum ist fast durchgehend ein Jambus. Eine Ausnahme bildet Zeile 7.

Durch die immer wiederkehrenden Reimendungen und den fast durchgängigen Jambus erhält das Gedicht eine gewisse Harmonie. Es gibt jedoch auch Brüche. Zum Beispiel hat die letzte Strophe nur zwei Verse und in der dritten Strophe wird sowohl das Reimschema, als auch das Metrum durchbrochen. Außerdem sind die einzelnen Verse hier kürzer als in den anderen Strophen.

Else Lasker-Schüler ist 1933 als Jüdin nach Zürich emigriert, unternahm mehrere Israelreisen und blieb schließlich dort. Ihr Gedicht entstand 1935 und es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich beim „Grauen“ (Zeile 4) und der Finsternis, die sie beschreibt, um die Vorgänge im dritten Reich handelt.

Die Metaphern der ersten Strophe (z.B. „finstere kalte Nacht“) schildern die Schwierigkeit und Ausweglosigkeit der Situation, die rhetorische Frage „Wo soll ich auch noch hin – von Grauen überschattet [?]“ in der nächsten Strophe verstärkt das noch.

Neben dem Grauen steht in diesem Gedicht jedoch auch die Schönheit, die allerdings zerstört wurde. Else Lasker-Schüler schreibt von schönen „Liedern“ (Zeile 5), „weite[n] Himmel[n]“ (Zeile 6) und „heilige[r] Liebe“ (Zeile 7). Durch die Neologismen „übermattet“ (Zeile 1), „blauvertausendfacht“ (Zeile 6) und „blumumblattet“ (Zeile 11) wird sowohl das Grauen, als auch die Schönheit intensiviert, wodurch der Kontrast zwischen den beiden verstärkt wird.

In der dritten Strophe bekommt das Gedicht eine religiöse Dimension und es zeigt sich, dass die ganze Menschheit und sogar Gott von dem beschriebenen Grauen betroffen ist. Ihr persönliches Leid wird hier in einen größeren Kontext gestellt. Dieser Teil des Gedichts scheint mir eine herausragende Rolle zu spielen, da hier ein starker Bruch vorliegt. Sowohl das Metrum, als auch das Reimschema werden durchbrochen und die einzelnen Verse sind kürzer als in den anderen Strophen.

In der letzten Strophe verändert sich das Gedicht dann zu einen Liebesgedicht. Das lyrische Ich stellt hier seine Liebesgeschichte in die Menschheitsgeschichte, in eine enge und dunkle Schachtsituation. Dennoch ist es eine „paradies[ische]“ (Zeile 11) Liebesgeschichte.

 

In beiden Gedichten wird die Exilsituation des lyrischen Ichs beleuchtet. Die Vergangenheit und Heimat wird wehmütig und sehnsüchtig geschildert und die Hoffnungslosigkeit wird durch Verse wie „Und zähl schon zu den Toten längst bestattet“ (Ich liege wo am Wegrand, Zeile 3)  und „So kann nur ihr Traumbild noch gestalten“ (Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen, Zeile 7) verdeutlicht.

Die gegenwärtige Situation in der Heimat wird jedoch in beiden Gedichten negativ dargestellt. In Max Herrmann-Neißes Gedicht hat „die Heimat [ihm die] Treue nicht gehalten“ und Else Lasker-Schüler beschreibt, wie „die heilige Liebe […] blind [zertreten]“ wurde.

Während das Gedicht „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“ eine klare, harmonische Form hat, enthält das Gedicht „Ich liege wo am Wegrand“ wesentlich mehr Brüche, was auch mit dem Inhalt korrespondiert.

Das erste Gedicht ist nämlich auch inhaltlich viel deutlicher und einfacher zu verstehen. Es ist offensichtlich, dass das lyrische Ich sich im Exil befindet und seine Situation wird  klarer und konkreter geschildert als im zweiten Gedicht.

Im ersten Gedicht beschreibt das lyrische Ich ausschließlich seine persönliche Situation im Exil. Im zweiten Gedicht wird diese zwar auch beschrieben, jedoch kriegt das Gedicht in der dritten Strophe etwas Überpersönliches und in der vierten Strophe kommt noch eine weitere Person ist Spiel. Das zweite Gedicht hat also, anders als das erste Gedicht nicht ein, sondern drei Themen (die persönliche Situation des lyrischen Ichs, die Bedeutung des gegenwärtigen Grauens für die gesamte Menschheit und Gott und die Liebesbeziehung des lyrischen Ichs) und deshalb eine unregelmäßigere Form.

Desweiteren geben die Neologismen bei Else Lasker-Schüler dem Gedicht einen anderen Charakter. Anders als bei Max Herrmann-Hesse muss der Leser hier bereit sein, sich auf etwas Neues einzulassen. Möglicherweise spiegelt das ihre Situation im Exil wieder, in der sie neu anfangen und sich ebenfalls immer wieder auf Neues einlassen musste.

 


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