Die Bundestagsrede - Loriot
Textanalyse
Bei dem vorliegenden Text von Loriot (Vico von Bülow) „Die
Bundestagsrede“ handelt es sich um einen satirischen Prosatext, welcher 1974 in
„Loriots dramatische Werke“ veröffentlicht wurde. Der Titel des Prosatextes sowie
der nach dem ersten Lesen gewonnene Eindruck, lassen vermuten, dass sich der
Autor kritisch mit den Bundestagsreden auseinandersetzt, bei denen es in erster
Linie nicht um die anstehenden Probleme und Fragen geht, sondern um die Wirkung
nach außen, also um das Prestige
Im ersten Abschnitt des Prosatextes stellt ein Moderator den
Politiker Werner Bornheim vor. Hier wird ein kurzer Lebenslauf gegeben und die
wichtigsten Daten zu seiner politischen Karriere. Es wird gesagt, dass sich
„die Szene in Bonn verändert“(Z.2) und dass ein parteiloser Abgeordneter namens
Werner Bornheim, denn Anstoß für eine neue Politik geben könnte. Im Folgenden
wird ein kurzer geraffter Lebenslauf des Politikers dargestellt. Durch diesen
Lebenslauf zeigt sich, dass Herr Werner Bornheim unter dem Vorwand Gewissensgründe
zu haben wiederholt die Fronten gewechselt hat; somit war er damals in jeder
Partei einmal oder mehrmals vertreten. Zuerst war er Mitglied in der LAP, dann
der CDU, wechselte zur FDP, wurde dann Landtagsabgeordneter der SPD, wurde 1964
CSU-Abgeordneter und war dann noch je zweimal Abgeordneter der SPD und CDU,
bevor er sich parteilos erklärte. Hiermit wird deutlich, dass es Werner
Bornheim um keine Inhalte des Parteiprogramms ging, sondern nur darum, was für
ihn, persönlich und ökonomisch gesehen, das Beste war. Loriot will damit
aufmerksam machen, dass es in jeder Partei „Werner Bornheims“ gibt, die nicht
die Partei sondern nur sich selbst sehen. Der Moderator sagt nun, dass die
Rede, die Werner Bornheim am Montag im Deutschen Bundestag gehalten hat, eine
„Unbestechlichkeit“(Z.15) und eine „politische Linie“ (Z.15) besitzt, die ihm
bis jetzt noch in keiner „Äußerung von Seiten der Regierung“ (Z. 17) zu Ohren
gekommen ist. Nach Ansicht des Moderators handelt es sich hier um eine
außergewöhnliche politische Rede, die den Zuschauer nun erwartet.
Im Folgenden kann nun der Zuhörer die Rede des Werner
Bornheim vom vergangenen Montag mit verfolgen.
Im ersten Satz möchte Herr Werner Bornheim den
Zuschauerrinnen und Zuschauern kurz erklären, was Politik bedeutet, kommt aber
zu keiner klaren Äußerung, da er mit anderen unwichtigen Aspekten um „den
heißen Brei“ herumredet. Das gleiche erfolgt nun bei seinem politischen
Standpunkt, den er ebenfalls nicht näher erläutert.
Er redet sich mit anderen Dingen, die für ihn wichtig sind,
heraus. „Wer hat denn“(Z. 31), so fängt der dritte Satz seiner Rede an; diese
Phrase wird letztendlich nicht zu Ende geführt, sodass die Zuschauerrinnen und
Zuschauer nicht wissen, was Herr Werner Bornheim sagen wollte. Weitere Themen,
wie die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, seine
politischen Gegner oder auch die Städte London und Brüssel, zwei wichtige
Städte der Europäischen Union, spricht er an verrät den Zuschauern aber nicht
seine Meinung dazu. Die beiden folgenden Sätze geben überhaupt keinen Sinn und
haben im gesamten keine Aussagekraft; es werden nicht einmal Schlagwörter, wie
in den vorherigen Sätzen erwähnt. Er kommt nun auf die Altersvorsorge zu
sprechen und möchte den Bürgerinnen und Bürgern etwas darüber erzählen, was
seit fünfzehn Jahren „in Gange ist“, führt aber mal wieder beide Aspekte nicht
aus; auch beim Umweltschutz führt er nicht weiter aus, worum es ihm eigentlich
geht. Das gleiche gilt bei der Lohn- und Preispolitik. Der Satz zwischen den
Themen Umweltschutz und Lohn- und Preispolitik, ist ein Satz ohne Sinn und
Verstand. Zu politischen Fragen, wie Lohn- und Finanzpolitik, Finanzplanung und
Steuerreform gibt es keinen inhaltlichen beziehungsweise politischen Standpunkt
seinerseits.
Auch die Schlusssätze haben weder Sinn noch geben sie eine
politische Meinung wieder. Mit den Worten „Ich danke Ihnen...“(Z.49) beendet er
seine Rede.
Fasst man den Gehalt des Textes zusammen, so kann man sagen,
dass Loriot die Bundestagsreden „auf die Schippe“ nimmt. Loriot führt alle
rhetorisch Mittel vor, die in politischen Reden gang und gebe sind; die Rede
von Werner Bornheim besteht nur aus rhetorischen Floskeln, Schlagwörtern und
Phrasen. Hier soll deutlich werden, dass politische Reden etwas Manipulierendes
haben, weil sie in der satirischen Form keinen Inhalt besitzen.
Die Rede zeigt, dass Werner Bornheim keiner seiner Sätze
vervollständigt und nie den Gedanken, den er anspricht, zu Ende denkt. Weder in
argumentativer noch in persönlicher und politischer Hinsicht lässt sich
irgendeine Position oder Linie erkennen. Auch unterliegt sie keiner
Beeinflussung, da sie sich keiner politischen Gruppe zuordnet. Hier wird
deutlich, dass sie, eben wie der Moderator schon gesagt hat, durch
„Unbestechlichkeit“ (Z.21) besticht. Werner Bornheim will sich damit
„produzieren“ und sich jede erdenkliche Möglichkeit offen halten, um schnell
die Position wechseln zu können; je nachdem was für ihn persönlich und
ökonomisch das günstigste ist.
Der Titel „Die Bundestagsrede“ zeigt eindeutig, was Loriot
„auf die Schippe“ nimmt: Bundestagsreden werden vielfach „zum Fenster hinaus“
gehalten, das bedeutet es geht hauptsächlich nicht um die bevorstehenden
Probleme (wie z.B.: die Weltwirtschaftskrise oder Armut) und Fragen (z.B.: Wie
lösen wir am besten die Weltwirtschaftskrise?), sondern um die Wirkung nach
außen, also um das Prestige.