- Der Tanzbär -
Interpretation
Die Fabel "Der
Tanzbär" wurde von dem Dichter Gotthold Eprahim Lessing geschrieben.
Lessing war ein bedeutender Dichter der Aufklärung. Mit seinen aufklärerischen
Werken gehört er heute zu den wichtigsten Dichtern der Literatur. In der Zeit
der Aufklärung wandte sich die Literatur an ein bürgerliches Publikum, sie
wollte also nicht mehr einen Fürsten hervorheben, wie im Absolutismus, die
davor herrschte.
Zuerst möchte ich den
Aufbau und typische Merkmale einer Fabel erläutern. Eine Fabel ist eine Kurzgeschichte
mit belehrender Absicht, in der Tiere oder Pflanzen menschliche Eigenschaften
besitzen (Personifikation). Eine typische Fabel beginnt zunächst mit einem
vorangestellten Lehrsatz (Promythion). Dann beginnt die Handlung, indem die
Ausgangssituation dargestellt wird (actio). Danach wird die Reaktion des
Betroffenen widergegeben (reactio) und darauf folgt das Ergebnis der Handlung.
Meist endet eine Fabel mit einer Moral bzw. einer Lehre. Von der Frage, ob
"Der Tanzbär" eine Fabel ist, wird am Ende dieser Interpretation die
Rede sein.
Die Fabel "Der
Tanzbär" handelt von einem Bär, der aus der Gefangenschaft flieht und in
den Wald zurückkehrt. Dort gibt er mit seinen Tanzkünsten an und erkennt nicht,
dass sie Ausdruck seiner Sklaverei sind. Es handelt sich um eine Parabel, die
im Weiteren auf einen Hofmann angewandt wird, der sich ebenso wie der Bär für
die Macht versklavt und seine menschlichen Ideale und Tugenden opfert.
Wenn es um die äußere
Form der Fabel geht, ist sie ähnlich wie ein Gedicht aufgebaut, die aus 17
Versen besteht. Des Weiteren reimen sich die Verse am Ende. In den ersten vier
Versen gibt es einen umarmenden Reim, das heißt, der erste und vierte Vers und
der zweite und dritte Vers reimen sich jeweils. Die restlichen Verse sind von Paarreimen
geprägt. Dort reimen sich immer zwei aufeinander folgende Verse am Versende.
Der Tanzbär, der
seiner natürlichen Lebensweise mit Gewalt („der Kett’ entrissen“) entfremdet
ist, kehrt als vermeintlicher Künstler in seine ursprüngliche Weltabgeschiedenheit
zurück. Offensichtlich hat er sich in der Welt Prahlerei und Geltungsbedürfnis
zu seinem Eigenen gemacht. Das fordert die Kritik des alten Bären heraus, der
mit ironischem Unterton nicht ausschließt, dass das von dem jungen Bären
vorgeführte Stück Kunst sei („Dergleichen Kunst, sie sei so schwer, sie sei so
rar sie sei“). Das Missfallen des Alten zielt auf die kritiklose Anpassung des
jungen Bären, der sich seiner Natur hat entfremden lassen und stolz auf die
Kunst derer ist, die ihn versklavt haben.
Die Fähigkeit des
Tanzens unterscheidet den Tanzbären von den anderen und stellt ihn höher. Er
ist sich dessen bewusst und genießt es. Anstatt den anderen Bären beim Lernen
des Tanzens behilflich zu sein, oder sich zumindest ihre Entwicklung
anzupassen, prahlt er mit seinem Können. Die anderen Bären werden daraufhin
wütend und diese Wut führt zur Vertreibung des Tanzbären ("Geh", Vers
7).
Die Fabel, besser
gesagt, das Gedicht endet mit einer rhetorischen Frage in den letzten beiden
Versen, welche die Moral wider gibt. Wenn man genauso ist, wie alle anderen, so
wird man integriert. Unterscheidet man sich jedoch durch besondere Fähigkeiten
von der Masse, so muss man darauf achten, nicht mit diesen Fähigkeiten zu
prahlen. Am Anfang wird man zwar bewundert, aber im Nachhinein wird diese
Bewunderung in Neid umschlagen und es entsteht Hass. Dabei ist nicht die
Fähigkeit selbst das Entscheidende, sondern die Absicht, sich von den anderen
abzuheben und etwas “Besseres” zu sein. Kurz gesagt, zeigt das Gedicht, dass Kunst
durch die Absicht zu belehren, an Eleganz verlieren kann.
Nun greife ich
nochmal auf die Frage zurück, ob dieses Werk von Gotthold Eprahim Lessing
wirklich eine Fabel ist. Meines Erachtens kann man sein Werk als eine Fabel
bezeichnen, denn der Aufbau und etliche Merkmale stimmen mit einer typischen
Fabel überein.
Das erste Merkmal,
welches schon beim ersten Lesedurchgang auffällt, ist die Personifikation der
Tiere. In der Fabel unterhalten sie sich, wie Menschen, miteinander. Das zeigt,
dass hier Tiere mit menschlichen Eigenschaften dargestellt wurden. Wenn es um
den strukturellen Aufbau der Fabel geht, erkennt man ebenfalls, dass Lessings
Werk einer typischen Fabel entspricht. In den ersten vier Versen wird die
Handlung mit der Ausgangssituation erst einmal vorgestellt. Der Tanzbär flieht
in den Wald und tanzt. Anschließend wird die Handlung ausgelöst, als der
Tanzbär die anderen Bären anspricht. Mit der Gegenaussage "Geh" (Vers
7) eines anderen Bären, wird eine Reaktion ausgelöst. Diese dargestellte Ausgangssituation,
die Aktion des Tanzbären und dementsprechend die Reaktion des anderen Bären,
ist zunächst sehr identisch mit den Merkmalen einer typischen Fabel. Auch im
weiteren Verlauf der Fabel, wird bemerkbar, dass Lessings Gedicht eine richtige
Fabel ist und dies möchte ich weiterhin belegen.
In einer typischen
Fabel wird nach der Reaktion die Handlung komplett aufgelöst und ein Ergebnis
entsteht. Bezieht man es auf diese Fabel, erkennt man, dass sie ein Ergebnis
darstellt. Nachdem der Tanzbär mit seiner Tanzkunst angibt und daraufhin die
anderen Bären ihn auffordern zu gehen, wird indirekt deutlich, was der Tanzbär
mit seiner Arroganz angestellt hat. Die Auslösung der Handlung, also das
Tanzen, führt zum Ergebnis, dass die anderen Bären ihn beneiden und
verscheuchen wollen.
Eine richtige Fabel
beinhaltet fast immer eine Moral am Ende und das gibt es auch in Lessings
Fabel. In den letzten beiden Versen wird die Moral als rhetorische Frage
formuliert. Diese Frage: " Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Schließt das Lob oder Tadel ein?" (Vers 16/17) sagt indirekt aus, dass man
mit einer besonderen Fähigkeit andere belehren soll, um gelobt zu werden. Der
Tanzbär hätte also seine Besonderheit, nämlich das Tanzen, benutzen sollen,
indem er es den anderen Bären beibringt. Stattdessen hat er damit eine Arroganz
ausgestrahlt, die die anderen Bären eifersüchtig gemacht hat. Sie wollten ihn
nicht mehr und somit wurde der Tanzbär aus seiner Gesellschaft ausgegrenzt. Die
Moral steht am Ende einer typischen Fabel und damit wurde erneut belegt, dass
Gotthold Eprahim Lessings "Der Tanzbär" eine typische Fabel,
allerdings in Gedichtform, ist.